Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Felix Mendelssohn-Bartholdy

 

3. Sinfonie a-Moll op. 56 „Schottische“

 

Andante con moto, Allegro un poco agitato – Vivace non troppo – Adagio – Allegro vivacissimo, Allegro maestoso assai

 

Mendelssohns Schottlandreise im Sommer des Jahres 1829 verdanken sowohl die Hebriden-Ouvertüre als auch seine 3. Sinfonie ihre Entstehung. Während die Komposition der Ouvertüre schnell vonstattenging und bereits im Dezember 1830 abgeschlossen war – eine spätere Revision erfolgte vor der Londoner Uraufführung 1832 – brauchte er für die Sinfonie viel mehr Zeit: nach der Skizzierung in Schottland und einer ersten Bearbeitung während eines Rom-Aufenthaltes im folgenden Jahr dauerte die Fertigstellung bis 1842. Im selben Jahr wurde sie am 3. März in Leipzig uraufgeführt und ein Jahr später zum Druck befördert. Drei Monate nach dieser Uraufführung dirigierte der Komponist die Schottische Sinfonie am 3. Juni in London. Der Musikforscher Thomas Schmidt-Beste hat herausgefunden, dass diese Londoner Aufführung auf einer bis dato unbekannten früheren Fassung beruhte, die vermutlich 1841 angefertigt wurde. Im Vergleich zur veröffentlichten Druckfassung enthält diese „Londoner Fassung“ 39 zusätzliche Takte Musik im 1. und 4. Satz, weitere 49 Takte sind unterschiedlich Instrumentiert. Diese Fassung geriet in Vergessenheit, bis sie von Riccardo Chailly in seiner Einspielung der 3. Sinfonie herangezogen wurde.

 

Der Musikologe und Musikkritiker Karl Schumann zitiert Heinrich Eduard Jacob mit dessen Beschreibung der 3. Sinfonie (siehe Booklet zur CD mit Colin Davis), dem braucht eigentlich nichts mehr hinzugefügt werden:

Mendelssohns Opus 56 ist eine Programmsymphonie ohne greifbares Programm, der musikalische Reflex eines Landes und seiner Geschichte, ein schottisches Panorama in vier ineinander übergehenden Sätzen. Die Form des Sonatensatzes liegt jedem der Teile zugrunde, doch das Ganze läßt die dialektischen Spannungen des Sonatenschemas hinter sich und wendet sich ins Epische, ins Balladeske und Stimmungshafte. Nie war Mendelssohn so weit von Beethoven entfernt. Die Form der symphonischen Fantasie zeichnet sich ab. Statt orchestraler Thematik liegt liedhafte Melodik der Partitur zugrunde. Sie wird mehr variiert als durchgeführt. Heinrich Eduard Jacob, der sensibelste der Biographen Mendelssohns, hat dies 1959 formuliert. [Heinrich Eduard Jacob: Felix Mendelssohn und seine Zeit, Frankfurt am Main 1959, Reprint Frankfurt am Main 2016]

 

Hier noch einige Anmerkungen zu den Sätzen 1 und 3:

 

In der Einleitung zum 1. Satz verstärkt der Komponist die führende Cello-Melodie T. 32/33 sowie T. 36/37 mit dem 1. Fagott. Diese Fagott-Stimme wird jedoch von fast allen Dirigenten vernachlässigt, außer von Manacorda, Dausgaard und Brüggen-97. Ähnliches ist vom Beginn des Hauptsatzes zu berichten, T. 64 ff. mit Auftakt. Hier treten zum Hauptthema der 1. Geigen noch die 1. Klarinette dazu, allerdings in der tiefen Chalumeau-Lage, in der das Instrument eher nur als Solo auf sich aufmerksam machen kann und im Orchester schnell „überfahren“ wird. Nur sehr wenige Dirigenten schenken der Klarinette in diesen Takten ihre Aufmerksamkeit. In erster Linie wäre da Manacorda zu nennen, außerdem Brüggen-12, Widmann und Manze, hier darf sie bei der Wiederholung der Exposition noch mehr hervortreten.

Ab T. 126 fügt Mendelssohn dem Hauptthema quasi als Kontrapunkt ein Begleitthema wiederum in der 1. Klarinette hinzu, jetzt erkennt der Hörer sie sofort durch ihren farbigen Klang. Das 2. Thema (e-Moll) erscheint ab T. 181 und ist mit Sehnsucht beladen, bleibt aber nur eine Episode. Man begegnet ihm nur jeweils einmal in der Durchführung und der Reprise.

 

Im langsamen 3. Satz wird das 1. Thema in der Reprise ab T. 78 einfühlsam vom Cello gestaltetet, nachdem es bereits drei Takte zuvor auf die Reprise zugespielt hat. Jetzt verstärkt, vergleichbar zur Einleitung des 1. Satzes, das 3. Horn das Thema. Es ist eine heikle Stelle, wenn sich Celli und Horn klanglich mischen. Leider muss der Horn-Spieler sich bei den meisten Dirigenten zurückhalten. Am besten hört man das Horn wiederum bei Manacorda, aber auch bei Masur-87, Mitropoulos, Oestman, Widmann, Norrington, Hager, Manze, Ashkenazy und Gardner.

 

Die Wiederholung des Kopfsatzes wird in der Regel nicht beachtet, seit Einführung der CD trat ein Umdenken ein, in den neueren Einspielungen wird sie berücksichtigt, hier durch ein W zu Beginn des Kommentarfeldes angezeigt.

 

 

5

Dimitri Mitropoulos

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

medici arts

1960

24.10.

34‘03

 

 

live, ▼

 

5

Dimitri Mitropoulos

Berliner Philharmoniker

Orfeo

1960

21.08.

32‘59

 

 

live, ▼

 

5

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

Testament

1941

33‘20

 

 

live, I bemerkenswerte E, voller Leidenschaft, diese setzt sich auch im Hauptsatz fort, Toscanini zeigt Gespür für die verschiedenen Stimmungen der Musik unter Einsatz geringfügiger Rubati, Toscaninisches Brio ist überall zu spüren, II trotz der scharfen Artikulation klingen einige Stellen doch etwas robust, III erfrischend belebtes Musizieren trotz des relativ langsamen Tempos, IV bemerkenswerte Pizzicati der Bässe – die unzureichende Aufnahmetechnik vermag vieles nicht adäquat abzubilden, vor allem in schnellen Partien

 

5

Herbert Blomstedt

San Francisco Symphony Orchestra

Decca

1991

37‘00

 

 

W, ▼

 

5

Herbert Blomstedt

Gewandhausorchester Leipzig

Querstand

2004

38‘49

 

 

live, W, ▼

 

5

Arnold Oestman

Radio Kamerorkest Hilversum

Brilliant

1993

32‘51

 

 

live, T bewegte E mit viel Spannung, HT Allegro assai, ausgelassen, viel Brio, rhythmischer Schwung, mit schnörkelloser Klarheit, stellenweise Musik wie durchgepeitscht, II artistische Leichtigkeit, III Andante, Oestman atmet mit der Musik, IV wie Satz 1

 

5

Peter Maag

London Symphony Orchestra

Decca

1960

38‘06

 

 

 

5

Yannick Nézet-Séguin

Chamber Orchestra of Europe

DGG

2016

40‘33

 

 

live, W, schlankes und klares Musizieren bei sehr guter Transparenz und Balance, offenes Klangbild, I E nicht dramatisiert, II helle Klarinette, rhythmisch akzentuiert, III sich Zeit lassend, Mendelssohn-Feeling, IV schöne Bläserdetails beim Übergang zum Finale

 

5

Christoph von Dohnanyi

Cleveland Orchestra

Telarc

P 1988

34‘00

 

 

 

5

Wolfgang Sawallisch

New Philharmonia Orchestra London

Philips       Decca

1967

38‘49

 

 

W, I schlankes Musizieren, zielstrebig nach vorn, fern aller Gefühligkeit, III lässt das 1. Th aussingen, Musik kann atmen, IV locker, Dirigent lässt Sensibilität für die rhythmische Energie der Musik spüren – sehr gute Transparenz, Holzbläser gut abgebildet

 

 

 

 

4-5

Adrian Boult

London Philharmonic Orchestra

Westminster                     forgotten records

1955

30‘39

 

 

I inspiriertes Spiel, Boult hat das dramatische Geschehen immer im Griff, II gute Transparenz, III Andante, bewegt, jedoch mit Klangsinn und Gestaltungskraft, IV aufgewühlt, stellenweise entfesselt – trotz des historischen Klangs überwiegend transparent

 

4-5

Charles Münch

Boston Symphony Orchestra

RCA

1959

36‘02

 

 

I ausdrucksvolle E, Münch widmet sich mit Empathie der Sinfonie, Formteile voneinander abgesetzt, lyrische Passagen im Tempo etwas zurückgenommen, weniger schlankes Musizieren, die Transparenz könnte besser sein, II Klarinette zu Beginn weniger nach vorn geholt, im schnellen Tempo manches etwas grob, III klarer Ablauf, stellenweise etwas pastos, IV wie entfesselt, T. 357 ff. rit., am Satzende wieder schneller

 

4-5

Herbert Blomstedt

Bamberger Symphoniker

BR-Aufnahme, nicht veröffentlicht

2023

39‘40

 

 

live, W, ▼

 

4-5

Georg Solti

Chicago Symphony Orchestra

Decca

1985

43‘28

 

 

W, ▼

 

4-5

Georg Solti

London Symphony Orchestra

Decca          Membran   forgotten records

1952

33‘45

 

 

 

4-5

Rudolf Kempe

Staatskapelle Dresden

Supraphon      Tahra

1952

37‘56

 

 

I mit gestalterischem Ernst, innere Dramatik der Musik freigelegt, bei Klangverdichtung nimmt die Transparenz ab, II elastisches Musizieren, spürbare Vitalität, III mit wacher Aufmerksamkeit den musikalischen Ablauf begleitend, Horn zu Beginn der Reprise zu leise, IV zielstrebig voran, lustbetontes Musizieren – etwas raues Klangbild (aufgenommen im Rudolfinum Prag)

 

4-5

Claudio Abbado

London Symphony Orchestra

DGG

1984

44‘24

 

 

W, ▼

 

4-5

Ataulfo Argenta

Wiener Symphoniker

Orfeo

1953

38‘28

 

 

live, I nuanciertes Musizieren, II frisches Tempo, immer locker, III sich Zeit lassend, mit spürbarer Hingabe, IV immer klares und elastisches Musizieren, hier mehr Transparenz als im 1. Satz – kompakter Klang der Rundfunkaufnahme, Holzbläser oft zu weit zurück, auch bei Solostellen

 

4-5

Bernard Haitink

London Philharmonic Orchestra

Philips

P 1979

37‘01

 

 

I mit musikantischem Feinsinn, zielstrebig voran, gute Balance und Transparenz, Klarinette zu Beginn des Hauptthemas jedoch zu leise, II spontan wirkendes Musizieren, erfrischend, III natürlich musikalischer Fluss, IV mit viel Dramatik, aber immer locker bleibend

 

4-5

Paul Kletzki

Israel Philharmonic Orchestra

EMI   forgotten records

1954

38‘15

 

 

I inspirierte E, Kletzki mit Empathie am Werk, kluge Tempogestaltung, keinesfalls auftrumpfend, nachlassende Transparenz bei lauten Tutti-Abschnitten, II molto vivace, durchgehend lebendiges Musizieren, III sich Zeit lassend, Eintauchen in Mendelssohns poetische Gedankenwelt, IV locker, nicht gehetzt, an einigen Stellen artikulieren Holzbläser präziser als Streicher, z. B: T. 299-310

 

4-5

Ferdinand Leitner

Bamberger Symphoniker

DGG

1954

36‘09

 

 

I E weniger ernsthaft, eher beschwingt, mehr Sonne als düstere Wolken über Schottland, überwiegend schlankes Musizieren, II artistische Leichtigkeit, III gelöstes Musizieren, Espressivo, IV vehementer Zugriff, im Finale gezügelt – trotz Monoklang transparent

 

4-5

Hartmut Haenchen

Staatskapelle Berlin

Eterna        Berlin Classics

1981

38‘14

 

 

I Klarinetten in den ersten Takten des Themas nicht zu hören, 2. Thema langsamer, insgesamt objektive Darstellung, II mit spürbarer Hingabe, markant akzentuiert, III im Gegensatz zu den umliegenden Sätzen ruhig und überwiegend gelassen, IV vivace-Charakter der Musik betont, könnte jedoch noch etwas lockerer sein, etwas gewichtig

 

4-5

Simon Bychkov

London Philharmonic Orchestra

Philips

1986

39‘50

 

 

I E Adagio, Klarinette zu Beginn des HT nicht zu hören, insgesamt geschmeidiges Musizieren, Tempo beim 2. Th zurückgenommen, II drängend, T. 141-153 Bassgrundierung des 2. Fg herausgestellt, III Bychkov lässt der Musik Zeit sich zu entfalten, gelungener Spannungsaufbau T. 62 ff., IV wie Satz 1, Pizzicati der Kb führen zu federndem Musizieren – Klang insgesamt weniger schlank und weniger locker, jedoch gute Transparenz

 

4-5

Claus Peter Flor

Bamberger Symphoniker

RCA

1991

36‘24

 

 

I differenzierte E, Flor lenkt den Blick mehr auf die lyrischen als auf die dramatischen Abschnitte, II nicht immer ganz locker, III das Sarabanden-artige des 2. Th herausgestellt, Landschaftsbild schön nachgezeichnet, IV überwiegend locker – das Klangbild wünschte man sich bei lauten Tutti-Stellen offener

 

 

 

 

4

Neville Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

Philips

1993

39‘40

 

 

W, bekannte und geschätzte Marriner-Qualitäten, wie durchgespielt auf höchstem Niveau, immer bewegt, keine Extreme, leider etwas spannungsarm, IV ruhender Pol der Sinfonie – beste Balance und Transparenz

 

4

Christoph von Dohnanyi

Wiener Philharmoniker

Decca

P 1980

36‘38

 

 

 

4

Vladimir Ashkenazy

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin

Decca

P 2000

38‘31

 

 

W, I lebendige E, HT anrührendes Musizieren, fast wie durchgepeitscht, Streicher etwas philharmonisch breit, nicht mit letztem Schliff, II furios, III Andante, fließend, auch hier immer mit Blick nach vorn, IV rastlos vorwärtstreibend

 

4

Colin Davis

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Orfeo

1983

39‘50

 

 

I E mit Nachdruck, aber auch nachdenklich, Klarinette zu Beginn des HT nicht da, nuanciertes Spiel, zurückhaltendes Tempo, II Musik wirkt weniger lebendig, Bläsereinwürfe weniger deutlich, III schwerblütig, betroffen machend, IV diese Stimmung setzt sich auch hier durch – eingedunkeltes Klangbild, etwas zurückgesetzt

 

4

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1971

39‘30

 

 

I E bedeutend, HT in den ruhigen Abschnitten Spannungsabfall, laute Tutti kommen etwas pompös, Vc T. 213 ff. zurückhaltend, III sehr ruhig, 1. Th Primat der 1. Vl, Einstieg der Ob und Fl T. 22 bzw. T. 25 wie nur nebenbei, Balance bei Bläsern im 2. Th nicht optimal, spätromantischer Ausdruck, IV laute Tutti-Stellen zu dick aufgetragen

 

4

Otto Klemperer

Philharmonia Orchestra London

EMI

1960

41‘43

 

 

I E mit viel Nachdruck, HT anfangs (Th) etwas verschmiert, gestalterischer Ernst, festes Musizieren mit viel Nachdruck, wuchtiger Klang bei lauten Tutti-Abschnitten, II etwas gemächlich, die Schlusstakte gefallen am besten, III 1. Th ruhig fließend, stolz schreitendes 2. Th, Musizieren gewinnt im Laufe des Satzes an Dichte, IV sich Zeit lassend, gezogen, Musik etwas auf äußerliche Pracht ausgerichtet, ohne rechte Spannung

 

4

Otto Klemperer

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

EMI

1969

44‘42

 

 

live, ▼, I E hier lebendiger, Musik inspirierter, Artikulation des 1. Th etwas besser (T. 64 ff.), noch etwas langsamere Gangart, Klemperers Musizieren hat etwas Holzschnittartiges, beim 2. Th Rücknahme des Tempos, II mehr Klangfarben, III langsamer als früher, IV gezogen, etwas schwerfällig, neue Coda – viel besserer Klang als bei POL

 

4

William Steinberg

Pittsburgh Symphony Orchestra

Capitol    EMI

1952

33‘36

 

 

I aufgewühlte E, ein kleines Drama für sich, HT unruhige Stimmung, 2. Th nur eine kurzzeitige Oase der Entspannung, Schottland im Herbst, II stürmisch bewegt mit viel Druck, erdverbundenes Orchesterspiel, III bewegtes Tempo, eher sachlich als gefühlsbetont, IV kraftvoll und aufgekratzt nach vorn, kaum Ruhepunkte

 

4

Kurt Masur

Gewandhausorchester Leipzig

Teldec

1987

37‘47

 

 

W, ▼

 

4

Peter Maag

Orquestra Sinfónica de Madrid

Arts

1997

39‘31

 

 

 

4

Claudio Abbado

London Symphony Orchestra

Decca

1967

36‘26

 

 

 

4

Riccardo Muti

New Philharmonia Orchestra London

EMI

P 1976

44‘08

 

 

W, I gewichtiges Musizieren in der E mit Atmosphäre, diese setzt sich im HT fort, an lauten Stellen herabgesetzte Transparenz, II vehementer Zugriff, stellenweise jedoch etwas fest, T. 49 im ff zu viel Klangbrei, auch später T. 115, nuanciertes Spiel bei gezogenem Tempo, IV ähnlich wie Satz 1

 

4

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS     Sony

1964

36‘14

 

 

I E mit großem Ernst, kein stabiles Tempo, HT spontan wirkende Musizierfreude, mit zunehmender Lautstärke schwindet die Transparenz, moderates Tempo, II zupackend, bei lauten Tutti-Stellen etwas hemdsärmelig, III sich Zeit lassend, viel Espressivo, IV viel Dramatik in Schottland, überwiegend kämpferischer Stil

 

4

Leonard Bernstein

Israel Philharmonic Orchestra

DGG

1979

39‘07

 

 

live, I E etwas zusammenhanglos, ab T. 84 kommt die Musik in Fahrt, kein festes Tempo, vier Takte vor der Reprise deutliches Ritardando, routiniert, im Tutti etwas bulliger Orchesterklang (Aufnahme Deutsches Museum München), II jetzt besser durchgeformt als in NY, III ruhig gelassen, Espressivo, IV stellenweise weniger fiebrig als früher, Finale schwerfällig

 

4

Andrew Davis

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

CBS    Sony

1980

37‘48

 

 

E Musik läuft wie von selbst, den Anforderungen der Partitur im Großen und Ganzen gerecht werdend, nichts falsch gemacht, jedoch ohne persönliche Note, ausgeglichenes Musizieren, stellenweise wünschte man sich eine geschärfte Dynamik

 

4

Franz Welser-Möst

London Philharmonic Orchestra

EMI

1991

35‘55

 

 

I vorwärtsdrängend, unruhig, Klarinette zu Beginn des HT nicht da, auch Klarinette und Fagott T. 304-306 viel zu leise, II Spiccato der Streicher nicht immer deutlich, den Holzbläsern hätte mehr Transparenz gutgetan, laute Tutti-Abschnitte teilweise polternd, III zu viel al fresco, besonders nach der Reprise T. 78 ff. IV auch hier macht sich al fresco breit, Differenzierung nicht auf höchstem Niveau – Aufnahme klangtechnisch nicht immer auf der Höhe der Zeit

 

 

 

 

3-4

Kurt Masur

Gewandhausorchester Leipzig

Eterna    Eurodisc      BMG

1972

36‘10

 

 

 

3-4

Edward Gardner

Birmingham Symphony Orchestra

Chandos

2013

37‘00

 

 

W, I spielfreudig, fast wie nur forsch durchgezogen, 2. Th beim 1. Auftreten sehnsuchtsvoll, bei lauten Tutti-Abschnitten herabgesetzte Transparenz, Musik bleibt in einer Ebene, II sehr schnell, Klarinette zieht sich ab T. 33 zurück, pulsierende Streicher nach T. 67, Dirigent scheint das Tempo für das Wichtigste zu halten, III Andante mit Melos, IV etwas glatt – insgesamt viel Bewegung, Interpretation hinterlässt keinen bleibenden Eindruck

 

3-4

Jan Willem de Vriend

Netherlands Symphony Orchestra

Challenge

2013

38‘34

 

 

W, I E dramatisch, das Vorwärtsdrängende durchzieht den ganzen Satz, 2. Th langsamer, bei de Vriend meint man den Wald von Birnam (Macbeth) sich immer näher zum Hörer zu bewegen, II insgesamt (zu) hektisch, Orchester nicht immer 100 % zusammen, Musik wird etwas überfahren, III ruhiger Pol, die marschähnlichen Abschnitte zu äußerlich hingeknallt, IV Dirigent hier näher an der Partitur – insgesamt Sturm-und-Drang-Interpretation

 

3-4

James Levine

Berliner Philharmoniker

DGG

1988

41‘20

 

 

W, nur 70% statt 100% geliefert, Holzbläser oft viel zu weit zurück, (z. B. IV Bläsereinwürfe T. 63-66), etwas lustlos, bei lauten Tutti-Stellen bulliger Klang, Kb etwas zu weit nach vorn, Musik wird gespielt, jedoch vermisst man die Empathie, Orchesterklang an dem der Karajan-Ära orientiert

 

3-4

Franz Konwitschny

Gewandhausorchester Leipzig

Eterna     Berlin Classics

1962

42‘37

 

 

I etwas schwerfällig, beim 2. Th noch langsamer, wenig vivace spürbar, vor der Reprise rit., II in Tutti-Abschnitten gezogen, weniger locker, III phlegmatisch, herabgesetzte Balance und Transparenz, IV auch hier kein Ereignis – bei lauten Abschnitten etwas bulliger Klang

 

3-4

Leopold Hager

English Chamber Orchestra

Novalis

1995

38‘11

 

 

I E für ein Kammerorchester klingen die Bassfiguren T. 43 und 44 zu kräftig, Kammerorchester sollte nicht zur Konkurrenz zum Sinfonie-Orchester auftreten, II Klarinette T. 38/39 zu beiläufig, lässt der Flöte den Vortritt, Streicher ab T. 68 sollten lockerer und filigraner sein, III 1. Vl verweigert T. 22-28 Ob und Fl die „Mitarbeit“, gut: Horn zusammen mit Vc T. 75ff., IV Bläser T. 63-66 überfahren

 

 

Interpretationen nach historisch-informierter Aufführungspraxis, teilweise auch mit Instrumenten aus der Entstehungszeit der Musik

 

 

5

Pablo Heras-Casado

Freiburger Barockorchester

HMF

P 2016

40‘24

 

 

W, I rhythmisch betontes Musizieren, erfrischend, dramatisch, nuanciert, Holzbläser kommen immer zu ihrem Recht, II aufmerksame Umsetzung des Notentextes, III Ruhepunkt der Sinfonie, die Musik kann atmen, IV spielfreudig, mit einer Spur von Sinnlichkeit – farbiges Klangbild mit sehr guter Transparenz

 

5

Antonella Manacorda

Kammerakademie Potsdam

Sony

P 2016

39‘45

 

 

W, I E in der Mitte nicht aufgebauscht, HT Klarinette sofort im Einsatz, aufmerksame Umsetzung der Partitur, Holzbläser immer präsent, plastisches Musizieren, keine Einheitsdynamik, sehr farbiges Klangbild, II furios, III fließend

 

5

Thomas Dausgaard

Schwedisches Kammerorchester

BIS

2019

36‘07

 

 

W, I orchestrale Vehemenz, mit schnörkelloser Klarheit, innere Dramatik der Musik herausgestellt, immer wieder schlankes Musizieren, blitzsauber, II mit artistischer Leichtigkeit, gepaart mit musikantischem Feinsinn, III die unterschiedlichen Aggregatzustände der Musik bestens getroffen, fließendes Musizieren, IV federnd, triumphaler Ausklang

 

5

Osmo Vänskä

BBC Scottish Symphony Orchestra

BBC music

1997

36‘42

 

 

W, straffe Tempi, überschäumendes, in Satz 3 fließendes Musizieren, aber auch immer wieder Blick auf Details, besonders bei den Holzbläsern, Vänskä verliert nie die Übersicht, auch wenn es stellenweise etwas hektisch zugeht (IV), Trompeten immer wieder auch Signalgeber

 

5

Andrew Manze

NDR Radiophilharmonie Hannover

Pentatone

P 2016

39‘26

 

 

I überlegtes Vorgehen, die unterschiedlichen Aggregatzustände der Partitur herausgearbeitet, 2. Th etwas langsamer, II selbstverständliche Perfektion, farbiger Klang, trotz des schnellen Tempos klingt die Musik immer wieder entspannt, III überwiegend entspannt, Atmosphäre, IV mit artikulatorischer Feinarbeit – sehr gute Balance und Transparenz

 

5

Jörg Widmann

Irish Chamber Orchestra

Orfeo

2013

39‘12

 

 

W, I rhythmische Energie treibt die Musik nach vorn, 2. Th langsamer, rit. bei Wechsel von Exposition und Durchführung sowie Durchführung und Reprise, II pulsierende Streicher, spontan wirkende Musizierfreunde, III fließend, jedoch mit viel Atmosphäre, beim 1. Th werden Holzbläser nicht überspielt, IV Musik immer wieder wie auf dem Sprung – in allen Sätzen schlankes Musizieren, Klang etwas distanziert und angeraut

 

 

 

 

4-5

Roger Norrington

London Classical Players

EMI

1989

37‘14

 

 

W, I unruhige, aufgewühlte E, diese Stimmung setzt sich im HT fort, Dirigent setzt leichte Tempomodifikationen ein, insgesamt etwas nüchtern, II lebendig, bei lauten Tutti-Stellen Blechgeschmetter, jedoch gute Transparenz, auch das Holz kommt zu seinem Recht, III bewegtes Tempo, auch hier etwas nüchtern, IV auf dem einmal eingeschlagenen Weg unterwegs

 

4-5

Nikolaus Harnoncourt

Chamber Orchestra of Europe

Teldec

P 1991

39‘12

 

 

W, I E fast Adagio, Dirigent hat die Musik im Griff, sachlicher Stil, klar, 2. Th langsamer, sehr gute Balance und Transparenz, II quicklebendig, sachlich, III Andante, Harnoncourt schaltet immer wieder von emotional beteiligt zu sachlich um, IV immer klares Musizieren

 

4-5

Frans Brüggen

Orchester des 18. Jahrhunderts

Philips    Decca

P 1997

39‘50

 

 

W, I E nicht zu sehr mit Emotionen aufgeladen, Ecken und Kanten der Musik nicht abgeschliffen, innere Dramatik herausgearbeitet, gestalterischer Ernst, II die Holzbläser hätte man sich etwas weiter vorn gewünscht, III Musik in Verlaufsform, IV zupackend, an der Partitur entlang

 

 

 

 

4

Frans Brüggen

Orchester des 18. Jahrhunderts

Glossa

2012

45‘36

 

 

W, alle Sätze langsamer als früher, nicht unbedingt zum Vorteil der Musik, I mit viel Schwermut, etwas gezogen, vor der Durchf. überdeutliches rit., II beim 1. Th Klarinette jetzt deutlicher, weniger Druck, III Th 1 blüht nicht auf, Musik gespielt, jedoch langatmig, IV zu moderat und gewichtig – etwas belegtes Klangbild

 

4

Heinz Holliger

Musikkollegium Winterthur

MDG

P 2011

36‘23

 

 

W, sorgfältiges Musizieren, meist schlanke Tongebung, Streicher mit wenig Vibrato, I vorwärtsdrängend, II Klarinette etwas zurück, Immer wieder sehr locker, Anklänge an „Sommernachtstraum“, III Dirigent schafft kaum Atmosphäre, IV flottes Finale – Aufnahme klingt insgesamt etwas distanziert, Holligers Musizieren immer an Kammermusik orientiert, Klangbild etwas entfernt

 

 

Londoner Fassung 1842

 

 

5

Riccardo Chailly

Gewandhausorchester Leipzig

Decca

2009

2009

 

 

live, W, immer lebendiges Musizieren, zielstrebig nach vorn, mit viel Drive, breite Dynamik, plastisches Klangbild, III klar, bewegtes Tempo, IV sehr schnell, präsente Pauke – hervorragende Orchesterleistung, farbiger Klang, sehr gute Transparenz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Hinweise auf Interpreten und ihre Interpretationen

 

 Otto Klemperer

 

Im Programmheft zum Münchner Konzert schreibt Klemperer, dass er mit dem Schluss des 4. Satzes unzufrieden sei und war auch der Meinung, dass der Komponist hier noch nicht das letzte Wort gefunden habe. Er strich die 95 Takte der Coda und ersetzte sie durch einen eigenen Schluss, der hauptsächlich aus Material des 2. Themas des Finales besteht. Diese Version hört man auf der CD mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

 

Dimitri Mitropoulos

 

Von Mitropoulos liegen uns zwei live-Mitschnitte aus seinem Todesjahr vor. Beide bieten ein eindringliches Plädoyer für Mendelssohns Partitur. In der Aufnahme von den Salzburger Festspielen aus dem neuen Großen Festspielhaus ist man überrascht von dem schwungvollen überschäumenden Musizieren sowie der orchestralen Vehemenz des Berliner Orchesters in allen Sätzen, abgesehen vom Adagio. Das 2. Th im Kopfsatz ist mit Sehnsucht aufgeladen. Der Dirigent zieht einen großen Boden vom Ende der Durchführung zum Anfang der Reprise, indem er mit dem Cello-Thema beide Formteile verbindet. Fast alle anderen Interpreten unterbrechen es oder lassen es beim Ende der Durchführung leise ausklingen. Im Scherzo überschlägt sich die Musik bei dem rasenden Tempo, trotzdem gelingen immer wieder filigrane Abschnitte. Im langsamen Satz schaltet der Dirigent auf Entspannung und lässt den Musikern Zeit die Musik auszusingen.

Zwei Monate nach dieser überzeugenden Interpretation steht Mendelssohns Schottische auf dem Programmzettel des Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchesters im Funkhaus am Wallraffplatz. Mitropoulos sollte der erste Chefdirigent dieses nach dem 2. Weltkrieg ins Leben gerufenen Klangkörpers werden. Das Schicksal wollte es anders, eine Woche später folgte ein zweites Konzert mit dem Orchester, auf dem Programm stand Mahlers 3. Sinfonie, es war sein letztes. Auf seinem Terminplan stand in den folgenden Tagen ein Konzert in Mailand ebenfalls mit Mahlers 3. Sinfonie, bei der Probe starb er in Folge eines Herzinfarktes, er wurde nur 54 Jahre alt. Zurück zu Mendelssohn: Die Kölner Aufnahme zeigt dieselben Qualitäten wie zuvor. Die Streicher zeigen in den Tutti-Stellen eine geringfügig höhere Präzision und Transparenz. Der Musik des Adagios klingt noch entspannter als in Salzburg. Klangtechnisch stehen beide Aufnahmen höher als vergleichbare sowohl aus Salzburg als auch aus Köln.

 

Georg Solti

 

Solti wurde bereits Ende der 1940er Jahre von Decca unter Vertrag genommen, zunächst als Pianist, schnell aber auch als Dirigent, vorwiegend mit dem London Philharmonic Orchestra, aber auch mit dem London Symphony Orchestra. Mit diesem Klangkörper entstand 1952 Soltis Ersteinspielung der Schottischen Sinfonie. Bereits in dieser Aufnahme gibt sich der Dirigent als Heißsporn zu erkennen: von musikalischer Energie sprühend, innerer Dramatik, immer wieder agitato, viel unterschwellige Unruhe, dynamischer Reichtum, dies zieht sich durch die schnellen Sätze der 3. Sinfonie. Der langsame Satz wird bewegt genommen, die Musik klingt jedoch etwas nüchtern. Den Decca-Techniken gelingt hier ein erstaunlicher Klang, auch wenn die Aufnahme noch etwas rau klingt. 33 Jahre später sieht es auf klanglicher Seite noch besser aus, mit mehr Farbe und mehr Relief. Soltis Vorstellung von dieser Musik hat sich jedoch kaum geändert. Im langsamen Satz gönnt der Dirigent der Musik jetzt aber mehr Zeit und man spürt eine größere Hingabe an die Partitur.

 

Peter Maag

 

Vom schweizerischen Dirigenten liegen zwei Interpretationen der Schottischen Sinfonie vor. Die Erstaufnahme aus dem Jahr 1960 mit dem Londoner Sinfonie-Orchester galt bei ihrem Erscheinen als eine der Favoriten und ist bis heute, mehr als 60 Jahre später und vielen weiteren Interpretationen bedeutender Pultstars, ein Geheimtipp geblieben. Maag liefert nach einer ausdrucksstarken Einleitung in den schnellen Sätzen ein frisches Musizieren, dabei gelingt es ihm den Notentext akribisch auszuformulieren, immer mit einer Portion agitato im Hinterkopf. Das von Mendelssohn verlangte vivace wird ernst genommen, was immer wieder zu pulsierenden Abschnitten führt. Ruhig fließend, dabei aber auch abwechslungsreich gestaltet, zieht der langsame Satz vorüber. Der Finalsatz überzeugt vor allem durch sein farbiges Klangbild. 37 Jahre später bringt Maag eine weitere Aufnahme – im Rahmen einer Gesamtaufnahme – eine Neuproduktion der 3. Sinfonie auf den CD-Markt. Die Darstellung ähnelt der der Erstaufnahme, sie klingt jedoch abgeklärter mit weniger Druck und Spannung, im Finale auch weniger Schwung. Wie bei vielen Zweit- oder Drittaufnahmen eines Interpreten zu beobachten, wird der langsame Satz nun im Alter etwas schneller als in früheren Jahren gespielt, so, als fehle nun die Kraft um die frühere Spannung nochmals zu erzielen. Das erlebt man auch hier. Das Klangbild der Neuaufnahme ist weniger farbig als früher.

 

Kurt Masur

 

Mendelssohns Sinfonien gehörten und gehören immer noch zum Pflichtprogramm des Gewandhausorchesters und seiner Chefdirigenten, so auch für Kurt Masur.

Zwei Aufnahmen stehen hier zur Diskussion. Die frühere wurde von VEB Deutsche Schallplatten produziert und auf dem Label Eterna veröffentlicht. In Zusammenarbeit mit Bertelsmanns-Schallplatten gelangte sie schnell auch via Eurodisc auf westlichen Plattentellern. Masur macht nichts falsch, die Musik klingt jedoch ohne Esprit, neutral, routiniert. Es klingt wie eine Pflichtaufnahme. Die Aufnahme besitzt einen etwas angerauten Klang und geringerer Transparenz. Beim Hören seiner Zweitaufnahme 15 Jahre später gewinnt man den Eindruck, dass sich Masur noch einmal in die Partitur vertieft und die Musik erst jetzt entdeckt habe. Er lässt engagiert aufspielen, jedoch mit einer übertriebenen Musizierlaune, wild und forsch geht es bei vielen Stellen voran, darunter leider hier auch die Transparenz, vivace wird mit schnellem Tempo gleichgesetzt. Die Holzbläser könnten mit mehr Präsenz aufwarten. Insgesamt wartet die Teldec-CD mit einem farbigen Klangbild auf.

 

Herbert Blomstedt

 

Bei Herbert Blomstedt ist Mendelssohns 3. Sinfonie in den besten Händen, man spürt als Hörer ein Höchstmaß an Affinität zu dieser Musik. Viel Brio erfasst das Werk, auch in den leiseren Abschnitten der Partitur, Vivace wird immer großgeschrieben. Im langsamen Satz pflegt der Dirigent einen klangvollen Espressivo-Stil, dabei darf sich die Musik aussingen. Mit ansteckender Spielfreude klingt die Sinfonie aus. Insgesamt sorgt der Dirigent für viel Innenspannung, eine gute Balance und Transparenz. Das Gesagte gilt nicht nur für die Decca-CD, sondern auch für die folgenden Mitschnitte aus Leipzig und Bamberg. Lediglich die Tempi lassen ein wenig nach. Auch in Bamberg wird immer noch hellwach musiziert, jedoch weniger elastisch wie früher – Blomstedt ist fast 96 Jahre alt. Der Klang ist hier etwas dunkler. Die Leipziger Aufnahme klingt nicht ganz so poliert wie die aus San Francisco, das schmälert aber keineswegs den Rang der Aufnahme. Das Leipziger Publikum lauscht mucksmäuschenstill.

 

Christoph von Dohnanyi

 

Der Dirigent hat zwei Studio-Aufnahmen hinterlassen. Ende der 1970er Jahre produzierte er mit den Wiener Philharmonikern alle 5 Sinfonien, wenige Jahre später erfolgte eine Neuaufnahme der 3. mit dem Cleveland Orchester, dessen Chefdirigent er mittlerweile geworden war. In der Erstaufnahme erscheint die Einleitung fast wie eine abgeschlossene Einheit, sonst aber läuft alles wie am Schnürchen, nichts wird falsch gemacht, die Musik klingt geglättet, wie ein Selbstläufer, im Erscheinungsbild klassizistisch. Vielleicht hat Dohnanyi diese neutrale Vorgehensweise später nicht mehr gefallen und er erarbeitete eine neue Version mit den Cleveländern. Man nimmt den amerikanischen Musikern ihre spontan wirkende Musizierfreude ab, die sich näher mit der Sinfonie einlässt. Die Aufnahme hat mehr Körper als die frühere, auch klanglich gefällt sie durch ihr offeneres und helleres Klangbild. Die Holzbläser klingen jedoch weniger weich als in Wien.

 

Claudio Abbado

 

Nach viel beachteten Konzerten u. a. bei den Salzburger Festspielen 1965 wurde Abbado schnell bekannt und von Decca unter Vertrag genommen. Eine der ersten Produktionen war auch Mendelssohns Schottische Sinfonie, die er mit 34 Jahren mit dem London Symphony Orchestra aufnahm. 17 Jahre später gab es ein Remake mit demselben Orchester, dessen Chefdirigent er bereits seit 1979 war, diesmal für die DGG. Beide Aufnahmen haben ihre Meriten und ihre Schwächen. Bei Decca ist man überwältigt von Abbados lebendigem Musizieren (agitato molto), stellenweise geradezu lustvoll dargeboten. Daneben stehen aber auch Sätze, in denen die Musik noch nicht bewältigt wurde, wie das Finale, das mit zu viel al fresco-Gewusel aufwartet, oder der langsame Satz, in dem es dem Dirigenten noch nicht gelingt, Mendelssohns Poesie zu wecken. Am besten gefällt das Scherzo, das mit spürbarer Hingabe angegangen wird und das mit einer sehr guten dynamischen Differenzierung im p-Bereich glänzt. Da kommt die Zweitaufnahme nicht ganz mit. Allerdings klingt die Musik jetzt mehr durchgeformt, differenzierter und wartet mit einem höheren Grad an Stilgefühl auf, ist jedoch weniger schlank. Höhepunkt ist hier der langsame Satz. Der Klang der DGG-CD ist weniger präsent als früher.

 

eingestellt am 19.10.23

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