Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Wolfgang Amadeus Mozart

 

Serenade für Streichorchester G-Dur KV 525

 

„Eine kleine Nachtmusik“

 

Allegro – Romance. Andante – Menuetto. Allegretto – Rondo. Allegro

 

Mozarts Serenade steht am Ende einer langen Reihe von Gebrauchsmusiken als Auftragskomposition für einen bestimmten Anlass, meist „open air“, wie wir heute sagen. Dabei nehmen Blasinstrumente einen großen Anteil ein. Die Gattungsbezeichnung Serenade steht dabei neben Divertimento und Cassation. Im Laufe der Jahre ist bei Mozart ein Qualitätsanstieg zu beobachten in Richtung Kammermusik, einhergehend mit hohem Kunstanspruch. Sehr gut lässt sich das ablesen an den drei Bläserserenaden B-Dur KV 361, auch Gran Partita genannt, Es-Dur KV 375 und c-Moll KV 388. In der Serenade G-Dur KV 525  verzichtet Mozart ganz auf die Mitwirkung von Bläsern und damit auch auf die Gegenüberstellung verschiedener Klangfarben im kompositorischen Prozess. An ihre Stelle tritt eine Verfeinerung der Gestaltung. Die Themen sind hier sehr einprägsam formuliert und bleiben im Gedächtnis haften, besonders das Kopfmotiv des ersten Satzes wie auch der Beginn der Romanze, auch bei Menschen, denen klassische Musik fernsteht. Jemand hat es treffend formuliert: „Kaum ein Werk ist im täglichen Leben so präsent wie die Kleine Nachtmusik,“ er dachte dabei gewiss an Werbung oder an den akustischen Smog in der Alltagsumgebung (Warenhäuser, Fahrstuhl, Telefon), bei denen uns auch immer wieder die Anfänge des ersten Satzes oder der Romanze begegnen.

 

In seinem eigenen Werkverzeichnis ist die Serenade für den 10. Aug. 1787 eingetragen, und zwar mit fünf Sätzen, mit jeweils zwei Menuetten samt Trio. Das erste der beiden ist irgendwann aus dem Autograph entfernt worden und seit dieser Zeit verschwunden. Einige Formationen fügen hier ein „fremdes“ Menuett ein, um auf diese Weise den ursprünglichen Serenaden-Charakter wieder herzustellen:

·       das Salomon Quartett auf Anregung von Christopher Hogwood, das laut Booklet von Mozart zusammen mit seinem damaligen (1785/86) englischen Kompositionsschüler Thomas Attwood verfasst worden sei

·       Michael Alexander Willens mit der Kölner Akademie, mit Menuett und Trio aus Mozarts erstem Streichquartett G-Dur KV 80

·       Roy Goodman mit der Hanover Band, eine Bearbeitung aus der apokryphen Klaviersonate KV 498a (Anhang 136) von Jonathan del Mar, eine Empfehlung von Alfred Einstein

Den Interpreten stellt sich die Frage, ob die Serenade solistisch, also mit zwei Geigen, einer Bratsche, einem Cello sowie einem Kontrabass aufgeführt werden soll, oder in orchestraler Besetzung, wie seit eh und je gebräuchlich, einzig allein muss jedoch der Stil der Aufführung entscheidend sein. Vier und mehr Kontrabässe sind sicher nicht in Mozarts Sinn. Unten sind drei solistisch gespielte Einspielungen aufgelistet.

 

Hier einige Anmerkungen zu den Sätzen:

 

1. Satz: Die Exposition mit seinem auftrumpfenden Unisono-Beginn erinnert an den Beginn der späteren Jupiter-Sinfonie KV 551. Das fanfarenartige viertaktige Kopfmotiv – unisono – endet jeweils mit einer Viertelnote, aufwärts in der Mitte auf d‘‘, abwärts auf d‘. In fast allen Einspielungen wird die Viertel auf eine Achtel gekürzt. Das gilt auch für ähnliche Takte (27, 43 etc.). Lediglich Kubelik, Dorati und wenige andere schließen sich der Notenlage an.

Noch prekärer wird es in Takt 14: Auf der dritten Zählzeit enden die Geigen wie zuvor mit einer Achtelnote, Bratschen, Celli und Bass mit einer Viertel! Denselben Sachverhalt beobachtet man in der Reprise in Takt 88. An einen Druckfehler ist hier nicht zu denken, da Mozarts vorhandenes Autograph eindeutig ist. Allein der heute außerhalb Österreichs nur noch kaum bekannte Dirigent Rudolf Moralt entscheidet sich für die Viertelnote.

 

2. Satz: Der mit Romanze überschriebene langsame Satz ist in fünfteiliger Liedform geschrieben A-B-A-C-A, jeweils mit Wiederholungen. Damit er nicht zu langsam gespielt wird, wozu die Melodie im A-Abschnitt verleiten kann, schreibt Mozart ein alla breve vor: pro Takt bilden also nicht vier Viertel sondern zwei Halbe Noten das Grundmaß. Die Ausführung in den untersuchten Aufnahmen ist uneinheitlich, ein langsames Tempo überwiegt. Einige Dirigenten lassen die Abschnitte B und C etwas bewegter spielen. Die Romanze hat Mozart mit einigen Modulationen bestückt, die in Moll auch melancholisch anmuten.

 

3. Satz: Es folgt ein draufgängerisches Menuett im f, gefolgt von einem schwebendem Trio, eine Szene wie aus einem Violinkonzert, meist im p gehalten.

 

4. Satz: Den Abschluss bildet ein Sonaten-Rondo, auch in alla breve geschrieben, was ein schnelles Tempo verlangt.

 

Die unterschiedlichen Laufzeiten spiegeln nicht nur die verschiedenen Tempi wider, sondern sind auch Resultat der gespielten Wiederholungen. Mozart empfiehlt sie für alle Sätze, sie werden in den neueren Interpretationen meist beachtet. Es würde zu weit führen, hier detailliert aufzulisten, wie sich die Dirigenten im Einzelfall entschieden haben.

 

 

5

Fritz Busch

Dänisches Rundfunk-Sinfonie-Orchester

Turiaphon    Poco records

1948

15‘05

 

 

immer locker, natürlicher Vortragsstil, alles genau gewichtet, leichter Hall

 

5

Ferenc Fricsay

Berliner Philharmoniker

DGG

1958

17‘52

 

 

I schwungvoll, II fast schon ein Adagio, liebevoller Umgang mit der Musik, con anima, IV spritzig – gute Balance, Klang etwas kompakt

 

5

George Szell

Cleveland Orchestra

CBS    Sony

1968

17‘13

 

 

I alla breve beachtet, schlankes lebendiges Musizieren, genaute Artikulation, II unsentimental; Mozart, aber kein „Wolferl“; IV pulsierendes Spiel – sehr gute Balance, p wünschte man sich etwas leiser

 

5

Charles Mackerras

Prager Kammerorchester

Telarc

1984

21‘30

 

 

Musik gestaltet, lockeres Musizieren, Akzente genau gesetzt, überzeugende Tempi, gut abgestimmte Dynamik, abgerundeter und gepflegter Klang, alla breve-Vorschriften umgesetzt

 

5

Neville Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

Philips

1985

16‘49

 

 

Serenadenton gut getroffen, elastisches Musizieren, stellenweise federnd, sehr gute Balance, III feinfühlig

 

 

 

 

 

4-5

Rudolf Kempe

Bamberger Symphoniker

BMG

1963

18‘27

 

 

 

4-5

Rudolf Kempe

Philharmonia Orchestra London

EMI   Testament

1955

16‘29

 

 

 

4-5

Christoph von Dohnanyi

Cleveland Orchestra

Decca

1991

18‘34

 

 

I philharmonisch besetzt, trotzdem schlanker Klang und differenzierter Vortrag, II alla breve nicht übersehen, belebte Mittelstimmen in Teil C, III ansprechende Gestaltung, IV geschmeidig

 

4-5

Wojciech Rajski

Polnisches Kammerorchester

Tacet

2003

19‘54

 

 

eigene Handschrift des Dirigenten spürbar, I und IV mit Elan, II Dynamik als Gestaltungsmerkmal eingesetzt, III Trio weniger locker, IV zweiter Tutti-Akkord vor Schluss etwas leiser, das ergibt dann f – mf – f – p, Einfall könnte auch von Mozart stammen – leider kein richtiges piano

 

4-5

Fritz Lehmann

Berliner Philharmoniker

Electrola      EMI

1941

14‘05

 

 

I schnelles Allegro, II Bogenstriche könnten im MT etwas leichter ausfallen, III Trio bassbetont, etwas schnell, IV Lehmann achtet auf p, auch hier: Bässe immer im „Gespräch“ mit den ersten Geigen – für die Zeit der Aufnahme sehr gute Balance

 

4-5

Bruno Walter

Wiener Philharmoniker

EMI

1936

15‘12

 

 

 

4-5

Hans Rosbaud

Sinfonie-Orchester des SWF Baden-Baden

hänssler          SWR Classic

1955

17‘34

 

 

Rosbaud atmet mit der Musik, achtet auf genaue Artikulation und Balance, trifft den Ton der Musik, II empfindsam, Nebenstimmen werden nicht zurückgestellt, IV tänzerisches HT

 

4-5

Erich Kleiber

Berliner Philharmoniker

Telefunken        BP Media

1934

13‘38

 

 

I klares, stringentes Musizieren, II etwas unruhig, Abschnitt B (T. 16-30) ein wenig schneller, III Menuett: markierte Viertel, Trio: schwebend, große Bögen, IV sehr bewegt – präsentes Klangbild, jedoch kompakt

 

4-5

Günter Wand

Gürzenich Orchester Köln

Testament

1957

15‘47

 

 

I schwungvoller Beginn, beim zweiten Thema Tanzcharakter in der Begleitung T. 28/29 bzw. T. 132/133 herausgestellt, II klares Musizieren, direkt, anfangs mf statt p, Abschnitte B und C etwas schneller, III Trio alles unter einem großen Bogen, IV p-Bereich zu laut, ein wenig sachlich – offenes Klangbild

 

4-5

Otto Klemperer

Pro Musica Orchester Paris

VOX

1946

13‘23

 

 

 

4-5

Otto Klemperer

Philharmonia Orchestra London

ica classics

1956

16‘13

 

 

live, ▼

 

4-5

Rafael Kubelik

Wiener Philharmoniker

EMI

P 1962

17‘15

 

 

sorgfältig, Kubelik lässt die Musik für sich sprechen, kaum persönliche „Zutaten“, ansprechende Interpretation

 

4-5

Wilhelm Schüchter

Nordwestdeutsche Philharmonie

Electrola  forgotten records

1954

14‘54

 

 

aufmerksames Dirigat, gute dynamische Differenzierung, Gestus der einzelnen Sätze herausgestellt, gute Balance und Transparenz

 

4-5

Sandor Vegh

Camerata Salzburg

Capriccio

1986

17‘11

 

 

I entschieden voran, gute dynamische Differenzierung, kein alla breve, Musik liebevoll ausgesungen, nuancenreich, IV quirlig – schöner Klang

 

4-5

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1981

16‘54

 

 

 

4-5

Herbert von Karajan

Wiener Philharmoniker

EMI

1946

14‘46

 

 

 

4-5

Yuri Bashmet

Moskauer Solisten

Onyx

2007

20‘01

 

 

Tempo als Gestaltungsmerkmal, bei mehrmaliger Wiederholung verpufft die Überraschung, f in Abschnitt A T. 7/8 zurückgenommen, ebenso in T. 15/16 und T. 37/38, IV federnd, alla breve

 

4-5

Heinrich Schiff

Northern Sinfonia

Virgin

1990

19‘41

 

 

I fast Allegro molto, unbeschwert, locker, läuft wie ein Uhrwerk, III straffes Menuett, schwebendes Trio, IV sehr lebendig – insgesamt ohne persönliche Note, jedoch keinesfalls distanziert

 

4-5

Hans Schmidt-Isserstedt

NDR Sinfonie-Orchester Hamburg

Capitol     Tahra

1955

17‘05

 

 

ansprechendes Musizieren, mit Empathie und Feingefühl, IV alla breve, elastisch – heller Klang, Stahlsaiten

 

4-5

Rudolf Moralt

Wiener Symphoniker

Philips     forgotten records

1953

16‘30

 

 

I aufmerksame Umsetzung der Partitur, II ausgewogen, klare Artikulation, III Intonation der ersten Geigen im Trio nicht sauber (T. 17-22), IV klanglich nicht auf der Höhe der vorigen Sätze, einige Instrumente klingen im Schlussakkord nach

 

4-5

Colin Davis

Philharmonia Orchestra London

EMI

1959

17‘08

 

 

insgesamt sorgfältiges musizieren, zurückhaltende Tempi, II gelassen, empfindsam, die Schönheiten der Musik auskostend, Abschnitte B und C ein wenig schneller – Bässe im Verhältnis zu den ersten Geigen ein wenig zurückgestellt

 

 

 

 

 

4

Bruno Walter

Columbia Symphony Orchestra

CBS    Sony

1958

15‘44

 

 

 

4

Wolfgang Schneiderhan

Wiener Philharmoniker

Amadeo

1973

16‘48

 

 

live, sauber musiziert, jedoch routiniert, zweiter Satz sticht durch mehr individuelle Gestaltung heraus

 

4

Karl Böhm

Wiener Philharmoniker

DGG

1974

19‘21

 

 

 

4

Karl Böhm

Berliner Philharmoniker

DGG

1956

17‘00

 

 

 

4

Joseph Keilberth

Bamberger Symphoniker

Telefunken   Warner

1959

17‘20

 

 

I geradliniges Musizieren, in den lauten Abschnitten etwas fest, II Keilberth lässt die ersten beiden Achtel der ersten Geigen wie vorgesehen piano spielen, fährt dann aber f fort, wenig Charme, philharmonischer Klang mit etwas Druck, IV gefällt am besten – insgesamt meist breiter Strich

 

4

Wilhelm Furtwängler

Berliner Philharmoniker

DGG

1936/37

15‘05

 

 

I gute p-Kultur, ohne viel Ausdruck in die Musik zu bringen, II fast Adagio, Fünf-Teiligkeit gut herausgearbeitet, gewichtig im A-Teil, viel Espressivo, romantisierend, T. 16 etwas schneller, III schönes Trio, IV Thema gefällig vorgetragen, die folgenden f-Stellen jedoch stark dramatisiert

 

4

Eugen Jochum

Kammerorchester des Bayerischen Rundfunks

DGG

1950

18‘41

 

 

I zupackend, philharmonische Art, sorgfältige Darbietung, II an manchen Stellen wünschte man sich die Geigen etwas feiner, Doppelschläge der ersten Geigen T. 44/45 nicht egal, IV in lauten Tutti-Abschnitten etwas derb – etwas dünner Klang, im Tutti kompakt

 

4

Hans Swarowsky

Orchester der Wiener Staatsoper

Orbis    Preiser      hännsler

1955

15‘31

 

 

I schnelles Tempo, schwungvoll, philharmonischer Vortragsstil, II sachliches Musizieren, wenig innig, III am Notentext entlang, IV alla breve beachtet, pulsierend – p meist als mf gespielt

 

4

Herbert von Karajan

Philharmonia Orchestra London

EMI

1953

15‘35

 

 

 

4

Antal Dorati

London Symphony Orchestra

Mercury

1956

16‘45

 

 

I zielstrebig voran, II gefällig, etwas breiter Geigenstrich, IV mit Verve – etwas routiniert und glatt, gute Transparenz

 

4

William Steinberg

Pittsburgh Symphony Orchestra

EMI

1958

14‘57

 

 

klares, transparentes, ausgewogenes, jedoch nur sachliches Musizieren im philharmonischen Stil, dynamische Differenzierung auf Sparflamme – helles, etwas halliges Klangbild, nur eine schwarz-weiß-Aufnahme der Serenade

 

4

Josef Vlach

Tschechisches Kammerorchester

Supraphon

1960

18‘23

 

 

I spontanes Musizieren, jedoch sachlich, T. 27 sowie T. 127-130 etwas verzögertes Tempo, II T. 41 erste Violine ohne Doppelschlag, IV alla breve beachtet, sehr flott, spritzig, jedoch nicht ausgefeilt – helles Klangbild

 

4

Zubin Mehta

Israel Philharmonic Orchestra

Decca

1977

20‘21

 

 

I straff, geradlinig, entlang der Partitur musiziert, eher sachliche Art, II Doppelschlag-Passagen der ersten Geigen und Bässe T. 44-47 ohne Ausdruckspotential, IV zupackend, etwas darüber hinweg musiziert

 

4

James Levine

Wiener Philharmoniker

DGG

1982

20‘03

 

 

I etwas distanziert, II Doppelschläge der ersten Geigen T. 44-47 ungleichmäßig artikuliert – Oberstimme immer führend, nie ein richtiges p, fehlende Abwechslung kann zur Ermüdung führen

 

 

 

 

 

3-4

 

Orpheus Chamber Orchestra

DGG

1985

17‘08

 

 

genaue Umsetzung des Notentextes, in den schnellen Sätzen straff, auch spritzig, klingt aber artifiziell, glatt und emotional distanziert, vor allem in der Romanze

 

3-4

Erich Leinsdorf

Boston Symphony Orchestra

RCA

1963

17‘45

 

 

I ausgewogen, Musizieren entlang der Partitur, philharmonischer Stil, II klangliche Differenzierung nicht top, kaum p – auch in den übrigen Sätzen – die Abschnitte A, B und C nicht richtig gegenüber gestellt, IV etwas lustlos

 

3-4

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1965

16‘18

 

 

 

3-4

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

EMI

1959

17‘18

 

 

 

3-4

Otmar Suitner

Staatskapelle Berlin

Eterna  Berlin Classics

P 1975

16‘35

 

 

I korrekt, ausgewogen, gelassen, II langsames Andante, IV kein alla breve, lahm

 

3-4

Szymon Goldberg

Niederländisches Kammerorchester

Philips   restrospective

1958

17‘11

 

 

an der Partitur entlang musiziert, etwas statuarisch, Zusammenspiel nicht immer auf höchstem Niveau, dynamische Differenzierung mit wenig Spielraum

 

3-4

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS   Sony

1973

22‘24

 

 

KV 525 fehlte noch in Bernsteins Diskographie; philharmonisches Musizieren, vordergründig schwungvoll, jedoch grob, hemdsärmelig, süßlich klebriges erstes Thema (Erkennungsmelodie), geringe dynamische Differenzierung, II breiter Strich, lustlos, IV wie durchgezogen

 

3-4

Leo Blech

Orchester der Städtischen Oper Berlin

 

~ 1946

17‘47

 

 

I philharmonischer Musizierstil, weniger locker, hier und da auch etwas grob, Tempoverzögerungen am Ende von Abschnitten, Ästhetik einer vergangenen Zeit schimmert durch, II Abschnitte B und C merklich schneller, vor A rit., III behäbiges Menuett, Trio etwas langsamer. IV Presto, mit Elan – selten ein richtiges p, Klangbild mit Hall

 

3-4

Daniel Barenboim

Wiener Philharmoniker

DGG

2009

16‘09

 

 

live, Schönbrunn (open Air) – durchgespielt, Dynamik weniger nach Partitur, sondern dem Anlass angepasst, dem Publikum gefiel es: Klatschen nach jedem Satz

 

 

Interpretationen in historischer Aufführungspraxis mit historischen Instrumenten

 

 

5

Roy Goodman

The Hanover Band

Nimbus

1989

21‘40

 

Stimmen wunderbar austariert, sehr gute Tempi, alla breve in Satz 2 und 4 umgesetzt, II abwechslungsreicher C-Abschnitt, III schnelles Menuett, im Trio 1. Geige solistisch – etwas Hall

5

Michael Alexander Willens

Kölner Akademie

BIS

2015

24‘10

 

ansprechendes Musizieren, II alla breve, Willens bleibt hier nicht so korrekt und distanziert wie wie die meisten anderen, IV eine neue Idee für die Begleitung der Takte 69-78

5

 

Concerto Köln

DGA

2005

18‘53

 

I Allegro molto, II alla breve, C-Abschnitt schneller, III federndes Menuett, IV alla breve – leicht angerauter Klang

 

 

  4-5

Antony Newman

The Brandenburg Collegium

Sony

1989

18‘12

 

I mit Elan, lustbetont, Themenkopf kurz angebunden, II fast schon ein Allegretto,  kräftige Basstöne, passen eher zum Menuett, Akkorde T. 66/67 miteinander verbunden, III Allegro, Trio ein wenig langsamer, IV alla breve, wie Satz I

4-5

Nikolaus Harnoncourt

Concentus Musicus

Teldec

1988

21‘17

 

I bei der Wiederholung 1. Geigen T. 9/10 geschmiert, in lauten Tutti-Stellen voluminöser Klang, II alla breve, lebendiger C-Abschnitt, III Menuett Allegro molto, Trio langsamer – Kontrabass darf am Ende immer nachklingen

 

   

4

Franzjosef Maier

Collegium Aureum

DHM

1975

19‘37

 

aus der Anfangszeit der HIP-Bewegung: nur die Instrumente gewechselt, jedoch sich noch nicht um einen neuen Stil bemüht, Ensemble klingt wie ein großbesetztes Orchester, kein richtiges p

 

Interpretationen in historischer Aufführungspraxis mit modernen Instrumenten

 

  5

Petter Sundkvist

Schwedisches Kammerorchester

Naxos

2004

18‘05

 

I locker, gute Differenzierung, mit viel Geschmack, II kein alla breve, liebevoller Umgang mit dem Notentext, Abschnitte B und C ein wenig schneller, IV Tempo in der Coda etwas angezogen – sehr gute Balance und Transparenz, einige wenige solistisch besetzte Abschnitte

 

Interpretationen in solistischer Besetzung

 

  5

 

The Salomon Quartet

Decca

1983

26‘05

 

Bässe werden körperhaft wahrgenommen, II Doppelschläge im C-Abschnitt als einfache Vorschläge – historische Instrumente

 

   

4-5

 

Wiener Kammerensemble

Eurodisc

1979

18‘16

 

klinisch sauberes Musizieren, beste Transparenz, II kein richtiges p, hier wäre es doch möglich gewesen

 

   

4

 

Drottningholm Baroque Ensemble

BIS

1991

19‘55

 

1. Geige klingt im f zu spitz, wie bei Stahlsaiten, bei lauten Tutti-Abschnitten Klang etwas angeraut und aggressiv, an Satzenden klingt der Bass kurz nach, II alla breve, kleine Verzierungen der 1. Geige bei Wiederholungen – historische Instrumente, mit Cembalo, dezent eingesetzt

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweise auf Interpreten und Interpretationen

 

Bruno Walter

 

Wands erste Studio-Aufnahme stammt aus der Aufnahme-Serie mit den Wiener Philharmonikern für HMV in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Auffallend ein genaues Musizieren sowie eine gute dynamische Abstimmung in allen Sätzen trotz kompakten Klangs. Die ersten Geigen klingen im f etwas scharf. Besonders im Andante spürt man Walters liebevoller Umgang mit Mozarts Musik, das Klangbild wird jedoch durch einige Präsenzschwankungen getrübt. 22 Jahre später konnte der Dirigent die „Kleine Nachtmusik“ noch einmal aufnehmen, in Kalifornien mit dem Columbia Symphony Orchestra. Der Kopfsatz erklingt nun etwas fester musiziert als früher, kaum spritzig. Im Andante nähert sich das Thema des A-Abschnittes bereits der Grenze zum Sentimentalen. Die Tempi sind etwas langsamer geworden, im Finale schon etwas behäbig. Hier spielen die Bässe die Takte 10/11 – Fortsetzung des Themas – zu leise. Das Klangbild – philharmonische Prägung – ist natürlich besser als früher, jedoch noch etwas flach.

 

Otto Klemperer

 

Als Otto Klemperer nach dem zweiten Weltkrieg aus dem amerikanischen Exil nach Europa zurückkehrte, musste er sich seinen früheren Ruf wieder neu erobern. Konzertmanager und Schallplattenproduzenten, von denen es damals noch nicht viele gab, rissen sich nicht zugleich um den früheren Berliner Pultstar. Die ersten Aufnahmen auf dem alten Kontinent erfolgten für das US-amerikanische Billiglabel VOX. In Paris spielte er 1946 mit einem ad-hoc-Orchester Bachs Brandenburgische Konzerte sowie Mozarts „Kleine Nachtmusik“ auf Schellackplatten ein. Zu beobachten ist ein klares straffes Musizieren, immer den Blick nach vorn gerichtet. Unverzärtelt lässt er das Andante spielen, streng und mit guter dynamischer Differenzierung das Menuett, fast schon Presto das Finale. Die Aufnahme besitzt eine gute Balance und eine hinreichende Transparenz. Ein durchgehendes Rauschen der Schellacks muss hingenommen werden. Eine zweite Aufnahme brachte ica-classics als Mitschnitt mit dem Phiharmonia Orchester heraus, er entstand 1956, aus Klemperers bester Zeit als Plattendirigent. Im ersten Satz nimmt er ein weniger schnelles Tempo, im Gegensatz zum Finale. Das Andante lässt er mit etwas mehr Hingabe musizieren und verleiht der Musik auch etwas mehr Farbe. Nicht ganz glücklich bin ich mit dem Klang des BBC-Mitschnitts, er ist leider kompakt und auch ein wenig entfernt. Aber, wie schon oft von mir bemerkt, die Ohren gewöhnen sich schnell daran und relativieren dieses Manko.

 

Karl Böhm

 

Karl Böhm hat für die DGG zweimal Mozarts KV 525 eingespielt. Die erste 1956 mit den Berliner Philharmonikern, die zweite 1974 mit ihren Kollegen aus Wien. Beide Aufnahmen sind deutlich von des Dirigenten Interpretationsstil geprägt: klares Musizieren, genaue Artikulation (Ausnahme: WPh 1. Satz T. 44/45 Doppelschläge der ersten Geigen), wenig aufregende Tempi, objektive Sicht auf die Partitur. Klanglich wird man der späteren Stereo-Aufnahme der älteren Mono-Aufnahme den Vorzug geben, obwohl diese sehr sauber und transparent klingt. Ein weiterer Vorzug ist die Beachtung von Wiederholungen in den Ecksätzen.

 

Herbert von Karajan

 

Ein Sonderfall ist Karajan. Eine (Neu-) Aufnahme der Kleinen Nachtmusik war ihm oder dem Produzenten – publikumswirksam – von großer Priorität: Im Jahre 1946, als der Produzent Walter Legge mit den Wiener Philharmonikern die ersten Nachkriegsplatten mit Karajan aufnehmen ließ, obwohl sein Entnazifizierungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, gehörte die Serenade zu den ersten produzierten Werken. Ein paar Jahre später, als Karajan den Chefposten beim Philharmonia Orchestra in London übernahm, stand KV 525 auf der Prioritätenliste. Das setzte sich bei der Einführung des digitalen Aufnahmeverfahrens 1980 fort.

Wie sind nun seine Interpretationen zu bewerten? Seine erste und letzte Aufnahme haben m. E. einen hohen Stellenwert. Die schon erwähnte Platte mit den Wiener Philharmonikern zeichnet sich durch genaues Musizieren und eine gute dynamische Differenzierung aus. Schwungvoll zieht der erste Satz (ohne Wiederholungen) vorüber, das Andante wird hier schon unter Negierung der alla breve-Vorschrift ruhig und leicht romantisierend vorgetragen. Das Klangbild ist weitgehend durchsichtig, wird aber bei lauten Tutti-Abschnitten rau und kompakt. Mit ähnlichem Ansatz, aber viel besseren klanglichen Voraussetzungen, begegnet uns seine letzte Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern. In den Sätzen drei und vier nimmt er hier das Tempo etwas zurück. Dazwischen liegen die Platten mit dem Philharmonia Orchestra (1953), hier zeichnet sich ab, dass für den Dirigenten die Romanze den höchsten Stellenwert in der Serenade einnimmt, entsprechend wird das Tempo zurückgenommen und am Klang gefeilt. Noch auffälliger ist dies bei der ersten Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern, die in der Berliner Grunewaldkirche produziert wurde: nicht nur der Hall stört hier, sondern auch die großformatige philharmonische Gestaltung mit unangebrachten Drückern. Bei der folgenden Produktion, jetzt für die DGG (1965), kehrt Karajan zu einem eher sachlichen Vortragsstil zurück, was besonders dem Andante gut tut. Leider findet man kaum ein p, wenn es die Partitur vermerkt. Mozarts Musik tritt dem Hörer eher äußerlich als verinnerlicht entgegen.

 

Rudolf Kempe

 

Kempes erste Aufnahme der „Kleinen Nachtmusik“ stand am Anfang seines Schallplattenvertrages mit HMV. Der Dirigent sorgt für eine klare Darstellung, gute Binnendifferenzierung, fließende Tempi und gute Transparenz. Wie bei vielen Kollegen könnte das p-Spiel noch ausgeprägter sein. Im Trio des dritten Satzes klingen die Bässe zu mulmig, für das Finale nimmt sich Kempe Zeit. Acht Jahre später nahm er für das neue Bertelsmann-Label Eurodisc einige LPs mit den Bamberger Symphonikern auf, darunter auch KV 525. Hier wird insgesamt etwas lockerer gespielt, mit einem Lächeln im Gesicht. Das Finale zieht nun etwas schneller vorüber. Das angesprochene p-Problem bleibt bestehen. Das Klangbild hat nun mehr Leuchtkraft – mit etwas Hall.

 

eingestellt am 31.05.20

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