Das Klassik-Prisma

 

Bernd Stremmel 

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Felix Mendelssohn Bartholdy

 

Streichquartett Nr. 6 f-Moll op. 80

 

Allegro assai, Presto – Allegro assai – Adagio – Allegro molto

 

Das  Streichquartett in f-Moll, posthum unter der Opus-Zahl 80 veröffentlicht, ist Mendelssohns letzter und gewichtigster Beitrag zum Genre Streichquartett. Ernst Herttrich schreibt im Vorwort zur Studienpartitur des G. Henle-Verlags: “Mendelssohns Streichquartett op. 80 ist eines seiner wenigen „autobiographischen“ Werke, ein ergreifendes musikalisches Dokument seiner Trauer um den Tod seiner Schwester Fanny und seines Versuchs, den Schmerz um diesen Verlust künstlerisch zu verarbeiten.“

 

Wie so oft bei diesem Komponisten ist die richtige Tempowahl entscheidend für eine adäquate Wiedergabe.  Im Vergleich mit den Tempoangaben in Mendelssohns übrigen Quartettkompositionen muten die in op. 80 extrem an. In (fast) keinem anderen Quartett finden sich schnellste Tempi in den Ecksätzen und im Scherzo und ein langsamer Adagio-Satz, kein Andante! Leider kommt keine der hier untersuchten Einspielungen den Vorstellungen des Komponisten voll entgegen, die Quartettformationen scheuen die Extreme; so innig das Carmina Quartett den 3. Satz spielt, er würde noch gewonnen haben, wenn die vier Spieler den Mut aufgebracht hätten, langsamer zu spielen, den Schlusssatz dafür noch schneller, das gilt auch für das Mandelring Quartett. Das Leipziger Streichquartett spielt diesen Satz mit 5‘15‘‘ am schnellsten, jedoch noch nicht schnell genug, er sollte atemlos, beinahe wie gehetzt klingen. Ein Lichtblick in dieser Hinsicht ist die Debüt-CD des Vision String Quartet, gekoppelt mit einer fulminanten Interpretation von Schuberts d-Moll Quartett D. 810. Die 4 Visions warten in den ersten beiden Sätzen mit schnellen Tempi auf, nehmen sich aber für das Adagio genügend Zeit, lediglich das Leipziger Streichquartett sowie das Quatuor Ebène sind noch etwas langsamer. Das Tempo des Finalsatzes liegt hier im Mittelfeld der untersuchten Aufnahmen.

 

Artemis Quartett

Erato

2013

24‘57

5

I energiegeladen, aufrührerische Motorik, jähe Stimmungswechsel, das Bizarre der Musik gut getroffen, sehr gute Differenzierung und Balance, II dämonisch, III molto Espressivo, IV Ausdruck der Verzweiflung gut herausgearbeitet

Vision String Quartet

Warner

2019

25‘19

5

I mit höchstem Einsatz, glutvoll, technisch vollendet, II immer das Übernächste im Blick, mit höchster Spannung, III breite Ausdrucksskala, molto espressivo, überzeugende Dynamik, IV Interpretation strahlt anfangs Melancholie und Trauer aus, am Ende Trotz

Leipziger Streichquartett

MDG

2002

25‘01

5

I bohrend intensiv, kein Nachlassen der Spannung, II expressiv, unerbittlich, dämonisch, manchmal auf Kosten der Klangschönheit, III intensiv

 

 

Carmina Quartett

Denon

1991

23‘50

4-5

I sehr engagiert, II vorwärtsdrängend , III Andante-Tempo, IV Themen in ihrem Ausdrucksgehalt nicht genügend gegenübergestellt, keine Dämonie – dynamische Differenzierung nicht ausgeschöpft

Mandelring Quartett

audite

2012

21‘57

4-5

I mit spürbarer Hingabe, gute Differenzierung, feinfühlige Übergänge, markante Akzentuierungen, II zupackend, hellwach, III Andante, statt Adagio, IV vorwärtsdrängend, mit (zu) viel Bogendruck

Quatuor Modigliani

mirare

P 2010

24‘57

4-5

I im Bereich des 2. Themas langsamer, auch in IV, mit Verve, aber auch Wärme, II meist etwas viel Druck, im Trio besser, III Espressivo, mit Feingefühl, IV warum nicht etwas schneller? – überzeugende Dynamik

Quatuor Ebène

Erato

2012

26‘02

4-5

I kraftvoll nach vorn, mit Druck, erregende Sechzehntel, II emphatisch, HT in Violine 1 ohne letzte rhythmische Deutlichkeit, bei ff-Stellen Klang etwas kompakt, Übergang von Crecendo und nachfolgendem p/pp wünschte man sich deutlicher, IV in hohen Lage bei f/ff klangliche Schärfe, etwas festes Musizieren

Talich Quartett

Calliope

2002/03

23‘23

4-5

I musikantischer Ansatz, ohne die Unerbittlichkeit der Leipziger

III nahe am Text

Cherubini Quartett

EMI

1990

25‘06

4-5

dem Leipziger Streichquartett auf den Fersen, guter 3. Satz , IV Satz etwas zu langsam

Melos Quartett

DGG

1980

24‘27

4-5

I stellenweise aufblühender Klang, IV merkwürdige Betonung der 16-tel im Cello auf der 1, inkonsequent, da die anderen Instrumente dies nicht übernehmen

 

 

Minguet Quartett

CPO

2009

24‘50

4

I homogen im Zusammenspiel und Klang, emotional zurückhaltend, II eher entspannt, III schön, aber weniger ausdrucksstark, IV auf der Linie der vorigen Sätze

Eroica Quartet

HMF

2002

24‘38

4

I Sechzehntel etwas zu breit genommen, sie verlieren deshalb von ihrer Bedrohlichkeit, IV trotz schnellen Tempos etwas Leerlauf

Emerson String Quartet

DGG

2004

23‘44

4

kultiviert, insgesamt wenig gespannt, etwas distanziert

Rodin Quartett

Amati

2001

26‘14

4

könnte etwas differenzierter sein, II ein wenig buchstabiert

 

 

Bartholdy Quartett

Acanta

P 1974

23‘44

3-4

I am besten gelungen, III Andante, zu unruhig – helles Klangbild

Henschel Quartett

Arte Nova

2001

24‘49

3-4

stellenweise orchestral und dick im Klang, deshalb auch etwas schwerfällig

Aurora String Quartet

Naxos

1993

24‘48

3-4

I stellenweise ziemlich orchestral, IV zu langsam und zu schwerfällig

 

 

eingestellt am 03. 11. 07

letzte Ergänzung am 21. 07. 20

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