Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Concerto grosso F-Dur op. 6 Nr. 9

Largo-Allegro-Larghetto-Allegro-Menuett-Gigue

Hogwood

Handel & Haydn Society

Decca

1992

13‘44

5

Originalinstrumente - HIP

 

Brown

Academy of St.Martin-in-the-Fields

Philips

P 1983

13‘36

4-5

 

 

Richter

Münchner Bachorchester

DGA

1970

15‘10

4

 

Lehmann

Bamberger Symphoniker

DGG

1952

16‘50

4

 

Busch

Busch Chamber Players

Columbia/Pearl

1946

15‘56

4

 

Pinnock

The English Concert

DGA

1982

14‘06

4

Originalinstrumente – HIP

 

Orpheus Chamber Orchestra

DGG

1994

13‘39

4

 

Marriner

Academy of St.Martin-in-the-Fields

Decca

1968

12‘45

4

 

Pommer

Neues Bachisches Collegium Musicum Leipzig

Capriccio

1983

13‘12

4

Originalinstrumente - HIP

HIP historisch informierte (= nach zeitgenössischen Quellen) Aufführungspraxis

Händels 12 Concerti grossi op.6 für Solostimmen und vierstimmiges Streichorchester mit Continuo entstanden alle im Jahr 1739. Die Zeit der italienischen Opern lag hinter ihm und die Hinwendung zu den großen Oratorien war mit „Das Alexanderfest", „Israel in Ägypten" und „Saul" bereits vollzogen. Größtenteils handelt es sich um neu erfundene Musik, hier und da bediente sich der Komponist jedoch auch einzelner Sätze aus früheren Werken, die er für seine Zwecke bearbeitete.

Unser vorliegendes Concerto in F-dur ist laut Händels Vermerk am 20.Oktober 1739 komponiert oder fertiggestellt worden. Es hat 6 Sätze: Largo, Allegro, Larghetto, Allegro, Menuet und Gigue. Die 3 Tanzsätze können die Verwandtschaft zur Suite, der barocken Instrumentalform, nicht leugnen. Der Streichergruppe (= ripieno) ist einem dreistimmigen Solistenensemble, bestehend aus 2 Violinen und einem Cello (= concertino), gegenübergestellt, jedoch nur in den Sätzen 2, 3 und 6.

Beginnen wir in unserer Übersicht mit dem Largo. Adolf Busch spielt mit seinem Kammerorchester hier sehr langsam, die Musik hat einen ernsten Charakter, hier wird klar, es ist keine Einleitung, die auf die folgende Musik einstimmen soll, sondern ein Stück voller Spannung und auch Ahnung im Blick auf Kommendes. Er hat das Ausdruckspotential dieser 28 Takte erfasst und schöpft es voll aus! Es darf jedoch die Frage gestattet sein, ob sich diese Interpretationshaltung bereits zu weit in romantisches Gefilde gewagt hat. Alle anderen Interpretationen bewegen sich auf neutraleren Feldern: Fritz Lehmann hebt die zweitaktigen forte-Teile kräftig hervor, ebenso Karl Richter, der übrigens 18 Jahre zuvor, zu Beginn seiner Karriere, bei Lehmann am Cembalo saß. Iona Brown verziert die Violin-Noten in den forte-Takten mit Trillen, ähnlich verfährt Max Pommer, Hogwood gelingt eine schöne Schlusskadenz. Dem ernsten Charakter dieses Satzes gemäß ersetzen I.Brown sowie das Orpheus Chamber Orchester das übliche Continuo-Cembalo durch eine Orgel. Bei Busch bedient übrigens M.Horszowski das Cembalo, Richter verpflichtete den Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, Gerhard Hetzel, als Anführer der Solistengruppe.

Das folgende Allegro ist mit 109 Takten der längste Satz des Konzerts. Er trägt überwiegend festlichen Charakter, concertino und ripieno spielen sich gegenseitig die Themen zu. Hogwood, Pinnock und das Orpheus ChO lassen sehr lebendig, vorwärtsstrebend spielen, das Klangbild ist sehr durchsichtig, ebenso bei I.Brown, Die ihr Orchester mehr zu genauerem Spiel anhält als ihr Chef Neville Marriner, der einen eher musikantischeren Ansatz wählt. Pommers Tempo ist das schnellste, leider klingt die Musik hier etwas zackig. Bei Richter ist die Musik vital, sogar ein wenig auftrumpfend, ebenso bei Lehmann, dessen großbesetztes Streichorchester etwas rauh klingt. Buschs Auffassung ist in diesem Allegro nicht romantisch gefärbt, die Takte 52-61 gestaltet er wie ein kleines Violinkonzert.

Das folgende Larghetto im 6/8-tel Takt ist ein Siziliano. Besonders Hogwood, aber auch das Orpheus ChO betonen folgerichtig den Tanzcharakter dieses Satzes. Bei Lehmann kommt er gravitätisch mit prallen tutti-Klängen daher, ähnlich verfährt Richter. Bei Pinnock spürt man den Tanz weniger. Marriner wählt ein schnelles Andante-Tempo, es stellt sich dabei jedoch kein schwebender Siziliano-Klang ein. Bei Brown klingen die tutti-Abschnitte wie ein vergrößertes ripieno, concertino und ripieno sind nur unmerklich voneinander abgesetzt, im Gegensatz zu Lehmann, Richter und dem Orpheus ChO. Bei Pommer scheinen die Orchester-Streicher mit Dämpfer zu spielen. Der Satz klingt, wie der erste, mit einer Kadenz aus: bei Marriner, Pinnock und dem Orpheus ChO jeweils von der Solo-Geige gestaltet, bei Lehmann beeindruckt Richter am Cembalo.

Auf das Larghetto folgt eine 3-stimmige Fuge. Busch lässt das Fugenthema nonlegato spielen, Lehmann hebt die Themeneinsätze immer ein wenig hervor, trotz des groß besetzten Streichorchesters bleibt die Musik immer durchsichtig, ebenso beim Orpheus ChO. Pommer nimmt hier das Tempo etwas zurück, dadurch verliert die Musik leider ein wenig von ihrer Frische. Hogwood macht deutlich, dass sich eine Händelsche Fuge auch lustbetont darstellen lässt, ohne an Ausdruck einzubüßen. Executiert scheint mir der Satz bei Pinnock, eher abgespult von Marriner. Im Gegensatz dazu hebt dieser schön den Tanzcharakter des nachfolgenden Menuetts heraus, übertroffen wird er noch von Busch, der die einzelnen Abschnitte schön von einander absetzt. Beim Orpheus ChO wechseln sich ripieno und concertino ab, ebenso bei Pommer, während Hogwood und Pinnock auf Soli verzichten. Mit einem besonderen Kabinettstückchen überrascht uns Lehmann: Richter nutzt den Lautenzug seines Cembalos und errreicht so einen duftigen Klang. Mir unerklärlich ist, dass Richter bei seiner eigenen Aufnahme auf diesen Effekt verzichtet.

Kommen wir nun zum Schlusssatz, wie in einer Suite ist es eine Gigue. Bei Hogwood erklingt sie als unbeschwertes Schlussstück, bei Pinnock, Marriner und dem Orpheus ChO noch mehr als Kehraus. Pommers Gigue erklingt mir etwas zu akademisch neutral, dazwischen liegt I.Brown mit der Academy. Lehmann legt ein langsameres Tempo vor, Streichersound, aber mit Stilgefühl, ähnlich verfährt Richter.

eingestellt am 19.11.09

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