Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Wolfgang Amadeus Mozart

 

Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543

 

Adagio, Allegro – Andante con motoMenuetto, Allegretto – Allegro

 

Aufgrund der Einträge in Mozarts eigenhändigem Werkverzeichnis sind seine drei letzten Sinfonien im Sommer 1788, binnen weniger Wochen, drei Jahre vor seinem frühen Tode entstanden. Über den Anlass der Komposition ist viel gerätselt worden, auch über Aufführungen zu Mozarts Lebzeiten, wovon nichts Genaues bekannt ist. Es gibt nur einen Bericht von einer Aufführung einer Sinfonie von Mozart in Leipzig, der im Frühjahr 1789 auf einer Konzertreise dort gastierte, um welche es sich handelte, ist aber nicht überliefert. Ein Jahr später, Mozart weilte anlässlich der Kaiserkrönung Leopolds II. in Frankfurt, gab er ein Konzert mit eigenen Kompositionen, unter anderem das Klavierkonzert D-Dur KV 537, das seitdem als „Krönungskonzert“ bekannt ist, sowie eine neue Sinfonie.

Nikolaus Harnoncourt äußert sich zur Entstehung der Sinfonien-Trias im Beiheft zu seiner letzten Einspiellung der drei Sinfonien mit dem Concentus Musicus. Er verneint, dass sie aus einer finanziellen Notlage heraus komponiert worden seien, um durch eine baldige Aufführung in einer Akademie Geld zu beschaffen. Er ist davon überzeugt, dass hinter der Komposition ein Plan steht, nämlich die Schaffung eines Instrumental-Oratoriums, so etwas gab es nur im Vokalbereich, nicht aber in der reinen Instrumentalmusik. Harnoncourt sieht die drei Sinfonien nicht als Einzelkompositionen, sondern „als ein Werk in drei Teilen“, mit einer Einleitung „Intrada“ zu Beginn der Es-Dur-Sinfonie und einem kunstvollen Finale in der  Jupiter-Sinfonie. Leser, die sich näher mit den Gedanken Harnoncourts auseinandersetzen möchten, seien auf das Booklet verwiesen.

 

Musikologen weisen auf eine Parallelität zu Haydn hin, und zwar zu drei seiner sogenannten sechs Pariser-Sinfonien, die in Paris mit großem, auch finanziellem, Erfolg dort aufgeführt und gedruckt wurden. Es handelt sich um die Sinfonien Nr. 82 in C-Dur, Nr. 83 in g-Moll und Nr. 84 in Es-Dur, sie entstanden drei bzw. zwei Jahre vor der Komposition der Mozart-Sinfonien in den selben Tonarten. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Mozart die erfolgreichen Haydn-Sinfonien zum Vorbild eigener Sinfonien für eine geplante England-Reise nahm, wozu es allerdings nicht kam. Mozart komponierte immer als Auftrag zu einem bestimmten Anlass, entfiel dieser aus irgendeinem Grund, wurde die Komposition abgebrochen und blieb somit Fragment.

Haydns letzte 12 Sinfonien, die in zwei Schüben 1791/92 und 1794/95 für seine Englandaufenthalte komponiert und dort mit großem Erfolg aufgeführt wurden, entstanden nach Mozarts letzten Sinfonien. Vermutlich hat Haydn die Werke gekannt, als Partitur oder bei einer Aufführung und sich dort Anregungen für seine neuen Sinfonien geholt. Haydn war bekanntlich ein Bewunderer von Mozarts Musik. Musikforscher mögen in Zukunft noch weitere Verbindungen zwischen den genannten Sinfonien von Haydn und Mozart feststellen, das jedoch muss noch abgewartet werden.

 

Wie schon oben erwähnt, beginnt die Sinfonie in Es-Dur als einzige der drei letzten Sinfonien mit einer langsamen Einleitung, wie bei Nr. 84 von Haydn. Fühlt man sich hier nicht an den noch nicht lange zurückliegenden Don Giovanni erinnert? Im langsamen Satz wird die Dur-Stimmung zweimal durch herbe Moll-Einschübe unterbrochen. Die aufsteigenden Sechzehntel (T. 2/3 und 6/7) im Andante weisen auf die aufsteigenden Töne in der zweiten Hälfte des Hauptthemas der Jupiter-Sinfonie voraus, nach den drei lauten Tutti-Schlägen zu Beginn, T. 3/4 und T.7/8 jeweils mit Auftakt. Das lässt sich als verbindender Bogen von der Es-Dur- zur C-Dur-Sinfonie deuten.

In seiner 39. Sinfonie verzichtet Mozart auf die damals üblichen Oboen und ersetzt sie durch ein Paar Klarinetten, die dem Stück einen wärmeren, weicheren Klang vermitteln. In Nr. 40 kommt er ohne Trompeten und Pauken aus, in Nr. 41 dagegen finden alle Instrumente Verwendung, jedoch ohne die damals im Orchester noch seltenen Klarinetten.

 

Wenden wir uns nun zu ausgewählten Stellen in den einzelnen Sätzen zu:

 

Satz 1: Mozart möchte die Einleitung als alla breve gespielt haben, d. h. der Vierviertel-Takt wird in einen Zwei-Halbe-Takt transformiert, die Musik soll hier nicht zu langsam gespielt werden. In den Takten 2, 4 und 6  endet das Eröffnungsmotiv (vgl. Klavierkonzert Es-Dur (!) KV 482 Eröffnungstakte) für die Streicher mit einer Halben. Diese wird von der überwiegenden Mehrheit der Interpreten abgekürzt bzw. mit einem Diminuendo versehen. In Mozarts Absicht spielt es Karajan, gefolgt von Suitner, Colin Davis und Mehta. Der p-Einsatz der Bläser in denselben Takten wird oft verschluckt oder von den noch f spielenden Streichern überdeckt, z. B. bei Saraste. Die fallenden Skalen der Geigen in den genannten Takten trifft man bald im Hauptsatz ab T. 72 wieder. In Takt 7 unterbricht Mozart den festlichen Beginn und verbindet den Mittelteil mit einer leise zu spielenden, synkopisch aufsteigenden, Melodie der ersten Geigen. Diese zwei Takte können sachlich und korrekt gespielt werden, sie können aber auch mit einer angemessenen Spannung versehen werden, wie bei Furtwängler, Kleiber, Szell-60, Beecham, Giulini und Kubelik. In den folgenden vier Takten erhebt sich die Flöte über liegende Bläserakkorde, dem punktierten Rhythmus der tiefen Streicher sowie den Geigenskalen. Oft wird die Flöte hier zu leise gespielt, nicht so bei Fricsay-DGG. Welche Aufmerksamkeit ein Dirigent den in der Partitur hinterlassenen Noten schenkt, lässt sich am geheimnisvollen Schluss der Einleitung beobachten: Da spielen Flöte, Fagott und erste Geigen eine kurze Melodie, beginnend mit den Tönen a-ges‘-c‘‘-ces‘. Einen Takt später werden diese Töne in Engführung von Celli und Kontrabässen wiederholt, was von vielen Dirigenten nicht wahrgenommen oder lustlos ausgeführt wird, in Mozarts Sinn lassen spielen: Maag, Szell-60, Monteux, Blomstedt, Harnonocourt-91, -13, Leinsdorf, Beecham, Wand, Dohnanyi, Giulini, Nelson, Kempe, Tate, Herzog, Immerseel, Mackerras und Bour.

Mit dem Takt 26 beginnt nun – unspektakulär – der Allegro-Hauptsatz. Da Mozart fast ausschließlich mit Vierteln und Halben arbeitet, könnte man von einer weiteren (langsamen) Einleitung sprechen. Peter Maag z. B. zieht ab T. 54 das Tempo etwas an. Die Kunst besteht darin, die leise Vorstellung des ersten Themas mit seiner lauten Fortspinnung als Einheit darzustellen. Übrigens könnte man diese ersten Takte als eine Kontrapunktstudie verstehen (Verbeugung vor Haydn?). Vier Takte vor Beginn des zweiten Themas hebt sich die Flöte für einen Moment aus dem lauten Tutti-Klang heraus (d‘‘‘-b‘‘-es‘‘‘), hervorgehoben bei Marriner, Fricsay-DGG, Norrington-SWR, Muti, Bour, Collegium aureum, Jacobs, Koopman, Wand, Jochum, Tate, Keilberth, Krips-72, Böhm-55, -79, Blomstedt-82, Davis und Suitner.

 

Satz 2, As-Dur: In dem abwechslungsreich gestalteten Andante-Satz, der nicht zu langsam gespielt werden soll, bindet Mozart zweimal eine „Studie“ für die fünf Holzbläser (zwei Fagotte, zwei Klarinetten und Flöte) ein, zuerst in Es-Dur (T. 53-64), später in As-Dur (T.125-136). Die einzelnen Spieler bringen jeweils vier Achtel auf as bzw. es (bei der Wiederholung des und as), gefolgt von acht Achteln, jeweils in Engführung (!). Das diese Takte nicht immer durchsichtig geboten werden und wohlig klingen, ist entweder den Dirigenten oder den Toningenieuren anzulasten. Die richtige Atmosphäre schaffen u. a. Kempe, Davis, Casals, Mackerras-SCO, A. Fisher, Gielen, A. Schneider, Glover, Szell-60, Wand Giulini, Klemperer und Böhm-55. Noch auf eine andere Stelle sei hingewiesen: Als Kontrapunkt zu der punktierten Sechzehntelkette der ersten Geigen spielen Celli und Kontrabässe beim Übergang von T. 85 zu T. 86 b-es‘, mit staccato bezeichnet, die Bratschen d-es‘, über den letzteren steht jedoch ein Bindebogen. Dieser wird von der Mehrheit der Dirigenten ignoriert, gebundene und staccato-Noten gleichzeitig hört man bei Herreweghe, Brüggen, Abbado, Bour, Giulini, ter Linden, Dohnanyi, Harnoncourt, Glover, Tate, Pinnock, Gardiner und Saraste. Notengetreu findet man diese Stelle bereits beim Übergang von T. 17 zu T. 18, dort spielen jedoch nur die Bratschen des Collegium aureums die  Noten d-es legato.

 

Satz 3, Es-Dur: In klassischer Manier umrahmt ein höfisches Menuett einen bäuerlichen Ländler. Mozart erwartet von seinen Interpreten beim Menuett ein Allegretto, kein Allegro oder gar Allegro assai, wie es uns viele Interpreten aus dem HIP-Bereich weismachen wollen. Dem Thema, vorgetragen von den Geigen, überlagert er – versteckt – ein weiteres, das er der ersten Klarinette zuteilt, vgl. T. 1-8 und T. 25-32, die sich im lauten Orchesterklang, besonders der Bläserkollegen, zu behaupten hat. Viele Interpreten können diesem Klarinettenthema keine Sympathie entgegenbringen, rühmliche Ausnahmen: Fricsay, Karajan-49, Hogwood, Norrington-LCPL, Collegium aureum, Maag, Mehta, Jacobs und Tate.

 

 

Viele Abschnitte sollen in Mozarts 39. Sinfonie wiederholt werden, im ersten Satz zählt man eine Wiederholung. Im zweiten zwei, im Menuett und Trio je zwei und im Finale auch zwei. Alle Wiederholungen bringen: Levine, Sawallisch, Blomstedt, Bernstein-WP, Muti, Tate, Mackerras, Nelson, Abbado, Adam Fischer, Gielen, Herreweghe, Harnoncourt, Jacobs, ter Linden, Hogwood, Norrington, Pinnock und Brüggen. Andere lassen nur eine aus, meistens die zweite im Finalsatz: Leinsdorf, Frantz, Davis-81, -91, Casals, Maag, Mehta, Bernstein-NY, Kubelik, Dohnanyi, Giulini, Jochum, Fricsay-50, Haenchen, Saraste, Glover, Krivine, Marriner, Kavakos, Herzog, Koopman, Immerseel, Fey und das Collegium aureum.

 

 

Interpretationen in historischer Aufführungspraxis mit Originalinstrumenten

 

 

5

Frans Brüggen

Orchester des 18. Jahrhunderts

Glossa

2010

31‘03

 

5

René Jacobs

Freiburger Barockorchester

HMF

2008

29‘34

 

wie selbstverständlich, sorgfältig erarbeitet, farbiges sowie sehr präsentes Klangbild, hervorragende Transparenz, III Allegro, gerast, auch schnelles Trio (einziger Einwand)

5

John Nelson

Ensemble Orchestral de Paris

naïve

2008

28‘17

 

I E federnde Bässe, hellwaches Musizieren, profiliert, ausdrucksstarkes Holz, stimmlich ausgewogen, angenehmer Klang, II T. 9-19 sowie T. 46-67 etwas bewegter, III Allegro, IV elastisch, leichtfüßig

5

Christopher Hogwood

Academy of Ancient Music

Decca

1982

30‘39

 

I lebendige Darstellung, Blick auf Details, II Tempo nach Partitur, bewegt, III Flöte im Trio etwas leise –  farbiges Klangbild, objektiv, neutral im Ausdruck

 

 

4-5

Frans Brüggen

Orchester des 18. Jahrhunderts

Philips   Decca

1988

30‘59

 

4-5

Ton Koopman

Amsterdamer Barock Orchester

Erato

1994

27‘03

 

Aufnahme ähnelt sehr der von Jacobs, der aber ein besseres und offeneres Klangbild voraus hat, II Horn T. 30-37 herausgehoben, III Allegro, Trio ein wenig langsamer, Klarinette dort mit Verzierungen

4-5

Nikolaus Harnoncourt

Concentus Musicus Wien

Sony

2013

30‘25

 

4-5

Philippe Herreweghe

Orchestre des Champs-Elysées

PHI

2012

28‘37

 

I E überwiegend festliche E, ohne die Durchdringung Brügges, II kontrastreicher HT, II in Mozarts Tempo, bewegt, eher sachlich, III Klarinette im Trio  mit Verzierungen – gute Transparenz und Balance

4-5

Roger Norrington

London Classical Players

EMI

1990

28‘04

 

I bei Tutti-Stellen Balance zugunsten des Blechs verschoben, präsente Pauke, Holzbläser nur an Solo-Stellen differenziert wahrzunehmen, II molto moto, Norrington scheint mehr das Tempo als die Musik im Auge zu haben, III sehr bewegt, Flöte etwas zurück – Aufnahme in sich stimmig

4-5

John Eliot Gardiner

English Baroque Soloists

Philips        Decca

1988

31‘26

 

Musik läuft wie geschmiert, jedoch im Ausdruck geglättet, Interpretation näher bei einem philharmonisches Mozart als bei HIP

4-5

Trevor Pinnock

The English Concert

DGA

1994

30‘30

 

I Musik gestaltet, ausgeglichenes Klangbild, bei Tutti-Stellen Holzbläser überdeckt, II Andante, sorgfältig, aber etwas sachlich, III farbiges Trio, IV klanglich im Tutti etwas dicht, den Bläsern wünschte man sich etwas mehr Präsenz

 

 

4

Franzjosef Maier

Collegium Aureum

DHM   

1978

28‘18

 

aus der Frühzeit der Alte-Musik-Bewegung mit Originalinstrumenten – I E Balance der Bläser nicht top, danach besser, bei Tutti-Stellen tiefe Streicher fast voluminös, III Trio stimmungsmäßig deutlich abgesetzt – im Ganzen liebevoll musiziert, Aufnahme orientiert sich noch am philharmonischen Klang

4

Jos van Immerseel

Anima Eterna

ZigZag

2001

25‘20

 

I E Balance und Klang nicht optimal austariert, HT etwas kompakter Klang, II bewegt, musikantischer Zugriff, III Trio: Klarinette mit Verzierung, präsente 2. Klarinette, IV impulsiv – unbekümmertes Musizieren, eher HIP-Mainstream

 

 

3-4

Mathieu Herzog

Ensemble Appassionato

naïve

2017

26‘52

 

I sehr lebendig, fast atemlos, Musik scharf geschnitten, farbenprächtig, immer präsente Pauke, Herzog bietet nur zwei Lautstärkegrade an: mp und f, II ziemlich geradlinig, wie durchgezogen, weniger differenziert, Tutti-Klang von Violinen beherrscht, auf Dauer langweilig, III Allegro molto, Tempo, Tempo, Tempo!, Trio ein wenig langsamer

3-4

Jaap ter Linden

Mozart Akademie Amsterdam

Brilliant

2002

31‘38

 

I E Balance und Klang nicht optimal austariert, HT die fallenden Sechzehntel-Skalen in den Violinen T. 72 ff. gehen etwas unter – insgesamt neutrale Aussage, etwas lustlos, erinnert eher an philharmonischen Mozart, Aufnahme informiert kaum über HIP

 

 

Interpretationen in historischer Aufführungspraxis mit modernen Instrumenten

 

 

5

Thomas Fey

Mannheimer Mozartorchester

hänssler

2005

29‘49

 

I E con pomposo, Dissonanzen (Blech) herausgearbeitet, HT rhythmisch prononciert, geschärfter Klang, Ritardando vor Reprise, II gute dynamische Differenzierung, farbig – historisches Blech

5

Charles Mackerras

Scottish Chamber Orchestra

Linn

2007

29‘55

 

5

Claudio Abbado

Orchestra Mozart

DGA

2008

30‘48

 

live, I klassische Klarheit verbindet sich mit organischen Musizieren, repräsentativer Stil, II nuancenreiche Andante-Abschnitte, straffe, rhythmisch pointierte Moll-Abschnitte, III Musik kann atmen, IV frisch und abwechslungsreich – sehr gute Differenzierung, Balance und Transparenz

5

Adam Fischer

Danish National Chamber Orchestra

Dacapo

2013

28‘51

 

I E pompös, rhythmische Schärfe, auch im HT spielen Trompeten und Pauke eine wichtige Rolle, dynamische Darstellung, II auch hier nuancenreiche Andante-Abschnitte, straffe, rhythmisch pointierte Moll-Abschnitte, die klanglich scharf getrennt sind, III ausdrucksvolles Menuett, melodisches Trio, IV ausgelassen – sehr gute Differenzierung, Balance und Transparenz

 

 

4-5

Nikolaus Harnoncourt

Chamber Orchestra of Europe

Teldec

1991

31‘17

 

4-5

Hartmut Haenchen

Kammerorchester “Carl Philipp Emmanuel Bach“

Berlin Classics

2014

25‘10

 

live, I E rhythmisch betont, fallende Skalen der Geigen T. 10 ff. kaum zu hören, HT Klang etwas klobig, Bässe T. 160-166 zurück, II zugespitztes Musizieren, dynamische Vielfalt, III Allegro, IV schwungvoll – etwas bulliger Tutti-Klang

 

 

4

Peter Maag

Orchestra di Padova et del Veneto

Arts

1996

32‘05

 

I majestätisch breite E, HT ab T. 54 etwas schneller, auch bei der Wiederholung und in der Reprise, pointierte Dramatik, II mit wacher Aufmerksamkeit, III Flöte im Trio etwas leise, IV Maag hebt das Intervall von f zu b in T. 1/2 mittels einer kleinen Verzögerung deutlich hervor, noch deutlicher T. 42/43 und T. 48/49, das klingt interessant und humorvoll („Esel i-a“), vielleicht möchte er auf Mozarts Humor hinweisen. Der Effekt stellt sich jedoch nicht bei Tutti-Stellen ein!

4

Jukka-Pekka Saraste

Scottish Chamber Orchestra

Virgin

1990

27‘46

 

I diszipliniert, ausgewogen, II objektive Haltung, IV klar gegliederter Duktus – insgesamt etwas distanziert, in allen Sätzen kein richtiges f

4

Leonidas Kavakos

Camerata Salzburg

Sony

2006

29‘09

 

live, I umsichtiges Dirigat, Klang transparent, aber etwas bullig mit leichtem Hallanteil, II ernste Stimmung, III Trio Klarinette mit Verzierung, IV etwas schwerfällig – gute Balance

4

Nikolaus Harnoncourt

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Teldec

1983

29‘56

 

4

Roger Norrington

SWR Sinfonie-Orchester Stuttgart

hänssler

2006

30‘22

 

live, I klingt festlicher als die Londoner Studio-Aufnahme, jedoch langsamer, Holz in diesem Satz besser abgebildet, viele dezente dynamische Schweller, II Allegretto, sorgfältig,  II Flöte auch hier etwas zurück, Trio weniger farbig, IV sorgfältig, eher sachlich als emotional

 

 

Interpretationen in herkömmlicher Aufführungspraxis mit modernen Instrumenten

 

 

5

Ferenc Fricsay

Wiener Symphoniker

DGG

1959

26‘43

 

I E Flöte T. 10-13 herausgehoben auf Kosten der Streicher, so wird ein MT markiert – guter Kontrast zwischen E und HT, orchestrale Vehemenz im Dienste der Musik, II fast schon Adagio, Musik geformt, viel Espressivo, aufgewühlte Moll-Abschnitte, III klangliche Wucht im Menuett steht empfindsamen Trio gegenüber, IV mit Hingabe – farbiges Klangbild

5

George Szell

Cleveland Orchestra

CBS   Sony

1960

24‘41

 

5

Erich Kleiber

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

Amadeo

1956

24‘35

 

live, ▼

5

Rudolf Kempe

Royal Philharmonic Orchestra London

EMI     Testament

1956

25‘53

 

5

Josef Krips

Concertgebouw Orkest Amsterdam

Philips    Decca

1972

25‘48

 

5

Herbert Blomstedt

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

Rundfunkaufnahme, unveröffentlicht

2019

30‘32

 

live, ▼

 

 

4-5

Bruno Walter

Columbia Symphony Orchestra

CBS    Sony

1960

26‘35

 

4-5

Pierre Monteux

NDR Sinfonie-Orchester Hamburg

Preludio

1964

24‘15

 

I heiter, gelassen, jedoch mit Spannung, II mit Feingefühl, III musikantisches Menuett, Trio eher zurückhaltend, IV ansteckende Spielfreude

4-5

Ferenc Fricsay

RIAS Symphonie-Orchester Berlin

audite

1950

29‘56

 

I lange E, inspiriert, gestalterischer Ernst, II auf Vielschichtigkeit hinweisend, Musik kann atmen, III Espressivo, IV rhythmisch pointiert – für die Zeit der Aufnahme gutes Klangbild, Streicher bevorzugt, Blech im Gesamtklang eingebunden

4-5

Günter Wand

Gürzenich Orchester Köln

Accent    Testament

1961

26‘00

 

natürliches Musizieren, energiegeladen, jedoch ohne aufgedrückte Dramatik, Ausgewogenheit der Stimmen, farbiges Klangbild, gute Transparenz und Balance, p leider mp/mf

4-5

Günter Wand

NDR Sinfonie-Orchester Hamburg

RCA

1990

25‘25

 

wie 1961, klangliche Verbesserung, etwas lockerer

4-5

Colin Davis

Sinfonia of London

EMI

1959

28‘53

 

4-5

Colin Davis

Staatskapelle Dresden

Philips   Decca

1981

31‘12

 

4-5

Eugen Jochum

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

DGG

1954

29‘54

 

I E geschärfter Zugriff, umsichtiges Dirigat, II viel Espressivo, IV festlich – Mozart im philharmonischen Stil, Aufnahme in sich stimmig, für die Zeit guter Klang mit guter Transparenz und Balance, Lautstärkedifferenzierung wie so oft nicht top: p leider mp/mf

4-5

Eugen Jochum

Bamberger Symphoniker

Orfeo

1982

32‘25

 

KV 543 wie ein Jungbrunnen für den 78-jährigen Jochum, offenes Klangbild, geradezu opulent, Tempi kaum langsamer als 1954, zusätzliche Wiederholung im Finale – I E im Gestus wie der Einleitungssatz einer französischen Ouvertüre

4-5

Fritz Reiner

Chicago Symphony Orchestra

RCA

P 1957

22‘51

 

I gespannte E, kraftvoll nach vorn, akribisch ausformuliert, II konzentriert mit kammermusikalischer Feinabstimmung, III mit Empathie, IV auch im schnellsten Tempo noch geschliffen – hinreichende Transparenz

4-5

Erich Kleiber

Preußische Staatskapelle Berlin

Polygram   DGG

1927

25‘44

 

4-5

Josef Krips

London Symphony Orchestra

Decca

1951

25‘37

 

4-5

Otto Klemperer

Philharmonia Orchestra London

EMI

1962

27‘15

 

I E transparent, HT zupackendes Musizieren, con spirito, markant akzentuiert, II ernsthaft, sprechende Artikulation, III wuchtiges Menuett, IV etwas starr – sehr gute Transparenz und Balance, philharmonischer Mozart

4-5

Christoph von Dohnanyi

Cleveland Orchestra

Decca

1990

28‘22

 

philharmonischer Mozart, klangschön, ausgewogen, fein aufeinander abgestimmte Holzbläser, sehr gute Balance und Transparenz, man vermisst ein „Verweile doch..“; Mainstream im besten Sinne

4-5

Herbert Blomstedt

Staatskapelle Dresden

Denon   Eterna

1982

33‘06

 

 

4-5

Jeffrey Tate

English Chamber Orchestra

EMI

1984

33‘30

 

sorgfältig erarbeitet, stimmige – jedoch etwas zurückhaltende – Tempi, farbiger Klang mit guter Differenzierung, II Musik darf atmen, Moll-Abschnitte nur f statt ff, IV mit viel Freude am Werk

4-5

Neville Marriner

Academy of St.Martin-in-the-Fields

Philips

1978

28‘36

 

I exakt ausgeführter punktierter Rhythmus, HT sorgfältig erarbeitet, die große Linie nachgezeichnet, II pointierte Dramatik in den Mollabschnitten, III Flöte im Trio etwas zu leise, IV betriebsam – großbesetzte Academy; farbiger, polierter Klang

4-5

Karl Böhm

Concertgebouw Orkest Amsterdam

Philips   DGG

1955

24‘45

 

4-5

Karl Böhm

Berliner Philharmoniker

DGG

1966

25‘04

 

4-5

Rudolf Kempe

Berliner Philharmoniker

Testament

1962

26‘11

 

live, ▼

4-5

Emmanuel Krivine

Sinfonia Varsovia

Denon

1990

28‘57

 

I spürbare Liebe zur Musik, II klare Artikulation, breite Ausdrucksskala, gute klangliche Differenzierung, III Menuett und Trio gut voneinander abgesetzt, Allegro assai, zugespitztes Musizieren – gute Balance und Transparenz, Klang leicht eingedunkelt, daran gewöhnen sich die Ohren jedoch schnell

4-5

Istvan Kertesz

Wiener Philharmoniker

Decca

1963

25‘50

 

I E schwammiger Rhythmus in den ersten sechs Takten, HT gestalterischer Ernst, ausgewogen, II klarer Musizierstil, tragfähige Spannungsbögen, III farbiges Spiel, IV Bläser in den Tutti-Klang integriert – im Ganzen Mainstream

 

 

4

Zubin Mehta

Israel Philharmonic Orchestra

Decca

1976

28‘48

 

I mit Verve, immer wieder werden die Klarinetten herausgestellt, in allen Sätzen, das stört die Bläserbalance, II kein richtiges p, stattdessen mp/mf, IV zupackend – im Ganzen Mainstream

4

Wilhelm Furtwängler

Berliner Philharmoniker

DGG

1942    oder 43

25‘52

 

4

Charles Mackerras

Prager Kammerorchester

Telarc

1988

28‘50

 

4

Jewgenij Mrawinsky

Leningrader Philharmonie

Melodya      Erato

1972

25‘48

 

live, I Spannungsverlust am Ende der E, HT lebendig, aber auch ein wenig geglättet, II Musik liebevoll modelliert, III locker, Trios bei der Wiederholung etwas leiser, IV lebendig, locker – Flöte tritt hier und da aus dem Bläserklang heraus

4

Wolfgang Sawallisch

Tschechische Philharmonie Prag

BMG    Supraphon

1978

32‘16

 

insgesamt etwas fest musiziert, klingt korrekt und preußisch, II besser, aber eine gewisse Kühle bleibt – gute Balance und Tranparenz

4

George Szell

Cleveland Orchestra

Columbia   Sony

1947

23‘30

 

4

Herbert von Karajan

Philhamonia Orchestra London

Mozartwoche Salzburg       Archipel

1956

24‘22

 

live, ▼

4

Herbert von Karajan

Philhamonia Orchestra London

EMI

1955

25‘42

 

4

Herbert von Karajan

Wiener Philharmoniker

EMI

1949

24‘31

 

4

Bruno Walter

BBC Symphony Orchestra

EMI

1934

25‘21

 

4

Bruno Walter

New York Philharmonic Orchestra

CBS   Sony

1953/56

24‘38

 

4

Michael Gielen

SWF Sinfonie-Orchester Baden-Baden

Arte Nova

1987

27‘50

 

I energetisch, festlich, II bewegt, durchgezogen, Ausnahme: fünfstimmige Bläserpartie T. 53-64 und später, III schnelles Tempo, IV gute Bläserdifferenzierung – immer lebendig musiziert, kommt aber über Mainstream kaum hinaus (eigentlich meine einzige diesbezügliche Aufnahme mit Gielen)

4

Jane Glover

London Mozart Players

ASV

1987

31‘00

 

I sich Zeit lassend, E Akkorde lang gehalten, herausgehobene Flöte, Prachtentfaltung auch im HT, p leider mp, II sorgfältig, aber etwas langsam, III gute Balance bei Bläsern, IV festlich, knüpft an Satz I an – Tempi in den letzen beiden Sätzen gefallen besser als zuvor, guter Klang, jedoch durchgehend dumpfe Hintergrundgeräusche

4

Ernest Bour

SWF Sinfonie-Orchester Baden-Baden

Cascade

1967

24‘03

 

sorgfältig erarbeitet, jedoch etwas geglättet, Bour vermittelt einen guten Überblick von KV 543, für Ersteinsteiger, verzichtet jedoch auf wichtige Wiederholungen; transparenter Klang, dynamische Differenzierung im p-Bereich nicht immer top

4

Rafael Kubelik

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

CBS

1980

30‘37

 

I E sorgfältig, jedoch wenig Spannung, die letzten Takte langsamer, HT ausgewogen, konzentriert, Musizieren entlang der Partitur, II sich Zeit lassend, objektiv – großbesetztes Orchester, Holzbläser vorteilhaft abgebildet, Blechbläser im Klangbild integriert

4

Colin Davis

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

Bayerischer Rundfunk

1991

30‘44

 

live, ▼

4

Thomas Beecham

London Philharmonic Orchestra

EMI

1940

24‘41

 

verwurzelt im 19. Jahrhundert, großformatiger Mozart im philharmonischen Stil, gewichtiges Musizieren, hinreichende Transparenz und Balance, p als mf gespielt, IV Allegro assai

4

Riccardo Muti

Wiener Philharmoniker

Philips

1996

31‘33

 

Muti nimmt sich zurück, nur Koordinator, lässt die Musik sprechen, großbesetzter Streicherapparat

4

Karl Böhm

Wiener Philharmoniker

DGG

P 1979

25‘55

 

4

Carlo Maria Giulini

Berliner Philharmoniker

Sony

1992

34‘05

 

I E monumental, aber auch etwas starr, II sehr gewichtig – in allen Sätzen gezogene Tempi, philharmonischer Mozart, einige gelungene Details, die in anderen Aufnahmen übersehen werden, sehr guter Klang, auch hier p als mf gespielt

4

Leonard Bernstein

Wiener Philharmoniker

DGG

1983

32‘43

 

live, I E mehr Espressivo T. 7 ff., II Adagio – insgesamt gepflegtes Musizieren, Trompeten in den Orchesterklang integriert, im Vergleich zu 1961 viel mehr Klangfarben, vor allem in den Bläsern; philharmonischer Mozart

4

Erich Leinsdorf

Boston Symphony Orchestra

RCA

1969

28‘13

 

I langsame E, schneller HT, farbige Holzbläser-Details, II bewegt, kantabel, III Trios bei der Wiederholung etwas leiser, IV wie abgespult – an der Partitur entlang musiziert, Mainstream, philharmonischer Mozart

4

Joseph Keilberth

Bamberger Symphoniker

Telefunken  Warner

1955

23‘56

 

Sätze I und IV etwas rustikal serviert, Mittelsätze kultivierter, Tutti-Klangbild teilweise mit unangenehmer Schärfe (hohe Violinen)

4

Paul Kletzki

Warschauer Philharmonie

Accent

1955

24‘27

 

live,  E eher sachlich, HT zupackend, dramatisch ausdrucksstark, II ernsthaft, energische Moll-Abschnitte, III kämpferisch anmutendes Menuett, IV Allegro assai,  fast atemlos, wie triumphierend – p-Bereich nicht ausgewogen, Orchester zeigt viel Einsatz, verfügt aber nicht über die Spielkultur der bekannten mitteleuropäischen bzw. amerikanischen Klangkörper; großformatiger, philharmonischer Mozart

 

 

3-4

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1975

24‘39

 

3-4

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

EMI

1970

25‘13

 

3-4

Wilhelm Furtwängler

Berliner Philharmoniker

DGG

1944

27‘53

 

live, ▼

3-4

Felix Weingartner

London Philharmonic Orchestra

EMI

1940

24‘42

 

großformatige philharmonische Besetzung, jedoch nicht romantisierend, kompakter Klang; II Temporücknahme T. 53 ff, IV Tuttistellen etwas übersteuert, Artikulation nicht immer sauber

3-4

Alexander Schneider

Chamber Orchestra of Europe

ASV

P 1987

28‘48

 

Mainstream, etwas äußerlich, ohne Feinzeichner, insgesamt mehr Pflicht als Kür, II fast schon Adagio

3-4

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS   Sony

1961

30‘45

 

I majestätisch klingende E, HT vorwärtsdrängend, jedoch etwas hemdsärmelig, knallig, wie über die Musik hinweg, II fünfstimmige Bläserstellen wenig transparent, III drauflos, Menuett hingedonnert, IV virtuos, Musik überfahren – Mozart in Großformat interpretiert, stellenweise auftrumpfend, heller und transparenter Klang

3-4

Daniel Barenboim

English Chamber Orchestra

EMI

1968

28‘07

 

I gezogene E mit schwammigem Rhythmus, HT wie durchgespielt, p hier mf, II laute Moll-Abschnitte von Violinen beherrscht, f hier ff, fünfstimmige Bläserstellen wenig geformt, III im Trio Flöte zurück, IV Streicher an Tutti-Stellen ohne Schliff

3-4

James Levine

Wiener Philharmoniker

DGG

1986

29‘58

 

I straff, jedoch ohne eine innere Dramatik freizulegen, geglättet, II fünfstimmige Bläserstellen ohne besondere Aufmerksamkeit, p als mp/mf gespielt, schöner Klang, auch bei den Moll-Stellen, III geglättet – Mozarts Musik durchgezogen, mehr an der polierten Oberfläche gespielt

3-4

James Levine

Münchner Philharmoniker

Oehms

2000

29‘11

 

I schnellere E, insgesamt stromlinienförmig, II dynamische Differenzierung hier besser, IV noch etwas schneller – die Münchner Philharmoniker verfügen nicht über so viele Klangfarben als ihre Wiener Kollegen

3-4

Otmar Suitner

Staatskapelle Dresden

Eterna  Berlin Classcis

P 1976

24‘18

 

I wie durchgespielt, betriebsam, etwas äußerlich, II fünfstimmige Bläserstellen ohne Differenzierung, III Trio: Klarinettenklang nicht unbedingt typisch, IV durchgezogen, Mozart bleibt außen vor – p-Bereich nicht top, Mainstream

3-4

Justus Frantz

Philharmonie der Nationen

Allegria

?

29‘29

 

I die Halben der Streicher in T. 2, 4 und 6 nur als Viertel gespielt, Echowirkungen eingearbeitet (auch in Satz 2), ohne spürbare Hingabe, II sich Zeit lassend, ernsthaft, III Trioteile bei der Wiederholung leiser, IV Allegro assai, ab T. 42 etwas langsamer, geringere Differenzierung

3-4

Pablo Casals

Marlboro Festival Orchestra

CBS   Sony

1963

28‘23

 

live, I festliche E, lebendig, inspirierte Darstellung, helles Klangbild, II aufgewühlte Moll-Abschnitte, III derbes Menuett, IV zupackend, jedoch stellenweise ungehobelt – Orchester aus Lehrern und Studenten des Marlboro-Festivals, obwohl Profis am Werke sind, klingt es an einigen Stellen doch etwas amateurhaft, nicht als Plattenveröffentlichung gedacht; Casals greift durch leises Klopfen und Brummen in die Aufführung ein

 

 

3

Hans Knappertsbusch

Preußische Staatskapelle Berlin

Odeon    aura  Preiser

1929

20‘53

 

der junge Kna mit anderen Tempovorstellungen als später, I E alla breve beachtet, flotter HT, II con moto, Rubati, III Trio langsamer – romantisierender Stil, Mozart aus der Rückschau von Beethoven, kompakter Klang, Plattenrauschen

 

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

 

 

Bruno Walter

 

 

Mozart war zeitlebens für Bruno Walter eine große Liebe, immer wieder führte er seine Werke auf, entsprechend groß ist auch seine diskographische Hinterlassenschaft, von der Es-Dur-Sinfonie existieren allein drei Studioproduktionen. Die erste entstand 1934 in London mit dem BBC Symphony Orchestra. Wie damals üblich kümmerte sich niemand um eine historische Aufführungspraxis, man musizierte im überkommenen Stil des 19. Jahrhunderts mit  groß besetztem Orchester. So auch Walter, d. h. jedoch nicht, dass er nicht um eine differenzierte Darstellung bemüht war. Im Kopfsatz stellt er einer sehr langsam gespielten Einleitung ein schwungvolles Allegro gegenüber, wobei er den kurzen Seitensatz etwas langsamer nimmt. Im Finale scheinen die Geigen anfangs nicht ganz sicher zu spielen. Die Aufnahme besitzt ein präsentes Klangbild mit hinreichender Transparenz, abgesehen von den fünfstimmigen Bläserstellen im Andante. Die Dynamik ist etwas grob, Mozarts p wird meistens in ein mp/mf umgewandelt. Walters zweite Einspielung, die in zwei Etappen 1953 und 1956 entstand, verfügt über ein verbessertes Klangbild, folgt aber dem früheren Vorbild. Etwas befremdlich ist die Tatsache, dass den Streichern in den Takten 2, 4 und 6 der Einleitung immer wieder die Luft auszugehen scheint. Auch hält sich die Flöte in den Folgetakten 10-13 zu sehr zurück. Mit Einführung der Stereo-Technik spielte Walter im hohen Alter Mozarts sechs letzte Sinfonien erneut ein, in Los Angeles nahe seines Wohnsitzes mit dem für ihn zusammengestellten Columbia Symphony Orchester. Trotz etwas langsamerer Tempi ziehe ich diese Aufnahme vor, vor allem aufgrund ihres runden, plastischen und farbigeren Klangs. Aber auch die musikalische Seite überzeugt: Die Einleitung des Kopfsatzes besitzt jetzt mehr Spannung und Dramatik, auch im Hauptteil. Im Andante spielen die Geigen in den Moll-Abschnitten jedoch weniger herausfahrend als früher. Das Menuett klingt wie ein derber Bauerntanz, obwohl es ein höfischer Tanz ist, und das Finale zieht unbeschwert dem Ende entgegen.

 

 

Wilhelm Furtwängler

 

 

Von Furtwängler verzeichnet der Katalog zwei Aufnahmen von KV 543 aus den Kriegsjahren 1942-1944. Die erste wurde im Haus des Rundfunks aufgenommen, es ist jedoch nicht sicher, ob die Aufnahme 1942 oder 1943 stattfand. Am Ende der langsamen Einleitung wird Furtwängler ganz langsam und geradezu geheimnisvoll. Der folgende Hauptsatz besitzt innere Dramatik und Expressivität. Den zweiten Satz inszeniert der Dirigent deutlich als Adagio, entsprechend gewichtig wird hier musiziert, mit dramatischen Moll-Abschnitten. Auch das Menuett klingt hier beschwert, im Trio werden die Wiederholungen etwas leiser genommen. Auch das Finale bleibt im vorgegebenen Rahmen. Hier lässt Furtwängler Mozarts Musik aus der Rückschau von Beethoven spielen, was viele WF Fans jedoch nicht stören wird. In den ersten Takten klingt die Aufnahme wie verschleiert, danach jedoch ist sie von hoher Präsenz und Klarheit. In den lauten Tutti-Abschnitten beherrschen die Geigen das Klangbild. Furtwänglers zweite Aufnahme aus der Staatsoper besitzt eine unverkennbare Ähnlichkeit zur zuvor beschriebenen. Das Andante wird jetzt aber noch langsamer gespielt, geradezu geschleppt. Menuett und Trio sind etwas schneller. Im letzten Satz wird die erste Wiederholung beachtet, so erklärt sich die etwas längere Spielzeit. Vermutlich handelt es sich bei der 42/43er Platte um eine Aufnahme zu Sendezwecken des Reichsrundfunks, sie enthält kaum Störungen, wenn doch, rühren sie von Stühleknirschen oder Notenpulten her, nicht von Zuhörern. Die sind jedoch bei der zweiten Aufnahme nicht zu überhören. Der Klang hier ist weniger klar, weniger deutlich und in Tutti-Stellen leicht übersteuert.

 

 

Erich Kleiber

 

 

Erich Kleiber war einer der bedeutendsten Mozart-Dirigenten, vor allem im Opernhaus, aber auch auf dem Konzertpodium. Leider sind nur ganz wenige Tondokumente mit Musik von Mozart erhalten: die Es-Dur-Sinfonie KV 543, die Prager-Sinfonie KV 504, die g-Moll-Sinfonie KV 550 sowie die Serenade KV 525 nebst zwei deutschen Tänzen. Dazu gesellt sich der herrliche Figaro. Neben diesen Studioeinspielungen existieren noch wenige Konzertmittschnitte aus Köln (Sinfonien KV 319, KV 543, Oboenkonzert KV 314 sowie drei deutsche Tänze) und Stuttgart (KV 425). Seine erste Aufnahme des Es-Dur Werkes stammt aus der Zeit, als er Generalmusikdirektor der Staatsoper Berlin war. Soeben war das akustische Aufnahmeverfahren mit Trichter vom elektrischen mit Mikrophon abgelöst worden, das ermöglichte einen großen Fortschritt in der Klangaufzeichnung, bei der auch Details der Instrumentation sowie eine bessere Transparenz festgehalten wurden. Dies alles kam auch der 1927 aufgezeichneten Es-Dur-Sinfonie zugute. Kleiber wählt keine (zu) schnellen Tempi, er lässt der Musik Zeit zum Atmen, was besonders für den zweiten Satz von Wichtigkeit ist. Menuett und Trio werden deutlich voneinander abgesetzt. Dem Finale hätte man sich noch etwas mehr Aufmerksamkeit gewünscht. Bis auf den dritten Satz werden leider alle Wiederholungen ignoriert. Große Zustimmung meinerseits gilt dem Mitschnitt aus dem Großen Sendesaal des WDR Köln, es war Kleibers letztes Konzert. Hier wird man als Hörer Zeuge eines gelösten, völlig unaufdringlichen Musizierens, das ganz nah bei Mozart anzusiedeln ist. Den zweiten Satz lässt Kleiber hier etwas schneller spielen als früher. Die Rundfunkaufnahme zeichnet sich durch eine gute Balance und hinreichende Transparenz aus.

 

 

George Szell

 

 

Zwei Studio-Produktionen der Es-Dur-Sinfonie mit Szell am Pult seines Cleveland Orchesters stehen zur Verfügung. Die erste wurde 1947 aufgenommen und ist vielleicht nur noch älteren Musikfreunden bekannt. Das Musizieren hinterlässt einen nüchternen, konzentrierten, disziplinierten und objektiven Eindruck, die Musik klingt immer ausgewogen. Das Finale wird sehr schnell gespielt. Die 1960 entstandene Stereo-Einspielung hinterlässt vordergründig einen ähnlichen Eindruck, Szell hat jedoch alle Sätze neu durchgearbeitet und hinterlässt nun einen vertieften Eindruck. So wird die innere Dramatik der langsamen Einleitung herausgearbeitet, die früher übersehen wurde. Ein stampfendes Menuett wird einem schwebenden Trio gegenübergestellt. Am meisten erfreut jetzt aber ein farbigeres Klangbild. Für die ersten beiden Sätze nimmt sich Szell nun mehr Zeit, etwas weniger jedoch für die beiden letzten.

 

 

Karl Böhm

 

 

Im Abstand von zehn bis zwölf Jahren erschien in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts jeweils eine Neuaufnahme der Es-Dur-Sinfonie mit Karl Böhm auf LP, mit dabei waren das Concertgebouw Orchester, die Berliner sowie die Wiener Philharmoniker. Der Dirigent bemühte sich zeitlebens um eine korrekte Umsetzung der jeweiligen Partitur, um immer deutliche Artikulation, feste Tempi und einen ausgeglichenen Klang inklusive Balance und Transparenz. Das lässt seine Plattenaufnahmen als richtig musiziert erscheinen, objektiv, mehr kontrolliert als emotional beteiligt, was sich bei allen drei Aufnahmen von KV 543 belegen lässt. Die Unterschiede liegen hier vorwiegend in den Tempi, die mit zunehmendem Alter etwas langsamer werden, sowie im Klang. In allen drei Aufnahmen überrascht die im Vergleich geringere Spannung in der langsamen Einleitung. Überraschend auch die geringere Transparenz der Holzbläsertakte im Andante in der Berliner Aufnahme, da bietet die frühere Philips-Aufnahme mehr. In Berlin kommen die Pauken etwas besser heraus, insgesamt ist der Klang hier jedoch weniger schlank. Das verstärkt sich noch in der letzten Produktion aus Wien, in der die Einleitung wie aufgedunsen klingt, in den Tutti-Abschnitten hätte man sich eine bessere Transparenz gewünscht. Insgesamt kommt diese Platte über eine gepflegte Routine nicht hinaus.

 

 

Josef Krips

 

 

Zu Beginn der LP-Zeit Anfang der 1950er Jahre durfte Krips einige Mozart-Sinfonien für die englische Decca einspielen, u. a. auch die Es-Dur-Sinfonie. Der langsamen Einleitung fehlt es etwas an Spannung, im Hauptteil jedoch geht die Musik zielstrebig nach vorn. Krips versucht alle Facetten der Partitur zu beleuchten. Das spürt man auch im Andante, das er etwas getragen nimmt. Sinn für Proportionen zeigt er beim Menuett samt Trio, sowie im Finale, das ein aufmerksames Dirigat zeigt. Die Tempi untereinander sind stimmig. Etwa zwanzig Jahre später kam eine Neuaufnahme für Philips, als er mit dem Amsterdamer Concertgebouw Orchester alle Mozart-Sinfonien ab KV 162 einspielte. Die Neuaufnahme schließt in der Werkauffassung an die frühere an, unter ziemlicher Beibehaltung der damaligen Tempi. Im Andante werden die fünfstimmigen Bläserstellen jetzt deutlicher abgebildet. Insgesamt erfreut das farbige Klangbild mit mehr Tiefe und Breite. Das Finale besticht durch eine sehr gute Balance sowie ein abwechslungsreiches Agieren der einzelnen Orchestergruppen. Die Streicher erfreuen mit mehr Feinschliff, das gesamte Orchester mit einer verbesserten Klangkultur gegenüber der ersten Aufnahme.

 

 

Herbert von Karajan

 

 

In einem Zeitraum von 26 Jahren entstanden vier Studio-Aufnahmen von Mozarts 39. Sinfonie mit Karajan am Pult. Die erste wurde 1949 in Wien von EMI eingespielt, und zunächst auf Schellackplatten vertrieben. In der Einleitung des Kopfsatzes achtet Karajan auf genaue rhythmische Darstellung, auch in den späteren Aufnahmen. Leider bleiben die Flöten zu leise. Der Hauptsatz wird straff und temperamentvoll gespielt, klingt aber auch etwas motorisch und sachlich, wobei die Geigen den Ton angeben. Im Andante gelingt dem Maestro ein feinfühliger Umgang mit der Musik, eine gewisse Distanz lässt sich jedoch nicht überhören. Ein vehement gespieltes Menuett wechselt sich mit einem farbig modellierten Trio ab. Schwungvoll, aber etwas abgespult klingend, geht das Finale und damit die Sinfonie zu Ende. Die Aufnahme klingt noch kompakt und im p-Bereich wenig differenziert.

Sechs Jahre später, Karajan war damals bereits Chefdirigent des Londoner Philharmonia Orchesters, erfolgte seine zweite Aufnahme der Es-Dur-Sinfonie, jetzt mit diesem Orchester. Interpretatorisch kann man wenig Neues entdecken, Die Flöten klingen jetzt deutlicher, aber im Menuett herrscht Routine, auch das Finale klingt aufgrund des großbesetzten Orchesters weniger flexibel. Nach ein paar Monaten treten Karajan und das Philharmonia Orchester im Jänner 1956 mit dieser Sinfonie bei der Salzburger Mozart-Woche auf, mit von der Partie war auch Clara Haskil, die Mozarts d-Moll-Klavierkonzert spielte. Der relativ gut klingende Mitschnitt ist erhalten und wurde vom Veranstalter sowie später von Archipel auf CD herausgebracht. Hier ist m. E. Karajans beste Interpretation festgehalten, mit einem geschmeidig klingenden Orchester, das klanglich gut ausbalanciert ist, Menuett und Trio (klangliche Abstufungen) werden gut gegenübergestellt. Ein Wermutstropfen jedoch ist das Allegro assai heruntergespielte Finale, das die Musik überfährt.

Nach Karajans Wechsel von der DGG zurück zur EMI wurden viele Werke seines ohnehin auf Platte festgehaltenen Repertoires erneut eingespielt, über die Notwendigkeit soll hier nicht diskutiert werden. Karajan selbst wies immer auf technische Verbesserungen bei der Aufnahme hin, die seine Werkauffassung besser transformierten. Dazu trat noch ein ästhetisches Moment, dass jedes Stück so schön wie möglich klingen sollte. Damit gingen jedoch Eingriffe in die Struktur der Musik einher, die nicht immer einleuchteten. Im Falle der Es-Dur-Sinfonie: Die Geigen sind an der Flöten-Stelle jetzt fast unhörbar, es klingt gekünstelt und bei den vielen Tutti-Abschnitten muss man statt eines transparenten Musizierens jetzt mit Klangbrei vorliebnehmen. Das setzt sich in den folgenden Sätzen fort, auch die Moll-Abschnitte im Andante müssen die Streicher nun funkeln. Karajan muss später gemerkt haben, dass diese Art des Musizierens nicht Mozart-gemäß war und nur fünf Jahre danach erfolgte, jetzt wieder bei der DGG, eine weitere Aufnahme. Hier steht klanglich alles unter dem Primat der Streicher, der runde Klang hat jetzt etwas mehr Transparenz, besitzt jedoch auch eine gewisse Glätte. Der Dirigent lässt von seinen Berliner Musikern die Noten spielen, ohne die Musik zu entdecken.

 

 

Rudolf Kempe

 

 

Kempes Aufnahme entstand im Jahre 1956 mit dem Royal Philharmonic Orchestra, dessen Chefdirigent er nach Beechams Tod 1962 wurde. Kempe stellt sich hinter die Partitur, lässt unaufgeregt, jedoch sehr eindringlich musizieren, es klingt wie selbstverständlich. Eine klare Artikulation, stimmige Tempi, rhythmische Präzision sowie ein schlankes Klangbild mit guter Balance und Transparenz sind Merkmale nicht nur dieser erfreulichen Aufnahme. Im oben erwähnten Jahr 1962 besuchten die Berliner Philharmoniker die Salzburger Festspiele und beherrschten mit fünf Konzerten die Festspielszene. Beim letzten, das Orfeo veröffentlicht hat, stand Rudolf Kempe am Pult, den Abschluss bildete Mozarts Es-Dur-Sinfonie. Die Aufnahme hinterlässt einen guten Eindruck, im ersten Satz besitzt sie noch etwas mehr Dramatik als früher; im Trio lässt der Dirigent bei den jeweiligen Wiederholungen die zweite etwas leiser spielen, was gewiss auch in Mozarts Sinn war. Leider ist das Klangbild insgesamt kompakt, also weniger transparent, besonders in den Tutti-Passagen. Auch die Lautstärke-Differenzierung im p-Bereich entspricht nicht unbedingt Mozarts Absicht.

 

 

Herbert Blomstedt

 

 

Wenige Jahre nach der Aufnahme der neun Beethoven-Sinfonien mit der Staatskapelle Dresden spielte Herbert Blomstedt auch die vier letzten Sinfonien von Mozart ein, in einer Zusammenarbeit von VEB Deutsche Schallplatten (Eterna) sowie dem japanischen Denon-Konzern, der zu dieser Zeit in Europa unterschiedliche Ensembles, Solisten und Dirigenten verpflichtete. Blomstedts Dresdner Es-Dur-Sinfonie kann man insgesamt als gelungen bezeichnen, in die Spitzengruppe stößt sie jedoch nicht vor. Das liegt weniger an seinem vielschichten und facettenreichen Musizieren, den m. E. richtigen Tempi, da kann Blomstedt punkten, sondern am Klang der CD. Blomstedt gelingt mit seinem Orchester ein farbiges Klangbild, hier wird jedoch nicht mit Öl, sondern mit Pastellfarben gemalt, darunter leidet etwas auch die Präsenz, das ist schade.

Wenige Wochen vor Weihnachten 2019 gastierte Blomstedt beim Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks und führte auch diese Sinfonie auf. Ich habe sie am Radio mitgehört und gleichzeitig aufgenommen. Der 92-Jährige ist mit dem Herzen bei der Musik und lässt den Kopfsatz locker, mit einer erstaunlichen Frische musizieren. Der langsame Satz besitzt jetzt viel mehr Farbe als vorher. Heiter und mit entschiedenem Zugriff endet diese denkwürdige Aufführung, über der ein Schimmer von Abendsonne leuchtet. Zuletzt sei noch angemerkt, dass nun der Pauke ein höherer Stellenwert zugeordnet wird. Blomstedt ist auch im hohen Alter noch für das Ergründen und die Umsetzung einer stilgerechten Aufführung offen. Vermutlich wird der Bayerische Rundfunk über kurz oder lang eine CD-Veröffentlichung dieses Konzerts herausbringen, wie bereits bei den Sinfonien KV 550 und KV 551 geschehen.

 

 

Colin Davis

 

 

Die erste Aufnahme von Mozarts Es-Dur-Sinfonie mit Colin Davis entstand 1959 in London mit einem ad-hoc-Orchester. Es war noch nicht lange her, dass Davis als Musiker die Fronten gewechselt hatte: vom Klarinettenpult im Orchester zum Dirigentenpult davor. Man merkt es den drei Aufnahmen dieser Sinfonie mit Davis schon an, dass hier jemand dirigiert, der zu den Klarinetten mit ihrem warmen Klang in besonderer Beziehung steht. Die Flöten dagegen bleiben in der Einleitung, übrigens in allen drei Interpretationen, etwas im Hintergrund. Der Kopfsatz dieser ersten Einspielung von Nr. 39 wird festlich, aber entspannt musiziert. Im Andante lässt sich Davis Zeit, die Musik kann atmen. Auch die restlichen Sätze erfahren hier eine ziemlich gute Wiedergabe. Ein angenehmer Klang rundet diese Aufnahme ab. Zu Beginn der 1980er Jahre begann der holländische Philipskonzern in Zusammenarbeit mit VEB Deutsche Schallplatten eine Aufnahmeserie der wesentlichen Mozart-Sinfonien mit der Staatskapelle Dresden unter Leitung von Colin Davis. Die Es-Dur-Sinfonie stand am Anfang dieses Projektes. Die Werkauffassung des Dirigenten hat sich nach mehr als 20 Jahren wenig geändert. Das Orchester ist jetzt bei den Streichern größer besetzt, das hört man dem volleren Bassbereich deutlich an, z. B. in den Moll-Abschnitten im Andante. Insgesamt sind noch mehr Farbe sowie eine höhere Transparenz hinzugekommen. Das Menuett wird etwas fest musiziert, im Trio erfreuen die farbigen Bläserstimmen, vor allem der Klarinetten. Die dritte Aufnahme wurde in Zusammenarbeit mit dem Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks erarbeitet, dessen Chefdirigent Colin Davis nach Rafael Kubelik wurde und auf einer hauseigenen CD („50 Jahre Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks“) herausgegeben. Interpretatorische Unterschiede zu Dresden sind nicht auszumachen. Leider lässt Davis noch breiter musizieren, das klingt mir zu großformatig und philharmonisch. Das Publikum bleibt erfreulich mucksmäuschenstill.

 

 

Nikolaus Harnoncourt

 

 

Dreimal hat sich Harnoncourt Mozarts letzten Sinfonien auf Tonträgern gewidmet. Nach seinen zahlreichen Einspielungen mit Musik der Barockzeit mit seinem Concentus Musicus wandte er sich Mozart zu, diesmal jedoch mit dem auf modernen Instrumenten spielenden Amsterdamer Concertgebouw Orchester. Bei ihrem Erscheinen erregten die gut klingenden Teldec-Platten große Aufmerksamkeit, wenn auch nicht immer höchste Zustimmung. In den vielen lauten Tutti-Partien bringt Harnoncourt die Musik ziemlich blechbewehrt, das klingt so, als müssten die Trompeten bei jedem f-Ton „ich“ schreien, das klingt übertrieben und in ihrer Penetranz verkrampft und auch anstrengend. Die Einleitung zum Kopfsatz kommt pompös daher, der Hauptteil langsamer als gewohnt. Im Andante überrascht ein schwergewichtig genommener Mittelteil voller Dramatik. Das Menuett kontrastiert mit seinem Allegro-Tempo (Mozart: Andante) gut zum langsameren Trio, in dem die Streicher ihrer Begleittöne nur anzureißen scheinen. Das Finale erinnert im musikalischen Gestus an den Kopfsatz. Auf der Neuaufnahme mit dem kleiner besetzten Chamber Orchestra of Europe klingt Mozarts Musik entkrampfter, jetzt mehr nach HIP-Mainstream, auch ist das Klangbild weniger strahlend, die Trompeten müssen ohne ihre frühere Signalwirkung auskommen. Als Neuerung lässt der Dirigent jetzt auch die Wiederholungen im Menuett nach dem Trio spielen. In seiner letzten Aufnahme kehrt Harnoncourt zu seinem Ursprung mit dem Concentus Musicus zurück, der aber nun in größerer Streicherbesetzung spielt. Die Musik klingt nun wieder geschärfter, jedoch nicht so flexibel wie mit dem COE. Das Menuett wird jetzt herunter gerast, mit allen Wiederholungen. Nach dem Schlussakkord des vierten Satzes folgt unmittelbar die g-Moll-Sinfonie.

 

 

Charles Mackerras

 

 

Ende der 1980er-Jahre spielte Mackerras mit dem Prager Kammerorchester sämtliche Mozart-Sinfonien für das amerikanische Label Telarc ein, Mozart gewissermaßen von der Stange. Bei mir hinterließen die bekannteren Sinfonien den Eindruck, als sei hier noch nicht das letzte Wort gesprochen. Der erste Satz von KV 543 klingt gewichtig, geradlinig, aber auch etwas oberflächlich glatt. Menuett und Trio ziehen sehr bewegt vorüber, noch schneller, mit ansteckender Spielfreude, straff, aber auch hier etwas glatt der Finalsatz. Am besten gefällt mir das Andante. Fast 30 Jahre später bringt das Label Linn eine Neuausgabe der vier letzten Sinfonien heraus, diesmal dirigiert Mackerras das ihn vertraute Scottish Chamber Orchestra, das sich der historisch-informierten Aufführungspraxis verschrieben hat. Zusammen mit dem Dirigenten dringen die Musiker jetzt mehr in Mozarts Musik ein. Es wird mit mehr Stilbewusstsein, einer erhöhten Inspiration und einem besseren Klangfarbenpotential gearbeitet. Auch steht die Artikulation auf höherem Niveau. Eine bessere Balance und Transparenz rundet den positiven Eindruck ab.

 

 

Frans Brüggen

 

 

Es kommt eher selten vor, dass die zweite Aufnahme die vorige übertrifft, bei Brüggen ist es jedoch so. Die ältere Philips-Aufnahme, jetzt Decca, übermittelt bei mir vor allem im Kopfsatz den Eindruck des Suchenden: Nach den Tutti-Akkorden in den Takten 1, 3 und 5 erfolgt immer ein Spannungsabfall, die fallenden Sechzehntel-Skalen in den Violinen klingen wie  verwischt, das hat etwas Unfertiges. Im zweiten Satz werden die abschließenden Achtel als Ziel der Aufwärtsbewegung etwas verlangsamt (T. 22 f. und T. 26 f.), mehr als in den Takten davor. Der Eindruck des Experimentellen verliert sich in der Zweitaufnahme bei Glossa, man kann in ihr eine Weiterentwicklung erkennen: In der Einleitung zum ersten Satz verbreitet das Blech mehr festliche Stimmung, in den wenigen Takten herrscht auch mehr Spannung. Die Musik des Hauptteils trägt überwiegend männlichen Charakter, die Artikulation ist präziser und das Klangbild farbiger, mit etwas stärkeren Bässen. Im Trio wird der erste Abschnitt bei der Wiederholung leiser, im zweiten bringt die Klarinette eine Verziehrung. Das Finale besitzt jetzt mehr Dramatik als früher.

 

Zum Schluss noch einen herzlichen Dank an Freunde des Klassik-Prismas, die mit der Bereitstellung weiterer Aufnahmen diese Webseite noch erweitert, und damit zusätzliche Informationen für den Leser bereitgestellt haben.

 

 

eingestellt 2005

 

ergänzt sowie neu bearbeitet am 19.03.20

 

 

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