Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Richard Strauss

1.   Hornkonzert Es-Dur op. 11

Originaltitel: Waldhornkonzert Es-Dur op. 11

 

Allegro – Andante - Allegro

 

Richard Strauss hat uns zwei Hornkonzerte hinterlassen. Sein Vater Franz war erster Solohornist im Orchester der Münchner Hofoper und wirkte auf Grund seiner Stellung bei der Uraufführung von Wagners Walküre, Rheingold und Tristan und Isolde mit, obwohl er kein Freund Wagnerscher Musik war. Hornklänge waren präsent in der Wohnung der Straussens in München und gleichzeitig auch eine Inspirationsquelle für seinen Sohn Richard. So verwundert es nicht, dass der Filius mit 18 Jahren ein Hornkonzert konzipierte und es im Klavierauszug mit dem Vater durchspielte. Dieser fand kein Gefallen und fand es als besonders schwierig. Richard verstand den Vorbehalt und widmete es nicht seinem Vater, sondern einem anderen Virtuosen, dem königlich sächsischen Kammermusiker Oskar Franz in der Hofkapelle Dresden. Die Uraufführung besorgte allerdings Gustav Leinhos, erster Hornist der Sachsen-Meininger Hofkapelle, am Dirigentenpult stand kein Geringerer als Hans von Bülow, der den jungen Strauss als stellvertretender Musikdirektor nach Meiningen verpflichtet hatte. Dieser war mit den Fähigkeiten von Gustav Leinhos vertraut und konnte sich auf ihn verlassen.

 

Das Konzert beginnt mit einer Fanfare des Soloinstruments in punktiertem Rhythmus. Das Orchester übernimmt sogleich das Thema alla marcia, es gemahnt an Carl Maria von Weber‘ sche Themen. Der folgende Auftritt des Horns ist eine langgezogene Kantilene mit dezenter Begleitung der Streicher. Horn, mit zunehmenden technischen Anforderungen, und Orchester führen den Satz im Wechselspiel zu Ende. Auch im Mittelsatz, formal einer dreiteiligen Liedform verpflichtet, darf sich das Horn fast ununterbrochen mit sanften Melodien in die Ohren der Hörerschaft einschmeicheln. Bei Partiturziffer F tritt es in Dialog mit der Klarinette, unmittelbar anschließend auch mit dem Fagott. Leider übersehen einige Dirigenten diese anmutige Musik. Der dritte Satz knüpft an den ersten an. Nach einer kurzen Orchester-Einleitung setzt das Horn mit einem Rondo-Thema ein, es wird durchgehend vom Orchester begleitet. Etwa in der Mitte des Satzes, bei Partiturziffer N, erinnert der Komponist noch einmal, pp in Horn und Streichern, an das Thema des Kopfsatzes. Con bravura, hier ist hauptsächlich der Hornist gefordert, endet das Konzert.

 

Der deutsche Hornist Hermann Baumann schreibt im Booklet seiner Aufnahme mit dem Gewandhausorchester: Strauss‘ 1. Hornkonzert ist der genialische Wurf eines jungen Mannes, dem Horn auf den Leib geschrieben. So wünscht man es zu hören.

 

Das sowohl technische als auch musikalische Niveau ist bei fast allen der folgenden Aufnahmen auf einem erfreulich hohen Stand. Neuaufnahmen aus jüngster Zeit sind jedoch selten.

 

 

5

Myron Bloom

George Szell

Cleveland Orchestra

Epic                  Sony

1961

14‘48

 

 

Horn mit viel Präsenz, II immer sehr deutliches Musizieren, sowohl Solist als auch Orchester, III sehr bewegt – transparentes Klangbild

 

 

5

Hermann Baumann

Günter Wand

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

hänssler

1975

15‘17

 

 

live, ▼

 

 

   

 

4-5

Peter Damm

Rudolf Kempe

Staatskapelle Dresden

Eterna            EMI

1975

17’02

 

 

schlanker Hornklang, voluminöses Orchester, bestes Miteinander, II Horn überwiegend weiche Tongebung, flexibles Tempo, III Solist immer souverän

 

 

4-5

Dennis Brain

Wolfgang Sawallisch

Philharmonia Orchestra London

EMI

1956

15‘09

 

 

 

4-5

Dennis Brain

Alceo Galliera

Philharmonia Orchestra London

EMI

1947

15‘01

 

 

 

4-5

Dale Clevenger

Daniel Barenboim

Chicago Symphony Orchestra

Teldec

P 2001

16‘50

 

 

I zu Beginn großer Auftritt des Solisten, Orchester in allen Sätzen leider etwas pauschal, II Dynamik kaum differenziert, III sehr lebendig

 

 

4-5

Marie Luise Neunecker

Ingo Metzmacher

Bamberger Symphoniker

EMI

1995

15‘30

 

 

I zu Beginn großer Auftritt: „Hört her!“, weiches 2. Th., II Horn fast immer im Vordergrund, bei Ziffer G Holzbläser zurück, III frisch, sehr lebendig

 

 

4-5

Lars Michael Stransky

André Previn

Wiener Philharmoniker

DGG

1996

16‘00

 

 

Horn immer vorn, in großen Bögen, zu Beginn prachtentfaltender Orchesterklang, gute Balance und Transparenz, III nichts überstürzen

 

 

4-5

Hermann Baumann

Kurt Masur

Gewandhausorchester Leipzig

Philips

1983

16‘12

 

 

 

4-5

Radovan Vlatkovic

Jeffrey Tate

English Chamber Orchester

EMI

1988

16‘12

 

 

insgesamt sehr hohes Niveau, sowohl beim Solisten als auch beim English Chamber Orchestra, hier und da wünschte ich mir etwas mehr an Esprit, mein Favorit ist der Mittelsatz

 

 

4-5

Martin Owen

John Wilson

BBC Philharmonic Orchestra

Chandos

P 2023

15‘19

 

 

geschmeidiges Musizieren, Musik auf der sonnigen Seite, gute Balance und Transparenz, in den Ecksätzen immer lebendig, sowohl beim Solisten als auch beim Orchester wünschte man sich etwas mehr Feinschliff

 

 

4-5

Jack Meredith

Ferdinand Leitner

Symphonie-Orchester des Bayrischen Rundfunks

Orfeo

1972

15‘54

 

 

live-Mitschnitt BR, I solide, Orchester mehr legato als bei anderen Aufnahmen, überzeugender Solist, II deutliches Musizieren, bewegtes Tempo, III jetzt Orchester laut und weniger beweglich, nach Ziffer N jedoch schneller

 

 

4-5

Barry Tuckwell

Istvan Kertesz

London Symphony Orchestra

Decca

1966

15‘27

 

 

I solide, zu Beginn Orchester etwas träge, II nach Ziffer E Melodie der Klarinette zerbröckelt, Fagott anschließend kaum zu hören, überzeugendes Zusammenspiel bei Ziffer G, III überzeugt am meisten

 

 

   

 

 

  4

Dennis Brain

Hans Schmidt-Isserstedt

NDR Sinfonie-Orchester Hamburg

Rundfunk-Mitschnitt

 

15‘10

 

 

 

live, ▼

 

 

4

Andrew Joy

Wolf-Dieter Hauschild

Kölner Rundfunk Sinfonie-Orchester

Capriccio

1991

16‘27

 

 

 

Balance zwischen Horn und Orchester zuungunsten des Orchesters verschoben, solides Musizieren, II mehr Neben- als Miteinander, Fagott T. 9 nach Ziffer F nicht zu hören, III Solist überzeugt, Klang insgesamt etwas blass, man wünschte sich mehr Farbe

 

 

 

4

Zdenĕk Tylšar

Jiří Behlohlȧvek

Prager Symphonie- Orchester

Supraphon

1979

15‘29

 

 

 

zwiespältiger Eindruck: Solist und Orchester mehr neben- als miteinander, vom Horn wünschte man sich mehr Glanz, das Instrument wird teilweise auch vom Orchester zugedeckt, II Horn mit Vibrato

 

 

 

4

Vitaly Buyanoysky

Jewgenij Mrawinsky

Leningrader Philharmonie

Russia      Melodya-BMG

1967

16‘04

 

 

 

live, I Horn immer vorn, Mrawinsky sorgt für transparenten Klang, Orchester klingt an vielen Stellen rau, am Satzende starkes Rit., II Horn mit Vibrato, III Orchester bei Tutti-Stellen mit viel Drive, jedoch etwas hemdsärmelich – Publikumsgeräusche

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  Hinweise auf Interpreten und Interpretationen:

 

Dennis Brain

 

Vom Können, der technischen Souveränität, der Makellosigkeit und Flexibilität seines Tons schwärmen auch heute noch, 68 Jahre nach seinem tragischen Unfalltod, viele Hornisten und Musikfreunde. Der britische Hornist galt und gilt bis heute als das große Vorbild seiner Zunft. Als Sohn des bekannten Hornisten Aubrey Brain, der viel mit Adolf Busch zusammenarbeitete, wundert es nicht, dass er bereits in früher Jugend mit dem Studium des Hornspiels begann, u. a. bei seinem Vater. Er machte schnell große Fortschritte und durfte an der Seite seines Vaters bei Konzerten der Busch-Chamber-Players mitwirken. Der Ruf des begabten Newcomers verbreitete sich schnell über die britischen Inseln hinaus auch auf dem europäischen Kontinent. Der einflussreiche Produzent Walter Legge verpflichtete ihn für das von ihm gegründete Philharmonia Orchestra. Mit diesem Klangkörper entstand im Jahre 1947 seine erste Aufnahme des 1. Hornkonzerts op.11 von Strauss in London. Wie damals bei Columbia üblich in Schellack-Technik. Am Pult stand der langjährige Begleiter Alceo Galliera. Brain überzeugt in den Ecksätzen mit großen Bögen. Auffallend ist sein leichter Ansatz und die lockere Tongebung. Das Orchester klingt jedoch etwas rau, möglicherweise ein Relikt der Aufnahme- und Wiedergabetechnik. Auch das Klangbild im 2. Satz ist nicht makellos, vor allem den Holzbläsern fehlt es an Präsenz. Das Finale jedoch überzeugt vollends: con brovoura ist bei Ziffer R bis zum Satzschluss angesagt. Elektrisierend, wie ein Feuerwerk, gelangen Solist und Orchester zum Ziel.

9 Jahre später wird Brain erneut ins Studio gebeten, um nun beide Hornkonzerte von Strauss aufzuzeichnen, wieder mit dem Philharmonia Orchester, das er zwischenzeitlich verlassen hatte, um in Thomas Beechams Royal Philharmonic Orchestra als 1. Hornist zu wirken. Jetzt stand der junge Wolfgang Sawallisch am Pult. Das Philharmonia Orchester spielt hier etwas fester als früher. Aber das Klarinetten-Solo im 2. Satz bei Ziffer F hört man nun deutlicher. Im Finale erreicht Brain die frühere Höhe nicht ganz. Das große Plus der Neuaufnahme ist jedoch das verbesserte Klangbild. Ob man als Hörer der 47er- oder der 56er-Aufnahme den Vorzug gibt, sollte man im direkten Vergleich herausfinden.

Erwähnt sei noch ein Konzertmitschnitt aus Hamburg mit dem dortigen Sinfonie-Orchester des NDR, am Pult der Gründer und langjährige Chefdirigent Hans Schmidt-Isserstedt. Hier wird solide, jedoch wenig aufregend musiziert. Das Klangbild bleibt hinter dem von Sawallisch zurück, die Klarinette im 2. Satz bei Ziffer F muss sich nicht verstecken.

 

Hermann Baumann

 

Baumanns musikalische Begabung wurde von seiner klavierspielenden Mutter entdeckt und gefördert, der Großvater war Organist. Er wurde vielseitig musikalisch gefördert: Klavier, Schlagzeug und Cello. Er machte Tanzmusik und leitete einen Männerchor, bis er mit 17 Jahren das für sein Leben bestimmende Waldhorn entdeckte und professionell ausgebildet wurde. Nach einem nur drei-semestrigen Studium konnte er eine Orchesterkarriere wagen, zunächst im städtischen Orchester Dortmund, danach als Solohornist beim SDR Sinfonie-Orchester Stuttgart. 1964 gewann er den ersten Preis beim ARD-Musikwettbewerb in der Sparte Waldhorn in München, das bedeutete den Beginn seiner internationalen Karriere. An der Folkwang-Hochschule in Essen übernahm er eine Professur. Ein schweizer Mäzen, der ihn im Konzert erlebt hatte, machte ihn auf das Naturhorn aufmerksam, von dem er viele gesammelt hatte und leihte ihm zwei aus, auf dem er, ohne Lehrer, das Spielen auf Naturhörnern erlernte. Nikolaus Harnoncourt nahm ihn in sein Concentus Musicus auf und war Partner für die Aufnahme der vier Mozart-Konzerte, gespielt auf dem Naturhorn.

Die Hornkonzerte von Strauss eignen sich jedoch nicht für ein Naturhorn. Hier sind zwei Aufnahmen gegenübergestellt: ein Konzertmitschnitt mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester unter Leitung von Günter Wand (1975) sowie eine Studio-Produktion aus Leipzig mit dem Gewandhausorchester unter Leitung von Kurt Masur (1983). Im großen Sendesaal des WDR pflegt Baumann ein eher lustbetontes Musizieren, lebendig, Strauss‘ Musik nimmt den Hörer gleich gefangen. Im Leipziger Studio ohne Publikum spielt man ausgeglichen und achtet auf eine sichere Darbietung, dafür braucht man auch etwas länger. Die Klarinetten-Melodie bei Ziffer F wünschte man sich etwas präsenter. Das große Plus dieser Aufnahme ist, dass man auch das späte, wenig gespielte 2. Hornkonzert, mit aufnahm.

 

eingestellt am 30.04.25

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