Das Klassik-Prisma |
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Bernd
Stremmel |
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Robert Schumann
Fantasie C-Dur op. 17
Durchaus phantastisch und leidenschaftlich
vorzutragen – Mäßig. Durchaus energisch – Langsam getragen. Durchweg leise zu
halten
Schumann nannte sein Werk ursprünglich Dichtungen für das Pianoforte. Anfangs (1836) gab es nur einen Satz
mit der Überschrift Ruinen. Er ist
nicht als Sonatensatz konzipiert, auch wenn er im Großen und Ganzen dreiteilig
ausgeführt ist. Etwa in der Mitte steht ein Variationsteil, „im Legendenton“
überschrieben. Im ganzen Satz stehen Pathos neben verinnerlichten, auch
resignativen Abschnitten. Durch häufiges Synkopieren geht das Gefühl für die
Taktschwerpunkte fast verloren, darüber hinaus erleben wir einen ständigen
Wechsel von Tempi und Tonarten. Es ist schon seltsam, dass in einem C-Dur-Stück
Kadenzierungen zur Haupttonart erst am Ende des
Satzes erfolgen, da, wo Schumann das letzte Lied aus Beethovens Liederkreis „An
die ferne Geliebte“ op. 98 wörtlich zitiert: „Nimm sie hin denn, diese
Lieder“. Schumann schrieb seiner geliebten, aber von ihm getrennten Clara
Wieck über diesen Satz „... wohl mein Passioniertestes, was ich je gemacht
habe – eine tiefe Klage um dich“.
Beethovens Lied erscheint hier in doppelter Bedeutung: ein
Gruß an Clara, der er den Satz zusandte, andererseits war der Erlös aus der
Musik Franz Liszt zugedacht, der Geld für ein Beethoven-Denkmal sammelte, das
in Bonn errichtet werden sollte. Liszt ist auch der Widmungsträger der
Fantasie.
Der 2. Satz mit der ursprünglichen Überschrift Trophäen, später geändert in Triumphbogen, wird durchweg von einem
Marschthema beherrscht, dessen Rhythmus an den 2. Satz aus Beethovens
Klaviersonate A-dur op. 101 erinnert. Formal folgt der Satz etwa dem
ABA‘-Schema mit einem quasi Trio in der Mitte. Und eine weitere
Beethoven-Melodie findet sich hier: das leise vorzutragende Thema des
Variationssatzes der Sonate f-Moll op. 57, der Appassionata, hier jedoch gleich zu Beginn, in mf und dann in der Mitte als grandioser Höhepunkt fff zu spielen. Am Schluss steht die
berüchtigte Stretta mit ihren weiten Sprüngen in Gegenrichtung in beiden
Händen, „viel bewegter“ überschrieben. Den meisten Pianisten reicht schon
„etwas bewegter“. Die Bewältigung dieser Stelle sollte m. E. jedoch nicht das
Urteil über Gelingen oder Nichtgelingen dieses Satzes entscheidend
beeinflussen. Wichtig erscheint mir, dass die Pianistin oder der Pianist sein
Augenmerk auf die Dynamik, vor allem im p-Bereich, sowie das Geschehen
im Bassbereich, legt.
Der 3. Satz, ursprünglich Palmen, später Sternenkranz,
„langsam und getragen, durchweg leise zu halten“ beendete Schumann ursprünglich
mit einer Wiederholung des Schlusses des 1. Satzes in einer neuen Harmoniesierung. Vor der Drucklegung 1839 verwarf er diese
Lösung jedoch und schrieb ein neues, das uns bekannte,
Finale, das nach einer Steigerung verklärt in C-Dur ausklingt.
1839 tilgte Schumann die ursprünglichen Satzüberschriften
und nannte das grandiose Werk schlicht Fantasie
und widmete es Franz Liszt. Im Blick auf seine Form könnte man es entsprechend
des von Schumann verehrten Beethoven als Sonata
quasi una Fantasia bezeichnen.
Dem amerikanischen Pianisten und Musikforscher Charles Rosen
gebührt das Verdienst, uns mit der Erstausgabe des Werkes mit dem
ursprünglichen Finale bekanntgemacht zu haben. Der damals noch junge Pianist
Andras Schiff hatte bei der Wiederentdeckung einen nicht unerheblichen Anteil.
Im Booklet seiner Schumann Doppel-CD bei ECM schildert er die Vorgänge. Auch
seine Aufnahme folgt der Erstfassung, der revidierte 1. Satz wird jedoch
zusätzlich mitgeliefert.
Die zu rühmende Kassette von Charles
Rosen beim holländischen Label Etcetera enthält
außerdem noch Aufnahmen der Erstausgaben der Impromptus op. 5, der Davidsbündlertänze op. 6 sowie der Kreisleriana
op. 16.
5 |
Svjatoslav
Richter |
Praga |
1959 |
29‘55 |
|
live Prag – viel Atmosphäre, grandiose Schlusssteigerung,
im Diskant bei f-Stellen leichtes
Klirren, Huster |
|||
Svjatoslav Richter |
Supraphon |
1959 |
29‘49 |
|
|
höherer Pegel und besserer Klang als oben, Stretta: etwas
mehr Fehlgriffe |
|||
5 |
Svjatoslav Richter |
CBS Sony |
1960 |
31‘10 |
|
live NY, I mit
weniger Druck als in Prag, nachdenklich, etwas langsamer, II lk. Hd. mit mehr Gewicht, nicht ganz so fiebrig, Stretta
hier mit höchster Dringlichkeit, III viel Atmosphäre – viele Huster, leise
U-Bahn-Geräusche |
|||
5 |
Eric Le Sage |
alpha |
2006 |
29‘22 |
|
I sensibler Umgang mit dem Notentext, Pianist atmet mit der Musik, II
überzeugend, III flexibler Umgang mit dem Tempo – trotz pianistischer
Schwerstarbeit bleibt Le Sage an vielen Stellen immer locker |
|||
5 |
Claudio Arrau |
aura |
1959 |
33‘41 |
|
live – passionato!!, die „blaue Blume“ gefunden |
|||
5 |
Piotr Anderszewki |
Warner |
P 2017 |
31‘33 |
|
I phantastisch und leidenschaftlich, jedoch immer noch unter
Kontrolle, II Schumanns Notentext genau gelesen und umgesetzt, vielen Hörer
mag dies ungewohnt erscheinen, eine Modelleinspielung, III Pianist verfügt
über eine bewundernswerte Anschlagspalette, Atmosphäre |
|||
5 |
Maurizio Pollini |
DGG |
1973 |
30‘43 |
|
kontrolliert, wie man es von Pollini gewohnt ist, und doch
passionato |
|||
5 |
Anton Kuerti |
Rundfunkmitschnitt |
2003 |
30‘17 |
|
live Kanada – fiebernde
Interpretation |
|||
5 |
Wladimir Horowitz |
CBS Sony |
1965 |
30‘27 |
|
live – eine richtige Fantasie, schöne Basslinien, Stretta
gebremst |
|||
5 |
Marc-André Hamelin |
hyperion |
1999 |
32‘37 |
|
was sich Arrau mühsam abringen muss, klingt hier ganz
unangestrengt, sehr gute dynamische Abstufungen, die Stretta endlich mal viel
bewegter, auch ein Klangerlebnis |
|||
5 |
Andras Schiff |
ECM |
2010 |
30‘59 |
|
I ziemlich im Tempo,
der visionäre Ton kommt gut heraus, das Herrische, Auftrumpfende überzeugend
gebracht, jedoch auch die Zwischentöne nicht übersehen, II in der Stretta
geht es ums Ganze, III mit langem Atem – klare Stimmführungen, überzeugende
Dynamik, sehr guter Klavierklang |
|||
5 |
Annie Fischer |
BBCL |
1971 |
29‘38 |
|
I mit Aplomb, etwas freier als ▼, III viel
Atmosphäre, Spannung-Entspannung! – insgesamt noch etwas spontaner als bei
EMI |
|||
Annie
Fischer |
EMI |
1959 |
28‘40 |
|
|
I sehr gut, das letzte Quäntchen Hingabe fehlt noch, III
sehr klar und fast filigran an den leisen Stellen - etwas stumpfer Klang |
|||
5 |
Wilhelm Backhaus |
EMI |
1937 |
28‘21 |
|
Betonung der Zusammenhänge |
|||
5 |
Wilhelm Kempff |
BBCL |
1969 |
30‘55 |
|
live – klingt von allen Kempff-Mitschnitten am besten |
|||
|
||||
4-5 |
Lars Vogt |
Berlin Classics |
2010 |
33‘03 |
|
I aufmerksame
Umsetzung des Notentextes, inspirierte Gestaltung, II Vogt bleibt in den
langen punktierten Achtel-Ketten immer locker, die Spannung lässt jedoch
etwas nach, III sich Zeit lassend, etwas (zu) entspannt |
|||
4-5 |
Svjatoslav
Richter |
EMI |
1961 |
31‘43 |
|
nicht so überschwänglich wie oben, schöne Klangfarben |
|||
4-5 |
Wilhelm Kempff |
WDR- Produktion
Orfeo |
1956 |
29‘20 |
|
der folgenden Aufnahme ähnlich, klingt ihr gegenüber noch
etwas überlegener |
|||
4-5 |
Wilhelm Kempff |
Orfeo |
1958 |
29‘25 |
|
live Salzburg – fantasiereiches Spiel, keine Angst vor der
Stretta, aber letztlich nicht ganz bewältigt - trockener Klang |
|||
4-5 |
Wilhelm Kempff |
DGG |
1957 |
29‘51 |
|
kommt an die live-Aufnahme nicht ganz heran, aber mehr
Geheimnisse als 1971 |
|||
4-5 |
Wilhelm Kempff |
DGG |
1971 |
31‘29 |
|
klanglich beste Aufnahme von Kempff |
|||
4-5 |
Alfred Brendel |
Philips |
1997 |
30‘38 |
|
Brendels
überzeugendste Aufnahme, mit mehr Leidenschaft als früher, II dynamische
Differenzierung etwas pauschal, Stretta nur etwas bewegter, III Dynamik hier
besser getroffen |
|||
4-5 |
Leif Ove Andsnes |
EMI |
1995 |
29‘48 |
|
sehr gut, es fehlt jedoch noch das letzte Quäntchen |
|||
4-5 |
John Bingham |
Bayer Records |
1988 |
32‘40 |
|
organisches Spiel, dynamische Vorzeichen ernstgenommen,
sehr guter Klavierklang |
|||
4-5 |
Clifford Curzon |
Orfeo |
1974 |
29‘35 |
|
live – empathisch, viel Atmosphäre, Stretta pianistisch
nicht bewältigt |
|||
4-5 |
Wladimir Sofronitzki |
Melodya |
1959
? |
27‘28 |
|
live – Steigerung von Satz zu Satz, III mit großer
Passion, Spannung-Entspannung |
|||
4-5 |
Geza Anda |
DGG |
1963 |
27‘34 |
|
I geradlinig, II in manchmal beängstigendem Tempo, ein
Rausch, sehr guter Klang, III Basslinie oft unterbelichtet |
|||
4-5 |
Claudio Arrau |
BBCL |
1960 |
32‘57 |
|
live – kontrollierter als 1959, am Schluss weniger
Spannung, Klang etwas stumpf |
|||
4-5 |
Charles Rosen |
Etcetera |
P
1983 |
32‘58 |
|
I immer kontrolliert, im Ausdruck nicht fiebrig, II sehr
gutes Trio „etwas langsamer-scherzando“, III ursprüngliches Finale |
|||
4-5 |
Sergio Fiorentino |
MCPS Appian |
1996 |
35‘06 |
|
Fiorentino trifft
den vom Komponisten geforderten Tonfall genau, trotz des teilweise
vertrackten Klaviersatzes immer durchsichtig, immer wieder überzeugende
dynamische Schattierungen, II hier etwas objektiver, nüchterner, III Akkorde re. Hd. T. 61-67 sowie T. 112-117 etwas hart |
|||
4-5 |
Bernd Glemser |
Naxos |
2002 |
32‘51 |
|
gut, jedoch ohne das gewisse Etwas |
|||
4-5 |
Julius Katchen |
Decca |
1957 |
31‘35 |
|
plastische Abbildung der Themen
und Motive, lässt sich in ruhigen Abschnitten Zeit, stürmt in schnellen nach
vorn |
|||
4-5 |
Florian Uhlig |
hänssler |
2010 |
29‘54 |
|
Uhlig schafft es
hier noch nicht bis zum Olymp, es fehlt die letzte Konzentration, in der
Dynamik teilweise etwas pauschal, II Stretta klingt nicht nach mehr |
|||
4-5 |
Sergei Edelmann |
RCA |
1985 |
31‘15 |
|
I bestes
Klavierhandwerk, manchmal etwas äußerlich, man wünschte sich mehr
Zwischentöne, II einige Durststrecken, III überzeugt am meisten
|
|||
|
||||
4 |
Claudio Arrau |
Philips |
1966 |
34‘18 |
|
weniger Überschwang, dafür bedeutungsvoller |
|||
4 |
Yuri Boukoff |
Philips forgotten records |
1953 |
28‘52 |
|
I immer wieder
Spannung-Entspannung nach Notenvorlage, jedoch etwas objektiv, II sehr
bewegt, Dynamik im p-Bereich zu pauschal, Stretta hebt sich vom
Vorherigen wenig ab, III hier Schumann am nächsten
|
|||
4 |
Yves Nat |
EMI |
1953 |
28‘46 |
|
insgesamt bewegte Tempi, III Stretta wenig bewegt, jedoch
einige falsche Noten, Klang etwas stumpf, höhenbeschnitten - schade |
|||
4 |
Benno Moiseiwitsch |
Testament |
1953 |
27‘42 |
|
der entscheidende Funke fehlt |
|||
4 |
Edwin Fischer |
EMI |
1949 |
26‘57 |
|
erstaunlich zügig gespielt, II zu schnell für Fischers
Finger |
|||
4 |
Jorge Bolet |
Decca |
1986 |
32‘45 |
|
Bolet
lässt sich Zeit, erzählend, weniger schwärmerisch, II fehlende Unruhe – guter
Klang |
|||
4 |
Clifford Curzon |
Decca |
1954 |
30‘25 |
|
in den beiden ersten Sätzen langsamer als 1974, weniger
Passion |
|||
4 |
Martha Argerich |
CBS |
P
1978 |
27‘35 |
|
passionato, viel Oberstimme, insgesamt etwas
leichtgewichtig |
|||
4 |
Klara Würtz |
Brilliant |
2001 |
30‘13 |
|
sonorer Klang, Ausdrucksdefizite, Stretta wie aufgesetzt |
|||
4 |
Alicia de Larrocha |
Decca |
1975 |
31‘50 |
|
weniger fiebernd, gelassen, III gefällt am besten |
|||
4 |
Svjatoslav
Richter |
Philips |
P
1994 |
32‘45 |
|
live – nicht mehr so leidenschaftlich, ohne Überschwang,
Klavier bei lauten Stellen etwas stumpf |
|||
4 |
Vladimir Ashkenazy |
Decca |
1965 |
31‘38 |
|
unbekümmert, jugendlich |
|||
4 |
Vladimir Ashkenazy |
Decca |
1993 |
30‘10 |
|
souveräner, kalkulierter, aber nicht überzeugender als
1965 – in III klingt der Flügel belegt |
|||
4 |
Murray Perahia |
Sony |
1985 |
29‘55 |
|
schönes Klavierspiel, ohne Auslotung der Extreme |
|||
4 |
Jimin Oh-Havenith |
audite |
2022 |
35‘11 |
|
klare Artikulation,
bestes Klavierhandwerk, I überwiegend transparent, nichts geht im
„Pedalnebel“ unter, mit großer Übersicht, jedoch weniger Atmosphäre, II
trocken, klingt ein wenig wie buchstabiert und gestelzt, Stretta ohne
Überschwang, III etwas nüchtern |
|||
4 |
Louis Lortie |
Chandos |
1998 |
32‘29 |
|
I stellenweise etwas gezogen, weniger leidenschaftlich |
|||
4 |
Nikolaus Bringuier |
audite |
2006 |
29‘23 |
|
auf dem Weg zu Schumann, Stretta wird nicht als
Herausforderung hörbar |
|||
4 |
Alfred Brendel |
Vanguard Brilliant |
1966 |
31‘46 |
|
erst der Schlusssatz überzeugt |
|||
4 |
Alfred Brendel |
Philips |
P
1982 |
30‘01 |
|
I beredter, vielschichtiger als 1966, II akademisch, III
wenig geheimnisvoll |
|||
4 |
Alfredo Perl |
Arte Nova |
1991 |
33‘05 |
|
I sich Zeit lassend, III am Schluss taktweise, nicht
großbogig gespielt |
|||
4 |
Artur Rubinstein |
RCA |
1965 |
33‘09 |
|
zu ruhig und abgeklärt, Pflichtstück? |
|||
4 |
Stephen Hough |
Virgin |
1988 |
31‘06 |
|
I am Anfang nur ein Rausch, wenig gegliedert, II gefällt
am besten |
|||
4 |
Nelson Freire |
Philips |
1984 |
30‘33 |
|
live - II gute Stretta, III zu wenig Geheimnisse, Schluss
zu früh abgebremst |
|||
4 |
Jewgenij Kissin |
RCA |
1995 |
32‘46 |
|
I linke Hd. zu filigran, II Stauchungen und
Beschleunigungen im übergeordneten Metrum, scherzando ohne
Handschrift, gute Stretta, III etwas handfest, nicht so organisch |
|||
4 |
Gerhard Oppitz |
RCA |
1990 |
31‘08 |
|
dynamische Vorschriften nicht immer ernst genommen, oft zu
laut, III nur technisch bewältigt |
|||
4 |
Sophie Mautner |
Sony |
P
1998 |
31‘47 |
|
II punktierte Achtel-Ketten nicht genügend markant, III
gute Dynamik, die beiden ff-Stellen nicht gedonnert, überzeugender
Schluss |
|||
4 |
Robert Casadesus |
CBS Sony |
1960 |
28‘59 |
|
live, I viel Atmosphäre, II punktierte Achtel-Ketten wenig
elegant, keine Steigerung, III wenig getragen, etwas drängend, unruhig |
|||
4 |
Grigory Sokolov |
Melodya |
1984 |
36‘56 |
|
das Knorrige und
Sperrige des Klaviersatzes herausgearbeitet, leider auf Kosten des
übergeordneten Zusammenhangs, II etwas gedrosseltes Tempo, nicht jedoch in
der Stretta, III Musik zerrissen, karg – gewiss noch nicht das letzte Wort
des Pianisten |
|||
4 |
Matthias Kirschnereit |
Arte Nova |
2004 |
31‘06 |
|
I Satz nicht sehr inspiriert, einförmig, II Stretta
angestrengt, III am besten bewältigt |
|||
4 |
Edna Stern |
Zig Zag |
P 2011 |
32‘08 |
|
I immer wieder
Tempoverzögerungen, zusätzlich zu denen im Notentext geforderten;
stellenweise auch gezogen, geringere Leidenschaft, II auch hier immer wieder
zusätzliche rit., Stretta überzeugend, III nachschlagende Akkord-Töne lk.-re. Hd. T. 5 ff. – leicht
eingedunkeltes Klangbild |
|||
4 |
Shura Cherkassky |
Orfeo |
1961 |
29‘46 |
|
I hitzig,
rhapsodisch, häufige Tempowechsel, über die von Schumann hinausgehend; etwas
äußerlich, in Richtung Liszt schielend, II der überwiegend nervöse Ton der
Musik gut herausgearbeitet, Schluss etwas grob, III unruhig |
|||
|
||||
3-4 |
Walter Gieseking |
Rundfunkaufnahme
Berlin Andromeda |
1947 |
29‘48 |
|
Aufnahme ohne
Korrektur? - I stürmisch bewegte und lyrische Abschnitte gut
gegenübergestellt, zu Beginn setzt Gieseking mit der re.
Hd. zu früh ein, II immer wieder p und pp, Motiv T. 21 und 25
ausgelassen, III mit großer Übersicht und langem Atem, gute dynamische
Differenzierung – laute Stellen klingen leicht verzerrt |
|||
3-4 |
Mikhail Pletnjew |
DGG |
2003 |
33‘09 |
|
Pletnjew
auf der Suche nach neuen Interpretationslösungen: ignoriert oft Schumanns
Lautstärkevorgaben, viele Abschnitte werden einzeln betrachtet, getüftelt,
hier und da interessante Details, aber kein übergeordneter Bogen, Stretta
geht nicht folgerichtig aus dem Vorhergehenden hervor, manierierte
Darstellung, nur für fortgeschrittene Hörer – sehr guter Klavierklang |
|||
3-4 |
Paul Lewis |
HMF |
P 2015 |
30‘46 |
|
I Poesie und Überschwang
im ausgewogenen Verhältnis, Musik interpretatorisch noch nicht ausgeschöpft,
II Arpeggien zu Beginn: re. Hd. folgt der linken,
im ersten Drittel etwas flüchtig, vermindertes Tempogefühl, Dynamik etwas
pauschal, einige Durststrecken, III Lewis lässt sich nicht ganz auf das
Potential des Satzes ein, Bassmelodie T. 54/55 und T. 105/106 kaum beachtet |
|||
3-4 |
Jonathan Biss |
EMI |
2006 |
30‘56 |
|
I eher gelassen als leidenschaftlich, II alles in
gesicherten Bahnen, wenig Risiko, III noch nicht in Schumanns Welt
eingedrungen |
|||
3-4 |
Rudolf Buchbinder |
EMI |
1985 |
32‘56 |
|
robust, keine Geheimnisse, mehr Noten als Musik |
|||
3-4 |
Jörg Demus |
Nuova Era MCPS |
1972-1976 |
29‘10 |
|
gestalterischer Ernst
trifft auf grobkörniges Klavierspiel, mehr referierend als musizierend,
spröde, Schumanns Finessen nicht geweckt, wenig Innenspannung – II zahme
Stretta |
|||
3-4 |
Andreas Bach |
Novalis |
1989 |
33‘32 |
|
I zu gemächlich, der Zusammenhang zerbricht, II ohne Sog,
III überzeugender Schluss |
|||
3-4 |
Hiroko Nakamura |
Sony |
1991 |
28‘33 |
|
Pianistin verwechselt Leidenschaft mit schnellem Spiel, etüdenhafte Züge |
|||
3-4 |
Alexis Weissenberg |
EMI |
1967 |
31‘23 |
|
I anfangs mit viel
Aplomb, T. 21-25 wie ein Gewühle, Pianist hat mehr
Liszt als Schumann im Hinterkopf, II bestes Klavierhandwerk, jedoch
eindimensional, Dynamik mehr zum f hin orientiert, klingt dann
abgedroschen, bereits vor der Stretta zu schnell, III viele Abschnitte etwas
gleichgültig oder äußerlich |
|||
|
||||
2-3 |
Franz Vorraber |
Thorofon |
1999 |
39‘02 |
|
I zu gemächlich, keine Leidenschaft, wie buchstabiert, II Pianist
tüftelt, setzt sich überall Stolpersteine, III auf den Spuren von Afanassieff, bleiern |
eingestellt
am 10.12.06
Seit der Veröffentlichung dieser Übersicht vor knapp zwei
Jahren ist mein Archiv um sieben Aufnahmen erweitert worden: drei
Neuproduktionen mit jüngeren Künstlern sowie vier Aufnahmen, teils live, teils
im Rundfunkstudio entstanden mit Pianisten, die mit dem Komponisten Schumann in
besonderer Beziehung standen, Wilhelm Kempff, Annie Fischer und Svjatoslav Richter.
Von Kempff liegen mir nun fünf Aufnahmen vor, die beiden
Studio-Einspielungen der DGG, eine Aufnahme des WDR aus dem Jahre 1956 (neu),
ein Mitschnitt von den Salzburger Festspielen 1958 sowie ein Mitschnitt der BBC
aus der Queen Elizabeths Hall vom 3.Nov. 1969 (neu). Die Kölner Aufnahme klingt
mir der Salzburger etwas überlegen, die Stretta im 2. Satz ist besser gelungen,
der Klang des Flügels erscheint etwas dunkler und insgesamt ausgeglichener.
Übertroffen werden beide noch von dem Londoner Mitschnitt der BBC, hier klingt
der Flügel noch voller, sonorer. Den 2. Satz spielt Kempff gelassen, mäßig, wie
von Schumann notiert, die Stretta bleibt aber auch hier ein Problem. Wen das
stört, greife dann lieber zu einem der beiden Studio-CDs der DGG.
Kempffs Kampf mit den technischen Anforderungen vor allem am
Ende des 2. Satzes stellt für heutige Pianisten kein Thema dar. Ohne das
erforderliche pianistische Rüstzeug sind sie bei den zahlreichen Wettbewerben
von vornherein chancenlos. Die geistige Durchdringung des jeweils gespielten
Werkes und die Umsetzung in Klänge bedarf jedoch noch eines langen
Reifeprozesses. In zehn oder zwanzig Jahren werden Klara Würtz, Jonathan Biss
und Nicolas Bringuier an und mit den Meisterwerken gewachsen und gereift sein.
Der von Supraphon neuveröffentlichte Konzertmitschnitt aus
Prag entstand einen Tag vor dem des Labels Praga. Der
Interpretationsansatz deckt sich bei beiden. Die Supraphon-Aufnahme besitzt
einen höheren Aufnahme-Pegel und ist klanglich besser austariert. Die Praga-CD strahlt jedoch mehr Atmosphäre aus, so dass diese
meine erste Wahl bei Richter bleibt, auch wenn am 1. Konzerttag der Schlusssatz
noch ruhiger und abgeklärter gelingt.
Annie Fischers „neue“ Studio-Aufnahme der BBC übertrifft
ihre sehr gute Vorgänger-CD von EMI noch ein wenig, da sie insgesamt etwas
spontaner, freier klingt, so, als sei sie auf dem Konzertpodium mitgeschnitten
worden.
Ergänzung
am 01.11.08
Seit der letzten Ergänzung sind 15
Jahre vergangen und es ist Zeit einen neuen Blick auf Schumanns vielleicht
beste Klavierkomposition zu werfen. Auch ist mein Archiv um viele Aufnahmen
erweitert worden. Altmeister haben sich noch einmal „zu Wort gemeldet“, aber
auch inzwischen neu den Konzertsaal eroberte Pianistinnen und Pianisten haben
Schumanns op. 17 auf CD eingespielt. Ihre klaviertechnische Ausrüstung ist über
jeden Zweifel erhaben und kann zu eindringlichen Interpretationen führen.
Andererseits gelingt es ihnen nicht immer, dem Werk ihren Stempel aufzudrücken,
vieles klingt ähnlich und eine individuelle Physiognomie lässt sich via CD
nicht immer ausmachen.
letzte
Ergänzung 31.10.23