Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

www.klassik-prisma.de

Diese Webseite ist urheberrechtlich geschützt.

 

Mozart   home

Wolfgang Amadeus Mozart

Klavierkonzert Es-Dur KV 271

„Jeunehomme-Konzert"

Allegro – Andantino – Rondo, Presto, Menuett, Presto

 

Das Klavierkonzert in Es-Dur, dem Ludwig Ritter von Köchel die Nummer 271 zugeteilt hat, entstand im Januar 1777, als Mozart gerade das 21. Lebensjahr erreicht hatte. Es ist ein bemerkenswertes Stück, in dem der Komponist ohne vorherige Hinweise, etwa durch andere seiner Kompositionen, einen gewaltigen Entwicklungsschritt nach vorn vollzieht und sein ganzes weiteres Schaffen auf eine höhere Stufe hebt. Der Musikforscher Alfred Einstein vergleicht dieses Konzert mit Beethovens Eroica, die im Schaffen dieses Komponisten seine vorangegangenen Sinfonien, und auch Klavierkonzerte, weit in den Schatten stellt. Der Herausgeber der Neuen-Mozart-Ausgabe im Verlag Bärenreiter, Christoph Wolff, schreibt im Vorwort zu diesem Konzert: Mozart gelingt hier der Durchbruch zu einer individuellen Gestaltung des Klavierkonzertes, der auch nicht ohne Auswirkungen auf seinen Instrumentalstil blieb. Die formalen Ausmaße von KV 271 sind ebenso außergewöhnlich wie die klavieristischen Anforderungen. Weder vorher noch nachher hat Mozart das Soloklavier zu Anfang so demonstrativ exponiert. …Später nicht mehr. Durch den frühzeitigen Einstieg des Klaviers, bereits im zweiten Takt, kommt der formale Ablauf des ersten Satzes etwas ins Schwanken. Beethoven wird das Konzert gekannt haben und greift diese formale Idee in seinen beiden letzten Klavierkonzerten wieder auf.

Abseits von der herkömmlichen Gestaltung eines Mittelsatzes, z. B. in einer dreiteiligen Liedform, findet man für das introvertierte c-Moll-Andantino keine rechte Erklärung. Wolfgang Hildesheimer bemerkt dazu in seiner Monographie (S. 92): Was war da geschehen, das sich in dem c-Moll-Andantino niederschlug, diesem tiefgründigen dialogischen Rezitativ, wer spricht da mit wem? Antwort: Mozart spricht mit sich selbst in seiner unübersetzbaren Sprache.

Auch der dritte Satz weicht von der herkömmlichen Rondeau-Form ab, mit einem ausgedehnten (langsamen) Menuett unterbricht es den mit voller Energie geladenen Presto-Satz. Eine ähnliche Variante findet sich bereits vorher im A-Dur-Violinkonzert KV 219. Einige Jahre später, zur Zeit der reifen Klavierkonzerte erinnert sich Mozart im Klavierkonzert Nr. 22 KV 482, ebenfalls in Es-Dur stehend, an diese Kompositionsidee.

Christoph Wolff schreibt zu Widmungsträgerin Mad.me Jeunehomme, dass Mozart das Äußerste an kompositorischem Können aufgeboten habe, um die Ansprüche der seinerseits gepriesenen Klaviervirtuosin Jeunehomme … zu befriedigen. Ihre Lebensumstände seien aber leider ungeklärt. Mit dem Namen „Jeunehomme" hat es seine eigene Bewandnis. Mozart schreibt 1778 aus Paris an seinen Vater: Mad:me jenomè ist auch hier. Dieser antwortet darauf: Mache von mir und der Nannerl unsere Empf […] an Md:me genomai. Daraus, ist zu schließen, dass sie die Dame persönlich gekannt haben. Die unterschiedlichen Namensversionen sind wohl der damals unverbindlichen Rechtschreibung und gleichzeitig auch Nachlässigkeit beim Schreiben von Eigennamen geschuldet. Dazu kommt, dass W. A. Mozart von Zeit zu Zeit Menschen seines Umfeldes absichtlich mit verändertem Namen, Scherzes halber, benannte. Schon der ersten Mozart Biographen Théodore de Wyzewa sowie Georges de Saint-Foix wussten sich keinen richtigen Reim auf die unterschiedlichen, aber ähnlich klingenden Namen „jenome" sowie „genomai" zu machen und nannten die Pianistin „Jeunnehomme".

Viele Jahre später gelang dem Musikhistoriker Michael Lorenz* durch Forschungen im Wiener Stadtarchiv der Nachweis, dass es sich bei der Auftraggeberin des Konzerts um die Tochter des mit Mozart bekannten Wiener Ballettmeisters Jean Georges Noverre handelt. Sie war sowohl Tänzerin als auch eine tüchtige Klavierspielerin, ihr Name ist Victoire Noverre, die mit ihrer Heirat wie üblich den Nachnahmen ihres Mannes Jenamy annahm. Sie lebte von 1749-1812, Mozart traf sie zum ersten Mal bereits 1773 bei einem Wien-Aufenthalt. Damit ist das Rätsel um den Namen wohl gelöst. Eigentlich müsste das Konzert Jenamy-Konzert heißen. Für die Bezeichnung Jeunehomme-Konzert kommt die Aufklärung jedoch zu spät, sie wird wohl ewig an KV 271 hängen bleiben. Generationen haben ihn verinnerlicht, vielleicht durch die Lektüre von Herrmann Aberts Mozart-Biographie oder durch Alfred Einsteins Übernahme in die 3. Auflage des Köchel-Verzeichnisses. Ganz gewiss auch durch unzählige Schallplatten- oder CD-Hüllen.

Zum Schluss ein paar Sätze über die verwendeten Kadenzen. Es scheint so, dass Mozart in keinem anderen Konzert so eine Fülle von Kadenzen den Interpreten hinterlassen hat. Es ist auch zu lesen, dass Mozarts ältere Schwester Nannerl Kadenzen zu KV 271 verfasst hat. Im ersten Satz findet man die Kadenz wie üblich am Ende der Reprise. Von Mozart ist eine kurze (A) und eine längere (B) in der Partitur der Neuen-Mozart-Ausgabe abgedruckt, wobei beide mit demselben Noten beginnen, die längere jedoch fantasiereicher ausgeführt ist. Da ist es kaum verwunderlich, dass alle Pianistinnen/-ten diese zweite Kadenz wählen, mit Ausnahme von Ronald Brautigam. Ähnliches gilt für die Kadenz am Ende des zweiten Satzes. Auch hier wird die längere von fast allen gespielt, außer wieder von Ronald Brautigam. Komplizierter ist es im Finale, in der die Kadenzen „Eingang" genannt werden. Den ersten schreibt Mozart in der Mitte des ersten Abschnittes, hier stehen sogar drei Versionen zur Auswahl, die sich jedoch alle thematisch unterscheiden,

für Eingang A haben sich entschieden: Gulda, Serkin, Ashkenazy, Pires, Zacharias, Schmidt, Haebler, Perahia, Kempff, Gieseking, Steurer, Schilhawsky, Sellier, Kraus, Han, Ranki, Larrocha, Pletnjew, Engel, Firkusny-Bour, Weissenberg, Piazzini, Ursuleasa, Nicholson und Zitterbart. Brautigam und Buchbinder spielen hier Eingänge, die nicht in der Partitur verzeichnet ist, Anda benutzt eigene Kadenzen in diesem Satz. Lediglich Bilson und Cohen greifen zu Eingang C. Alle anderen nutzen Eingang B.

Der zweite Eingang ist als Übergang vom Menuett-Einschub zum wiederkehrenden Rondo-Presto gedacht. Auch hier stellt Mozart drei Versionen zur Auswahl: Eingang A wird von Nicholson, Zitterbart, Cohen, Weissenberg, Ursuleasa, Han, Ranki, Larrocha, Kosuge, Pletnjew, Engel. Firkusny-Bour, Steurer, Schilhawsky, Seller, Kraus, Perahia, Kempff, Gieseking, Zacharias, Schmidt, Haebler, Schiff, Dulda und Ashkenazy. Eingang C findet man nur bei Cohen. Gieseking spielt einen Mix aus den Eingängen A und B. Alle anderen Interpreten greifen zu Eingang B.

* Michael Lorenz, in: Mozart. Experiment Aufklärung im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts, hrsg. von Herbert Lachmayer, Berlin/Ostfildern 2006, S. 423-429, auch online abrufbar.

 

5

Wilhelm Kempff

Karl Münchinger

Stuttgarter Kammerorchester

Decca

1953

31‘47

 

I abwechslungsreich gestalteter Klavierpart, Münchinger aufmerksamer Partner, II beseeltes Klavierspiel, intensive Gestaltung, III vielschichtig gestaltet, jenseits aller Routine – helles, flaches Decca-Klangbild der frühen 50er, leicht historisch, Klavier etwas vorgezogen, Orchester in Tutti-Abschnitten kompakt

5

Walter Gieseking

Hans Rosbaud

Staatskapelle Berlin

Columbia    Piano Library

1936

30‘12

 

I kraftvoll, vorwärtsdrängend, hellwaches Miteinander, Gieseking mit wunderbarem jeu perlé, II Gieseking nicht so individuell wie Kempff, jedoch ebenso ausdrucksvoll, III ausgelassen, die Virtuosität des Klavierparts bekräftigend, verspieltes Menuett – in Anbetracht des Alters der Aufnahme gute klangliche Realisierung

5

Clara Haskil

Carl Schuricht

Sinfonie-Orchester des SDR Stuttgart

hänssler

1952

30‘12

 

live, ▼

5

Clara Haskil

Paul Sacher

Wiener Symphoniker

Philips

1954

32‘05

 

5

Clara Haskil

Otto Ackermann

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

medici arts

1954

30‘22

 

live, ▼

5

Lili Kraus

Walter Süsskind

Philharmonia Orchestra London

EMI      Dutton

1948

29‘08

 

5

Rudolf Firkušnŷ

George Szell

Concertgebouworchester Amsterdam

Orfeo

1958

31‘56

 

live, ▼

5

Rudolf Firkušnŷ

Ernest Bour

Sinfonie-Orchester des SWF Baden-Baden

Intercord

P1993

31‘12

 

5

Alfred Brendel

Neville Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

Philips

1978

32‘51

 

5

Alfred Brendel

Charles Mackerras

Scottish Chamber Orchestra

Philips

2001

34‘11

 

5

Alfred Brendel

Charles Mackerras

Wiener Philharmoniker

Decca

2008

34‘22

 

live, ▼

5

Andras Schiff

Sandor Vegh

Camerata academica Salzburg

Decca

1988

31‘28

 

I gute Partnerschaft, concertare!, II Orchesterklang etwas dick, voluminöse Bässe, III schwungvoll, Mozart-Stil

 

 

4-5

Christian Zacharias

Jerzy Maksymiuk

Polnisches Kammerorchester

EMI

1984

32‘28

 

I und III kerniger Klavierton, Zacharias immer mit Blick nach vorn, konturenscharfes Klangbild, Bläser könnten etwas mehr hervortreten, II Bläser hier deutlicher, Atmosphäre

4-5

Christian Zacharias, auch Ltg.

 

Kammerorchester Lausanne

MDG

2004

31‘38

 

I und III Klavier mehr in den Orchesterklang eingebettet, etwas weniger präsent, Orchesterklang breiter, jedoch weniger konturenscharf, II Dialog zwischen Klavier und Orchester etwas deutlicher – sehr leises Rumpeln im Hintergrund

4-5

Vladimir Ashkenzay

Istvan Kertesz

London Symphony Orchestra

Decca

1966

31‘53

 

4-5

Vladimir Ashkenzay, auch Ltg.

 

Philharmonia Orchestra London

Decca

1984

33‘42

 

4-5

Rudolf Serkin

Alexander Schneider

Marlboro Festival Orchestra

Columbia    Sony

1956

31‘11

 

4-5

Lili Kraus

Stephen Simon

Vienna Festival Orchestra

Epic    Sony

1965

29‘24

 

4-5

Lili Kraus

Victor Desarzens

Orchester der Wiener Staatsoper

Concert Hall   Scribendum

1959

31‘03

 

4-5

Leonard Hokanson

Kurt Redel

Camerata Labacensis

Kingdom records     Pilz

1987

31‘26

 

Mozarts Vorlage sensibel nachgezeichnet, inspiriert, anfangs Pedalgeräusche an Solo-Stellen, II ausdrucksvolles Klavierspiel, klangvoller Espressivo-Stil, III entschiedener Zugriff, pulsierend, Pizzicati der 1. Vl. In T. 274 ff. zu leise – sehr gute Balance und Transparenz

4-5

Murray Perahia,

auch Ltg.

 

English Chamber Orchestra

CBS   Sony

P 1977

31‘28

 

I frisches Musizieren, vielschichtig und inspiriert, Klavier und Orchester in bester Partnerschaft, II empfindsam, Wärme ausstrahlend. III vehementer Zugriff, aber immer locker, Menuett immer bewegt - sehr gute Balance und Transparenz

4-5

Deszö Ranki

Janos Rolla

Franz Liszt Kammerorchester Budapest

Hungaroton

P 1985

32‘07

 

I entschieden voran, vital, jedoch kaum Zwischentöne, diese begegnet man erst in der Kadenz, II ernste Stimmung, Espressivo, III musikalische Energie freigesetzt, galantes Menuett – sehr gutes Miteinander, helles Klangbild

4-5

Matthias Kirschnereit

Frank Beermann

Bamberger Symphoniker

Arte Nova

2004

31‘21

 

Dirigent lässt locker spielen, gerundeter Klang, Pianist aufmerksam, mit dynamischen Schattierungen, insgesamt natürliches Musizieren, ausgeglichen, gutes Miteinander, Mozart auf der Spur, II nichts wird in die Musik hineingeheimnisst, nicht weit weg von Kammermusik, III musikantisch, unaufgeregt

4-5

Alfred Brendel

Antonio Janigro

Zagreber Solisten

Vanguard   Brilliant

1966

33‘50

 

4-5

Nicola Frisardi

Gérard Korsten

Mozarteum- Orchester Salzburg 

Chesky

P 1995

32‘37

 

I kerniger Klavierton, facettenreiches Klavierspiel, jedoch weniger geschmeidig, gute Partnerschaft, Dynamik nicht vernachlässigt, II mit spannungsreicher Beredtheit, III vehement, ausgelassen, spielerisches Menuett

4-5

Svjatoslav Richter

Jewgenij Svetlanov

Staatliches Sinfonie-Orchester der UdSSR

Brilliant

1966

34‘18

 

live - I zupackend, kraftvoll, straff, mit Stilbewusstsein, erst in der Kadenz wird auch Betroffenheit hörbar, II Adagio, Musik von tiefer Melancholie getragen, spannungsvoll, intensiv, III Presto-Ritornell etwas stromlinienförmig, Menuett etwas trocken – großer Streicherapparat, klanglich passabel

4-5

Friedrich Gulda

Karl Böhm

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

Orfeo

1969

31‘09

 

live – Böhm akkurat, ausgewogen, wie man es von ihm kennt, Gulda weniger individuell als vielleicht erwartet, III temperamentvoll, Menuett bewegt – aufmerksames Publikum

4-5

Myra Hess

Pablo Casals

Perpignan Festival-Orchestra

Columbia   Sony

1951

35‘09

 

live – I geradlinig, wenig elastisch, II mit tragischem Unterton, teilweise schmerzerfüllt, III Menuett – obwohl nicht in Moll – erinnert wieder an die Stimmung des 2. Satzes

4-5

Maria Bergmann

Hans Rosbaud

SWF Sinfonie-Orchester Baden-Baden

SWR Classic

1956

32‘07

 

elastisches Orchester, Stilbewusstheit sowohl bei Bergmann als auch bei Rosbaud, insgesamt jedoch etwas objektiv, sehr gutes Miteinander, Bergmann nach dem 2. Weltkrieg jahrzehntelange Hauspianistin des SWF, Klavierton in tiefer Lage etwas mulmig

4-5

Carmen Piazzini

Michail Gantvarg

Leningrader Solisten

Col legno

1990

31‘43

 

I mit artistischer Leichtigkeit, erfrischend, klare Artikulation, gutes Miteinander, II Melancholie, facettenreiches Klavierspiel, Pianokultur bei Solistin und Orchester, spannungsreich, III vehement, gelöstes Menuett, immer wieder leuchtender Klavierton – sehr gute Balance und Transparenz

4-5

Alexander Sellier

Karl Ristenpart

Saarländisches Kammerorchester

Club National du Disque forgotten records

1956

31‘21

 

unbekannter deutscher Pianist hinterlässt hier – in Partnerschaft mit Ristenpart – einen guten Eindruck, Klang zeitbedingt, jedoch präsent

4-5

Yo Kosuge

Lawrence Foster

Sinfonie-Orchester des NDR

Sony

2005

32‘33

 

I in den Takten 15-21 fehlen die Imitationen der vorangegangen aufsteigenden Bassmotive bei den 1. Geigen, ansonsten akkurat, disziplinierte Musikalität, II ernste Stimmung, gewichtiger Orchesterpart, III temperamentvoll, brillante Passagen, ausgelassen, im Menuett ausdrucksstark – Kosuge und Foster ein gutes Team

4-5

Mihaela Ursuleasa

Jesus Lopez-Cobos

Kammerorchester Lausanne

Claves

1995

32‘03

 

I in den Takten 15-21 sind die Imitationen der vorangegangen aufsteigenden Bassmotive bei den 1. Geigen nicht zu vernehmen, dem Orchester wünschte man sich seitens des Dirigenten etwas mehr an Initiative und Transparenz, Solistin mit schlanker und präziser Tongebung, inspiriert, II Ursuleasa gibt die Marschrichtung vor, das Orchester folgt, III überschäumende Spiellaune, spannungsintensive Beredtheit im eingeschobenen Menuett

4-5

Mitsuko Uchida

Jeffrey Tate

English Chamber Orchestra

Philips

1990

31‘29

 

I Orchester weniger locker, Mozart-Phrasierungen genau umgesetzt, unverzärteltes Klavierspiel, bestimmt, kraftvoll, II stark in Richtung Beethoven blickend, Kadenz im tragischern Ton, III kraftvoll vorwärts, im Menuett auf Satz II zurückblickend – Uchida und Tate ein gutes Team

 

 

4

Mitsuko Uchida,          auch Ltg.

 

Cleveland Orchestra

Decca

2012

32‘54

 

I zu Beginn vorsichtig, nicht auftrumpfend, insgesamt er abwartend, Orchester aufmerksam, ein Dirigent würde ein Gewinn sein (Spannung), Uchida auf bekanntem pianistischem Niveau, II zu Mozart zurückgekehrt, ernste Stimmung, III zu mechanisch, vom Anschlag wünschte man sich mehr Variabilität – verbesserter Klang

4

Alicia de Larrocha

Colin Davis

English Chamber Orchestra

RCA

1991

33‘55

 

I etwas schwergewichtiges Musizieren, markante Akzentuierungen, nicht mit jugendlichem Schwung, eher abgeklärt, II empfindsam, am Satzende betroffen machend, III ähnlich Satz I, Menuett ohne Leichtigkeit – gutes Miteinander

4

Walter Gieseking

Igor Markevitch

Orchestre National de Paris

Pearl

1955

31‘54

 

live, Rundfunk-Mitschnitt Montreux – kaum Änderung in der Gestaltung zur früheren Aufnahme, II Gieseking kniet sich jetzt mehr in Mozarts Musik – Gieseking und Markevitch in guter Partnerschaft, Flügel klanglich vorgezogen, Orchester bei lauten Tutti-Einsätzen etwas mächtig, klingt wie exekutiert, spielt nicht auf dem Niveau der Berliner Staatskapelle; unruhiges Publikum, Pause zwischen den Sätzen

4

Derek Han

Paul Freeman

Philharmonia Orchestra London

Brilliant

1992

30‘36

 

I geradliniges Musizieren, immer den Blick nach vorn gerichtet, vital, in den Takten 15-21 fehlen die Imitationen der vorangegangen aufsteigenden Bassmotive bei den 1. Geigen, II bewegt, klar ausgewogen, jedoch etwas geglättet, III frisch musiziert, gefällt am besten – helles und durchsichtiges Klangbild

4

Karl Engel

Leopold Hager

Mozarteum Orchester Salzburg

Teldec

1978

33‘21

 

I an der Partitur entlang musiziert, sorgfältig, wenig elastisch, unaufgeregte Art, II kontemplativ, wenig betroffen, Menuett ohne Charme – die Aufnahme hinterlässt keinen bleibenden Eindruck, im Hintergrund immer wieder leise Verkehrsgeräusche

4

Geza Anda, auch Ltg.

 

Camerata academica Salzburg

DGG

1968

33‘46

 

deutliches Gefälle zwischen Anda und seinem Orchester, das nicht so geschliffen klingt – wie später bei Vegh – und keine eigenen Ideen entwickelt, also dem Flügel folgt, bei f-Stellen etwas aufgeplustert, II Adagio, Anda sensibel und ernsthaft, III klar und ausgewogen, T. 292 ff. Klavier zu leise

4

Daniel Barenboim,    auch Ltg.

 

Berliner Philharmoniker

Teldec

1991

33‘33

 

4

Alexis Weissenberg

Carlo Maria Giulini

Wiener Symphoniker

EMI

1978

34‘31

 

I wie so oft, hört man die Imitationen der 1. Geigen in den T. 15-21 kaum, obwohl Giulini gegenüber anderen Dirigenten dem Orchester einen höheren Stellenwert beimisst und auch einen Blick auf die beiden Hörner wirft, die meist ein nur stiefmütterliches Dasein fristen. Weissenberg glänzt mit einem perfekten Klavierspiel, das jedoch etwas antriebslos klingt. Im sehr langsamen Andantino, hier das längste Adagio aller mir bekannten Aufnahmen, wird sehr gewichtig musiziert, hatte das Mozart so gemeint? In der Kadenz wird der Pianist plötzlich etwas schneller. Trotz schnell gespieltem Ritornell klingt Weissenberg etwas zurückhaltend, das Menuett kommt dem Hörer mehr entgegen.

4

Rudolf Serkin

Claudio Abbado

London Symphony Orchestra

DGG

1981

35‘01

 

4

Maria João Pires

Theodor Guschlbauer

Orchester der Gulbenkian Stiftung

Erato

1972

33‘23

 

I vehementer Zugriff, jedoch etwas geglättet und einförmig, Orchester in den ersten 20 Takten nicht genügend durchgeformt, Flügel etwas vorgezogen, II Pires mit viel Espressivo, Orchester etwas pauschal, III schnelle Ritornell-Abschnitte, etwas äußerlich virtuos – wiederholt störende Verkehrsgeräusche im Hintergrund (U-Bahn?)

4

Ingrid Haebler

Witold Rowicki

London Symphony Orchestra

Philips

P 1968

34‘42

 

I Streicher etwas zu stark, besonders an f-Stellen, akkurat, aber nicht aufregend, Klavier wünschte man sich etwas lockerer, II hier näher bei Mozart, III wie I, Menuett zu objektiv – gute Balance und Transparenz

4

Hugo Steurer

Karel Ancerl

Tschechische Philharmonie Prag

Supraphon

1955

31‘42

 

I vehementer Zugriff, straff, eisern durchgezogen, Blick immer nach vorn gerichtet, II Espressivo auf mittlerem bis gutem Niveau, III Ritornell wie Satz I, bewegt gespieltes Menuett – gutes Miteinander, Bläser etwas zurück

 

 

3-4

Daniel Barenboim,    auch Ltg.

 

English Chamber Orchestra

EMI

P 1969

34‘39

 

3-4

Paul von Schilhawsky

Rudolf Alberth

Orchestre des Cento Soli

Le Club Francais du Disque  forgotten records

1961

34‘09

 

I unprätentiös, Mozart auf das Handwerkliche reduziert, nicht genügend durchgeformt, etwas bieder, ähnlich Satz III, insgesamt Hausmannskost; positiv überrascht dagegen der Mittelsatz, der konzentriert mit viel Espressivo, besonders auch in der Kadenz, aufgeladen wird

3-4

Jean-Marc Luisada

Paul Meyer

Orchestre di Padova et de Veneto

RCA

2002

34‘17

 

I Orchester etwas fest, ohne Leichtigkeit, dynamisch lasch, Pianist etwas zu erdverbunden, wenig locker, in der Kadenz versucht Luisada aufzuholen, II molto espressivo, aber auch gewichtig, III ähnlich I, Menuett zu schwerfällig, ab T. 273 etwas schneller, großzügige Dynamik – Orchester hängt sich an den Solisten, farbiges Klangbild

 

 

3

Rudolf Buchbinder,

auch Ltg.

 

Wiener Symphoniker

Calig    Profil

1997

31‘40

 

live - I Klavierpart ziemlich hingeknallt, Einheitsdynamik, kaum Varianten, sowohl beim Pianisten als auch den Musikern keine Sensibilität für Mozarts Musik spürbar, II schwergewichtig, Mozarts Noten gespielt, aber Mozarts Musik nicht entdeckt

 

 

2-3

Annerose Schmidt

Kurt Masur

Dresdner Philharmonie

Eterna    Berlin Classics

P 1976

29‘53

 

I schneller als gewöhnlich, etwas forsch, teilweise atemlos; gutes (mechanisches) Klavierhandwerk, jedoch wenig Mozart, II zu glattgebügelt, ohne Dialog zwischen Flügel und Orchester, III sehr schnelles Ritornell, Klavierpassagen wie hingeknallt, im Menuett tendenziell keine Änderung

 

Interpretationen nach historisch-informierter Aufführungspraxis mit Hammerflügel und historischen Instrumenten

 

5

Olga Paschenko, 

auch Ltg.

 

Il Gardellino

Alpha

2020

31‘55

 

Hammerflügel Nachbau von J. A. Stein, Wien; musikalische Zwiesprache vom Feinsten, Paschenko lässt eigene Ideen einfließen, in den Ecksätzen erfrischendes Musizieren, Hammerflügel auch als b. c.

5

Viviana Sofronitsky

Tadeusz Karolak

Musica Antiqua Collegium Varsoviense

Et’cetera

2005/06

31‘24

 

Hammerflügel von McNulty 1992, nach Anton Walter; beste Musizierlaune, zupackende Orchester-Tutti, temperamentvoll, differenziert, Mozart immer auf der Spur, Tutti-Klang könnte etwas klarer sein

5

Malcolm Bilson

John Eliot Gardiner

English Baroque Soloists

DGA

1983

32‘27

 

Hammerflügel von Philip Belt 1977, nach Anton Walter – I Solist und Orchester werfen sich die Bälle zu, markant akzentuiert, mit spürbarer Hingabe, II mit Feingefühl, kleinste harmonische und melodische Wendungen sensibel nachgezeichnet, II spürbare Vitalität, vielschichtiges Musizieren, das Festliche der Musik herausgestellt

 

 

4-5

Ronald Brautigam

Michael Alexander Willens

Die Kölner Akademie

BIS

2009

27‘43

 

Hammerflügel von McNulty 1992, nach Anton Walter; im Vergleich zu Paschenko weniger Saft, objektiver, das demonstrativ Auftrumpfende steht zurück, sehr sauberes Musizieren, II Melancholie, sehr schlanker Klang des Hfl., kommt auch als b. c. zur Anwendung

4-5

Jos van Immerseel,  auch Ltg.

 

Anima Eterna

Channel Classics

1990

32‘34

 

Hammerflügel von Christopher Clarke nach Anton Walter, I zielstrebig nach vorn, Mozarts Notentext sensibel nachgezogen, II Hfl. auch als b. c., betroffen, III disziplinierte Musikalität, Menuett etwas nüchtern – Immerseel und sein Orchester bestens aufeinander eingespielt

4-5

Andreas Staier,

auch Ltg.

 

Concerto Köln

Teldec

1995

31‘12

 

Hammerflügel von Monika May 1986, nach Anton Walter ~1785 – I gelöstes Musizieren, geschmackvoll, objektiv, jedoch ohne das gewisse Etwas in Bezug auf Empathie, II Staier mit einigen Verzierungen, III hier überzeugender, kapriziöses Menuett – sehr gutes Miteinander

4-5

Patrick Cohen

Christophe Coin

Ensemble Baroque de Limoges

Astrée

P 1998

32‘53

 

Hammerflügel von Christopher Clarke nach Anton Walter, I angerauter Sound, historisch, bei passenden Gelegenheiten präsente Hörner, Imitationen der 1. Geigen in den T. 15-21? II Hfl. auch als b. c., Cohen mit ein paar eigenen Ideen bei der Artikulation, Spannung, III (zu) langsames Menuett, Pizzicati der 1. Geigen zu leise – keine Routine

4-5

Linda Nicholson

Nicholas Kraemer

Capella Coloniensis

Capriccio

1990

32‘17

 

keine Angabe zum Hammerflügel – gelöstes Musizieren entlang der Partitur, ausgewogen, ohne besondere Hingabe, eher sachlich, Hfl. mit weniger Farbtupfern als in anderen Interpretationen, III T. 245 ff. deutlicher Kontrapunkt der 1. Geigen zum Soloinstrument

 

Interpretationen nach historisch-informierter Aufführungspraxis mit modernen Instrumenten

 

5

Gerrit Zitterbart

Thomas Fey

Schlierbacher Kammerorchester

gutingi

2000

33‘26

 

Interpreten lassen sich auf das Potential des Werkes ein, expressiver Orchesterstil, farbenreich, klangliche Schärfe, Zitterbart mit viel Stilbewusstsein, II inspiriertes Musizieren, III Tempogegensätze, ganz aus dem Geist Mozarts interpretiert – sehr gute Partnerschaft

5

Leif Ove Andsnes,

auch Ltg.

 

Norwegisches Kammerorchester

EMI

 2003

29‘46

 

mit spürbarer Hingabe, delikat, Solist und Orchester ein eingespieltes Team, II Bass an Tutti-Stellen etwas zu kräftig, III Presto!, zupackend, Musiker lassen sich auf das Potential des Satzes ein

5

Michail Pletnjew,

auch Ltg.

 

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Virgin

1995

33‘04

 

I Interpreten lassen sich auf Mozarts Partitur ein, Musizierlaune, facettenreich, Pletnjew mit teilweise gedrechseltem Klavierspiel, andererseits auch keck, II Solist und Orchester im Gespräch, empfindsam, aber auch spannungsgeladen, III vehementer Zugriff, gekünsteltes Menuett

 

 

4-5

Alexandre Tharaud

Bernard Labadie

Les Violons du Roy

Erato

P 2014

30‘44

 

I Solist mit sehr farbigem Anschlag, Interpreten mit Stilbewusstsein, ausgeglichen, jedoch nicht im Überschwang, II feinfühliges Musizieren, III genaues, jedoch unauffälliges Musizieren, etwas neutral, Menuett im Andante-Tempo – gutes Miteinander

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

Clara Haskil

Mit Clara Haskil am Flügel sind drei Aufnahmen von KV 271 greifbar, eine Studio-Produktion sowie zwei Konzertmitschnitte. Der älteste entstand im akustisch heiklen Stuttgarter Waldheim-Saal mit Carl Schuricht am Pult des SDR-Orchesters. Sie ist ein Glücksfall. Solistin und Orchester stellen sich hingebungsvoll in den Dienst von Mozarts Musik, con spirito sollte in großen Lettern über der Aufnahme stehen. Haskil spielt unverzärtelt und mit einer bemerkenswerten Differenzierung. Bewegt, jedoch konzentriert und mit viel Espressivo zieht das Andantino vorüber. Im Finale ist der Hörer Zeuge einer überschäumenden Musizierlaune. Als Kontrast dazu steht das unbeschwerte verspielte Menuett. Der Klang des Mitschnitts ist überraschend gut. Zwei Jahre später gastiert Haskil beim WDR ebenfalls mit dem Es-Dur-Konzert, am Pult des Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchesters steht jetzt Otto Ackermann, der ein sehr guter Partner ist, hier jedoch nicht ganz über die Spiritualität eines Schuricht verfügt. Insgesamt ähnelt die Aufnahme der früheren. Das Mikro zieht den Flügel etwas mehr nach vorn, er klingt hier etwas präsenter und kräftiger. Im selben Jahr 1954 tätigt Philips auch eine Studio-Aufnahme von KV mit Haskil in Wien, Paul Sacher begleitet mit den Wiener Symphonikern. Sacher lässt gepflegter spielen, erreicht jedoch nicht den Impetus von Schuricht und Ackermann, die Musil klingt hier eher etwas relaxed, jedoch immer überzeugend. Im zweiten Satz spielt Haskil wie über der Musik schwebend. Die pizzicato-Begleitung der 1. Geigen und Bässen ist hier von allen drei Aufnahmen am deutlichsten. Klanglich übertrifft sie die früheren Mitschnitte. Allerdings sind im akustischen Hintergrund leise Verkehrsgeräusche abgebildet.

 Rudolf Serkin

Immer wieder, bis zu seinem Lebensende, zog es Serkin zu Mozarts Klavierkonzerten hin. Der Musikfreund kann sich glücklich schätzen, dass viele seiner Interpretationen auf Tonträger erhalten geblieben sind, auch wenn sie nicht ständig greifbar sind, wie z. B. seine erste Aufnahme von KV 271, die bei dem Sommerkurs 1956 im amerikanischen Marlboro entstand, mit einem ad-hoc-Orchester aus Lehrern und Studenten des Festivals. Hier erleben wir Serkin als wachen Solisten, der mit seinem expressiven Klavierspiel Mozarts Textvorlage nichts schuldig bleibt, besonders im ersten, aber auch im nuancenreich gestalteten Mittelsatz. Feurig, temperamentvoll und auch keck zieht das Rondo mit viel Schwung vorbei. Das Menuett bringt als Kontrast die Ruhe zu dieser Ausgelassenheit. Dieser Satz ist eindeutig der Höhepunkt dieser Aufnahme, in der das Orchester sich auf einem höheren Niveau präsentiert als im Kopfsatz, in der sich die Musiker erst noch zusammenfinden mussten. Wie damals üblich, wird im Orchester mehr in Richtung Beethoven musiziert, der vermeintlich ausdrucksstärker als sein kurzzeitiger Lehrer Mozart komponierte.

Serkins zweite Aufnahme des Es-Dur-Klavierkonzerts steht am Anfang einer geplanten Gesamtaufnahme des Pianisten zusammen mit dem jungen Claudio Abbado, der zu dieser Zeit das Philharmonia Orchestra London als Chefdirigent leitete. Das Projekt konnte nicht zu Ende geführt werden, da Serkin im Jahre 1991 im Alter von 88 Jahren starb. Im Konzert KV 271 begegnen wir als Hörer einer schönen Interpretation, jedoch keiner aufregenden. Die Tempi sind nun zurückhaltender, da Serkin vorsichtiger spielt. Das überträgt sich insgesamt auch auf die Spannung, die jetzt geringer ausfällt. Das Orchester klingt unter Abbados Leitung schlanker und mehr in Mozart-Nähe. Der Final-Satz muss ohne den früheren Furor auskommen.

Lili Kraus

Die 1903 in Budapest geborene Lili Kraus studierte in ihrer Heimatstadt, später auch bei Artur Schnabel, der wohl den Grundstein für die Liebe zu Mozarts Musik bei ihr legte, insbesondere auch für die Art seine Klavierkonzerte zu interpretieren, nicht als Paradestücke für die Interpreten, sondern um eine enge Verzahnung von Solist und Orchester herbeizuführen. Die vorliegenden drei Interpretationen des Es-Dur-Klavierkonzerts geben davon Kenntnis. Die älteste Aufnahme entstand 1948 in London mit dem jungen Philharmonia Orchester, geleitet von Walter Süsskind. Hier ist ihre Art, Mozart zu interpretieren, schon bestens ausgeprägt: ein vehement gespielter Kopfsatz mit kernigem Klavierton, kraftvoll, immer lebendig, in dieser Aufnahme hier und da auch etwas hektisch. In sehr vielen Aufnahmen klingt der erste Satz zu gepflegt, zu kontrastarm, nicht so bei Lili Kraus, die a) ein schnelles Tempo vorlegt und b) jede sich bietende Gelegenheit nutzt, um aus der stromlinienförmigen Oberfläche der Musik auszubrechen. Das Andantino wird sehr bewegt gespielt, als Hörer erlebt man eine fantasiereiche Gestaltung des Soloparts, abgelöst von aufgewühlt klingenden Orchestereinschüben. Auch im Finale steht das Concertare, also das befruchtende Miteinander, ganz oben, auch im verspielt genommenen Menuett. Zeitbedingt ist der Flügel jedoch etwas vorgezogen. Diesen interpretatorischen Ansatz erlebt man auch in den beiden folgenden Aufnahmen, am ehesten noch bei der Aufnahme mit Stephen Simon, nicht ganz so ausgeprägt in der etwas gezähmter klingenden Interpretation mit Victor Desarzens, hier geht das jugendlich Ungestüme in den Ecksätzen etwas verloren. Das schnelle Tempo des Andantinos in der 1965er-Aufnahme gereicht der Musik dieses Satzes nicht unbedingt zum Vorteil. Beide Aufnahmen heben sich durch einen deutlich besseren Klang ab.

 Rudolf Firkušnŷ

Zwei Produktionen stehen zur Auswahl: ein Konzertmitschnitt von den Salzburger Festspielen 1958 sowie eine Studio-Produktion des Südwestfunks unter Leitung von Ernest Bour, der 1993 von Intercord veröffentlicht wurde. Ein genaues Aufnahmedatum lässt sich nicht verifizieren. In Salzburg dirigierte George Szell als Gast das Concertgebouw Orchester. Szell stellt klar, dass es sich hier um ein Konzert für Klavier und Orchester handelt, in dem letzteres nicht nur eine Begleitfunktion innehat; entsprechend deutlich ist hier, wie in keiner anderen Aufnahme, die Verzahnung zwischen Flügel und Orchester. Dynamische Gegensätze werden nie übergangen. Firkušnŷ spielt mit spürbarer Hingabe und einer unglaublichen Sensibilität. Im intensiv gestalteten Andantino geht der Spannungsfaden nie verloren. Im abschließenden Presto wird der Hörer Zeuge eines inspirierten Menuetts. Der ORF-Mitschnitt platziert Flügel und Orchester zu weit nach hinten, am schlechtesten kommen die Bläser davon. Die neuere Aufnahme ist der älteren klanglich klar überlegen, hier wird auch etwas lockerer musiziert, wobei Bour auf Szells Spuren wandelt. Der zweite Satz wird etwas schneller gespielt, dabei geht die Spannung ein wenig zurück. Das Finale hat viel Drive, eingeschoben ein verspieltes Menuett.

 Alfred Brendel

Vier Aufnahmen von KV 271 hat uns Brendel hinterlassen, daraus muss eine besondere Beziehung zu Mozarts frühem Meisterwerk sprechen, die Aufnahmen bestätigen dies. Jahrelang erfreute die Philips-LP mit Marriner und seiner Academy die Musikfreunde, daneben hatten weitere Aufnahmen einen schweren Stand. Hellwach, locker aber bestimmt absolvierte Brendel seinen Part und erreichte mit Marriner ein partnerschaftliches Musizieren. Bläser und Streicher waren gut aufeinander abgestimmt. Immer wieder federnd gespielte Streicher-Passagen waren Zeichen eines lustvollen Umgangs mit Mozarts Musik. Im Finale überraschte das eigentlich akademische Menuett durch seinen verschmitzt klingenden Duktus.

Nach dieser fast-Gesamtaufnahme der Klavierkonzerte mit Brendel/Marriner brachte Philips nach ca. 20 Jahren einige der Konzerte in Neuaufnahmen mit dem Dirigenten Charles Mackerras und dem Scottish Chamber Orchestra heraus. Die Klangtechnik hatte inzwischen mit der Einführung der digitalen Aufnahmetechnik einen Schritt nach vorn getan und schuf einen erweiterten Klangraum. Das schottische Orchester spielt hier jedoch nicht so schlank wie die englische Academy. Brendel erleben wir jetzt mit mehr Gelassenheit. Im zweiten Satz, jetzt langsamer, wird Mozarts Musik mehr ausgekostet, romantische Gefilde sind nicht mehr fern. Die Verschmitztheit im Menuett-Abschnitt des Finales begegnet man in dieser Aufnahme nicht wieder.

Am (selbstbestimmten) Ende seiner Konzerttätigkeit interpretieren Brendel und Mackerras noch einmal dieses Es-Dur-Konzerts, diesmal im Wiener Musikvereinssaal mit den Wiener Philharmonikern, Decca hat den ORF-Mitschnitt auf CD herausgebracht. Im Kopfsatz herrscht etwas mehr Atmosphäre als in den früheren Interpretationen, aber das Orchester erreicht nicht die Leichtigkeit der britischen Formationen. Im noch langsamer gespielten Mittelsatz herrscht viel Spannung. Brendel versenkt sich ganz in Mozarts Musik, durch leises Mitsingen/-brummen vernehmbar. Winzige Überraschungsmomente gibt es im Menuett des Finales, wenn Brendel kleine Verzögerungen in den Fluss der Musik einbaut.

Bleibt noch von Brendels frühester Aufnahme zu berichten, die ebenfalls in Wien entstand, mit dem Cellisten und Dirigenten Antonio Janigro am Pult seiner Zagreber Solisten. Hier wird frisch, prägnant und lebendig musiziert. Die Musik hat Präsenz und kommt direkt zum Hörer. Das Kammerorchester klingt an Tutti-Stellen klanglich etwas künstlich aufgeplustert. Brendel erobert sich Mozarts Klavierkonzerte.

 Vladimir Ashkenazy

Zwei Studioproduktionen liegen mit dem russischen Pianisten vor, beide in London entstanden. Bei der älteren stand Istvan Kertesz am Pult, der für eine sorgfältige Orchesterbegleitung mit breiter Ausdrucksskala und stimmigen Tempi sorgt. Ashkenazy besitzt das richtige Gespür für Mozarts Klaviersatz und kommt zu überzeugenden Lösungen. Im zweiten Satz klingen – nach herkömmlicher Art – die Streicher bei lauten Abschnitten zu philharmonisch. Am gelungensten ist das Finale mit seinen wechselnden Stimmungen und Tempi. Bei der zweiten Aufnahme im Rahmen der Gesamtaufnahme aller Konzerte leitet der Pianist das Orchester vom Flügel aus, was nicht immer optimale Ergebnisse zeitigt. Hier hört man die ersten 20 Takte des Kopfsatzes nicht so durchgeformt wie bei Kertesz. Insgesamt sind Solist und Orchester jedoch ein gutes Team. Der Vorteil dieser Aufnahme ist der verbesserte Klang mit höherer Präsenz. Im zweiten Satz ist die Spannung nicht immer auf höchster Stufe.

 Daniel Barenboim

In Barenboims Erstaufnahme gefällt der Pianist mit nuancenreichem Spiel, mehr als in seiner Zweitaufnahme mit den Berliner Philharmonikern, die orchestral jedoch viel gepflegter klingt als das Englische Kammerorchester, das etwas drauflos spielt. In den T. 15 ff. fallen die Imitationen der Bässe bei den 1. Geigen unter den Tisch, auch könnten die Orchester-Tutti etwas präziser ausfallen. Das Andantino wird in London langsam genommen, die Musik klingt etwas träge. Barenboim erlebt man hier mit verzärtelt gespielten Melodien, insgesamt vermisst man jedoch Spannung. In Berlin schafft man diesen Satz mehr als eine Minute schneller, er klingt nun nicht mehr so gezogen. Den Musikern gelingen schmerzerfüllte Tutti-Passagen, die berühren. Im Finale werden in der EMI-Aufnahme die Tempogegensätze zwischen den Satzteilen betont: schwungvolle Presto-Abschnitte stehen einem Menuett gegenüber, das trotz Andante-Tempos etwas gezogen klingt. In der Berliner Teldec-Aufnahme schaffen es der Pianist samt dem Orchester, diesem Teil mehr Kontur zu verleihen. Diese Aufnahme klingt insgesamt gerundeter.

 eingestellt am 16.04.22

 

Mozart   home