Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Wolfgang Amadeus Mozart

 

Klaviersonate A-Dur KV 331

 

Andante grazioso con variationiMenuetto – Alla turca, Allegretto

 

In H. C. Robbins Landons Mozart-Kompendium (1991) wird für die Entstehung  der A-Dur-Sonate und ihren Geschwistern in C-Dur und F-Dur das Jahr 1783 Salzburg (mit Fragezeichen) angegeben, also später als  Ludwig Köchel in seinem Verzeichnis vermutete. Damit rücken sie zeitlich in die Nähe der unvollendeten Messe in c-Moll KV 427. Ein Jahr später hat Mozarts die Klaviersonate  A-Dur KV 331 zusammen mit den Sonaten C-Dur KV 330 und F-Dur KV 332 dem Wiener Verleger Artaria zum Druck angeboten, der sie zusammen als Opus-Zahl 6 veröffentlicht. Im Vergleich von Autograph und Erstdruck fallen die zusätzlichen dynamischen Angaben auf, die Mozart vermutlich bei der Revision hinzugefügt hat.

Die A-Dur-Klaviersonate ist die bekannteste Sonate Mozarts, dafür sorgt auch der kurze Finalsatz in der damals beliebten alla-turca-Manier. Aus der Oper Die Entführung aus dem Serail ist sie nicht wegzudenken, jedoch schon früher verwendet er alla turca-Klänge in einem Couplet im Rondo des Violinkonzerts A-Dur KV 219 mit ihrem aufstampfenden und perkussiven Stil.

Die Gattungsbezeichnung „Klaviersonate“ ist in der A-Dur-Sonate nicht ganz korrekt, da kein einziger der drei Sätze nach dem Sonatensatzprinzip gebaut ist, der erste ist ein Variationssatz - das hatte es vor Mozart noch nicht gegeben – der zweite ein Menuett und der dritte das schon erwähnte Rondo im alla turca-Stil. Nach Mozart wagte sich auch Beethoven mit einer Klaviersonate ohne Sonatensatz, der Sonate As-Dur op. 26, „Trauermarsch-Sonate“, ans Licht der Klavierwelt. Nicht der Norm entsprechen auch die Tonarten der drei Sätze: erster Satz A-Dur, ebenso der zweite, der dritte steht das Rondo-Thema in a-Moll, die beiden Couplets samt Finale jedoch wieder in A-Dur.

Das berühmte Thema des Variationssatzes mit seinem wiegenden Siziliano-Rhythmus ist zweiteilig gebaut, in ungewöhnlichen 8 bzw. 10 Takten, beide Abschnitte sollen wiederholt werden. Etliche Interpreten stehen Mozarts grazioso-Vorschrift etwas gleichgültig gegenüber. Mozart schafft abwechslungsreiche Variationen, an dritter Stelle eine Moll-Variation, in der vierten wechselt die linke Hand ständig von der Basslage in den Diskant mit wohlklingenden Terzen und wieder zurück. Musikalisch bietet am meisten die folgende langsame Variation, u. a. mit einer „Mannheimer Rakete“ in Takt 10. Den Abschluss macht ein Allegro – von manchen Interpreten auch in A. molto umgedeutet – mit vollgriffigen vierstimmigen Arpeggien der linken Hand, forte vorzutragen, das macht, wenn gut gespielt, viel Effekt.

Der zweite Satz ist ein Menuett. Diese Tanzform findet, außer in seiner früheren Sonate Es-Dur KV 282, keine weitere Verwendung in Mozarts  Klaviersonaten.  Sehr abwechslungsreich ist das Terzen-selige Trio in D-Dur gearbeitet. Im B-Abschnitt ab T. 72 bringt Mozart zweimal den Intervallsprung  g-c, danach zweimal g-e, bei den ersten beiden Sprüngen ist das „Sprungbrett“ g jeweils eine Achtel, bei den folgenden beiden (höhere Dringlichkeit!) jedoch nur jeweils eine Sechzehntel-Note. Bei vielen Interpreten bleibt es bei Achteln, die richtige Unterscheidung treffen z. B. Hansen, Seemann, Gieseking-EMI, Eschenbach, Pogorelich, Uchida, Vogt, Staier, Endres, Schoonderwoerd.

Der bekannteste Satz dieser ungewöhnlichen Sonate ist jedoch das knappe Rondo-Finale in a-Moll mit den beiden hintereinander geschalteten Couplets in A-Dur. Zu Mozarts Zeiten fügten einige Klavierbauer ihrem neuesten Pianoforte einen sogenannten „Janitscharenzug“ hinzu, mit dem die bekannten „türkischen“ Klänge „herbeigezaubert“ werden konnten. Christian Zacharias verwendet ihn in seiner Einspielung.

Mozarts gewünschte Wiederholungen in allen drei Sätzen werden von den meisten Interpreten gebracht, ältere Interpreten verzichten oft darauf oder spielen nur die erste der jeweils beiden Wiederholungen.

 

5

Friedrich Gulda

Amadeo

1976

24‘45

 

5

Friedrich Gulda

DGG

1982

25‘26

 

5

Wilhelm Kempff

DGG

1962

22‘51

 

inspirierte Wiedergabe, abwechslungsreiche Darstellung, empfindsam, virtuos und auch auftrumpfend, gute Dynamik, I Thema in der Wiederholung leiser, beim zweiten Abschnitt in den T. 3 und 4  Ritardando, so auch in allen Variationen, III leicht und locker

5

Christian Zacharias

EMI

 1984/85

23‘20

 

organisches Musizieren, Mozarts Überraschungen nicht übersehen, leider werden die vielen sf nicht thematisiert, I Verzierungen bei den Wiederholungen, hauptsächlich im Thema, V 2 und 4 schneller, II Menuett: Basslinie T. 21-26 dezent herausgehoben, Trio mit innerer Spannung, III abgestufte Dynamik beim Thema, nicht immer nach Vorlage, kann aber überzeugen, in der Coda ab T. 97 Janitscharenzug aktiviert

5

Alfred Brendel

Philips

1975

18‘57

 

5

Alfred Brendel

Philips

1999

22‘10

 

live,

5

Walter Gieseking

M&A

1949

16‘49

 

gelassen, hohe Affinität zur Musik, gute Mischung aus Innerlichkeit, Zartheit und Dramatik, I ohne Wiederholungen – Aufnahme des Saarländischen Rundfunks

5

Walter Gieseking

EMI

1953

16‘53

 

wie 1949, klanglich etwas besser

5

Maria Joāo Pires

DGG

1990

23‘37

 

5

Solomon

EMI   Testament  Archipel

1952

21‘57

 

I schon im ersten Takt wird deutlich: grazioso, alle Variationen außer Nr. 5 lebendig mit mehr oder weniger Drive, Solomon mit sehr viel Fantasie bei der Sache, viel Legato, deutliche dynamische Gegensätze bei p und f (im Finale weniger), II eine Wiederholung ist nicht nur eine Kopie des Vorhergehenden, III molto Allegro, Klavierspiel immer unter Kontrolle

5

Walter Klien

Vox

1964

20‘06

 

leuchtender Mozart, mit Empathie, Spannung-Entspannung, II bei den W Lautstärke etwas zurückgenommen, II Klien atmet mit der Musik, III con anima – immer wieder leise Motorengeräusche im Hintergrund

5

Andras Schiff

Decca

1980

23‘22

 

I empfindsam, mit Geschmack, V 5 ein Kabinettstück, III im Couplet 2 T. 42 bei der Wiederholung Bass hervorgehoben

5

Lars Vogt

EMI

2005

24‘54

 

disziplinierte Musikalität, jede Variation in ihrer Eigenheit dargestellt, gute dynamische Abstufung, I elektrisierende V 6, II Vogt im Trio so versunken in die Musik, also wolle er nicht mehr aufhören, III sehr schnell, starker Kontrast zu Satz 2, artistisch anmutender Schluss

5

Murray Perahia

CBS   Sony

1991

23‘03

 

feinsinnige Darstellung, polierter Klang, Musik akribisch ausformuliert

 

 

 

4-5

Alicia de Larrocha

Decca

1973

20‘03

 

4-5

Edwin Fischer

EMI    Andante

1933

14‘34

 

dem Notentext verhaftet, jedoch persönliche Sichtweise, I die beiden Wiederholungen des Themas leiser, V 1 Allegro, insgesamt bewegt gespielt, außer V 5, V 1-5 ohne Wiederholungen, V 6 mit, II Menuett und Trio gut voneinander abgesetzt, III dramatisch

4-5

Paul Badura-Skoda

Eurodisc   BMG

1978

22‘06

 

I männlicher Vortragsstil, Musik nicht verzärtelt, ziemlich tempokonstant, II abwechslungsreicher Vortrag, Trio nicht bestens abgesetzt, Oberstimme T. 66/67 bereits non legato wie in den folgenden Takten, III strahlendes A-Dur-Akkordspiel, Wiederholung T. 72-88 fehlt

4-5

Lili Kraus

M&A

1954

22‘09

 

4-5

Lili Kraus

Urania

1950

14‘42

 

live,

4-5

Lili Kraus

CBS   Sony

1967/68

20‘43

 

4-5

Maria Joāo Pires

Denon      Brilliant

1974

25‘23

 

4-5

Daria van den Bercken

Sony

2014

19‘03

 

Notentext mit Umdeutungen/Zutaten der Pianistin, persönliche Handschrift, bereitet jedoch Hörvergnügen – uneinheitlicher Umgang mit den Wiederholungen im ersten Satz, V 4 viel schneller als üblich, Kontrast zum folgenden Adagio in V 5, II schnelles Trio, III schwungvoll, erfrischendes Spiel, eigene Varianten

4-5

Jean-Bernard Pommier

Virgin

1982

24‘35

 

I fantasiereiche Darstellung, immer wieder kleine Rubati am Ende einer Phrase; man gewinnt den Eindruck, als wolle sich Pommier immer wieder vergewissern, ob sein Spiel sich selbst genügt, V 3 etwas theatralisch, V 5 verspielt, II gegenüber Gulda oder Zacharias gefälliger, mehr Rokoko-Stil, III mäßiges Tempo, kein richtiges Piano, T. 20 p-f-Gegensatz überspielt, unaufgeregt

4-5

Ingrid Haebler

Denon

1986

24‘37

 

ebenmäßiges Klavierspiel, gute Dynamik, I vor Kadenz rit., sempre legato bei den Oktaven in V 3, II klingt etwas verspielt, Trio ein wenig langsamer, Haebler gibt sich dem Augenblick hin, sieht weniger das Ganze, III T. 20-24 kein p, A-Dur-Oktaven nicht besonders herausgestellt, insgesamt etwas weniger differenziert

4-5

Gitti Pirner

Farao

P 2001

24‘36

 

gegenüber Uchida mehr Ausdruck, Musik nicht gestreichelt sondern angefasst, es darf auch schon mal ruppig klingen, pointiert artikuliert, dynamische Differenzierung jedoch etwas grob

4-5

Daniel Barenboim

EMI

1984

23‘11

 

Barenboim verwirklicht seine Vorstellung von KV 331, kontrastreiche Darstellung, akurates Musizieren, I Th und V 1 gezogen, guter Kontrast zwischen V 5 und V 6

4-5

Michael Endres

Arte Nova

1998

22‘07

 

geschmeidiges Spiel, überwiegend lebendig und frisch musiziert, Rokoko-Nähe hinter sich lassend, II als Menuett zu schnell

 

 

 

4

Menahem Pressler

La Dolce Volta

2014

25‘45

 

live, liebevoll musiziert, nicht mehr so geschmeidig und locker wie in früheren Jahren

4

Vlado Perlemuter

Vox

1956

17‘07

 

männlicher Vortragsstil, tempokonstant, I ohne Wiederholungen außer in V 6, V 4 Terzen im Diskant (l. Hd.) klappern, ausdrucksvolles Spiel in V 5, II Trio statt p nur mf, jedoch ausdrucksvoll, III Allegro, eigene Dynamik; mir ist nicht ganz klar, ob Perlemuter die vielen Bass-Arpeggien im Couplet greift, oder nur einen kurzen Vorschlag bringt

4

Wilhelm Backhaus

Orfeo

1966

14‘18

 

live,

4

Alicia de Larrocha

RCA

1989

22‘02

 

4

Wladimir Horowitz

CBS   Sony

1966

17‘38

 

live, I aufgeweichtes Tempo, immer wieder rit., V 5 im romantischen Geist, teils empfindsam, teils verzärtelt, II und III hier näher am Notentext, Finale nicht eilend

4

Mitsuko Uchida

Philips

1983

23‘45

 

Pianistin nimmt sich als Interpretin zurück, empfindsam, gefällig, man vermisst die Lebensgeister, wenig Akzente, ein kerniges f nur in der minore-Variation und beim ersten Rondo-Couplet

4

Julius Katchen

Decca

1954

16‘02

 

Mozarts Dynamik nicht immer übernommen, wenig piano, bewegtes Musizieren, abgesehen vom Thema, I außer V 6 nur erste W – apollinisches Mozart-Bild

4

Claudio Arrau

Philips

1974

27‘14

 

sauberes Musizieren, ausgewogen, (zu) gleichmäßig, weniger abwechslungsreich, gemäßigte Tempi – von Mozarts Esprit kommt wenig herüber

 

 

 

3-4

Wilhelm Backhaus

Decca

1955

14‘13

 

3-4

Wilhelm Backhaus

Decca

1969

15‘08

 

live,

3-4

Carl Seemann

DGG

1952

19’47

 

I Th Mozarts Bindebögen genau ausgeführt, führt jedoch zu einer Parzellierung der Musik, kaum grazioso, nur erste W, II Seemann befolgt im Trio T. 73-79 genau die Vorschläge: zuerst Achtel, dann Sechzehntel, aber: die Sechzehntel werden zur folgenden Viertel gebunden, die Achtel jedoch nicht, III sehr trocken, ohne Charme – objektiv, ohne persönliche Note, alle W in den Sätzen 2 und 3

3-4

Alexander Sellier

Club National du Disque     forgotten records

1956

17‘00

 

akkurat musiziert, Pianist nimmt Gestaltungsmöglichkeiten kaum wahr, gemäßigte Tempi, Musik auf das Handwerkliche reduziert, unterschiedlicher Umgang mit den Wiederholungen

3-4

Fazil Say

Warner

2014

23‘39

 

ausdrucksvolle Interpretation, Artikulation, Lautstärke und Tempi stimmen nicht immer mit den Vorgaben überein, z. B. Satz I: V 3 wild, rasend, V 5 verzärtelt, weich, V 6 Allegro molto – Interpretation ganz auf Außenwirkung abgestimmt; im Vergleich zu Pletnjew und Pogorelich gefällt mir diese Wiedergabe aufgrund ihrer Musikalität und ihres Ideenreichtums viel besser – störendes leises Brummen und Summen im Hintergrund (Gould-Nachfolge?)

3-4

William Youn

Oehms

2014

23‘20

 

Interpretation nach der neuesten Urtextausgabe dieser Sonate, einige wenige hörbare Abweichungen gegenüber früher – I Thema bei den Wiederholungen mit zusätzlichen Verzierungen, danach gelegentlich, auch im Menuett, insgesamt etwas zu gleichförmig gespielt, die Dynamik fällt recht pauschal aus, fast durchgehend wird mf gespielt, geringerer Differenzierungsgrad

3-4

Elly Ney

Colosseum

1964

24‘25

 

Neys Klaviertechnik ist noch einigermaßen intakt, beschränkt sich jedoch auf das Mechanische, Interpretation ohne persönliche Aussage, wird im Laufe des Vortrags etwas gleichförmig, Anschlag wenig farbig, I p-Partien und f-Stellen heben sich gut voneinander ab, sind ab im Laufe des Vortrags vorhersehbar, das gilt auch für die vielen sf, II teilweise dramatisiertes Trio, III klingt zu mechanisch, ruppig, eigene dynamische Vorstellung, Sechzehntel-Ketten im Couplet klingen etwas wie geleiert – Flügel im Bass etwas mulmig

3-4

Zoltan Kocsis

Hungaroton

P 1980

23‘17

 

I Th T. 11-12 rit., V 1-3 Sturm und Drang, insgesamt bewegt, jedoch immer wieder durch Ritardandi gebremst, uneinheitlich, auch etwas grob, II und III weniger eigenwillig – etwas trockener Klang

 

 

 

3

Ivo Pogorelich

DGG

1992

24‘33

 

Pianist versucht unsere Aufmerksamkeit auf die schönen Stellen zu lenken, fügt eigene Lesarten hinzu, warum wiederholt er die Abschnitte 1 zu 1, wenn er über eigene Ideen verfügt? – I verbogenes Thema, die Variationen jedoch meist nach Vorlage, eklektisches Musizieren, III zu viel Gestampfe - insgesamt mehr Pogorelich als Mozart

3

Christoph Eschenbach

DGG

1967

20‘15

 

viel Notenmaterial, weniger Musik, ohne Charme und Esprit, nur marginale Gegensätze entdeckt, fester Anschlag, kein p, alles klingt gleich – in Satz 1 spielt Eschenbach nur die ersten W, abgesehen von V 6, sehr hell klingender Flügel

3

Michael Pletnjew

DGG

2005

13‘32

 

I Th aufgeweichtes Metrum, fängt mf an und wird dann jeweils leiser, V 2 spieldosenhaft, immer wieder starke Ritardandi, III wechselnde Tempi – Pletnjews Alternative zum herkömmlichen Bild dieser Sonate

 

 

 

2-3

Glenn Gould

CBS   Sony

P 1972

18‘25

 

Gould als Klavierschüler, Mozarts Spielanweisungen bleiben unbeachtet, leise akustische Bekundungen, eigene Tempovorstellungen, eine Karikatur der Sonate, „Goulds musikalischer Spaß“

 

Interpretationen mit Hammerflügel

 

5

Andreas Staier

HMF

2004

22‘11

 

Staier ist  immer Mozarts Vorlagen auf der Spur, abwechslungs- und fantasiereiche Gestaltung mit viel Klangsinn, überzeugende Tempowahl, geschmeidiges Musizieren (Sechzehntel-Läufe); im Rondo bringt Staier eigene Varianten, die aus dem Notentext entwickelt sind, vor dem dritten Couplet auch eine Kadenz , Pianist äußert sich diesbezüglich ausführlich im Booklet – eine köstliche Angelegenheit, jedoch nichts für Puristen. Im Hintergrund leise Verkehrsgeräusche. Pianoforte Neubau von Monika May nach Anton Walter ca. 1785, das Instrument verfügt über die beste Klangfarbenpalette der hier erwähnten Instrumente

5

Ronald Brautigam

BIS

1996

23‘38

 

mit Hingabe musiziert, fantasievolle Darstellung, ohne in den Notentext einzugreifen wie Staier, wenige Verziehrungen, II als Menuett etwas zu schnell – Pianoforte Nachbau von Paul McNulty 1992 nach Anton Gabriel Walter ca. 1795

 

 

 

4-5

Alexei Lubimov

Erato

1990

23‘38

 

I Verziehrungen bei der Wiederholung des Themas und von V 5, V 4 Terzen der Oberstimme non legato, etwas knallig, II abwechslungsreiche Gestaltung, III Verzierungen bei den Wiederholungen – Pianoforte Nachbau von Christopher Clarke 1986 nach Anton Walter ca. 1795

 

 

 

4

Arthur Schoonderwoerd

Accent

2009

23‘04

 

I bei den Wiederholungen Verzierungen oder Arpeggien, abwechslungsreiche Gestaltung,  II Trio klanglich wenig abgesetzt, III Sechzehntel-Vorschläge im Rondothema nicht wie üblich mit den folgenden drei Noten zusammengebunden, sondern als Vorschläge ausgeführt, so spielt es Staier bei den jeweiligen Wiederholungen – hell klingendes Instrument in klanglicher Nähe eines Cembalos, klingt doch sehr nach Draht, auf Dauer eintönig – Pianoforte Nachbau von William Jurgenson nach Johann Andreas Stein ca. 1780

4

Ludwig Sémerjian

La maturité

2005

26‘40

 

I mäßige Tempi, geringere Spannung, viele Spielgeräusche, II kaum Kontrast zwischen Menuett und Trio, III Rondo-Thema ohne Schmiss – Original-Pianoforte von Johann David Schiedmayer, Nürnberg 1794

4

Conrad Hansen

DGG

1955/56

24‘04

 

klare Artikulation, ausgewogen, Differenzierung beschränkt sich auf die Möglichkeiten des Instruments, Musik eher referiert, keine zusätzlichen Verzierungen - Instrument (keine genaue Angabe) ~ 1820

 

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

Wilhelm Backhaus

Mozarts Klaviermusik war keine Domäne von Wilhelm Backhaus, nur wenige Konzerte und Sonaten fand man auf seinen Konzertprogrammen, u. a. die vorliegende Sonate KV 331. Im Jahre 1955 nahm sie die Decca auf. Mozarts Notentext wird hier genau vermittelt, es ist aber eine sachliche Sicht, nüchtern, ohne Mozarts Gefühlswelt zu streifen. Der erste Satz wird im bewegten Tempo gespielt, immer nach vorn schauend. Die fünfte Variation, Adagio, ist bei Backhaus ein Andante. Beim Umgang mit der Dynamik fällt auf, dass der Pianist oft das p durch ein mf ersetzt. Im Finale spielt er im den beiden Couplets die Oktaven-Passage erst leiser, danach laut. Die im Vergleich viel kürzere Laufzeit der Aufnahme beruht größtenteils auf einem Verzicht der Wiederholungen im ersten Satz und im Menuett, sowohl im Trio und im Finale werden sie jedoch beachtet. Der Flügel klingt etwas hart.

Elf Jahre später spielt Backhaus die Sonate anlässlich eines Klavierrecital bei den Salzburger Festspielen, den Orfeo veröffentlicht hat. Auch wenn das p-Problem geblieben ist, gefällt dieser Mitschnitt besser, da Backhaus etwas mehr auf die Musik eingeht und einen wärmeren Klang produziert. Als Relikt aus älteren Zeiten ist das Nachschlagen der rechten Hand bei Akkorden, wenn auch nur minimal, zu hören. Die kurzen Vorschläge der rechten Hand zu Beginn des Finales sind nicht genau getroffen. In der Coda kommt Backhaus für wenige Sekunden ins Straucheln.

Und noch einmal die A-Dur-Sonat: ein Mitschnitt von Backhaus‘ letztem Konzert beim Ossiacher Musiksommer am 28. Juni 1969. Bevor er mit der Sonate beginnt, präludiert der Pianist einige Takte, wie es in längst vergangenen Klavier-Zeiten üblich war. Man sollte dabei bedenken, dass er 1884 geboren war und sein Klavierhandwerk vor der Jahrhundertwende gelernt hatte. Die Interpretation der Sonate weicht wenig von den beiden früheren Aufnahmen ab, jedoch spüre ich eine leichte Unruhe während des Vortrags (Var. 2 und Var. 5), die sich auch durch einige kleine Rubati bemerkbar macht. Auch hier passt der harte Anschlag nicht ganz zur Musik. Im Trio wollen in T. 50 die Terzen nicht recht gelingen. Im alla-turca-Finale spielt er das Thema viel zu laut, fast schon gedonnert. Backhaus konnte sein Recital wegen eines Schwächeanfalls nicht mehr programmgemäß beenden. Er starb wenige Tage später in Villach.

 

Lili Kraus

Erst spät wurde die Interpretationskunst von Lili Kraus, gerade in Bezug auf Mozarts Musik, in Europa wahrgenommen. Wie viele andere Künstlerinnen und Künstler musste sie vor den Nazis nach Amerika emigrieren und ihr Name war in Europa nicht richtig bekannt geworden. Nach dem 2. Weltkrieg hatte sie es schwer, sich gegen etablierte Pianisten wie Wilhelm Backhaus, Edwin Fischer und Wilhelm Kempff durchzusetzen. Da sie nie einen langjährigen Plattenvertrag mit einer der bekannten Labels eingegangen war, wurde sie von ihnen nicht gefördert und ihr Name blieb mehr oder weniger ein Geheimtipp.

Immerhin konnte sie Mozarts Klavier-Sonaten zweimal einspielen, zuerst für die Haydn Society (1954), später noch einmal für CBS in den Jahren 1967/68, beide sind inzwischen auch in Europa greifbar, die Erstaufnahme wurde von Music & Arts neu auf den Markt gebracht. Der erste Satz wird von Kraus nicht schön, abgerundet oder gefällig  gespielt, nein, sie spielt die Gegensätze des Satzes voll aus, sowohl in der Tempowahl als auch der Dynamik, bietet also eine individuelle Lesart. Diese Interpretationshaltung zieht sich auch durch die beiden folgenden Sätze.

In der CBS-Aufnahme wählt sie im Kopfsatz etwas schnellere Tempi, auch in Variation 5, und spielt auch um Einiges pointierter. Die Musik in dieser Variation gerät ihr zur Klangrede, Harnoncourt hätte sicher seine Freude daran gehabt.  Insgesamt gerät ihr diese zweite Aufnahme  im Vergleich zur früheren gerundeter, besonders auch im Finalsatz.

Der Mitschnitt des Labels Urania ist noch älter als die zuvor erwähnten und stammt aus dem Jahre 1950. Kraus pflegt hier schon ein klares Klavierspiel, allerdings klappern die Terzen der linken Hand in Variation 4, die Mozart in den Diskant verlegt hat, etwas. Das kann man hier und da auch noch auf alten Schellack-Aufnahmen hören. Mit Ausnahme von Variation 5 wählt sie in allen Variationen ein schnelleres Tempo. Mit Ausnahme beim Thema verzichtet sie auch auf alle Wiederholungen. Dem Kopfsatz folgen ein lebendig gespieltes Menuett samt Trio sowie ein sehr schnelles Finale. In beiden Sätzen überzeugt sie mit geschmeidig gespielten Läufen. Der Klang dieser Aufnahme ist gut.

 

Alicia de Larrocha

Von der spanischen Pianistin sind zwei Aufnahme der A-Dur-Sonate auf dem Markt. Die älteste wurde 1973 von Decca eingespielt. Im Kopfsatz bietet sie eine überwiegend lebendige Darstellung,  ihre Affinität zu Mozarts Musik bleibt nicht verborgen. Mit winzigen Ritardandi an Phrasenenden gliedert sie den Lauf der Musik. Bei den Wiederholungen berücksichtigt  sie ab Variation 2 nur die erste. Empfindsam nähert sie sich der dritten Variation und in der Fünften folgt sie Mozarts Tempovorschrift Adagio. Mit Hingabe spielt sie den zweiten Satz, der hier langsamer als gewöhnlich ausgeführt wird. Durch die Beachtung der beiden Wiederholungen des Trios verleiht Larrocha diesem Abschnitt ein höheres Gewicht, sehr farbig gespielt und dynamisch gut abgesetzt. Im Finale bringt die Pianistin alle Wiederholungen. Beim Rondo-Thema nimmt sie die Wiederholung immer ein wenig leiser.

Nicht ganz so gelungen geriet ihr die Zweitaufnahme, im Rahmen der Gesamtaufnahme für RCA  1989 entstanden. Ihr Vortragsstil hat sich kaum verändert, trotzdem klingt die frühere Aufnahme herzlicher. In den Ecksätzen spielt sie jetzt alle Wiederholungen, im Mittelteil jetzt nur die jeweils erste. Im alla-turca-Satz fallen die Couplets hier etwas fester aus, besonders am Satzende. Was mich allerdings enorm stört, ist das durchgehende leise Brummen im Hintergrund.

 

Friedrich Gulda

Zwei Studio-Einspielungen von der A-Dur-Sonate liegen mit Gulda vor. Die erste entstand 1976 und wurde vom österreichischen Label Amadeo herausgebracht. Die zweite ist eine semiprofessionelle aus Guldas Haus-Studio, sie wurde erst 2006 auf Betreiben von Guldas  Sohn Paul zusammen mit anderen Mozart-Sonaten von der DGG veröffentlicht.

Gulda spielt ganz nahe am Notentext ohne Extreme zu bemühen, männlich herb. Gegensätzliches wird gut voneinander abgesetzt. Das Klischee vom Rokoko-Mensch Mozart wird nicht bedient. In der frühen Aufnahme spielt er Thema und Variation 1 gelassen und im selben Tempo. In Variation 3 entdeckt er für den Hörer eine zusätzliche Melodie in der linken Hand. Die fünfte Variation ist hier ein Adagio, kein Andante, wie man es oft hört. In der abschließenden 6. Variation kann er den Reizen des Notentextes nicht wiederstehen. Das Menuett klingt ausgewogen, das Trio wird weich und geschmeidig dargeboten. Im resoluten Tempo wird der „Alla turca“-Satz souverän absolviert. Die zweite Aufnahme aus Guldas Studio weicht wenig von der älteren ab, ernsthaft gespielt, ohne Rokoko-Anklänge. Die Tempi sind hier und da ein wenig langsamer. Der Flügel klingt allerdings etwas hart. Im Thema und der ersten Variation fügt der Pianist bei den Wiederholungen zusätzliche Verzierungen bei. Die sechste Variation spielt er stürmisch, radikaler als früher. Das Menuett klingt hier resoluter gespielt, auch auftrumpfend, das Trio geschmeidig. Bei den zweiten Wiederholungen fügt Gulda wie zuvor zusätzliche Verzierungen hinzu. Leider fehlt dem Satz ein richtiges Piano. Im Finale spielt Gulda die f-Passagen noch kräftiger als früher.

 

Alfred Brendel

Brendel nahm Mozarts A-Dur-Sonate 1977 für Philips im Studio auf. Sein geschmeidiges Spiel mit differenziertem Anschlag kommt Mozarts Musik sehr entgegen, dabei gelingt es ihm, die jeweiligen Oberstimmen ein wenig hervorzuheben, ohne das Stimmengeflecht zu vernachlässigen. Im ersten Satz verzichtet er sowohl im Thema als auch den Variationen auf die zweite Wiederholung. Im zweiten Teil des Themas als auch bei den Variationen bremst er das Tempo im vierten Takt sowohl am Ende ein wenig ab. Auch in den beiden folgenden Sätzen werden nicht alle Wiederholungen beachtet. Im zweiten Satz gefällt das nachdenklich gespielte Trio.

Eine weitere Aufnahme dieser Sonate wurde 1999 von der BBC in Edinburgh mitgeschnitten und wiederum von Philips auf den Markt gebracht. Hier kann der Hörer beobachten, wie Brendel nun einige Stellen empfindsamer spielt, sich mehr auf den Gehalt des Notentextes einlässt. Darauf lassen sich auch die etwas langsameren Tempi zurückführen. Außerdem bringt der Pianist einige der Wiederholungen, auf die er früher verzichtete. Nicht so überzeugend  ist der zu laute Beginn des dritten Satzes.

 

Maria Joāo Pires

Zwei Gesamtaufnahmen sind von der portugiesischen Pianistin auf dem Markt. Die erste entstand mit der noch jungen Pianistin 1974 in Japan für Denon, 2007 brachte sie das Label Brilliant für den schmalen Geldbeutel erneut heraus. Die zweite Aufnahme aller Sonaten entstand peu à peu ein Vierteljahr danach, KV 331 1990. Der ersten Produktion kann man ein Stilgefühl für Mozarts Klaviermusik nicht absprechen, Pires spielt dezent ausdrucksvoll, aber ich finde, es ist eher eine schwarz-weiß-Aufnahme, mit ein wenig gedrosselten Tempi. Das Trio im Mittelsatz wird langsamer vom umgebenden Menuett abgesetzt und das alla-turca-Finale klingt mir zu ruhig.

Die Tempi auf der DGG-CD sind etwas schneller, ihr Klavierspiel ist abwechslungsreicher, farbiger. Die Pianistin geht auf viel mehr Details ein und lässt mehr aufhorchen, eine Meisterleistung! Übrigens berücksichtigt Pires in beiden Aufnahmen alle Wiederholungen.

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eingestellt am 16. 05. 21