Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Robert Schumann

 

Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129

 

Nicht zu schnell – Langsam, etwas lebhafter – Sehr lebhaft

 

Im Herbst des Jahres 1850 übernahm Robert Schumann im rheinischen Düsseldorf die Stelle des Städtischen Musikdirektors. Die ersten Monate dort sollen recht glücklich verlaufen sein. Es dauerte nicht lange und er begann mit der Komposition eines Cellokonzertes. Innerhalb der knappen Zeit von nur zwei Wochen konnte er das Werk vollenden. Damals trug das Stück noch den Titel Concertstück, vielleicht auf Grund des bescheidenen Umfangs oder der Tatsache, dass alle drei Sätze ohne Pause ineinander verschmelzen. Schumann, der in Jugendjahren mit dem Cello in Berührung gekommen, jedoch keine tiefere Erfahrungen sammeln konnte, war bei der Komposition des Konzerts auf die Hilfe von Fachleuten angewiesen. Er bemühte sich zunächst um den professionellen Rat des ersten Cellisten seines Düsseldorfer Orchesters, Christian Reimers. Komponist und Solist gingen die Partitur durch, waren jedoch nicht zufrieden. Auch eine weitere Probe mit einem anderen Solisten Robert Emil Bockmühl aus Frankfurt brachte nicht den gewünschten Durchbruch. Diese Proben veranlassten Schumann jedoch, das Stück zu überarbeiten, besonders was die Balance zwischen Solocello und Orchester betraf. Diese Änderungen gingen in die 1854 veröffentlichte Partitur ein. Schumann hat sein Konzert nicht mehr hören können. Nach seinem bekannten Selbstmordversuch 1953 wurde er in eine Heilanstalt in Bonn-Endenich verbracht, die er bis zu seinem Tode nicht mehr verlassen konnte.

Das Cellokonzert wurde vier Jahre nach Schumanns Tod In Oldenburg von der Großherzoglichen Hofkapelle unter Leitung von ihrem Konzertmeister Karl Franzen uraufgeführt, Solist war der damals bekannte Cellist Ludwig Ebert, erster Cellist dieser Kapelle. Es dauerte jedoch noch einige Jahrzehnte, bis es sich im Konzertsaal durchsetzen konnte.

 

Formal tritt es uns Hörern in bekannter klassischer Form mit drei Sätzen entgegen, die jedoch miteinander verbunden sind, also ohne Pause ineinander übergehen. Am Anfang stehen drei verhaltene Akkorde, schwermütig klingende, in a-Moll (a – d – a), ganze Noten in den Bläsern, Pizzicati in den Streichern, die dem nun einsetzenden Solocello den Weg eröffnen. Leise, in schwelgerischer Art, wie improvisiert, breitet es seine Einleitungsmusik aus. Schumann verzichtet auf eine metrische Konstruktion etwa in acht, zwölf oder sechzehn Takte, wie man es aus Zeiten von Haydn, Mozart und Beethoven kennt. Kann man da von einem Thema sprechen? Auffallend sind Sprünge aus tiefer in höher gelegene Lagen. Zweimal (T. 30 und 31) schließen sich auch sogenannte „Mannheimer Raketen“ an. Einem knapp gehaltenen Orchester-Tutti folgt ein weiteres Solo für das Cello (zweites Thema?) mit knapper Begleitung des Orchesters. Nach einer längeren Durchführung darf ab T. 176 das Solocello zur Reprise führen, die sich thematisch eng an die Exposition anlehnt. Ein weiteres Tutti (T. 264-279) beschließt den Kopfsatz.

Eine leise zu spielende Überleitung von sechs Takten leitet zum langsamen Satz über, der in seiner Knappheit einem Intermezzo ähnelt. Über eine Pizzicato-Begleitung der Streicher darf die Solistin / der Solist mit einer elegisch gestimmten Melodie, gleichsam wie ein Lied ohne Worte, die Hörerschaft beglücken. Höhepunkt sind die Takte ab 303, wenn das Cello eine sehnsuchtsvolle Melodie in Doppelgriffen, meist Sexten, anstimmt, wobei ihn das erste Cello gefühlvoll unterstützt. In T. 320 erfolgt ein Szenenwechsel: Schumann lässt das Anfangsthema des Kopfsatzes erneut erklingen. Eine spannungsvolle Steigerung mit tremolierenden Streichern ab T. 335, hier könnte Schumanns Kollege Carl Maria von Weber Pate gestanden haben, mündet in ein aufgeregtes Rezitativ des Solocellos, dem sich nach einigen Augenblicken der Finalsatz mit seinen aus marschartigen Akkorden gebildeten Thema anschließt. Die Musik dieses letzten Satzes ist weniger zerklüftet, mehr geformt als die des Kopfsatzes. Sprühende Heiterkeit spricht aus ihr und schlägt eine ganz andere Seite dieser Komposition an. Am Ende spendiert Schumann nach bekanntem Brauch dem Solisten eine zweiteilige Kadenz. Für etliche Solistinnen und Solisten scheint sie zu knapp, zu wenig virtuos geraten zu sein und kreïeren eine äußerlich virtuosere, die nach T. 688 eingeschoben werden soll, z. B. Casals, Fournier, Tortelier und Starker. Der Urheber von anderen Kadenzen wie bei Hoelscher, Janigro, Parisot, Shafran, du Pré und Harrell konnte bisher nicht in Erfahrung gebracht werden.

 

Hier die untersuchten Aufnahmen:

 

5

Pierre Fournier

Ferenc Fricsay

Orchestre de la Suisse Romande

Cascavelle

1957

24‘26

 

 

live,

 

5

Jean-Guihen Queyras

Pablo Heras-Casado

Freiburger Barockorchester

DHM

2014

22‘31

 

 

I Solist und Orchester in ständigem Zwiegespräch, facettenreich, II die beiden Abschnitte sowohl im Tempo als auch in der Dynamik voneinander abgesetzt, III immer der Partitur auf der Spur, sehr lebendig, stellweise auch perkussiv – sehr gute Balance und Transparenz

 

5

Yo-Yo Ma

Colin Davis

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

Sony

1985

24‘33

 

 

I zielstrebig nach vorn, pointierte Dramatik, gutes Miteinander, II ausdrucksvoll, empfindsam, III elastisches Musizieren, stellenweise überschäumende Musizierlaune, T. 690 ff. freies Tempo

 

5

Anne Gastinel

Louis Langrée

Orchestre Philharmonique de Liège

naïve

2001

22‘47

 

 

I Solistin zeigt Sensibilität für das Konzert, entschiedener Zugriff, nuanciertes Spiel, Orchester stellenweise mit pointierter Dramatik, II überzeugende Doppelgriffe des Cellos (T. 303-311), gutes Miteinander, III spürbare Vitalität – Vielschichtigkeit der Partitur freigelegt

 

5

Antonio Janigro

Carlo Maria Giulini

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

WDR-Aufnahme, unveröffentlicht

1958

25‘11

 

 

live, Spannung vom ersten Ton an, Vc. mit hohem Bogendruck, sehr gutes Miteinander, plastisches Musizieren, immer lebendig

 

5

Heinrich Schiff

Bernard Haitink

Berliner Philharmoniker

Philips

1988

22‘05

 

 

I geschmeidiges Musizieren, sprechende Artikulation, sehr gutes Miteinander, II mit Feingefühl, T. 335-338 mit weberschem Einschlag, III temperamentvoll, spürbare Vitalität – sehr gute Transparenz

 

5

Natalia Gutman

Claudio Abbado

Mahler Chamber Orchestra

DGG

2006

24‘55

 

 

live, Solistin immer mit beherrschtem Zugriff, I Orchester mit deutlich mehr Aktivität als üblich, herb, sehr gutes Miteinander, II Vc. ausdrucksvoll, aber auch nachdenklich, III Abbado mit etwas mehr Nachdruck als Masur

 

5

Natalia Gutman

Kurt Masur

London Philharmonic Orchestra

EMI

1991

24‘53

 

 

Auch hier Solistin immer mit beherrschtem Zugriff, I geglätteter Orchesterklang, weniger herb als , II hoher Bogendruck, T. 335-339 mit weberschem Einschlag, III sehr lebhaft, hervorragende Interaktionen, hellwaches Musizieren

 

5

Truls Mǿrk

Paavo Järvi

Radio Philharmonique de Radio France

Virgin

2003

24‘57

 

 

I Solist in der Regel vorn, klares Musizieren, geschmeidig und schlank, sehr gutes Miteinander, sehr gute Transparenz, II T. 303-311 spannungsvolle Sexten des Solisten, III spürbare Vitalität, stellenweise tänzerisch, immer bewegt

 

5

Truls Mǿrk

Hans Vonk

Kölner Rundfunk Sinfonie-Orchester

EMI

1994

24‘35

 

 

I Cello anfangs mit viel Vibrato, mehr Körper als , Klangbild des Orchesters weniger differenziert als , II Sexten T. 303-311 wie später, viel Spannung im zweiten Abschnitt ab T. 331, III zielstrebig nach vorn

 

5

Jan Vogler

Christoph Poppen

Münchner Kammerorchester

Berlin Classics

2000

21‘18

 

 

I pulsierendes Musizieren, mit spürbarer Hingabe, drängend, Solist und Orchester in gutem Miteinander, II überzeugend, spannungsvolle Sexten des Cellos T. 303-311, man atmet mit der Musik, T. 335-338 mit weberschem Einschlag, III mit Hingabe, spürbare Lust an instrumentaler Zuspitzung – gute Balance und Transparenz

 

  

 

 

 

4-5

Mischa Maisky

Leonard Bernstein

Wiener Philharmoniker

DGG

1985

24‘16

 

 

live, I aufmerksamer Solist, elastischer Vortrag, vehementer Zugriff, Bernstein achtet auf hellwaches Spiel der Wiener Philharmoniker, sehr gutes Miteinander, II innig, Spannungsbögen gehalten, III zupackend inspirierter Vortrag, Tutti T. 449 ff. (zu) breit

 

4-5

Alban Gerhardt

Hannu Lintu

Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin

hyperion

2006

21‘57

 

 

I schlankes Cellospiel, Streicher T. 93/94 zurückgesetzt, gutes Miteinander, II Musik gesungen, spannungsvolle Sexten des Cellos T. 303-311, III pulsierendes Musizieren in gutem Tempo, kraftvoll nach vorn

 

4-5

Enrico Mainardi

Fritz Lehmann

RIAS Symphonie-Orchester Berlin

DGG

1954

25‘26

 

 

I zurückhaltendes Tempo, gutes Zusammenspiel, in der Regel deutliche Artikulation, II wie eine Gesangsszene, T. 334-338 mit weberschem Einschlag, III Musik weniger schnell, jedoch intensiv geformt

 

4-5

Maurice Gendron

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

1953

21‘51

 

 

I Gendron anfangs mit viel Vibrato, immer deutlicher Vortrag, kämpferisch, 1. Vl. in der Höhe mit metallischem Tonfall, II Solist singt auf seinem Cello, III lebhaft, lebendig, Orchester immer auf Gendrons Fersen

 

4-5

Pierre Fournier

Malcolm Sargent

Philharmonia Orchestra London

EMI

1956

26‘05

 

 

 

4-5

Pierre Fournier

Hans Rosbaud

SWF Sinfonie-Orchester Baden- Baden

Tahra    SWR Classic

1957

25‘42

 

 

live,

 

4-5

Janos Starker

Stanislaw Skrowaczewski

London Symphony Orchestra

Mercury

1962

23‘25

 

 

I klares Musizieren, geschmeidig, abweichend von der Partitur T. 30/31 und 201/202 sf des Solocellos nicht als Verstärkung, sondern Rücknahme des jeweiligen Tones, II zurückhaltende Sexten T. 303-311, T. 335-338 ein Raunen im Orchester, III schneidende Achtel-Akkorde im Tutti, eigene Kadenz des Solisten – insgesamt gutes Miteinander, gute Balance und Transparenz

 

4-5

Lynn Harrell

Neville Marriner

Cleveland Orchestra

Philips

1982

25‘24

 

 

I sorgfältig, überwiegend schlankes Musizieren, Cello immer vorn, II Sexten T. 303-311 nicht durchgehend ausdrucksstark, III Marriner achtet auf ein schwungvolles Musizieren, unbekannte Kadenz (= weniger schwerblütig wie so oft)

 

4-5

Jaqueline du Pré

Daniel Barenboim

New Philharmonia Orchestra London

EMI

1968

25‘22

 

 

I selbstverständliche Perfektion, jedoch etwas glatt, weniger Spannung, II aufmerksames Zusammenspiel zwischen du Pré und Solocellist, spannungsvoller zweiter Abschnitt, III temperamentvoll, gutes Miteinander, ab T. 549 breiter, keine Kadenz

 

4-5

Jaqueline du Pré

Gerd Albrecht

Radio Sinfonie-Orchester Berlin

audite

1963

25‘39

 

 

live, großer Einsatz für op. 129, volltönender Celloklang, I temperamentvoll, Zusammenspiel nicht immer so perfekt wie erwartet, II zweiter Abschnitt etwas unruhig, III ausdrucksstark, jedoch etwas rauer Klang, Kadenz unbekannter Herkunft

 

4-5

Tibor de Machula

Wilhelm Furtwängler

Berliner Philharmoniker

BPhil Media     DGG

1942

22‘38

 

 

live, ausdrucksvolles Musizieren, gutes Miteinander, Furtwängler immer mit Blick nach vorn, I ausdrucksvolles Musizieren, starke accel. ab T. 34, später ab T. 205, II ausdrucksstarke Sexten des Vc. T. 303-311, III lebendiges Musizieren, man wirft sich die Bälle zu – Solist damals Solo-Cellist des Orchesters

 

4-5

Tibor de Machula

Rudolf Moralt

Wiener Symphoniker

Philips    forgotten records

1954

21‘58

 

 

I Cello immer deutlich vorn, führt, Vc. mit klarer Tongebung, besser als , jedoch geringere Spannung, II Pizz. zu Beginn etwas domestiziert, Sexten des Vc. T. 303-311 weniger ausdrucksstark, III akzentuiertes Musizieren, lebendiger Vortrag, überzeugt am meisten - Solist damals Solo-Cellist des Concertgebouw Orchesters Amsterdam

 

4-5

Mstislaw Rostropovich

Samuel Samosud

Sinfonie-Orchester der Staatl. Moskauer Philharmonie

Melodya         Westminster     DGG

1954

23‘28

 

 

 

4-5

Paul Tortelier

Yan-Pascal Tortelier

Royal Philharmonic Orchestra London

EMI

1978

24‘55

 

 

I klares Musizieren, in der Regel deutliche Tongebung, gute Transparenz und Balance, Zweiunddreißigstel T. 14, T. 18 und später nicht immer ganz klar, II Tortelier singt im ersten Abschnitt, dichtes Musizieren, III geschmeidig, immer lebendig, eigene Kadenz

 

4-5

André Navarra

André Cluytens

Orchestre des Concerts Colonne

Columbia   forgotten records

1951

23‘20

 

 

I 1. Th. anfangs zu zergliedert, hohe Töne kommen etwas gepresst, entschiedener Zugriff, kraftvoll nach vorn, II wie eine Gesangsszene, III von musikalischer Energie sprühend, Tutti T. 549 ff. etwas schwerfällig, Kadenz mit viel Bogendruck – Cluytens besitzt einen spürbaren Draht zu Schumann

 

4-5

Ludwig Hoelscher

Eugen Jochum

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunk

Rundfunkmitschnitt

1960

25‘49

 

 

live, I deutliche Tongebung, etwas belegtes Klangbild, II meistens hoher Bogendruck, T. 335-338 mit weberschem Ausdruck, III lebendig, wie durchgezogen, ausgedehnte Kadenz

 

 

   

 

4

Pablo Casals

Eugene Ormandy

Prades Festival Orchestra

CBS   Sony

1953

24‘59

 

 

live, Solist führt, hoher Bogendruck, einige Portamenti, klanglich nach vorn gerückt, von musikalischer Energie sprühend, in den Ecksätzen sehr unruhig, störende „Grunzgeräusche“ des Solisten, III HTh Musik gravitätisch voranschreitend

 

4

Mstislaw Rostropovich

Gennadi Roshdestvensky

Leningrader Philharmonie

DGG

1960

25‘30

 

 

 

4

David Geringas

Lawrence Foster

London Symphony Orchestra

BMG

P 1976

25‘21

 

 

I Cello kein festes Tempo, z. B. T. 160-174, Orchester ähnlich, Zweiunddreißigstel T. 14 u. 18 und auch später etwas undeutlich, II Vc. mit viel Vibrato, Sexten T. 303-310 ohne Nachdruck, eher locker, III laute Tutti-Abschnitte etwas grob, ab T. 699 accel.

 

4

Sol Gabetta

Giovanni Antonini

Kammerorchester Basel

Sony

2016

23‘06

 

 

I Solistin führt, Orchester oft zurückgesetzt, T. 93 f. Streicher zu leise, II T. 303 ff. gelungener Dialog zwischen Galbetta und Solo-Cellist, insgesamt jedoch eher Abschnitte als Bögen, III hier mehr Zusammenarbeit, Pizz. der Streicher T. 691 ff. zu leise

 

4

Angelica May

Vaclav Neumann

Tschechische Philharmonie Prag

Supraphon

1986

23‘55

 

 

Solist und Orchester nicht immer im Gleichklang, Orchester kommt über eine Begleiterrolle kaum hinaus, II ausdrucksvoll, T. 335-338 mit weberschem Einschlag, III lebhaft, eher moderato, nach T. 700 accel.

 

4

Miklós Perényi

Markus Stenz

Gürzenichorchester Köln

GO live

2006

23‘15

 

 

live, I eher neben- als miteinander agierend, Str. T. 261 f. kaum präsent, II etwas zurückhaltend, beim Zusammenspiel zwischen Perényi und Solo-Cellist T. 303-319 bleiben einige Wünsche offen, III mit spürbarer Vitalität, zupackend

 

4

Oren Shevlin

Heinz Holliger

WDR Sinfonieorchester Köln

audite

2013

23‘41

 

 

I Solist reiht Abschnitte aneinander, keine durchgehende Linie, teilweise gebremstes Tempo, Solist und Orchester nebeneinander, kaum miteinander, insgesamt etwas spröde, II unausgeglichene Sexten T. 303-311, Holliger hebt gestopfte Hörner T. 336/338 dezent hervor, in den meisten anderen Aufnahmen überspielt, III Solist hat sich freigespielt, besser als in Satz 1 – Oren Shevlin Solo-Cellist beim WDR SO

 

 

   

 

3-4

Mstislaw Rostropovich

Leonard Bernstein

Orchestre National de France

Warner

1976

25‘18

 

 

 

3-4

Daniel Shafran

Kyrill Kondraschin

Staatl. Sinfonie-Orchester der UdSSR

Melodya

1953

23‘34

 

 

I von musikalischer Energie sprühend, jedoch etwas robuster Ansatz, Vc. immer vorn, Solist hat die Partitur im Griff, kompakter Orchesterklang, etwas zurückgesetzt, geringe Transparenz, II T. 320 viel lebhafter (Partitur: etwas), III unbekannte Kadenz

 

3-4

Maria Kliegel

Andrew Constantine

National Symphony Orchestra of Ireland

Naxos

1994

24‘47

 

 

Musik im Wesentlichen auf das Handwerkliche reduziert, Aufnahme hinterlässt keinen bleibenden Eindruck, III hier scheint sich das Orchester eingespielt zu haben

 

3-4

Aldo Parisot

Pierre-Michel le Conte

Orchester der Wiener Staatsoper

MMS  Concert Hall  forgotten records

~ 1958

23‘05

 

 

I Orchester im Tutti mit gepresstem Klang, geringe Transparenz, kein festes Tempo, Solist bei aufsteigenden Zweiunddreißigstel immer wieder mit verwaschen klingender Tongebung (z. B. T 14, 18, 30, 31), III spielerischer Umgang mit dem Notentext, Klang wie Satz 1 – in den Ecksätzen sehr viel Unruhe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

 

Pierre Fournier

 

Vom französischen Meistercellisten Pierre Fournier, den ich noch live erleben konnte, stehen mir drei Einspielungen zur Verfügung. Sie entstanden innerhalb von einem Jahr: 1956 als Studio-Einspielung mit dem Philharmonia Orchestra unter dem Dirigat von Malcolm Sargent, dann folgen ein Jahr später Konzertmitschnitte unter Leitung von Hans Rosbaud aus Baden-Baden sowie Ferenc Fricsay aus Genf. Alle drei Interpretationen überzeugen. Der Solist spielt mit viel Feuer und Engagement und die Tontechniker platzierten Fourniers Cello immer vor dem Orchester. Trotzdem erlebt man ein gutes Miteinander zwischen Solisten und jeweiligem Orchester, das ist im kurzem Mittelsatz besonders gut nachzuhören. Besonders bei Fricsay ist ein lebendiger Dialog zu erleben. Bei Rosbaud beeindruckt der Rückgriff auf den Kopfsatz in den Takten nach 320. Die Sexten im Cello T. 303-311 klingen bei Sargent etwas zurückhaltend. Diese Aufnahme bietet jedoch den besten Klang. Am Ende des Finales präsentiert Fournier eine ausgedehnte eigene Kadenz, in allen Aufnahmen.

 

Mstislav Rostropovich

 

Wie bei Fournier kann man auch bei Rostropovich auf drei unterschiedliche Einspielungen des Schumann-Konzerts zurückgreifen. Die erste Aufnahme entstand vermutlich in Moskau, nachdem Rostropovich seine Studien dort erfolgreich absolviert hatte und sich als außergewöhnlich erfolgreicher Solist einen Namen gemacht hatte. Die folgende Interpretation wurde in London während einer Europatour der Leningrader Philharmoniker mitgeschnitten. Am Pult stand der damals noch wenig bekannte 29-jährige russische Dirigent Gennadi Roshdestvensky, der neben dem Chefdirigenten Eugen Mrawinsky für diese Tournee verpflichtet wurde, er sollte nun die Leitung des Rundfunk-Sinfonie-Orchester der UdSSR übernehmen. Die letzte Aufnahme entstand in Paris 1976 in Partnerschaft mit Leonard Bernstein.

In der ersten Aufnahme erlebt man einen impulsiv agierenden Cellisten, mit hohem Bogendruck, stellenweise mit deutlichem Vibrato, ausdrucksstark sowie mit überschäumender Musizierlaune agierend. Die Klangtechnik hat sein Cello nach vorn gerückt, das aufgewühlt markant akzentuierte Orchester darf sich nur in den lauten Tutti-Passagen nach vorn wagen. In deutlichem Gegensatz gibt sich der kurze langsame Satz, Rostropovich spielt mit viel Espressivo, stellenweise wie entrückt. T. 320 bringt einen scharfen Stimmungsumschwung, der zum Finale überleitet. Es ist durch ein straffes Musizieren gekennzeichnet. Der Monoklang der Aufnahme aus Sowjetzeiten zeigt eine erstaunliche Balance und Transparenz.

In der Londoner Aufnahme spielt das Orchester mehr kontrolliert als emotional aufgeladen, der Dirigent lässt es mehr in die Breite spielen, das bedeutet aber auch etwas weniger Spannung. In lauten Tutti-Abschnitten spielt es Streicher-beherrscht, nicht immer auf höchstem Niveau. Rostropovichs Cellospiel erlebt man wie auf früherer Höhe. Ähnlich der zweite Satz, etwas langsamer, der Umschwung bei T. 320 ist hier weniger scharf. Klanglich kann die Aufnahme mit mehr Präsenz punkten.

Bei der Pariser Aufnahme erleben wir einen Cellisten mit schlankem Ton, sollte es französisch klingen? Bernstein stellt ihm ein blockhaft agierendes Orchester zur Seite, leider wird die Spannung nicht immer gehalten. Der Ausdruck im zweiten Satz bleibt beim Solisten und Orchester etwas zurückhaltend, bei T. 310-319 ist ein Stillstand nicht mehr weit weg. Das Finale erlebt man als Hörer weniger inspiriert, dem Orchester scheint nur eine Nebenrolle zugewiesen zu sein. Das Tutti T. 549 ff. kommt ziemlich breit daher.

 

eingestellt am 28.06.25

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