Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Wolfgang Amadeus Mozart

 

Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Es-Dur KV 452

 

Largo, Allegro moderato – Larghetto – Rondo (Allegretto)

 

Mozart schreibt am 10. April 1784, 9 Tage nach der Uraufführung des Quintetts, stolz an seinen Vater: „Ich habe 2 große Konzerten [KV 450 und KV 451] geschrieben, und dann ein Quintett, welches außerordentlichen Beyfall erhalten. Ich selbst halte es für das beste, was ich noch in meinem Leben geschrieben habe.“ Kennt man Mozarts bis dahin komponierte Klavierkonzerte, können einem Parallelen zum Quintett nicht entgehen, so entsprechen Schwierigkeit und Stil des Klavierparts dem der Konzerte. Auch die Verarbeitung des thematischen Materials wird zwischen Orchester, hier den vier Bläsern, und dem Klavier entspricht Mozarts bisher eingeschlagenem Weg. Im Rondo-Finale ist es die Kadenz, von Mozart auskomponiert, an der alle fünf Instrumente beteiligt sind, nicht nur das Klavier als Solist. Im Anschluss daran, ab T. 215 bis zum Satzende, verwendet Mozart viel Phantasie bei der rhythmischen Abfolge der Bäserakkorde, keine Phrase gleicht der anderen! Allein diese Tatsachen bekunden, dass es sich bei Mozarts Quintett um ein Werk sui generis handelt, von hoher Kunstfertigkeit und großem Einfallsreichtum, das in seiner Bedeutung den Konzerten nicht nachsteht. Darauf weist auch das einleitende Largo des Kopfsatzes hin, das in seiner Ernsthaftigkeit und Gewichtigkeit alles Serenadenhafte, das man damals mit Bläser-Kammermusik verband, abstreift.

Die ersten beiden Sätze sind in Sonatenhauptsatzform verfasst, allerdings nur mit einer kurzgefassten Durchführung.

Am Ende der Einleitung des Kopfsatzes schmücken einige Pianisten den B-Dur-Quartsextakkord mit einer Verzierung, wie es zu Mozarts Zeiten üblich war: Brendel, Lupu, Eschenbach, Lupu, Ogdon, Previn, P. Serkin, Perahia, Zacharias, Casper, Hough, Kocsis, Vogt, Schuch, Vermeulen und Esclapez. Hier und da findet man auch kurze Auszierungen an anderen Stellen der Partitur.

Zu den Wiederholungen:

In den Sätzen 1 und 2 wünscht der Komponist eine Wiederholung der Exposition. Sie wird in der Regel beachtet, nicht jedoch von Gieseking, Casadesus, Roloff, Gulda und Peter Serkin. Bei der 2. Wiederholung ergibt sich ein ähnliches Bild, hier verzichten auf die Wiederholung: Gieseking, Casadesus, Roloff, Gulda, Brendel-Vox, Horsley, Peter Serkin, Kontarsky, Casper und Crowson.

 

Bei der Angabe der Solisten habe ich nach der Partitur diese Reihenfolge gewählt: Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier (falls nicht zuerst notiert).

 

5

Vladimir Ashkenazy

Londoner Bläser- Solisten:

Terence MacDonagh, Jack Brymer, Alan Civil, William Waterhouse

 

Decca

1966

25‘03

 

 

ganz nahe an der Partitur, erfüllte Kammermusik, alle Instrumente in gleicher Ebene, saftiger Klang, II es macht Freunde zuzuhören, III musikantisch

 

 

5

 

Consortium Classicum:

Gernot Schmalfuß, Dieter Klöcker, Nikolaus Krüger, Karl Otto Hartmann, Werner Genuit

EMI     CPO

1978

22‘27

 

 

fünf gleichberechtigte Spieler auf höchstem Niveau, klanglich gut abgebildet, über allen drei Sätzen bereitet sich Atmosphäre aus, II poetisch, T. 30 ohne zielführendes cresc. zum p in T. 31

 

 

5

Christian Zacharias

Diethelm Jonas, Sabine Meyer, Bruno Schneider, Sergio Azzolini

EMI

1993

23‘46

 

 

stimmige Tempi, elastisches Musizieren, lebendiger Vortrag, gute Dynamik, sehr gutes Miteinander, zusätzliche Verzierungen im Klavierpart, III Höhepunkt, zupackendes Musizieren

 

 

5

Stephen Hough

Philharmonisches Bläserquintett Berlin:

Andreas Wittmann, Walther Seyfarth, Fergus McWilliam, Henning Trog,

BIS

2000

24‘32

 

 

ausgewogenes Musizieren, wandernde Themenabschnitte von Stimme zu Stimme gut vernehmbar, farbiger Klang

 

 

5

Alfons Kontarsky

Bläser der Berliner Philharmoniker:

Lothar Koch, Karl Leister, Gerd Seifert, Henning Trog

Denon

1982

22‘40

 

 

I lebendiger Vortrag, Klavier und Bläser klanglich genau austariert, letztere weniger farbig als bei Linos, könnte der Aufnahmetechnik anzulasten sein, II mit viel Spannung, III gelöstes Musizieren, stellenweise pointiert

 

 

5

Murray Perahia

Neill Black, Thea King, Antony Healstad, Graham Sheen

CBS       Sony

1983

25‘18

 

 

Musiker werfen sich die Bälle gegenseitig zu, sehr gutes Miteinander, Perahia primus inter pares, I E spannungsgeladen, prickendes Allegro, III mit Charme

 

 

5

 

Linos Ensemble:

Klaus Becker, Rainer Müller-van-Recum, Joachim Bänsch, Eberhard Marschall, Konstanze Eickhorst

Calig

1989/90

24‘26

 

 

Instrumente gut aufeinander abgestimmt, Musiker werfen sich die Bälle zu, I lebendige Darstellung, II gute Dynamik, III pointiertes Spiel – Flügel besonders an lauten Stellen etwas zu weit vorn, sonst gute Balance und Transparenz, farbiges Klangbild

 

 

 

 

 

4-5

Radu Lupu

Han de Fries, George Pieterson, Vicente Zarzo, Brian Pollard

Decca

1984

24‘40

 

 

blitzsauberes Musizieren, Bläser agieren immer im Block, diszipliniert, weniger solistisch, auch im sehr guten Klangbild etwas zurück, III frisch und lebendig

 

 

4-5

Alfred Brendel

Heinz Holliger, Eduard Brunner, Hermann Baumann, Klaus Thunemann

Philips

1986

24‘48

 

 

 

4-5

Eric Le Sage

Les Vents Français:

François Leleux, Paul Meyer, Radovan Vlatkovic, Gilbert Audin

Warner

P 2014

24‘32

 

 

entspanntes Musizieren, ausgeglichen, schlanker Instrumentalklang, Klavier schiebt sich nicht nach vorn, gute Dynamik, gute Balance und Transparenz – beste Kammermusik

 

 

4-5

Bernd Casper

Bläservereinigung Berlin:  

Dieter Wagner, Siegfried Schramm, Wolfgang Stahl, Dieter Hänchen


Berlin Classics

1986

20‘53

 

 

I bewegtes Musizieren, Allegro molto, statt moderato; sehr gutes Miteinander, jedoch einige Details in der E überspielt, sehr gutes Miteinander, Fg in Tutti-Abschnitten etwas zurück, II Andante, III zupackend – saftiger Klang

 

 

4-5

 

Melos Ensemble London:

Peter Graeme, Gervase de Peyer, Neill Sanders, William Waterhouse, Lamar Crowson

EMI

1966

24‘41

 

 

ausgewogenes Musizieren, wandernde Themenabschnitte von Stimme zu Stimme gut vernehmbar, beste Kammermusik, klassisch, Pianist spielt sich nicht nach vorn, bleibt immer im Klangrahmen des Ensembles, dynamische Unterschiede wünschte man sich deutlicher, der akustische Eindruck bleibt ein wenig blass

 

 

4-5

Walter Gieseking

Philharmonia Wind Ensemble:

Sidney Sutcliffe, Bernard Walton, Dennis Brain, Cecil James

EMI

1955

21‘16

 

 

professionell, ausdrucksvoll, Oboe sehr heller Klang, kultivierter als bei Horsley, sehr gutes Zusammenspiel, trotz Mono gute Transparenz – I E geringere Spannung

 

 

4-5

Robert Casadesus

Philadelphia Woodwind Quartet:

John De Lancie, Antony M. Gigliotti, Mason Jones, Bernard Garfield

CBS    Sony

?

20‘17

 

 

I vehement voran, expressiv, Klavier lustvoll auftrumpfend, positiv besetztes Musizieren, sehr gutes Zusammenspiel, direkter Klang, III zupackend, direkt, etwas knallig

 

 

4-5

Rudolf Serkin

Members of Philadelphia Woodquintet:

John De Lancie, Antony Gigliotti, Mason Jones, Sol Schoenbach

CBS    Sony

1953

26‘03

 

 

I E Largo, mit großem Ernst, Musik akribisch ausformuliert, jedoch etwas nüchtern, da Bläser Klangfarben-beschnitten, sehr gutes Miteinander, gute Balance und Transparenz, II gelassen, T. 103 ff. ohne Akzente, III auf der eingeschlagenen Linie

 

 

4-5

Christoph Eschenbach

Kammersolisten der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz:

Anne Leek, Johannes Moog, Sjön Scott, Ulrich Freund

Signum

?

26‘19

 

 

I lebendige Darstellung, sorgfältig, Instrumente bestens abgebildet, gute Balance und Transparenz, II sich Zeit lassend, Melancholie in der Durchführung, III dynamische Differenzierung nicht immer top – eher sachlich als mit Herz gespielt

 

 

 

 

 

4

Friedrich Gulda

Bläservereinigung der Wiener Philharmoniker

DGG

1959

23‘01

 

 

I E betontes Largo-Tempo, Wiener Oboe beherrscht etwas das Klangbild, dem Klang der Bläser fehlt es an Fülle, II Largo, anfangs mit Pathos, Espressivo, etwas gemütlich, III entspannt, ohne Druck, die Musik zieht sich etwas hin

 

 

4

Peter Serkin

Allan Vogel, Richard Stoltzman, Robert Routch, Bill Douglas

RCA

1976

21‘48

 

 

I E wie Vater Rudolf, HT temperamentvolles Spiel, farbiges Klangbild, Bläser jedoch ein wenig zurückgesetzt, helles Fagott, gute dynamische Abstufungen, II gelassen, weniger Spannung, III man wünschte sich auch hier etwas mehr an Spannung

 

 

4

John Ogdon

Derek Wickens, Robert Hill, Barry Tuckwell, Martin Gatt

Decca

1983

23‘13

 

 

I E T. 12/13 Ogdon fasst die Sechzehntel im Bass jeweils zu zweit zusammen, HT spontan wirkende Musizierfreude, explosive Ausbrüche, etwas äußerlich, saftiger Klang, dynamische Differenzierung beim Klavier etwas grob, hier und da Pedaleinsatz, II bewegt, Musik ohne Feinzeichner, III etwas zwiespältiger Eindruck, eingeebnete Dynamik – Musizieren auf dem Podium, für ein Publikum, nicht eine Angelegenheit im privaten Bereich

 

 

4

Herbert Schuch

Ramon Ortega Quero, Sebastian Manz, Fernando Alonso, Marc Trémel

Indesus

2011

23‘55

 

 

I E wenig Spannung, HT lebendiges Musizieren, klingt jedoch etwas hemdsärmelig, II T. 31 nach cresc. kein deutliches p, III dynamische Differenzierung nicht top – offenes Klangbild; dumpfe Geräusche immer dann, wenn der Flügel spielt, schwingender Holzboden im Aufnahmeraum?

 

 

4

Helmut Roloff

Hermann Töttcher, Heinrich Geuser, Kurt Blank, Willi Fugmann

DGG

1955

20‘07

 

 

I frisch musiziert, ausgewogen, II mit Hingabe, III weniger Charme als erwartet – Klang zeitgemäß, etwas belegt und weniger farbig, im Tutti Bläser kompakt, Klavier etwas vorn

 

 

4

Lars Vogt

Ulrich König, Diemut Schneider, Jochen Ubbelohde, Daniel Jemison

EMI

2000

23‘53

 

 

live, I E etwas zurückhaltend, insgesamt eher sachlich als emotional, kaum instrumentale Zuspitzung, zu brav, ad-hoc-Ensemble? – immer wieder dumpfe Geräusche, Holzboden?

 

 

4

André Previn

Wiener Bläsersolisten:

Gerhard Turetschek, Peter Schmidl, Volker Altmann, Friedrich Faltl

Telarc

1985

26‘25

 

 

I E zurückhaltend, HT moderato, sorgfältige Darbietung, keine Funken aus der Musik geschlagen, II sich Zeit lassend, Spannung auf niedrigem Level, III pauschale Dynamik

  

 

4

Zoltan Kocsis

Budapester Bläsersolisten:

Gábor Dienes, Kálmán Berkes, Miklós Nagy, Júlia Gábor

Quintana    HMF

1989

21‘05

 

 

I vital, Allegro molto, etwas forsch drauflos musiziert, dynamische Differenzierung könnte besser sein, Klavier etwas nach vorn gezogen, Bläser im Tutti mit weniger Transparenz, II bewegt, T. 21, 42 und T. 66 nach cresc. kein richtiges p, auch hier etwas großzügiger Umgang mit der Lautstärke, III Allegro, Musik dramatisiert, Mozarts Absicht?, musikalisch jedoch glänzend bewältigt

 

 

4

Alfred Brendel

Mitglieder des Ungarischen Bläserquintetts

Vox      Brilliant

zw. 1959-1967

23‘19

 

 

 

 

 

 

3-4

Colin Horsley

Leonard Brain, Stephen Waters, Dennis Brain, Cecil James

EMI

1954

 

 

 

sehr helle Bläser, stellenweise fast plärrender Klang, Oboe teilweise mit Vibrato, Klarinetten-Klang in Oboen-Nähe, Klavier lässt Bläsern den Vortritt, das klingt unausgewogen und amateurhaft, I spannungsvolle E, III Bläser erinnern partiell an Dudelsack-Klänge – ein Jahr später spielte EMI KV 452 erneut ein, mit Gieseking am Klavier und anderen Solisten, ausgenommen Dennis Brain

 

 

 

Interpretationen nach historischer Aufführungspraxis und Originalinstrumenten

 

 

5

 

Dialoghi:

Josep Domènech, Lorenzo Cappola, Pierre-Antoine Tremblay, Javier Zafra, Cristina Esclapez

HMM

2015

24‘22

 

 

Clavier und Bläser im Wettstreit, Clavier auch immer wieder solistisch virtuos, wie in einem Klavierkonzert; Naturhorn mit Stopftechnik, jedoch nicht ganz so deutlich als bei Vermeulen, aufmerksame Dynamik, sehr farbiges Klangbild, II viel Espressivo, markante Akzente – Dialoghi bringt die kompositorischen Finessen am besten heraus

 

 

5

Jan Vermeulen

Il Gardellino:

Marcel Ponseele, Benjamin Dieltjens, Luc Bergé, Alain Derijckere

Accent

2007

23‘51

 

 

I E T. 12/13 Clavierbass deckt Fg zu, Hflg deutlicher, konzentrierter und virtuoser als bei Immerseel, deutliche Stopftechnik beim Naturhorn, sehr aufmerksame Dynamik, II mit Hingabe, viel Spannung, Espressivo, markante Akzente – insgesamt mehr Klangfülle als bei Immerseel

 

 

 

 

 

4

Jos van Immerseel

Ensemble Octophoros:

 Paul Dombrecht, Elmar Schmid, Piet Dombrecht, Danny Bond

Accent

1985

24‘07

 

 

I lebendiges Musizieren, jedoch klangtechnische Mängel: Fg oft nicht, oder zu leise abgebildet, unausgeglichenes Bläserquartett, II hier besser, III gelassen – Klang insgesamt etwas blass, Hflg steht nicht als Soloinstrument den Bläsern gegenüber, bestens in den Gesamtklang eingebunden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweise auf Interpreten und Interpretationen

 

 Alfred Brendel

 

Im Jahre 1987 brachte das Label Philips eine Aufnahme der Es-Dur-Quintetts mit Alfred Brendel am Flügel und vier, heute kommt man nicht herum zu schreiben, „Starbläsern“ auf den Markt, andere „Starbläser“ wirkten bereits bei Ashkenazy mit und man begegnet ihnen auch in späteren Aufnahmen. Aber was solls, die Aufnahme kann man nur empfehlen aufgrund ihrer feinfühligen Gestaltung, ihrer guten dynamischen Differenzierung, ihres prächtigen Zusammenspiels. In Finale ziehen die fünf Musiker ab T. 205 das Tempo etwas an, so wirken die Schlusstakte wie eine Stretta. Einziger Wehrmutstropfen, wobei ich mich zu einer Herabstufung veranlasst sah, ist der nicht ganz homogene Bläser-Klang.

Mehr als zwei Jahrzehnte zuvor spielte die amerikanische Vox, das Aufnahmedatum bleibt ihr Geheimnis, mit Brendel am Flügel das Quintett ein. Partner waren Mitglieder des Ungarischen Bläserquintetts. Die Aufnahme ist solide, die dynamische Differenzierung kann jedoch nicht immer überzeugen. Leider beherrscht die Oboe mit ihrem fast spindeldürren Klang den Bläserklang, auch ist die Intonation nicht immer über alle Zweifel erhaben. Das macht nicht unbedingt Lust auf diese Einspielung.

 

eingestellt am 12.11.23

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