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Das Klassik-Prisma |
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Bernd Stremmel |
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Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 7 E-Dur
Allegro moderato – Adagio. Sehr feierlich und sehr langsam
– Scherzo. Sehr Schnell – Finale. Bewegt, doch nicht schnell
Mit seiner 7. Sinfonie
gelang Bruckner endlich die ersehnte Anerkennung als Komponist. Die
Uraufführung im Leipziger Gewandhaus unter Leitung von Arthur Nikisch am 30.
Dez. 1884 wurde vom Publikum teils wohlwollend, teils auch noch ablehnend
aufgenommen. Die kurz darauf folgende zweite
Aufführung am 10. März des folgenden Jahres im München unter Leitung von
Hermann Levi, dem Dirigenten der Uraufführung des Parsifals, brachte dann den
Durchbruch, Constantin Floros spricht im Beiheft der letzten Karajan-CD von
einem „Triumphzug für Bruckner“.
Bruckner arbeitete
zunächst an den Sätzen 1 und 3, danach nahm er sich das Adagio vor, in
Vorahnung des Todes von Richard Wagner, der dann tatsächlich bald eintrat. Der
Höhepunkt im Adagio bei Buchstabe W, Takt 177 ff, sowie die folgende
Trauermusik wurden „zum Andenken an den
Hochseligen, heißgeliebten unsterblichen Meister“ komponiert. Danach
entstand noch das Finale. In den beiden zuletzt komponierten Sätzen verwendet
Bruckner zum ersten Mal einen Satz Wagner-Tuben, auch Nibelungen-Tuben genannt,
die einen weichen, dunkel getönten Klang von sich geben, zur Erinnerung an den
Verstorben.
Nach der Münchner
Aufführung drängten wohlwollende Freunde den Komponisten zu einigen kleinen
Veränderungen in der Partitur. So kam der Beckenschlag mit Triangel-Tremolo auf
dem Höhepunkt des 2. Satzes dazu. Insgesamt erfuhr die 7. Sinfonie jedoch keine
Revisionen oder neu komponierte Teile oder Sätze wie bei den vorausgegangenen
Sinfonien, ausgenommen Nr. 5 und 6. Den Erstdruck bei Gutmann in Wien bezahlte
der Widmungsträger König Ludwig II. von Bayern, dem das Adagio so gut gefiel,
dass er es sich im verdunkelten Münchner Hoftheater mehrmals vorspielen ließ.
Die erste revidierte Fassung brachte Robert Haas heraus (1944) und Leopold
Nowack veröffentlichte seine revidierte Fassung 1954.
Im 1. Satz wird das
zweiteilige 1. Thema zweimal hintereinander dargeboten, zuerst von den Celli,
unterstützt vom 1. Horn, das in T. 6 von den Bratschen abgelöst wird, während
die Geigen einen Klangteppich auslegen. Beim zweiten Teil des Kopfthemas tritt
dann noch die erste Klarinette hinzu, die man in fast allen hier vertretenen
Aufnahmen jedoch kaum hört. Bevor jetzt das Kopfthema vom gesamten Orchester
vorgestellt wird, lässt Bruckner in der Gutmann-Partitur einen halben Takt
vorher einen Hornton, den Dominantton h, in
Vorbereitung auf die Grundtonart E-Dur, leise erklingen. Die älteren
Dirigenten, die in ihrem Berufsleben nur mit dieser Gutmann-Ausgabe gearbeitet
haben, bringen diesen leisen Hornton: Schuricht, Furtwängler, Andreae, Abendroth, Knappertsbusch,
Szell, van Beinum, Barbirolli,
Ormandy, Matacic, Kabasta,
Fried, Horenstein und Jochum (nur BP). Eine weitere
Hornstimme ist bei Rosbaud in den Takten 125/26 (3.
Th.) zu hören, quasi als Einleitung zu der Hornstelle in den folgenden Takten,
die leider oft im Klang untergeht. Deutlich wahrnehmbar ist sie bei Klemperer,
Andreae, Rosbaud, HvK-70, -75 und -89. Nach der
knappen Durchführung mit allen drei Themen beginnt die Reprise mit Thema 1 in
C-Dur (T. 249 ff), wunderbar blüht die Musik auf. Bevor es jedoch mit der
zweiten Hälfte des Themas weitergeht, bricht Bruckner ab und wagt einen neuen
Versuch, jetzt in d-Moll, wobei sich das Thema aufzulösen scheint. Nach 16
Takten dann ein kurzer dritter Versuch in Es-Dur, nach nur vier Takten ist der
Spuk vorbei. Bei Walter klingt die Stelle wie unwirklich, auch bei Klemperer,
Andreae, Furtwängler, Mrawinsky, Jochum-BP und
Blomstedt-Dresd. Nach einem kurzen Innehalten setzt
dann nach diesen drei Scheinreprisen die eigentliche Reprise in der Grundtonart
E-Dur ein, zwar leise, aber umso eindringlicher, sofern die Dirigenten diesen
Moment nicht gleichgültig vorüberziehen lassen.
Beim Finale des 1.
Satzes treten die beiden Teile des 1.Themas in umgekehrter Reihenfolge auf. Wie
schon zu Beginn bringen Celli und Bratschen die zweite Themenhälfte, dazu
spielen versetzt Oboen und Flöten einen Kontrapunkt. Hier lässt Bruckner die
Musik richtig aufglühen. Einen entscheidenden Beitrag dazu leistet die Pauke,
die zum ersten Mal in diesem Satz - mit einem Wirbel auf e als Orgelpunkt -
mitspielen darf, sich ab dem 3. Takt bis zum Höhepunkt T. 401 immer mehr
steigert und dann bis zum Ende dieses Abschnitts wieder leiser wird. Eine
großartige Musik! Sehr überzeugend bei Jochum-BP, van Beinum
und Abbado. Das abschließende Finale mit dem ersten Teil des Themenkopfs klingt
wie ein Triumph, laut und prächtig, es kann aber nicht mit der Innerlichkeit
der vorhergehenden Takte aufwarten.
Das Adagio in der
parallelen Moll-Tonart cis-Moll ist sehr breit gearbeitet. Wie schon oben
angedeutet, erweiterte Bruckner das Klangspektrum um 4 Tuben und eine
Kontrabasstuba. Nachdem die beiden Themen mehrmals durchgeführt wurden, beginnt
bei Partiturziffer S (T.157) der Aufbau des mächtigen
Höhepunktes, der nach mehreren Aufschwüngen bei Ziffer W (T. 177-180) erreicht
wird. Die meisten Dirigenten bringen hier den Beckenschlag (samt Triangel), der
ursprünglich nicht vorgesehen war, jedoch von Bruckner nachträglich
sanktioniert wurde. Folgende Dirigenten verzichten jedoch darauf: Walter,
Abendroth, Wand, Konwitschny, Otterloo, Sanderling, Asahina, Tintner, Gielen, Masur,
Blomstedt, Harnoncourt, Inbal, Lopez-Cobos und Herreweghe. Ein Sonderfall ist Carl Schuricht:
in seiner ersten und letzten Aufnahme ist er da, bei den Rundfunkaufnahmen 1953
und 1954 fehlt er. Der zweite Satz klingt aus mit der eindringlichen
Trauermusik der Flöten, der Tuben, hinzu tritt hier eine beinahe
herzzerreißende Klage der Hörner, sehr überzeugend bei Blomstedt, Otterloo, Jochum, HvK-71 ff, Giulini,
Maazel, Inbal und Herreweghe.
Dann folgt eine tieftraurige Musik der Streicher und Flöten, hier fühle ich
mich an die Stelle in Walküre II. Akt erinnert, als Siegmund zum Kampf mit Hunding aufgebrochen ist und Sieglinde verlassen hat (T.
193 ff). Für den Abschluss sind dann die Tuben und Hörner zuständig, die
feierlich über dem Cis-Dur-Klang der Streicher fünfmal den Kopf des 1. Themas
bemühen.
Das Scherzo ist
weitgehend monothematisch angelegt, wie ein Signal. Der Seitengedanke, die
zweite Hälfte des Themas, bleibt episodenhaft, auch wenn er im Mittelteil des
Satzes quasi wie eine Durchführung eine größere Beachtung findet. Der wie
penetrant ständig wiederholte Themenanfang erinnert irgendwie an die Nibelheim-Szene in Wagners Rheingold mit ihren hämmernden
Ambossen. Dem nur episodenhaften Trio fehlt ein einprägsames Thema, immer
wieder wechseln sich in anderer Instrumentation ein 4-Takt-Motiv ab, auch als
Engführung, und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Den musikalischen
Reichtum der ersten beiden Sätze sucht man hier und auch im Finale vergebens.
Der Schlusssatz mit
seiner kleinteiligen Anlage scheint von Anfang an auf das Finale konzipiert.
Die Durchführung ist äußerst knapp gehalten und wird
in ihrer Funktion vom Hörer kaum wahrgenommen. Immer wieder wird der Fluss der
Musik durch blechgepanzerte Einwürfe unterbrochen. Man kann die Frage stellen,
ob hier die feierlichen Tuben noch erforderlich sind. Vielleicht hat die
relative Kürze dieses Satzes nach den ausgedehnten zwei ersten Sätzen auch zum
Erfolg der Sinfonie beigetragen.
„Gerade die 7. Sinfonie
wurde sowohl wegen der grossen Schönheit und Prägnanz
ihrer Themen, als auch wegen des Reichtums und der Leuchtkraft ihrer
instrumentalen Farben sofort nicht nur zum Liebling der Konzertbesucher,
sondern nach der Erfindung der Schallplatte auch zum meist eingespielten Werk
Bruckners in der Zeit der Schellackplatte.“ (Wolfgang Georgy im Booklet der Oskar
Fried-CD). Die ersten Aufnahmen waren:
1924 Oskar Fried,
Staatskapelle Berlin
1928 Jascha Horenstein, Berliner Philharmoniker
1935 Eugene Ormandy,
Minneapolis Symphony Orchestra
1935 Eugen Jochum,
Wiener Philharmoniker
1938 Carl Schuricht, Berliner Philharmoniker
1942 Oswald Kabasta, Münchner Philharmoniker
Bruckner hielt eine
Bearbeitung oder Revision seiner 7. Sinfonie für nicht erforderlich, er wurde
auch nicht von seinen Jüngern dazu gedrängt, schade, den Sinfonien Nr. 4 und 8
hat es meiner Ansicht nach gutgetan. Der Übergang vom 2. zum 3. Satz kommt mir
wie eine kalte Dusche vor, als wenn ich aus der Wärme plötzlich ins Kalte
gestürzt würde, dass passt m. E. nicht gut zusammen. Im Konzertsaal kann man da
eine Pause machen, dann fällt der Wechsel nicht so auf. Das Scherzo klingt ein
bisschen so, als wollte die Musik sagen: Jetzt
müssen wir mal wieder andere Saiten aufziehen! Sie ist weitgehend
monothematisch und auch deshalb klingt sie bei den lauten Stellen als viel zu
lärmend. Auch das Finale mit seinen kurzatmigen Themen, das Hauptthema ist aus
dem des 1. Satzes entwickelt, klingt irgendwie nach einer Verlegenheitslösung.
Nur ganz wenige Dirigenten schaffen es durch geschickte Artikulation und guter
Tempowahl dieses Manko zu überspielen, z. B. Nagano.
Für mich ist die 7.
eine „Unvollendete“, nicht dass etwas fehlte, sondern dass nach einer Revision
die musikalischen Gestalten/Themen vielleicht besser aufeinander abgestimmt
worden wären, ein Gewinn für die Musik. Ich könnte mir auch denken, dass der 3.
Satz durch einen anderen hätte ersetzt werden können, bei der 1. und 4.
Sinfonie gelangen ihm zuvor andere (überzeugendere) Lösungen. Das Niveau
zwischen den beiden ersten und beiden letzten Sätzen in der vorliegenden
Fassung ist nicht dasselbe. Bruckner jedoch durften solche Gedanken nicht
plagen, er gab sein Werk erst einmal in die Hände eines Dirigenten, der damit
Erfolg versprach und auch brachte, worüber der Komponist glücklich war und sich
erleichtert Neuem zuwandte.
Wer als Ergebnis meiner
Untersuchungen wieder wenige Top-Aufnahmen erwartete, wird jetzt verwundert
sein über die große Anzahl in der obersten Kategorie. Das ist nicht als Zeichen
von Ratlosigkeit zu verstehen, sondern spiegelt das insgesamt sehr hohe Niveau
der Interpretationen wider. Meine Beurteilungen erfolgten ohne Berücksichtigung
der erwähnten Vorbehalte zur Form der beiden letzten Sätze.
Hinweise
zu Interpreten und ihren Interpretationen:
Carl
Schuricht
Der 1880 in Danzig geborene Schuricht nahm die 7. Sinfonie von Bruckner bereits im Jahre
1938 mit den Berliner Philharmonikern für Polydor/DGG auf, am Ende seiner
Dirigentenlaufbahn dann noch einmal für Concert Hall, vor ein paar Jahren von Scribendum neu herausgegeben. Als Orchester wird das
Philharmonische Orchester Den Haag genannt, vermutlich handelt es sich jedoch
um das jahrelang von Willem van Otterloo betreute
Residenz Orchester, das hier aus Lizenzgründen unter anderem Namen geführt
wird. Auch bei anderen Orchestern (London, Wien) ist so etwas bekannt. Neben
diese beiden Studioproduktionen gesellen sich noch drei Konzertmitschnitte aus
Stuttgart und Hamburg mit den dortigen Rundfunkorchestern, mit dem ersten hat
er nach dem 2. Weltkrieg regelmäßig konzertiert. Neu hinzugekommen ist ein
Mitschnitt von den Salzburger Festspielen aus dem Jahre 1964. Schurichts Interpretationen der Bruckner-Sinfonien zeignen sich aus durch Klarheit in der Stimmführung,
transparente Klangbilder, flüssige Tempi und jegliches Fehlen aufgesetzter
Bedeutungsschwere. Davon geben alle der hier genannten Aufnahmen Kunde und
empfehlen sich als gültige Interpretationen der 7. Sinfonie. Für heutige
Musikfreunde werden sie weniger interessant erscheinen, da die klangliche
Präsentation im Hinblick auf ihre Entstehungszeit eher bescheiden zu nennen
ist, abgesehen von seiner letzten Aufnahme aus Den Haag. Leider lassen sich
hier Intonationsprobleme im Finale T. 47 ff. nicht überhören. Ich vermute, dass
es sich nicht um Schwächen des Orchesters handelt, sondern eher einem
Bandschaden bzw. Tempounebenheiten bei der Übertragung zuzuschreiben ist. Der
Hamburger Mitschnitt aus der Laeisz-Halle klingt etwas besser als der
Stuttgarter aus dem Waldheim-Degerloch. An die Spitze stelle ich den Salzburger
Mitschnitt, der den Hörer glauben lässt, „“…
als wär’s ein Stück von ihm“. Hier
wird organisch musiziert und nirgends bricht die Spannung ein. Leider hat die
Tontechnik das Blech oft nach vorn positioniert.
Otto
Klemperer
Klemperers Aufnahmen der 7. Sinfonie
stammen aus seiner letzten Dekade als Dirigent. Für Bruckners Sinfonien hat er
sich jedoch schon sehr früh eingesetzt. Bereits 1924 durfte er für Polydor noch
unter akustischen Aufnahmebedingungen das Adagio der 8. Sinfonie mit der
Preußischen Staatskapelle Berlin auf sieben Schellackplatten aufzeichnen. Auf
Klemperers fünf Aufnahmen hört man in den ersten beiden Sätzen ein flüssiges
Musizieren, immer sehr bewegt, klar und objektiv. Die Suche nach verborgenen
Wahrheiten in diesem Werk ist ihm fremd. So sind denn auch die
Interpretationsunterschiede gering, Spannungen aufzubauen und mit Intensität zu
füllen findet man hier seltener. Klemperer lässt den Notentext spielen und
verzichtet auf gewollte persönliche Stellungnahmen. Musikfreunde, die in erster
Linie auf den Klang einer CD achten, greifen natürlich zu der einzigen
Studio-Produktion mit dem POL aus dem Jahre 1960. Sie ist in allen Sätzen etwas
langsamer, der Mitschnitt mit dem New POL fünf Jahre später ist in allen Sätzen
schneller. Mir scheint aber, dass er in der Studio-Aufnahme im 2. Satz Bruckner
am nächsten gekommen ist. Die vier live-Mitschnitte mit den anderen Orchestern
haben alle ihre Meriten aber auch ihre Schwächen. Das orchestrale Niveau damals
hatte noch nicht das der Gegenwart erreicht. Da hört man immer wieder an
einigen Blechbläsereinsätzen Unsauberkeiten, aber nicht nur dort.
Möglicherweise waren die Musiker mit Klemperers Dirigierstil ohne Taktstock
noch nicht vertraut, was zu Irritationen führte. Am besten gefällt mir der
Mitschnitt des Konzerts der Berliner Philharmoniker aus Luzern, man kann im
Vergleich hören, dass hier das beste seiner Orchester spielt. Beeindruckend das
intensiv gestaltete Trio im 3. Satz. Leider ist die klangliche Seite nicht ganz
so berauschend. Das trifft aber auch auf die restlichen Aufnahmen zu. Beim
Londoner Mitschnitt 1965 haben die BBC-Tontechniker scheinbar geschlafen. Wie
konnte es passieren, dass das Finale des Kopfsatzes total übersteuert wurde?
Bei den restlichen Sätzen stimmt es dann.
Wilhelm
Furtwängler
Furtwänglers Aufnahmen von Bruckners 7. sind sämtlich Konzert-Mitschnitte. Die älteste stammt aus Berlin, die beiden anderen wurden bei der riesigen Tournee des Berliner Philharmonischen Orchesters mit Furtwängler aus dem Jahre 1951 aufgezeichnet, die zunächst nach Ägypten führte, dann Neapel, Bologna und Turin besuchte, einen zweitägigen Abstecher nach Paris machte und anschließend noch neun westdeutsche Städte, wie z. B. Münster und Bielefeld, aufsuchte. In dieser Stadt gab man zum letzten Mal zusammen Bruckners 7. Sinfonie.
Auch wenn alle drei Aufnahmen ganz im
Sinne Bruckners gespielt sind, stelle ich die Rom-Aufnahme an den Anfang. Die
Sinfonie wird hier mit einer fast schon gespenstigen Sicherheit gespielt,
völlig organisch. Gleich zu Beginn glüht das 1. Thema intensiv auf und die
Intensität lässt nicht nach, molto espressivo verlangte WF von seinen Musikern,
das kann man besonders auch in der Reprise vernehmen. Im 2. Satz lassen immer
wieder die sowohl dynamische wie agogische Gestaltung der großen Bögen
erstaunen, die der Dirigent schlägt. Vorbildlich das Crescendo und Diminuendo
in den ersten drei Takten. Bewunderungswürdig auch die Intensität der 1.
Violinen in den Takten 199-206, allerdings nur bei dieser Aufnahme. Die Dynamik
wurde von Furtwängler im unteren Bereich nicht ausgeschöpft. Leider hört man
ein leises Rauschen der Acetatplatten, auf der die Aufnahme einst gespeichert
wurde. Der Mitschnitt aus Kairo ist leider nicht so gut erhalten, die
Tutti-Stellen klingen eng und das Klangbild ist insgesamt entfernter. Die Takte
51/52 im 1. Satz klingen etwas undeutlich, das kann jedoch auch auf ein
technisches Problem zurückzuführen sein. Klanglich am besten erhalten ist der
Berliner Mitschnitt. Auch hier wohnt der Hörer einem organischen, immer wieder
spannungsvollen Musizieren bei. Furtwängler lässt auf dem Höhepunkt des 2.
Satzes die Pauke einen Takt früher einsetzen als von Bruckner vorgezeichnet,
war dies ein Versehen des Paukisten? In den beiden anderen Aufnahmen wird
nämlich partiturgetreu gespielt.
Eugen
Jochum
Der zeitlebens und darüber hinaus als
Bruckner-Apostel gefeierte Eugen Jochum legt hier zwei stimmige
Interpretationen vor. Er beginnt mit den Berliner Philharmonikern den 1. Satz
etwas vornehm zurückhaltend, eher sachlich als passionato, steigert die Musik allerdings im Laufe des Satzes immer
mehr und legt bei Buchstabe W einen grandiosen Höhepunkt hin. Das Adagio wird
sehr intensiv ausgeformt, für mich der Höhepunkt in dieser Interpretation. Auch
das Finale lässt kaum Wünsche offen. Die Dresdner Produktion ist vom
interpretatorischen Ansatz her ähnlich, die Tempi, abgesehen vom Schlusssatz,
sind jedoch etwas langsamer. Das Klangbild ist etwas wärmer. Leider finden die
Blechbläser hier nicht immer zu einem homogenen Klang zusammen. Auch das
geschmeidige Spiel der Berliner Kollegen wird nicht ganz erreicht.
Herbert
von Karajan
Herbert von Karajan war zeitlebens
darauf bedacht, dass nur Studioproduktionen, die unter seiner Leitung
entstanden waren, veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren erreichen den
Plattenmarkt jedoch auch Konzertmitschnitte, wie vom Konzert in London aus dem
Jahre 1962, auf dem auch Bruckners 7. Sinfonie auf dem Programm stand. Die
Musik ist lebendig gestaltet, wozu auch bewegte Tempi beitragen. Nebenstimmen
werden nicht vernachlässigt, das Klangbild ist transparent, besser als bei
früheren Mitschnitten der BBC, beim Finale des 1. Satzes jedoch etwas gepresst,
auch der Höhepunkt im 2. Satz klingt noch nicht optimal. Auf ein robust
musiziertes Scherzo folgt das schnellste aller Karajan-Finalsätze, in dem
jedoch einige kleine Unsauberkeiten im Zusammenspiel nicht zu überhören sind.
Insgesamt liegt hier eine gute bis sehr gute Aufnahme vor, deren Rang
allerdings von zwei späteren Produktionen gedrückt wird. Einmal von seiner
allerletzten Plattenaufnahme mit demselben Orchester, den Wiener
Philharmonikern, aus dem großen Musikvereinssaal aus dem Jahre 1989. Diese wird
klanglich und künstlerisch noch ein wenig übertroffen von Karajans Aufnahme mit
seinem Berliner Orchester, aufgenommen in der Philharmonie 1975.
Klangfetischisten werden vom Sound dieser CD beeindruckt sein. Aber auch
musikalisch hat man den Eindruck, dass hier sehr ernsthaft musiziert wird,
dabei immer locker, lebendig, natürlich und wie selbstverständlich. Im
Vergleich dazu spielen die Wiener m. E. etwas rauer, nicht ganz so rund. Sehr
eindrucksvoll gelingen HvK jedoch hier die
begleitenden Sechzehntel-Triolen der Violinen vor dem Höhepunkt des 2. Satzes
T. 160-180. Am wenigsten gefällt mir die Studioaufnahme mit den Berliner
Philharmonikern, aufgenommen in der Jesus-Christus-Kirche, für EMI. Hier wurde
Bruckners Partitur ganz ernst genommen, es klingt alles wie blank geputzt, die
Dynamik ist sehr differenziert und auch in den unteren Bereichen vorbildlich
ausgefallen. Das Hornsolo ab T. 89 erklingt endlich
einmal weich und gleichzeitig p. Das
Klangbild ist jedoch nicht so transparent wie in Karajans späteren Aufnahmen.
Insgesamt klingt alles zu gewollt, aufgesetzt, fast museal, man vermisst das
Selbstverständliche!
Sergiu
Celibidache
Auf der CD mit dem SdR
Sinfonie-Orchester (Mitschnitt des Jubiläumskonzerts 25 Jahre
Sinfonie-Orchester des Süddeutschen Rundfunks vom 8. Juni 1971) bleibt das von
Celibidache eingeschlagene Tempo im Rahmen. Im Kopfsatz lässt er das 1. Thema
gleich zu Beginn glühen, so schön hat Bruckner das gemeint! Insgesamt herrscht
ein nerviges Espressivo vor, die Partitur wird dabei intensiv ausgelotet. Die
restlichen drei Sätze erreichen nicht ganz dieses Niveau, bei Buchstabe F gibt
es etwas Leerlauf und auf dem Höhepunkt bei W sind die Stimmverläufe zwei Takte
lang nicht klar, so, als müssten die Musiker sich erst sammeln. Das Scherzo
erklingt derb, die Transparenz könnte besser sein, dafür entschädigt ein
kantables Trio. Im Münchner Konzertmitschnitt von 1994 sind die Tempi deutlich
langsamer ausgefallen, was sich insgesamt negativ auf die Spannung auswirkt.
Celibidache lässt noch mehr in die Breite musizieren und vertraut auf Bruckners
Themen und Motive. Die Musik wirkt hier eher zelebriert als interpretiert. Am
Ende des 1. Satzes bleibt nur noch ein Klangbrei stehen. Positiv zu vermerken
ist das deutliche Herausheben der Melodieverläufe bei mäßigem Tempo im Scherzo,
dadurch wirken allerdings die ohnehin lauten Tuttiabschnitte lärmend.
Inzwischen verfügt mein Archiv über
einen weiteren Mitschnitt mit Celi und den Münchner
Philharmonikern, der 1990 in der Suntory Hall in
Tokyo aufgenommen und von Sony auf den (japanischen?) Markt lanciert wurde. Der
Dirigent lässt in den ersten beiden Sätzen mit Inbrunst musizieren, sehr
gepflegt und ruhig: die tiefen Streicher werden hervorgehoben und vermitteln
einen dunklen instrumentalen Glanz. Trotz schleppender Tempi schafft Celi Spannung. Der Abgesang nach dem Beckenschlag lässt
Betroffenheit spüren, eine insgesamt sehr gute Orchesterleistung ist zu
vermelden. In den Sätzen 3 und 4 jedoch geht es rustikaler zu: bombastisch und
schwerfällig lässt der Dirigent aufspielen, was das Gleichgewicht stört.
Carlo
Maria Giulini
Von Giulini
liegen zwei gegensätzliche Aufnahmen vor, die eine ist ein BBC-Mitschnitt aus
London, die andere eine Studioproduktion aus Wien. Die live-Aufnahme gefällt
mir besser: hier wird wie selbstverständlich musiziert, frisch und mit
rhythmischer Feinarbeit kommt der Kopfsatz daher. Das Adagio ist bewegt und
dazu noch intensiv gestaltet. Im 3. Satz lässt ein inniges Trio aufhorchen und
das Finale knüpft wieder an den Kopfsatz an. Das Klangbild ist erstaunlich
transparent. Bei der Studio-Aufnahme aus dem Wiener Musikvereinssaal wird in
allen Sätzen viel langsamer musiziert. Sie ist sorgfältig erarbeitet, wie man
es von dem italienischen Maestro kennt, die Musik erklingt atmosphärisch dicht,
epischer als zuvor, da man sich mehr Zeit lässt. Die Melodien werden länger
gezogen, alles klingt viel bedeutungsvoller bei etwas dunklerem Klangbild. Im
Adagio lässt Giulini auf dem Höhepunkt den Triangel
einen Takt länger spielen als vorgesehen. Sehr schön behandelt er die
Paukenstimme im Trio. Das Finale klingt in den Tutti-Abschnitten etwas zu
starr. Insgesamt vermisse ich in dieser Aufnahme die Spiritualität des
Konzertmitschnitts.
Inzwischen hat mich ein weiterer
Konzertmitschnitt erreicht, er stammt aus der Berliner Philharmonie mit den Philharmonikern
aus dem Jahre 1985, herausgegeben von Testament. Meiner Ansicht nach die
überzeugendste von Giulinis Interpretationen. Der
Kopfsatz wird con gran
passione musiziert, ohne ein schleppendes Tempo.
Der Dirigent nimmt auch den zweiten Satz relativ bewegt, in einem ziemlich
festen Tempo. Nach dem Beckenschlag überzeugt der feierliche Abgesang.
Szenenwechsel: Das Scherzo kommt als Volksfest daher, das Trio zupackend, mit
innerer Spannung. Sehr bewegt dann das Finale mit entschiedenem Zugriff sowie
instrumentaler Zuspitzung. Überzeugendes triumphales Finale!
Herbert
Blomstedt
Beide Aufnahmen haben ihre Stärken und
Schwächen, sodass es schwer fällt sich für die eine oder andere zu entscheiden.
Blomstedt moduliert mit Hingabe, mit viel artikulatorischer Feinarbeit im
Detail, dabei tritt der Blick auf das Gesamtgefüge etwas zurück. Trotz einer
sehr guten Dynamik klingt die Dresdner Aufnahme jedoch etwas distanziert. Hier
überzeugen jedoch die sehr gut formulierten Übergänge zwischen den Satzteilen.
Auch ohne Beckenschlag gelingt dem Dirigenten ein überzeugender Höhepunkt, dem
ein ausdrucksvolles Finale folgt. Das Trio nimmt Blomstedt etwas zurückhaltend.
Die Leipziger Aufnahme klingt im Ansatz wie seine frühere, es fällt jedoch ein
insgesamt etwas kernigeres Musizieren auf, das mehr Wärme aufzeigt. Der 2. Satz
ist nicht ganz so fein gezeichnet wie 1980, auch der Höhepunkt und das Finale
können da nicht so überzeugen. Dagegen gefällt das
differenzierter gespielte Scherzo samt kraftvollem Trio mehr.
Bernard
Haitink
Haitink setzt die Bruckner-Tradition seiner Vorgänger am Pult des Concertgebouw Orchesters fort, nach Jochum, für die DGG, legte er die zweite Gesamtaufnahme der Sinfonien für das Philips-Label vor. Aus dieser Serie stammt die erste Aufnahme von 1966, danach entstand eine weitere Produktion der 7. Sinfonie mit demselben Orchester und zuletzt erreichte den Plattensammler noch ein Konzertmitschnitt aus dem Jahr 2007 mit dem Chicago Symphony Orchestra. Von Aufnahme zu Aufnahme lässt sich Haitink mehr Zeit. Die mittlere Aufnahme gefällt mir am besten. Haitink nimmt sich mehr Zeit und formt einige Partien bewusster aus, der Höhepunkt im 2. Satz bei Buchstabe W klingt nun majestätischer, weniger lärmend. Allerdings gelingt das Finale des 1. Satzes nicht intensiver als früher. Zum Beginn des Scherzos sind die Streicher besser artikuliert. Beim Trio kann man jedoch geteilter Meinung sein, ob man die ins hymnisch gesteigerte Version der ersten Aufnahme oder die ruhig und gelassen gespielte Version von 1978 bevorzugt. Auch im Finale hat man die Wahl zwischen den robusten Blechbläser-Tutti oder die breit und wuchtig (so Bruckners Partiturangabe) genommenen der zweiten Aufnahme.
Kommen wir noch zur Chicago-CD: wie in
den zuvor besprochenen früheren Aufnahmen lässt er das 1. Thema immer noch
recht objektiv vortragen, das Finale des Satzes gefällt mir hier besser, ist
aber etwas schleppend geraten. Die Motiv-Verschiebungen im Scherzo werden gut
herausgearbeitet, insgesamt jedoch lässt Haitink hier ohne Druck spielen. Der
4. Satz erklingt weniger lebendiger, da langsamer. Auch der
Pizzicato-Begleitung der tiefen Streicher beim 2. Thema fehlt es etwas an
Intensität.
Claudio
Abbado
Abbados Interpretationen der 7. Sinfonie
überzeugen vor allem in den Ecksätzen. Die Musik im Kopfsatz erklingt intensiv
gestaltet und immer bewegt. Nach den drei Scheinreprisen wird der tatsächliche
Beginn der Reprise nicht verschleiert oder untertrieben, sondern deutlich
herausgestellt. Beim Konzertmitschnitt aus Luzern nehmen die erregend
formulierten Steigerungen zusätzlich für sich ein. Hier erklingen auch die
Pauken in den Takten 391-412 eindringlicher. Spontanes Musiziergefühl herrscht
im Finale vor. Etwas schwächer erscheint mir der Adagio-Satz, da der Dirigent
die Lautstärkedifferenzierung nicht voll ausspielt. Beim 2. Thema fehlt mir
einfach das Piano! In der Wiener Einspielung klingt die Musik auch etwas wie al fresco, da gefällt der Luzerner
Mitschnitt besser. In beiden Aufnahmen jedoch verschenkt Abbado die
eindringliche Hornstelle in der Trauermusik T. 190-193, hier passen sich die
Hörner zu sehr in den Klang der Tuben ein. Beim Scherzo stelle ich auch Luzern
nach vorn, die derbe Musik lässt Abbado sehr differenziert aufspielen. In allen
Sätzen dieser Aufnahme, abgesehen vom Scherzo, nimmt Abbado ein schnelleres
Tempo als früher.
Lorin
Maazel
Maazels Interpretationen haben sich
innerhalb eines Zeitraums von elf Jahren kaum gewandelt. Da ist der runde Klang
des Blechs, die nicht so schnellen Tempi, bei den Berliner Philharmonikern sind
sie in den beiden Sätzen sogar extrem langsam, und der flexible Umgang mit den
Tempi, der mich allerdings etwas irritiert, da er nicht konsequent
durchgehalten wird. Dazu kommt, dass er das 2. Thema im Kopfsatz schneller
nimmt als das 3. Thema. In diesem Satz kommt der Paukenwirbel (cresc.) T. 400 f
viel zu domestiziert, Bruckner schreibt hier ff vor! Bei den Berliner Philharmonikern ist dieser Satz zu
langsam, verschleppt, und weist eine geringe Spannung auf. Die Münchner
Aufnahme ist fast drei Minuten schneller, aber auch hier geht die Spannung oft
verloren. Das Adagio kann in beiden Versionen mehr überzeugen. Die Behandlung
der Tempi ist ähnlich, dafür überzeugen jedoch die Steigerungen zum Höhepunkt
und die folgende Trauermusik. Das Trio wird hier gezogen gespielt, das Finale
keineswegs eilend. Die EMI-CD wartet mit opulentem Blech auf, beim Finale in
München hätte ich mir etwas mehr Spannung gewünscht.
Daniel
Barenboim
Barenboim pflegt, zumindest bei
Bruckner, einen musikantischen Ansatz mit direktem Zugriff auf die Musik. Dabei
werden die jeweils führenden Instrumente etwas herausgehoben. Die
Binnendifferenzierung, besonders im Streicherchor, ist nicht immer ganz zufriedenstellend.
Die beiden hier genannten Aufnahmen sind in etwa gleichwertig. Der Käufer
sollte überlegen, ob er das etwas geschlossener aufspielende Orchester ins
Kalkül nimmt oder der besseren Klangtechnik der Staatskapellen-CD den Vorzug
gibt. Allerdings ist in dieser live-Aufnahme der Abschlag des letzten Akkords
im 1. Satz nicht einheitlich.
eingestellt
am 28.03.2014
ergänzt im Oktober/November 2025