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Franz Schubert

 

Klaviersonate a-Moll D. 537 (op. 164)

 

Allegro, ma non troppo – Allegretto, quasi Andantino – Allegro vivace

 

Neubearbeitung und Ergänzungen 2022

 

Von den 21 vollendeten bzw. unvollendeten Klaviersonaten Schuberts stehen drei in der Tonart a-Moll, keine andere Tonart ist so häufig eingesetzt worden, so dass man von einer besonderen Beziehung zu dieser Tonart ausgehen kann. Weitere bekannte Werke in a-Moll sind: 

 

 

Die a-Moll-Sonate D. 537 aus dem Jahre 1817 steht in der Reihe seiner ersten Sonaten, in denen er nach einem überzeugenden Sonatenstil suchte. Sie ist ein interessantes Werk, zeigt aber auch, dass der Komponist damals noch ein Suchender in Sachen Sonatenform war. Immer wieder gibt es Brüche, die einzelnen Abschnitte sind wenig miteinander verbunden, die Themen werden kaum durchgeführt, vielmehr in anderen Tonarten wiederholt. Durch die Brille Bruckners gesehen durchaus eine „moderne“ Methode. Das Thema des 2. Satzes ist die Vorform des Themas im 4.Satz der großen A-dur Sonate D. 959, es erlebt jedoch noch nicht, wie in dieser, eine kunstvolle Durchführung, es hat noch keine Biographie. Die folgende a-Moll-Sonate, im Ausdruck noch intensiver als die vorliegende, entstand 1823, O. E. Deutsch ordnete sie unter der Nummer 784 ein. Danach folgte zwei Jahre später die großartige Sonate op. 42, D. 845, der ich eine eigene Seite im Forum gewidmet habe.

 

Viele Musikologen haben sich die Köpfe zerbrochen über die vielen Pausen im letzten Satz der B-Dur-Sonate D. 960, wie diese zu deuten seien, was sich Schubert hierbei gedacht habe? Eine schlüssige Antwort haben sie noch nicht gefunden, es gibt sie vielleicht auch nicht. In den 3. Satz der vorliegenden a-Moll-Sonate hat Schubert in ähnlicher Weise auch viele Pausen hineinkomponiert.  Bisher ist meines Wissens darüber noch nicht geschrieben worden.

 

Die unterschiedlichen Laufzeiten resultieren weniger aus unterschiedlichen Temporealisationen, als aus der Beachtung/Nichtbeachtung der vielen Wiederholungen.

 

 

 

5

Andreas Haefliger

Avie

2003

20‘44

 

I Dramatik, innere Unruhe, bemerkenswert artikuliert, II alle Abschnitte gut voneinander abgesetzt, das Lyrische sowie das Dramatische kommen zu ihrem Recht

5

Andras Schiff

Decca

1992

24‘10

 

ma non troppo, feinfühliger Umgang mit dem Notentext, weniger stürmisch als Haefliger, Schiff hört in das Werk hinein

5

Christian Zacharias

EMI

P 1995

21‘14

 

I ma non troppo, zurückhaltend, den richtigen Weg suchend, nicht nach vorn drängend, gute Innenspannung, III vivace, die verschiedenen Aggregatzustände der Musik nachzeichnend, gut getroffen

5

Alan Marks

Nimbus

1994

22‘19

 

live, Marks lässt sich auf das Potential des Werkes ein, aus jedem Takt spricht die Liebe zu dieser Musik, kleinste harmonische Wendungen werden sensibel nachgezeichnet, kein Schubert von der Stange, III etwas verhaltenes Tempo

5

Paul Badura-Skoda

RCA

1968

19‘53

 

5

Herbert Schuch

Oehms

2005

21‘05

 

I Schuch achtet auf die innere Dramatik des Satzes, II die Vielschichtigkeit der Musik gut getroffen – gute Dynamik, schöner Klavierton

5

Michael Endres

Capricco

1994

24‘58

 

I ma non troppo, betont melancholisch, II zärtlich vorgetragenes Thema, III aufmerksames Vorgehen – gute dynamische Differenzierung

 

 

4-5

Peter Katin

Olympia

1987

21‘03

 

I ausdrucksstark, aber auch wieder gelöst, II gelassen, harmonischen Wendungen nachgehend, feinfühlig

4-5

Wilhelm Kempff

DGG

1968

18‘05

 

I bestimmt musiziert, erfrischend, nuanciertes Klavierspiel, III belebtes Musizieren

4-5

Walter Klien

VOX

~ 1972

19‘32

 

in Schubert-Nähe, dynamische Differenzierung im p-Bereich noch nicht ausgeschöpft – für eine VOX-Aufnahme guter Klang

4-5

Arturo Benedetti Michelangeli

aura

1981

23‘58

 

live,

4-5

Alain Planès

HMF

2002

23‘49

 

I Musik gut nachgezeichnet, jedoch etwas fest im Anschlag, II Spannung nicht ganz durchgehalten, III immer der Partitur auf der Spur

4-5

Anton Kuerti

Analekta

1984

20‘16

 

I kein stabiles Tempo, vergrübelte Darstellung, Kuerti auf der Suche nach dem rechten Weg, das gilt auch für den dritten Satz, II Pianist hört der Musik des Themas nach, als wolle er sie festhalten und nicht mehr loslassen

4-5

Alfred Brendel

Philips

1982

22‘06

 

I Thema sehr gewichtig, Ritardandi bremsen den Fluss, Akkorde wünschte man sich etwas schlanker, II feinfühlend – Brendel interpretiert die Sonate, spielt sie nicht nur; hier und da eigene Sicht auf bestimmte Stellen

4-5

William Youn

Sony

2021

22‘28

 

natürlich anmutender Fluss der Musik, disziplinierte Musikalität, gelöstes und zugespitztes Musizieren lösen sich ab – insgesamt gesehen wirkt die Aufnahme noch wie gerade erst einstudiert, noch nicht so frei

 

 

4

Arturo Benedetti Michelangeli

DGG

1980

22‘25

 

4

Mitsuko Uchida

Philips

2001

19‘57

 

I dramatischer Blick, viel Druck, immer nach vorn, Tempowechsel, II überwiegend nüchtern, teilweise gestelzt, III Extreme herausgestellt

4

Michail Rudy

EMI

1988

19‘24

 

I mehr virtuoses Klavierspiel als Eindringen in Schuberts Welt, II etwas distanziert, III mehr Teile als ein Ganzes – dynamische Differenzierung im p-Bereich noch nicht ausgeschöpft

4

Michel Dalberto

Denon    Brilliant

1989

21‘28

 

I eher konzertant als Schubert nachspürend, III virtuos, aber etwas glatt

 

 

3-4

Sergio Fiorentino

MCPS

1996

19‘33

 

I geradlinig, Blick nach vorn gerichtet, klare Artikulation, etwas sachlich, II stellt die thematischen Abschnitte nebeneinander, ohne einen Bezug zueinander, III Fiorentino geht von „Bild“ zu „Bild“, zu steril

3-4

Ingrid Haebler

Philips           Decca

1970

20‘56

 

gefälliger Schubert, zu glatt und schön gebürstet – I ab 2. Th. zögerlich, Haebler kreist in der Musik

3-4

Gilbert Schuchter

Tudor

1970

19‘01

 

solide, besondere Affinität zum Stück? III etwas betulich

 

 

3

John Damgaard

TIM

P 2002

18‘09

 

ständige Rubati bringen Unruhe ins Werk, ist die Sonate zu leicht?

 

Aufnahmen nach historischer Aufführungspraxis mit historischen Flügeln

 

 

5

Robert Levin

Sony

1992

24‘50

 

HFl. nach Johann Fritz, Wien 1825 – fantasievoller Umgang mit dem Notentext, Instrument klingt etwas weniger präsent als bei Badura-Skoda, II und III einige Verziehrungen bei der Whlg. des Themas

5

Paul Badura-Skoda

Arcana

1993

24‘08

 

HFl. von Conrad Graf, Wien ~ 1826 -

 

 

4-5

Malcolm Bilson

Hungaroton

1995

18‘56

 

I überwiegend dramatisch, p auf Sparflamme, II bewegt, dynamische Differenzierung nicht top, III kurze Vorschläge gelingen unterschiedlich, Verzierungen des Themas – der Hammerflügel (Salvatore Lagrasse ~ 1825) klingt historischer als bei Levin und Badura-Skoda

 

 

Hinweise auf Interpreten und Interpretationen

 

Paul Badura-Skoda

 

Die Klaviermusik von Schubert hat den österreichischen Pianisten während seiner langen Pianistenlaufbahn immer wieder begleitet, nicht nur auf dem Konzertpodium, sondern auch im Schallplattenstudio. In den 1960er-Jahren entstand für RCA eine Gesamtaufnahme der Klaviersonaten, bei der er auch fragmentarische Stücke einbezog. Etwa 26 Jahre später wiederholte er diese Mammutaufgabe, jetzt wählte er jedoch historische Instrumente aus der Schubertzeit, auf der er, wie er glaubte, dem Hörer Schuberts Vorstellungen noch authentischer nahelegen könne. In Badura-Skodas früher Aufnahme wird gelöst musiziert, die unterschiedlichen Aggregatzustände der Musik arbeitet der Pianist, vor allem in den Ecksätzen, gut heraus. Auch eine gewisse Spontanität zeichnet sein Musizieren aus. Bei der zweiten Aufnahme ist ein Wiener Hammerflügel aus der Werkstatt von Conrad Graf sein Partner. Jetzt spielt Badura-Skoda den Kopfsatz, mit mehr Druck, etwas gewichtig, als sei es ein Spätwerk des Komponisten. Diese Haltung vermeint man auch im Finale zu hören, während das Andante lockerer gespielt wird, hier ist die Musik mehr im Fluss.

 

Arturo Benedetti Michelangeli

 

Vom italienischen Meisterpianisten sind mir zwei Interpretationen der Klaviersonate bekannt, überhaupt die einzigen, bei denen er sich Schuberts Musik annähert. Die Studio-Produktion der DGG war Teil des CD-Startprogramms dieser Firma. Ein Jahr später spielte er es, übrigens in derselben Kombination wie auf der CD Balladen von Brahms, das italienische Label aura hat den Mitschnitt zugänglich gemacht. Die live-Darstellung gefällt mir besser, ABM spielt hier freier, runder und überzeugender als im Studio, das Publikum bleibt immer diszipliniert.

 

eingestellt 2004

 

abschließend neu bearbeitet am 25.09.22

 

 

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