Das Klassik-Prisma

 

Bernd Stremmel

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2. Sinfonie C-Dur op. 61


Mancher Leser dieser Web-Seite wird sich wundern, dass nicht, wie sonst hier üblich, die Auflistung der Aufnahmen am Anfang steht, sondern der Autor seine Gedanken über Schumanns 2. Sinfonie C-Dur mitteilen möchte.

Nachdem Schumann die Phase seine Klavierwerke hinter sich gelassen hatte, wandte er sich dem Lied zu und schuf auch in diesem Genre herausragende gültige Kompositionen. Danach versuchte er sich in der Komposition rein instrumentaler Musikstücke. Aus tiefster Überzeugung war er der Meinung, dass ein vollgültiger Komponist sich auch auf diesem Gebiet der Instrumentalmusik zu behaupten habe, mit Sonaten, Trios, Quartetten, Sinfonien, Instrumentalkonzerten, wie es von dem übergroßen Vorbild Beethoven und auch vom verehrten Franz Schubert vorgezeichnet war. Folgerichtig studierte Schumann deren Partituren und trieb intensive Kontrapunktstudien, teilweise zusammen mit seiner Frau Clara, vor allem Musik von Bach. Auffallend scheint mir, dass die nun erschienenen Werke in der kompositorischen Anlage, der Kombination der Stimmen eine Verdichtung erfuhren, jedoch ihre Ursprünglichkeit, die man in seinen früheren Werken so bewundern konnte, einbüßten und zum bewusst geformten, gestalteten Material hinübergeführt wurden. Schumanns mühevolle Arbeit, melodische Einfälle zu verwertbaren Themen zu formen, sie mit anderen sinnvoll zu verknüpfen und in eine überkommene Form einzubringen, ist allenthalben hörbar. Nicht immer gelingt dies m. E. überzeugend, mit am wenigsten in seiner C-Dur-Sinfonie, chronologisch gesehen bereits seine dritte. Sie entstand am Ende einer schweren depressiven Phase, in dem auch Gedanken über den möglichen Verlust seiner Clara auftraten. Schumann selbst teilt mit: Die Symphonie schrieb ich im Dezember 1845 noch halb krank; mir ist’s als müßte man ihr das anhören. Erst im letzten Satz fing ich an mich wieder zu fühlen, wirklich wurde ich auch nach Beendigung des Werkes wieder wohler. Sonst aber, wie gesagt, erinnert sie mich an eine dunkle Zeit.“

Eine Aufführung von Schuberts letzter Sinfonie in C-Dur D. 944, die Schumann erleben konnte, könnte ihn zur Komposition einer neuen Sinfonie, in derselben Tonart, bewogen haben, was ein Eintrag in seinem penibel geführten Haushaltsbuch vermuten lässt. Innerhalb eines Jahres, vollendete er die Sinfonie, die am 5.11.1846 von seinem Freund Felix Mendelssohn im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt wurde. Die motivisch-thematische Arbeit tritt stärker als in seinen bisher geschaffenen Werken hervor und lässt das Vorbild Beethoven durchscheinen. Wie dieser in der Mehrzahl seiner Sinfonien lässt Schumann seine C-Dur-Sinfonie mit einer langsamen Einleitung beginnen, aus der sich das folgende Allegro rhythmisch und thematisch entwickelt. Vor allem das fanfarenartige Thema der Trompeten und der anderen Blechbläser zieht sich durch die Sinfonie bis in den Finalsatz hinein. Ob sich Schumann an den Anfang von Haydns Sinfonie Nr.104 D-Dur erinnerte, die dieses Motiv gleich zu Beginn bringt, kann nicht bewiesen werden, da wir nicht wissen, ob er diese überhaupt kannte. Signalthemen der Trompeten hatten einen gewissen Bekanntheitswert, noch Richard Strauss bediente sich eines zu Beginn seiner Tondichtung „Also sprach Zarathustra“.

Neben diesem Haydn-Motiv, verarbeitete Schumann weitere Zitate, so, als müsse er sich bei der Komposition des anspruchsvollen Werkes der Patenschaft von Bach und Beethoven versichern: das Thema des langsamen Satzes ist dem Eröffnungsmotiv aus Bachs Triosonate aus dem „Musikalischen Opfer“ (Anfang des Largos) nachgebildet. Im Finale Beethoven (s.u.).

Der Allegroteil des 1.Satzes kündet an allen Ecken von Schumanns Ringen mit dem thematischen Material, der Hörer erlebt, wie der Komponist mit den Motiven und - kurzatmigen - Themen kämpft, um eine plausible, musikalisch überzeugende Form auszuarbeiten. Es ist jedoch nicht zu überhören, dass viele Abschnitte schematisch durchgeführt und immer wieder wiederholt werden. Man hat den Eindruck, dass die Musik nicht von der Stelle kommt und in ein Kreisen mündet, das nicht weit entfernt vom Leerlauf ist, aus dem die Musik sich nur mittels eines Kraftakts befreien kann. Besonders auffällig erlebt der Hörer das im 2.Satz, Allegro vivace, der einem Perpetuum Mobile gleicht. Das Kopfthema der Einleitung erscheint plötzlich, man könnte auch sagen: endlich, in Takt 384 wie ein deus ex machina und führt den Satzschluss quasi gewaltsam herbei, sehr überzeugend bei Sinopoli-Dresden, Klemperer und Celibidache. Auch im 4. Satz werden die Themen kaum verarbeitet, sondern immer wieder rekapituliert. Weitaus am überzeugendsten ist das ausdrucksvolle Adagio espressivo, der 3.Satz, gelungen, mit ausgeprägten Seufzermotiven sowie fallenden Septimen. Im Finalsatz, dessen 1. Thema sich wieder an Haydns Fanfarenmotiv anlehnt und dessen 2. Thema wiederum Bachs Motiv erinnert, bricht die Musik in der Mitte kraftlos zusammen, so, als ob sich das thematische Material nun erschöpft habe (T. 279). Nach 3 Generalpausen bringt Schumann ein völlig neues (?) Thema, dass das musikalische Geschehen nun bis zum Schluss ziemlich beherrscht. Es ist wieder, wie bereits in der Fantasie C-Dur op. 17, eine Reminiszenz an Beethovens Nimm sie hin denn, diese Lieder“, das letzte Lied aus dessem Zyklus An die ferne Geliebte. Wer es bis hierher noch nicht gehört hat: gerade in der 2. Sinfonie beschwört Schumann immer wieder seine Liebe zu Clara, Peter Gülke spricht von „Claras zweitem Leben in Schumanns Musik“.

Merkwürdig ist, dass Schumann den Gestus der Musik mit Eintritt des „Nimm-sie-hin“-Themas jetzt nicht ändert, es geht im Grunde so weiter wie bisher. Lässt sich nach all den geschilderten „Ungereimtheiten“ bei der C-Dur Sinfonie noch von einem großen Wurf, gar einem Meisterwerk, sprechen? Günter Wand hat in einem Interview die 2. Sinfonie „kranke Musik“ genannt und sie nicht aufgeführt, auch Furtwängler konnte sich nicht für sie erwärmen. Nur 4 Aufführungen in den Jahren 1927/28 sind bezeugt (J. Hunt), dagegen dirigierte er die 4. Sinfonie in weit über 70 Programmen.

Merkwürdig jedoch erscheint die Beliebtheit des Werkes zumindest beim Publikum, manche halten sie für Schumanns beste Sinfonie. Auf der einen Seite höre ich die 2. immer wieder gern, auf der anderen weiß ich auch um die problematischen Seiten des Werkes: das Kreisen, das nicht Weiterkommen, auf der Stelle treten, die ewigen Wiederholungen, die vielen Kadenzierungen, die Diskrepanz zwischen äußerer Brillanz und innerer Unruhe, Zerrissenheit und vielleicht auch Ratlosigkeit. Es ist kaum eine Entwicklung im kompositorischen Verlauf zu entdecken. Im Gegensatz dazu sei erwähnt, dass Schubert in seiner 9.Sinfonie C-Dur im letzten Satz auch immer wieder bestimmte Motive, Themen wiederholt, aber er beleuchtet sie jedesmal ein wenig anders, abwechslungsreicher, das gelang Schumann nicht! Für mich auffallend ist, dass diese, ich möchte mal sagen, Schwäche bei Schumann gerade in den eher formgebundenen Werken (Sinfonie, Sonate, Streichquartett) zu beobachten ist, in anderen Stücken viel weniger.

Welche Kriterien sind nun für die Beurteilung der Tondokumente anzulegen, auf was soll sich eine Bewertung stützen? Doch eigentlich nur auf die in der Partitur niedergelegten Anweisungen, das äußere Erscheinungsbild: Tempi, Dynamik, Phrasierung, dazu Klangbild, Durchhörbarkeit. Das Innenleben des Werkes bleibt dem Hörer verborgen.



Reiner

Chicago Symphony Orchestra

Dante Arlecchino

1957

39‘27

5

live – Reiners überlegen formende Hand ist in fast jedem Takt gegenwärtig, Klang mit sehr viel Körper, verträgt keine zu schnellen Tempi

Szell

Cleveland Orchestra

CBS/Sony

1958

36‘20

5


Szell

Cleveland Orchestra

CBS/UA

1952

34‘50

5


Szell

Cleveland Orchestra

Ermitage

1957

35‘31

5

live

Szell

Berliner Philharmoniker

Testament

1969

37‘23

5

live

Paray

Detroit Symphony Orchestra

Mercury

1955

33‘53

5

erstaunlicher Klang, I zieht das Tempo bei T. 175 etwas an, II Grundtempo auch in den Trios beibehalten, Allegro molto vivace fabelhaft realisiert, kurze Rit. T. 20 und 54 genau dosiert, ohne den Fluss der Musik aufzuhalten, Trio I wie Mendelssohn, IV genaueste Artikulation immer auf die Höhepunkte zu

Dohnanyi

Cleveland Orchestra

Decca

1988

37‘12

5

W – helles Klangbild, Instrumente klar gezeichnet, I Blech immer genau dosiert, II viele Details, kurze und prägnante sf, III mehr sachlich

Järvi, Paavo

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

RCA

2011

37'19

5

W – lebendiges Musizieren, immer deutlich, schwungvoll, präzise, Akzente genau gesetzt, immer auch auf die Nebenstimmen achtend, Klang und Transparenz bestens, I un poco piu vivace genau dosiert, Stimmführungswechsel herausgearbeitet, II sinnvolle kurze Ritardandi in den Trios, III sehr farbig, spannungsvolle Crescendi, wunderbar gestalteder Schluss


Sawallisch

Staatskapelle Dresden

EMI

1972

37‘04

4-5

W – I ahnungsvolle Einleitung, mit brio durch den Satz, lebendig, geformt, III im Detail nicht so deutlich gezeichnet wie Dohnanyi, dafür jedoch mehr Wärme, IV leidenschaftlich, überzeugend – Sawallisch glaubt an Schumann

Schuricht

SDR Sinfonie-Orchester Stuttgart

hännsler

1959

36‘16

4-5


Kletzki

Israel Philharmonic Orchestra

Decca Doremi

1956

32‘53

4-5

I Allegroteil vorwärtstreibend, dramatisch, II nicht so spritzig wie z. B. bei Paray, III genaue Umsetzung der dynamischen Vorzeichen, ruhiges, trotzdem auch lebendiges Musizieren, IV punktierter Fanfarenrhythmus könnte schärfer sein – transparentes Klangbild, zum Ende hin kompakt

Mitropoulos

Wiener Philharmoniker

Orfeo

1954

35‘06

4-5

live – I lastende Einleitung, Klage, Hauptteil dramatisch, II furioser Schluss, überzeugende Werksicht, III etwas zu unruhig, IV mit Konzept; dieses Werk schien M. eine Herzensangelegenheit zu sein

Holliger

WDR-Sinfonie-Orchester Köln

audite

2013

36'02

4-5

W – geschmeidiges Musizieren, sehr klar und durchsichtig III Andante, mehr linear dargestellt, IV Holliger versucht Schumanns Defizite durch aufmerksame Interaktionen zwischen den Instrumenten entgegenzuwirken

Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS Sony

1960

40‘16

4-5

W

Levine

Berliner Philharmoniker

DGG

1987

38‘04

4-5

W – gutes Klangbild, I in der Einleitung geheimnisvolles Fagott, II viele Details, III Orchesterinstrumente genau dosiert

Inbal

New Philharmonia Orchestra London

Philips

1971

38‘58

4-5

W – insgesamt viel Schumann, Orchesterklang etwas angeraut, III ausdrucksvoll, IV aufs Finale zielend

Thielemann

Philharmonia Orchestra London

DGG

1996

41‘53

4-5

W

Skrowaszewski

Radio-Philharmonie Saarbrücken

Oehms

2007

38‘21

4-5

W - frisch und lebendig, ausdrucksvolles Adagio

Boult

London Philharmonic Orchestra

Pye

1957

30‘38

4-5

ein überzeugendes Plädoyer für Schumanns 2. Sinfonie, abgesehen vom zu schnell und zu nüchtern gespielten langsamen Satz; in den schnellen Sätzen versucht B. den Hörer fast zu überrumpeln

Oramo

Philharmonisches Orchester Stockholm

Sony

2008

38‘00

4-5

W – E suchend, Allegro sehr lebendig, rhythmisch akzentuiert, II immer sehr lebendig, III con espressivo, Basslinie T. 48-55 dezent, aber deutlich, IV hymnischer Ausklang

Schuricht

Conservatoire Orchester Paris

Decca

1952

34‘15

4-5


Nézet-Séguin

Chamber Orchestra of Europe

DGG

2012

34'45

4-5

W – live – I in der E nur ein Tempo, es wird nichts „gemacht“, beweglich, wendig immer geschmeidig musiziert, kein Stillstand, II dominierende immer wieder kehrende Spielfiguren der 1. Viol. Ganz trocken, federndes Musizieren, Blech immer in den Gesamtklang eingebettet, III etwas wenig Espressivo, klingt leicht distanziert, blass, IV Bläsereinwürfe T. 45 ff hätten mehr Farbe vertragen, Musik klingt etwas wie abgeschnurrt – sehr gute Balance, Kammerorchesterformat!

Chailly

Gewandhausorchester Leipzig

Decca

2006

34‘42

4-5

W – in Mahlers Fassung, keinesfalls an Schumann vorbei interpretiert oder überinterpretiert, Höhepunkte im Finale

Sinopoli

Wiener Philharmoniker

DGG

1982

38‘09

4-5

W

Sinopoli

Sächsische Staatskapelle Dresden

DGG

1992

37‘49

4-5

W

Celibidache

RAI Orchester Rom

IDIS

1960

35‘34

4-5

live - insgesamt überzeugender als die spätere Interpretation aus München, abgesehen von der langsamen Einleitung, die Celi dort mit viel mehr Spannung auflud, in allen Sätzen wählt er ein schnelleres Tempo, auch im langsamen Satz, den er molto espressivo vorüberziehen lässt; im Finale überspielt er durch das stringende Tempo Schumanns kompostorische Löcher, auch heizt er den Musikern wieder kräftig ein!

Jordan, Armin

Orchestre de la Suisse Romande

Erato

1990

36‘00

4-5

sehr lebendig, III erfüllt, T. 8 f schönes Duett Ob. und Fg.


Bernstein

New York Stadium Symphony Orchestra

Decca/DGG

1953

39‘22

4

W

Solti

Wiener Philharmoniker

Decca

1969

35‘43

4

W – I Allegro ohne ma non troppo, II Scherzo etwas atemlos, aber möglicherweise von Schumann so gewollt, III schwächster Satz, nur die Noten, IV schlank

Celibidache

Münchner Philharmoniker

EMI

1994

43‘39

4

live – immer mäßiges Tempo, I großartige Einleitung, III chromatische Basslinie der Vc. und Kb. bringen Spannung, IV am Schluss C-Dur-Apotheose

Janowski

Royal Liverpool Philharmonic Orchestra

ASV

P 1986

35‘33

4

W – der Partitur aufmerksam auf der Spur, IV am Schluss kein ritardando wie in der Partitur!

Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1971

36‘11

4

streicherbetontes Klangbild (Vl. 1), stört zumindest im 3. Satz, da die Bläser oft überlagert werden

Levine

Philadelphia Orchestra

RCA

1977

38‘13

4

W – saftiges Klangbild, tiefe Streicher nicht vernachlässigt, I leidenschaftlich, II beherzt, III nicht so spannungsvoll wie bei BPh, IV liebe zu Details

Zinman

Baltimore Symphony Orchestra

Telarc

1989

38‘07

4

W – Geigen in höchsten Lagen leicht stahlig, Klang insgesamt etwas geschlossener als 2003, traditionelle Darstellung auf hohem Niveau

Comissiona

Houston Symphony Orchestra

Pro Arte

1986

39‘32

4

W – Dirigent tritt hinter das Werk zurück, I gelungene Einleitung, II Trio 1 könnte etwas spritziger sein, III tremolierende Oboe

Joeres

Royal Philharmonic Orchestra London

BIS

1997

38‘36

4

W – I Orchester straff geführt, II Trio 1 etwas langsamer, könnte etwas spritziger sein, III hell und durchsichtig, mehr sachlich, IV leidenschaftlich gespannt

Muti

Philharmonia Orchestra London

EMI

P 1978

36‘33

4

W- saftiges Klangbild, jedoch von Streichern beherrscht, II lebendig im Sinne der Partitur, III könnte etwas leiser sein, T. 48 ff lebt das Orchester auf, IV 1. Teil furios; Holz mehr im Hintergrund, viel C-Dur, plakativ

Bernstein

Wiener Philharmoniker

DGG

1985

42‘35

4

W - live

Eschenbach

NdR Sinfonie-Orchester

RCA

1999

39‘13

4

W – helles Klangbild

Schuricht

Orchestre National de France

Erato

1955

36‘24

4

live

Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

1965

37‘50

4

W – keinesfalls auftrumpfend, die lyrischen Abschnitte aufwertend, lebendig, durchsichtiger Klang, III überzeugend, gespannt, IV kein C-Dur Jubel, Ansermet im Lager der Zweifler?

Kubelik

Berliner Philharmoniker

DGG

1964

37‘10

4

leicht dichtes Klangbild, Darstellung könnte differenzierter sein, III überzeugend, IV zu wenig zupackend

Muti

Wiener Philharmoniker

Philips

1995

37‘32

4

W – I kein überzeugendes Konzept, II nicht so zupackend wie bei POL, III vornehmer, IV Holzbläser besser eingefangen

Haitink

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Philips

1984

36‘36

4

wenig Widerstände, etwas glatt, Adagio am besten gelungen

Chailly

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Decca


38‘04

4

werkgerechte Interpretation ohne besondere persönliche Note, die schnellen Sätze könnten etwas zupackender sein

Rattle

Berliner Philharmoniker

BPh Media

2013

37'57

4

W. live – E T. 1-24 Schumann und Rattle kreisen um sich selbst,danach Action, T. 50-61 wenig Spannung, Leerlauf in der Durchführung, III wenig Inbrunst, IV Rattle versucht die Schwächen der Partitur zu überspielen, gefällt am besten – durch seine Musizierweise unterstreicht R. die floskelhafte Musiksprache Schumanns, Sinfonie für ihn kaum eine Herzensangelegenheit

Kubelik

Sinfonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

CBS Sony

1979

39‘03

4

W – Klangbild noch dichter, insgesamt nur Mittelmaß, III leicht schleppend

Ansermet

Kölner Rundfunk Sinfonie-Orchester

WDR

1956

37‘05

4

W - live – unveröffentlicht,

etwas vitaler als 1965, orchestral einige Abstriche

Eschenbach

Bamberger Symphoniker

Virgin

1991

41‘48

4

W – stellenweise etwas langsamer und mit geringerer Spannung, volleres und leicht dunkleres Klangbild

Konwitschny

Gewandhausorchester Leipzig

Berlin Classics

1961

34‘48

4

W – bewegte Tempi, keine persönliche Note

Klemperer

New Philharmonia Orchestra

EMI

1966

40‘58

4

gewichtiges Musizieren, in den Ecksätzen auch schwerfällig, im Finale schreitend stampfend; Klemperer leuchtet in die Partitur hinein, ohne jedoch neue Erkenntnisse zu gewinnen, sehr durchsichtig

Suitner

Staatskapelle Berlin

Denon

1987

36‘24

4

kompakter Klang, entfernt, Bässe insgesamt zu leise, im Finale auch das 2. Thema (Vc.)

Barenboim

Staatskapelle Berlin

Teldec

2003

37‘31

4

W – II Trio 1 könnte etwas lockerer sein, Stretta burschikos, III Orchesteralltag, wenig inspiriert

Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

hännsler Brilliant

1988

34‘41

4

W - orchestral wie bei Marriner gewohnt alles bestens, jedoch glatt, mehr an der Oberfläche


Vonk

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

EMI

1991

35‘55

3-4

live – alles sehr lebendig, manche Stellen auch nur beiläufig; etwas kompakter Klang, Blechbläser auch in Tuttistellen nicht herausgehoben

Masur

Gewandhausorchester Leipzig

RCA

1973

35‘25

3-4

W - I Einleitung und Hauptteil passen tempomäßig nicht zusammen, Hauptteil etwas schwerfällig, II mehr beiläufig, III Andante, schnell durch den Satz, IV

Masur

London Philharmonic Orchestra

Teldec

1990

33‘34

3-4

W – Einleitung besser als 1973, vieles nur al fresco, mehr an der Oberfläche als im Werk, Beziehung zum Werk nicht hörbar

Roschdestvensky

Staatliches Sinfonie-Orchester von Estland

Melodya

Olympia

1978

33‘51

3-4

kein TOP-Orchester, III trotz Andante-Tempo am besten gelungen, IV etwas eintönig

Toscanini

NBC Symphony Orchestra

Testament

1941

34‘06

3-4

live – rhythmisch akzentuiertes Orchesterspiel, (zu) deutliches Blech, II Streicherfiguren überhastet und nicht immer deutlich, wird im Laufe des Satzes besser, Trio 2 langsamer, III eher sachlich, T. 48 ff Geigen schwülstig, Zwischenspiel T. 62 ff wie Etüde, IV plakativ, zusätzliche Trompetenstimme ab T. 552


Interpretationen nach historisch informierter Aufführungspraxis und (teilweise) mit Originalinstrumenten:


Zinman

Tonhalle Orchester Zürich

Arte Nova

2003

35‘42

4-5

W

Gardiner

Orchestre Revolutionaire et Romantique

DGA

1997

37‘25

4-5

W

Goodman

The Hanover Band

RCA

1993

34‘30

4-5

W


Herreweghe

Orchestre des Champs Elysées

HMF

1996

37‘09

4

W

Harnoncourt

Chamber Orchestra of Europe

Teldec

1994

35‘36

4

W - live

Norrington

SWR Sinfonie-Orchester Stuttgart

hänssler

2004

37‘13

4

W - live

Dausgaard

Schwedisches Kammerorchester

BIS

2005

35‘12

4

W


Merz

Klassische Philharmonie Düsseldorf

ebs

1993

37‘38

2-3

W

Schumanns Sinfonien konnten sich seit ihrem Erscheinen nie so richtig bei Dirigenten und folglich beim Publikum durchsetzen. Jene warfen dem Komponisten gemessen an Berlioz, Weber und Mendelssohn Mängel in der Orchestrierung vor. Gustav Mahler, ein Bewunderer von Schumanns Sinfonien, unterzog die Partituren einer Revision, um die Absichten des Komponisten dem Publikum deutlicher mitzuteilen. Zu Beginn der 2. Sinfonie lässt er vom Blech nur die Trompeten spielen, im Allegro wird das Hauptthema nur von den Streichern übernommen, die Verdopplung durch die Holzbläser entfällt. Es würde hier zu weit führen, um auf alle 355 Änderungen einzugehen. Riccardo Chailly hat kürzlich eine Gesamtaufnahme in der Edition von Gustav Mahler veröffentlicht. Es ist jedoch nicht die erste, bereits 1987 legte Aldo Ceccato mit dem Bergen Philharmonic Orchestra bei BIS eine Einspielung vor, die jedoch hierzulande geringe Beachtung fand, auch ich kenne sie nicht. George Szell hielt die komplette Neuorchestrierung der Schumannschen Sinfonien durch Gustav Mahler für einen äußert unglückseligen Fehlgriff, da er den Charakter der Werke verfälsche. Szell nahm jedoch selbst einige Retuschen vor, die sich teilweise mit der Mahlers decken: Verdünnung der Instrumentation, um die Themen klarer heraus zu arbeiten, Modifizierung der Dynamik, um die wichtigsten Stimmen hervortreten zu lassen. Der Verzicht auf die Wiederholung im 1. Trio des Scherzos geht auch auf Mahler zurück. Auch Otto Klemperer greift in die Partitur der 2. Sinfonie ein: in der Einleitung nur Trompeten, im 2.Trio des Scherzos spielen die Bratschen in T. 240-254 sowie T. 263-281 nicht staccato sondern pizzicato!, gleiches kann man im Finale ab T. 406 hören. Dimitri Mitropoulos verstärkt im 4. Satz T. 142 ff die Melodie des Kontrabasses durch eine Bassposaune. Arturo Toscanini kam auf die fragwürdige Idee, kurz vor Schluss eine zusätzliche Trompetenstimme einzuführen.


Anmerkungen zu den einzelnen Sätzen:


1. Satz: Im 2. Teil der Einleitung (un poco piu vivace) baut Schumann ab T. 25 eine Spannung auf, auf derem Höhepunkt T. 33/34 die Trompetenfanfare erstrahlt, die sofort anschließend noch von 2 Posaunen überhöht wird, sehr eindrucksvoll z. B. bei Kletzki, Paray, Szell, Toscanini, Solti und Joeres. Bei Kubelik-BP und Sinipoli-WP klingen die T. 35/36 unterbelichtet. In den Takten 96-99 lässt Inbal sehr deutlich die Melodie der 1. Geigen von T. 92-95 von den Kontrabässen wie vorgesehen in tiefer Lage wiederholen, bei sehr vielen Interpretationen geht das unter. Ab T. 110 bis 116 bringen die beiden Flöten, sofern man sie wahrnimmt, taktweise zwei kurze Töne als Oktavsprünge. Nur wenige Dirigenten lassen dies deutlich werden, z. B. Celibidache, Klemperer, Sawallisch, Janowski, Muti-WP, Herreweghe, Thielemann und Dausgaard. T. 219-239 kommentieren und erweitern die Celli Musik der Geigen und Bratschen. Meistens kommt nur ein tiefes Geraune aus den Lautsprechern, nicht so bei Chailly-COA, Inbal und Zinman-89, etwas leiser, aber noch deutlich vernehmbar, lassen Sawallisch, Dohnanyi, Muti-WP und Thielemann die Celli erklingen. Im 2. Satz bremst Schumann in T. 20 die Melodie der Holzbläser ein wenig ab, alle Dirigenten außer Schuricht ignorieren dieses ritardando, bei seiner Wiederholung in T. 54 erinnern sich noch Bernstein-60 sowie Thielemann an diese Anweisung. T. 73-75 spielen die Streicher thematisch nicht verbunden allein, Schuricht belebt hier die 1. Geigen, auch bei Szell-69, Mitropoulos, Bernstein, Norrington, Gardiner, Thielemann und Dausgaard bleiben diese Takte nicht unverbindlich, allein Barenboim gestaltet hier eine große Szene auf kleinstem Raum. Im 1. Trio des Scherzos schreibt der Komponist für die Takte 121 und 155 ein Ritardando, viel organischer klingt die Musik, wenn man mit der Verlangsamung bereits T. 118 bzw. 152 beginnt, wie z. B. bei Ansermet, Szell, Celibidache, Mitropoulos, Dohnanyi, Bernstein, Inbal und Levine. Am Ende des 2.Trios legen Schuricht-55 und Szell zwischen T. 281 und 282 sowie zwischen T. 285 und 286 ein kleines „sprechendes“ Päuschen ein, die Musik hält für einen Augenblick inne, atmet aus, bevor sie T. 299 das Finale erreicht. Im 3. Satz, Adagio espressivo, schreibt Schumann zwischen den beiden Hauptteilen T. 62-73 als Überleitung eine polyphone Bewegung der Geigen, später noch durch Bratschen verstärkt, möglicherweise eine Reminiszenz an seiner Bachstudien. Zu den Streichern gesellen sich parallel zweimal Klarinetten, dann zweimal Fagotte. Diese Blasinstrumente hört man nur deutlich bei Jordan, Dohnanyi, Marriner, Zinman, Goodman, Barenboim und Dausgaard. 4. Satz: beim ersten Erscheinen des 2. Themas T. 199 ff setzt Schumann eine bewegte Triolenbewegung von 2. Violinen und Bratschen dagegen, meist wird diese nur lustlos oder verwaschen abgespult. Nicht so bei Kubelik und Sawallisch, die deutlich die Eigenständigkeit herausstellen, auch Skrowaczewski, Dohnanyi, Eschenbach-NdR, Levine, Merz, Zinman-89 und Thielemann lassen deutlicher artikulieren. Am Ende des 1. Teils des Finales bricht die Musik, wie schon oben erwähnt, kraftlos zusammen, Eschenbach führt das Ermatten deutlich vor.


Anmerkungen zu einigen Dirigenten:


Für Carl Schuricht schien Schumanns 2. Sinfonie eine Herzensangelegenheit zu sein, immerhin sind mindestens drei Tondokumente überliefert, die mich alle überzeugen. 1952 spielte er sie mit dem ihm verbundenen Conservatoire Orchester Paris für Decca im damaligen schmalbrüstigen Decca-Klang ein, mich stört dabei die nadeldürre Oboe, die man in den 50er-Jahren auch in Londoner Orchestern sowie im Concertgebouw Orkest spielte, diese Oboe hat fast keine Ausdruckskraft, wie sie bei Schumann so wichtig ist. Drei Jahre nach dieser Studio-Produktion entstand eine Aufnahme beim Festival in Montreux mit dem Orchestre National de France, interpretatorisch liegt sie auf der vorgegebenen Linie, leider ist sie viel weniger deutlich, kompakter ausgefallen. Mit weit besseren Klangverhältnissen wartet die SDR-Aufnahme aus Stuttgart auf, in der ein jung gebliebener Schuricht Musik seines Herzens dirigiert. In allen drei Aufnahmen nimmt er im Scherzo das Trio I etwas langsamer, sowie im Finale der Schlussabschnitt ab T. 394 etwas schneller.

Ein anderer Schumannianer war George Szell, von dem ich vier Aufnahmen vorstellen kann, die auch alle als Spitzenleistungen anzusehen sind. Mit Schwung geht er durch die schnellen Sätze, hält dabei seine Musiker immer zu differenziertem und nuanciertem Spiel an, immer wieder werden Details freigelegt, die man sonst nur selten hören kann. Der langsame Satz wird innerlich, jedoch nicht gefühlig, musiziert. Hier kann man erleben, dass Musizieren immer auch mit Singen einhergeht, mit Einatmen und Ausatmen. Die Berliner Philharmoniker spielen etwas weniger schlank als die Kollegen vom Cleveland Orchester. In allen vier Aufnahmen verzichtet Szell auf die Wiederholung im 1. Trio des Scherzos.

Wenn sich Plattenfreunde über Schumann unterhalten, fällt auch immer der Name Leonard Bernstein, der zwei Gesamtaufnahmen der Sinfonien hinterlassen hat. Die 2. nahm der damals in Europa noch unbekannte junge Dirigent bereits 1953 mit den New Yorker Philharmonikern auf, die auf dem Hüllenetikett als New York Stadium Symphony Orchestra benannt wurden, ein Pseudonym, das auf ihre Freiluftkonzerte in den Sommermonaten in Upper Manhattan hinweist. Neben der 2.Sinfonie wurden noch Beethovens Eroica, Brahms‘ 4., Dvoraks 9. sowie Tschaikowskys Pathetique eingespielt. Die Interpretation der 2. Sinfonie reicht noch nicht an die spätere Aufnahme des NYPO heran, so wird in den schnelleren Sätzen auch lebendig und beherzt musiziert, die beiden letzten Sätze sind jedoch noch zu sachlich gehalten, im Adagio fehlt das Espressivo, im Finale noch die Leidenschaft, das Feuer. Alles das kann man in der 1960er-Aufnahme bewundern, dazu im 2. Satz eine furiose, überzeugende Coda sowie im Adagio ein ausdrucksvolles Singen der Instrumente. Die Aufnahme klingt saftig mit etwas Hall. Mit diesem Klang kann die Wiener live-Aufnahme nicht ganz mithalten, die Tontechniker der CBS und der DGG haben von je unterschiedliche Klangideale, auch wenn die Tonmeister und –techniker wechseln. Interpretatorisch wirkt diese Aufnahme nicht mehr so selbstverständlich sicher. Die Aufnahme wirkt ernster, viele Stellen, z. B. die Einleitung, wirken nicht mehr so intensiv gestaltet, geformt wie früher. Das Adagio, 1 Min. langsamer als 1960, wirkt jetzt etwas schleppend, vorsichtig. Im Finale jedoch wird den Holzbläsern mehr Aufmerksamkeit zuteil als früher. Hier spürt man auch etwas von der Anstrengung Schumanns bei der Komposition des Werkes.

Mit der Veröffentlichung der 2.Sinfonie im CD-Startprogramm der DGG Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde der Name Giuseppe Sinopoli weltbekannt, zurecht, legte er doch eine Interpretation vor, die weit oben platziert werden musste. Da beeindruckte sofort der Ernst und die Leidenschaft, das stellenweise Aufgewühlte seines Musizierens. Das Adagio brachte er mehr nervös als expressiv. Die Violinen im Finale ab T. 61 wurden nicht als Füllstimmen erkannt, sondern brachten Unruhe in diesen Abschnitt. Insofern bewegt sich diese Aufnahme nahe bei den Absichten des Komponisten. Zehn Jahre später erarbeitete Sinopoli mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden, deren Chefdirigent er inzwischen geworden war, eine Gesamtaufnahme der vier Schumann-Sinfonien. Auch hier überzeugt die 2., die Einleitung klingt nun mehr gesungen als vergrübelt, der Hauptsatz nicht ganz so expressiv, dagegen wird das Scherzo im Allegroteil wie besessen dargeboten. Sinopoli gönnt sich nicht die Ruhe des langsamen Satzes, er weiß um die bedrohlichen Mächte der Nachbarsätze.

Thielemanns Interpretation der 2. Sinfonie kann man oberflächlich als geschmäcklerisch, verquer abtun, wenn man die Tempiwechsel, die dynamischen Modifikationen, die überraschenden, da ungewohnten Akzente hört. Sie passen nicht so recht in das Bild der Sinfonie, das die meisten Dirigenten entwerfen. Bei ihnen geht die Sinfonie triumphierend zu Ende, von Muti wird das C-Dur geradezu beschworen. Thielemann vertritt nach meinem Dafürhalten so ziemlich als einzigster eine gegenteilige Auffassung, die sich jedoch aus der Biografie Schumanns und des Werkes begründen lässt: nach einer Phase tiefster Depressionen überwindet Schumann diese Zeit nicht mit einer festlichen, daseinsfreudigen oder heroischen Komposition, man könnte meinen, er versucht das zunächst. Aber schon am Ende des 1. Satzes tritt nach Ansicht des Dirigenten Ermattung auf, nicht Zuversicht. Schon das 1. Trio des Scherzos wird etwas langsamer gespielt, das 2. Trio noch langsamer, man meint, die beiden Einschübe führten in eine andere Welt, davon soll jedoch der Zuhörer nichts erfahren. Der 3. Satz kennt nicht die dunklen Seiten des Lebens. Sehr ausdrucksvoll vermittelt der Dirigent die innige Musik, auch bei sehr langsamen Tempo bricht die Spannung nicht zusammen. Bewundernswert setzt er die Bässe leise aber bestimmt als Kontrapunkt den Holzbläsern gegenüber. Im 4. Satz gerät die anfangs festliche, Zuversicht ausstrahlende Musik schon ab T. 150 ins Stocken, das Tempo nimmt ab und die Musik bricht zusammen . Bei Thielemann soll der Hörer an dieser Stelle spüren, dass die Musik nicht den beabsichtigten Part zu Ende bringen kann. Der zweite Teil mit „Nimm sie hin denn...“ wird insgesamt langsamer, steigert sich jedoch wieder bis zum G-Dur Höhepunkt in T. 392. Im abschließenden 3. Teil schleppt sich die Musik regelrecht bis zum Ende. Die geschilderte Interpretation ist gewiss recht einseitig, wenn Thielemann dies so ausdrücken möchte, aber schlüssig nach all dem, was wir von Schumann wissen. Vor diesem Hintergrund kann man nur anerkennend von einer gelungenen Interpretation sprechen.

Von den CDs in historisch informierter Aufführungspraxis gefallen mir die Aufnahmen unter Gardiner und Goodman am besten. Beide Ensembles pflegen einen abgerundeten Klang und legen stimmige Interpretationen vor, wobei Gardiner sich um klar definierte rhythmische Ausführung kümmert. Insgesamt bevorzugt er etwas die Bläser. Geheimnisvoll lässt er das 2. Trio im Scherzo erklingen. Der Höhepunkt ist der 3. Satz, ein ausdrucksvolles Singen in romantischem Geist. Bei Goodman gefällt das lockere Musizieren, ohne zu viel Druck, das kommt vor allem dem Scherzo zugute. Bei Herreweghe spielen die Instrumente noch federnder, eleganter. Er lenkt sein Augenmerk auf Partiturdetails. Leider fallen in den vielen lauten Tutti-Abschnitten die Trompeten zu sehr heraus. Bei ihm schließt die Sinfonie in moderatem Tempo, gelassen, jedoch mit Nachdruck, jenseits der großen sinfonischen Geste. Harnoncourt lässt keinen Zweifel aufkommen, dass die 2. Sinfonie eine große Sinfonie ist. Das Klangbild der Aufnahme ist hell, offen, Harnoncourt lässt keine Möglichkeit aus, die Blechbläser sich in strahlendem Glanz zu präsentieren, leider sind sie dann etwas zu grob (4. Satz). Kein Wunder, wenn in dieser Aufnahme das Adagio espressivo weniger innig klingt. Im 2. Trio des Scherzos zergliedert der Dirigent die Melodien für mein Empfinden zu sehr, da fehlen mir die Bögen. Norrington gelingt eine beeindruckende Einleitung, leider ist sie im Blick zum folgenden Hauptteil zu großformatig geraten, der eher bedächtig gespielt wird, das passt nicht recht zusammen. Der 3. Satz ist mir zu schnell gespielt, romantisches Empfinden wird nicht zugelassen. Im 4. Satz stimmt nicht immer die Klangregie, wenn z.B. beim 2. Thema die Celli sich richtig gegen die anderen Instrumente durchsetzen können. Das Klangbild von Zinmans Zürcher Aufnahme ist hell und durchsichtig, das Orchester spielt lebendig und locker mit guter Artikulation. Mich beeindrucken immer wieder die genauen deutlichen Akzente. Der dritte Satz wird trotz eines Andante-Tempos sehr erfüllt dargeboten. Überraschend die geschmackvollen Verzierungen, die Zinman spielen lässt, kein anderer Dirigent hat dies bisher bei Schumann gewagt: im Adagio T. 8 und auch später in der Oboenstimme, T. 76 bei der Flöte, im Finale T. 334 und 342 bei den 1. Violinen.

Die Aufnahme mit Dausgaard klingt mir insgesamt zu uneben, trotz des klein besetzten Streicherkörpers steht es mit der Klangbalance nicht immer zum besten, so lassen sich Stimmverläufe nicht immer genau verfolgen. Laute Tutti-Akkorde klingen oft zu knallig, das Orchester scheint immer auf der Lauer zu liegen, was Unruhe ins Spiel bringt. Auch wenn der 3. Satz nicht zu schnell gespielt wird, klingt er doch zu steril, da das Spiel eher an der Oberfläche stattfindet und tiefere Schichten der Musik unberührt bleiben. Die Einspielung mit Florian Merz und der Klassischen Philharmonie Düsseldorf spielt mit reduziertem Streicherapparat, um die Bläserstimmen besser hervortreten zu lassen. Leider schüttet er das Kind mit dem Bade aus, wenn die Blechbläser oft sehr laut erklingen und somit die Holzbläser erdrücken. Als i-Tüpfelchen darf dann noch der Paukist wahre Orgien auf seinen Instrumenten mit beinharten Schlegeln veranstalten (z. B. am Ende des 2. Satzes)! Das scheint mir völlig indiskutabel. Noch anzumerken ist, dass Merz Schumanns Phrasierungsbögen sklavisch umsetzt, das führt dazu, dass die Musik an vielen Stellen sehr kurzatmig klingt (z. B. Einleitung, 3. Satz).


eingestellt am 17. 08. 10

letzte Ergänzung 30. 10. 15





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