Das Klassik-Prisma |
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Bernd Stremmel |
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Wolfgang
Amadeus Mozart
Konzert
für Fagott und Orchester B-Dur KV 191 (186e)
Allegro
– Andante ma Adagio – Rondo, Tempo di Menuetto
Im Alter
von 18 Jahren komponierte der jugendliche Mozart im Sommer 1774 sein Fagottkonzert in B-Dur. Auf seinen drei Studienreisen nach
Italien mit Vater Leopold, zuletzt 1772/73, konnte der Jüngling Wolfgang Amadé seine Bekanntschaft mit führenden italienischen
Komponisten und ihren unterschiedlichen Werken erlernen und nach und nach
vertiefen. Vermutlich hat er auch einige Konzerte von Vivaldi kennengelernt,
der 37 Konzerte für Fagott geschaffen hat und auch die technischen
Möglichkeiten des Instruments, wie Sprünge, Läufe und Tonumfang ausreizte, was dem jungen Salzburger Komponisten nicht
verborgen blieb. Das Fagottkonzert ist das erste
Konzert für Bläser aus Mozarts Feder. Als Hörer staunt man über sein Wissen
über das Instrument, obwohl er es selbst nicht spielte.
Das
Konzert ist in der üblichen dreiteiligen Satzfolge komponiert: einem schnellen
Kopfsatz, dessen Sonatenform hier noch in den Anfängen steckt, folgt ein
inniges Andante in F-Dur. Ein Rondo im Tempo di Menuetto
als Finale ist noch konventionell geformt. Die vier unterschiedlichen Couplets
geben dem Spieler jedoch Gelegenheit, sein Können auf dem Instrument unter
Beweis zu stellen. Das Orchester ist mit je 2 Oboen und Hörnern sowie
Streichern relativ klein besetzt.
Mozarts
Konzerte für Bläser sind alles Auftragskompositionen. Beim Fagottkonzert
ist nicht erwiesen, dass der Auftraggeber ein gewisser Thaddäus Freiherr von Dürnitz war, da das Autograph verschollen ist. Der Freiherr
war ein Fagott-Dilettant und notierte in einem Verzeichnis 74 Werke von Mozart,
die er besessen haben soll, ein Konzert für Fagott ist jedoch nicht aufgeführt.
Mozart hat
in allen drei Sätzen keine Kadenzen oder Eingänge geschrieben, diese musste der
Solist selbst besorgen. Gwydion Brooke, Klaus Thunemann, Frank Morell, und Milan Turković-Hager/-Harnoncourt
verwenden eigene Kadenzen. In seiner ersten Aufnahme mit Schneidt verwendet Turković im ersten und zweiten Satz Kadenzen von
Hermann Dechant. Sherman Walt bedient sich in allen Sätzen Kadenzen von Walter Gütter. Michael Chapman greift zu Kadenzen von Eugene Jancourt, bei den meisten Solisten fehlen jedoch Angaben
bezüglich der Urheberschaft.
5 |
Gwydion Brooke |
Royal Philharmonic Orchestra London |
EMI |
1958 |
18‘00 |
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I lustbetontes Musizieren, hellwach, etwas robust,
großbesetztes Orchester, II atmosphärereich, III ab
Couplet 3 etwas schneller, farbenreich |
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5 |
Klaus Thunemann |
Academy of St.
Martin-in-the-Fields |
Philips
Decca |
1988 |
16‘59 |
|
lebendiges und flexibles Musizieren, sehr gute Balance
und Transparenz, angenehmer Fagottklang, II
artikulatorische Feinarbeit, überzeugendes Tempo – sehr gutes Miteinander,
klangschöne Aufnahme |
||||
5 |
David McGill |
Cleveland Orchestra |
Decca |
1993 |
18‘31 |
|
großbesetztes Orchester, inspiriertes Miteinander, mit artikulatorischer
Feinarbeit, Solist meist vorn, sehr gute Balance und Transparenz, III klar,
ausgewogen, klangvoll |
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4-5 |
Milan Turković |
Mozarteum Orchester Salzburg - Leopold
Hager |
Telefunken |
P 1979 |
17‘43 |
|
▼ |
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4-5 |
Milan Turković |
Bamberger Symphoniker - Hanns-Martin
Schneidt |
DGG |
P 1972 |
18‘06 |
|
▼ |
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4-5 |
Frank Morell |
Orpheus Chamber Orchestra |
DGG |
1987 |
18‘51 |
|
I sehr lebendig, gutes Miteinander; man spürt, hier
spielt kein Solist, sondern ein Mitglied des Orchesters, Orchester im
Philharmonischen Stil, II Solist mit einigen Verzierungen |
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4-5 |
Michael Chapman |
Academy of St.
Martin-in-the-Fields |
Philips |
P 1972 |
17‘09 |
|
Marriner und Orchester hellwaches Musizieren, bestes
Miteinander, Solist jedoch sehr nahe am Orchester platziert, II bewegtes
Tempo, Horn T. 40/41 zu leise |
||||
4-5 |
Dag Jensen |
Mito Chamber Orchestra - Seiji Ozawa |
Sony |
1999 |
15‘55 |
|
geradliniges Musizieren, I sehr lange Kadenz im 1. Satz
(virtuose Selbstdarstellung?), II sich Zeit lassend, gutes Miteinander,
schnörkellose Klarheit, |
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4-5 |
Helmut Müller |
SWF Sinfonie-Orchester - Hans Rosbaud |
SWR Classic |
1956 |
17‘13 |
|
hellwaches und zupackendes Musizieren, gutes
Miteinander, gute Balance und Transparenz, |
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4-5 |
Günter Klier |
Staatskapelle Dresden - Siegfried Kurz |
Eterna
Berlin Classics |
1982 |
19‘37 |
|
Solist hebt sich deutlich vom Orchester ab, leider
etwas kompakter Klang, II auch hier Solist immer präsent, III etwas nüchtern |
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4-5 |
Sherman Walt |
Boston Symphony Orchestra - Seiji Ozawa |
DGG |
1978 |
19‘06 |
|
gutes Miteinander, aufmerksames Musizieren, III
unbeschwert, Orchester nur Begleiter |
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|||||
4 |
Dietmar Zeman |
Wiener Philharmoniker - Karl Böhm |
DGG |
1973 |
19‘05 |
|
Zeman nicht so beweglich wie Kollegen, Böhm lässt
philharmonisch aufspielen, eher ein Neben- als ein Miteinander, II Transparenz
im Orchester könnte deutlicher sein, Tempo etwas gezogen, III Orchester wenig
locker |
||||
4 |
Günter Piesk |
Berliner Philharmoniker - Herbert von Karajan |
EMI |
1971 |
20‘56 |
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sonor klingendes Fagott, große Streicherbesetzung,
starke Bässe, jedoch profilierte Darstellung im philharmonischen Stil, II
gezogen, Musik zu sehr zelebriert, schöner Mozart, III Anflug von Behäbigkeit |
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Valeri Popov |
Russisches Staatsorchester - Valery Polyansky |
Chandos |
1996 |
19‘02 |
|
|
Fagott
immer nahe am Orchester, solide Darstellung, in der Kadenz darf Virtuosität
herausgestellt werden, II langsam, darstellerische Konzentration, III kaum
Variabilität in den wiederkehrenden Abschnitten (Rondo-Thema) |
||||
4 |
Maurice Allard |
Lamoureux
Orchester Paris |
DGG |
P 1960 |
16‘13 |
|
französisches Fagott, kraftvolle Tutti-Passagen, Balance
innerhalb des Orchesters nicht immer zufriedenstellend, Klangbild
stellenweise etwas rau, II Solist vor dem Orchester, bewegtes Tempo |
||||
4 |
Johannes Zuther |
RIAS Symphonie-Orchester Berlin
- Ferenc Fricsay |
RIAS-Aufnahme DGG |
1951 |
17‘53 |
|
I frisch aufgespielt, sprechende Artikulation, raue
Streicher, Rundfunk-Aufnahme, bei einer Platten-Produktion hätten einige
Stellen nachgearbeitet werden müssen, es läuft nicht alles wünschenswert
rund, II gefällt am besten, III Rondo-Thema breit aufgestellt, zu kompakt und
behäbig |
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Interpretationen
nach historisch-informierter Aufführungspraxis mit Originalinstrumenten |
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5 |
Jane Gover |
Anima Eterna - Jos van Immerseel |
ZigZag |
2002 |
17‘28 |
|
I bewegtes Musizieren, Solistin meist vorn, dunkler
Klang, II Streicher mit sehr zarter Begleitung, betonter Bass, III farbiges
Rondo-Thema, teilweise kecker Vortrag – gute Balance und Transparenz |
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5 |
Danny Bond |
The Academy of Ancient Music - Christopher Hogwood |
Decca |
1987 |
15‘40 |
|
I frisches Musizieren, gutes Miteinander, mit spürbarer
Hingabe, II Andante con moto,
entspannt, III farbiges Klangbild vor allem beim Rondo-Thema |
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4-5 |
Milan Turković |
Concentus Musicus Wien - Nikolaus Harnoncourt |
Teldec |
P 1987 |
18‘12 |
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▼ |
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4-5 |
Lorenzo Alpert |
Concerto Köln |
Capriccio |
2002 |
16‘14 |
|
I bewegtes Musizieren, klingt wie eine Burleske, Lust an
instrumentaler Zuspitzung, II entspannt, ausgeglichen, III ansteckende
Spielfreude |
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4 |
Marc Vallon |
Amsterdam Barock Orchestra - Ton Koopman |
Erato |
1993 |
16‘24 |
|
Fagott mit schmalem Klang, I Buffo-Charakter
herausgestellt, zu viel Hall, darunter leidet die Transparenz, II kompakte
Streicher – Klangbild insgesamt etwas blass |
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4 |
Donna Agrell |
Freiburger Barockorchester - Petra Müllejans |
HMF |
2006 |
17‘01 |
|
gutes Miteinander, Musik jedoch etwas gebremst, II
geringere Spannung (als gewünscht), III etwas distanziert |
Hinweise zu Interpreten
und Interpretationen
Milan Turković
Der
kroatisch-österreichische Fagottist hat Mozarts Fagottkonzert
viermal aufgenommen, drei Interpretationen stehen hier zum Vergleich. Die erste
entstammt in Zusammenarbeit mit Hanns-Martin Schneidt und den Bamberger
Symphonikern bei der DGG. Der Klang des Fagotts ist hier heller als man es von
anderen Solisten gewohnt ist. Es könnte sein, dass er hier ein Instrument aus
französischer Werkstatt spielt. Insgesamt wird locker musiziert, jedoch ohne
ein inniges Miteinander vom Solisten und Orchester zu erreichen. Im dritten
Satz führt Turković und nimmt das Orchester in den Schlepptau. Vielleicht war er selbst nicht ganz
zufrieden mit der Aufnahme und traf sich mit Leopold Hager und dem
Mozarteum-Orchester für Telefunken zu einer Neuproduktion. Hier ist das Fagott
deutlich nach vorn gerückt, vermutlich spielt er auch ein anderes Instrument.
Der Kopfsatz wird deutlich schneller gespielt, der Mittelsatz deutlich
langsamer, mit viel Atmosphäre. Einige Jahre später folgte eine weitere
Produktion, jetzt mit Nikolaus Harnoncourt und seinem Concentus
Musicus in historisch-informierter Interpretation. Turković war einige Jahre Mitglied dieses Ensembles.
Die Neuaufnahme besitzt ein offenes Klangbild mit guter Balance und
Transparenz, das Fagott ist hier nahe an das Orchester platziert. Immer wieder
erfreuen Interaktionen zwischen Solisten und Orchester. Das Finale bleibt hier
nur gediegen.
eingestellt am 28.11.24