Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Peter Tschaikowsky

 

Violinkonzert D-Dur op. 35

 

Allegro moderato – Canzonetta, Andante – Allegro vivacissimo

 

Nach der unglücklichen Ehe mit seiner ehemaligen Schülerin Antonina Miljukova stürzte Tschaikowsky mit 37 Jahren in eine Midlife Crisis, von der er sich während einer Reise durch Europa zu erholen suchte. Er ließ sich endlich im Jahr 1878 im Schweizer Ort Clarens nieder und beschäftigte sich zunächst mit der Orchestrierung seiner 4. Sinfonie sowie seiner Oper Eugen Onegin. Mit Unterstützung eines ehemaligen Schülers des St. Petersburger Konservatoriums, Josef Kotek, der ihn besuchte, begann er mit der Komposition eines Violinkonzerts. Der Geiger Kotek, u.a. Schüler von Joseph Joachim, fungierte dabei als Ratgeber bei der Ausgestaltung des Soloparts, da Tschaikowsky kein praktizierender Geiger war. Die Arbeit ging schnell voran und nach drei Wochen waren die Skizzen abgeschlossen. Der Komponist und Kotek kamen nach dem Durchspielen zur Ansicht, dass der langsame Satz etwas schwach sei und durch eine Neukomposition ersetzt werden müsse. Heute ist er der erste Teil eines dreisätzigen Werks für Violine und Klavier namens Souvenir d’un lieu cher. Nach der endgültigen Fertigstellung wollte Tschaikowsky das Konzert Josef Kotek widmen, änderte jedoch seine Meinung und trug die Widmung dem bekannten St. Petersburger Violinprofessor Leopold Auer an, in der Hoffnung auf die Uraufführung mit Auer als Solisten. Der vielbeschäftigte Auer ging das Stück oberflächlich (?) durch, monierte danach jedoch die erheblichen technischen Schwierigkeiten der Violinstimme, z. B. die zahlreichen Doppelgriffpassagen, die schnellen Oktavketten und die verschachtelten Griffe. Er vertröstete den Komponisten, sich später noch einmal des Konzertes anzunehmen und Verbesserungen vorzuschlagen. In Geigerkreisen wurde daraufhin gemunkelt, das Konzert sei unspielbar. Auer revidierte später seine Meinung – nachdem das Konzert bereits im Druck erschienen war – und nahm es als Lehrstoff mit seinen Geigenschülern durch, allerdings in einer von ihm überarbeiteten Fassung mit etlichen Kürzungen, vor allem im 3. Satz, sie sind mittlerweile Standard geworden (siehe unten). In den letzten Jahren jedoch nehmen sich junge Virtuosen wie Tretjakow, Kremer, Kennedy, Sitkovetzky, Vengerov, Spivakov, Chung, Zimmermann, Suwanai und anderen wieder Tschaikowskys Original-Fassung an. Aber auch solche der älteren Generation bevorzugten die Originalfassung, wie Schneiderhan.     Ein Sonderfall ist Perlman, der in seiner Ersteinspielung die Originalfassung darbietet, beim live-Mitschnitt mit Mehta jedoch zur Auer-Fassung greift. Grumiaux kann sich bei seiner Erstaufnahme mit Haitink am Pult nicht ganz entscheiden: er greift zwar zur Originalfassung, streicht aber im Finale die Takte 424-431. In der späteren Einspielung mit Krenz bleibt er ganz bei Tschaikowsky.

 

Die Partitur des Konzerts gelangte über Umwegen schließlich in die Hände des Virtuosen Adolph Brodsky, der es – nach dreijähriger Verspätung – am 4. Dez. 1881 in Wien durch die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter zur Uraufführung brachte. Allerdings ging dem Konzert nur eine Probe voraus, so ist es kaum verwunderlich, wenn das Konzert durchfiel, vermutlich nicht nur beim Publikum und der Wiener Kritik, sondern auch bei den Orchestermusikern, denen die Zeit fehlte, sich in Ruhe auf das nicht einfache Stück entsprechend vorzubereiten. Der Wiener Kritiker-Papst Eduard Hanslick bemängelte nach der Uraufführung „die seltsame Kombination von erzwungener Originalität und Derbheit, von glücklichen Ideen und unglücklicher Affektiertheit …Die Geige wird nicht nur gespielt, sondern auseinandergerissen, grün und blau geschlagen“ und weiteres mehr. Tschaikowskys Violinkonzert konnte sich trotz der anfänglich negativen Kritiken seinen Platz im Konzertrepertoire erobern und ist aus den Konzertsälen und Aufnahmestudios nicht mehr wegzudenken.  

 

Tschaikowskys Violinkonzert steht in der Nachfolge derer von Paganini, in der der Solist den Ton angibt und immer präsent ist, dem Orchester bleiben da nur noch wenige Krumen.

 

Hinweise zu den Sätzen:

 

Der 1. Satz beginnt mit einer Orchester-Einleitung, in dem bereits das Hauptmotiv aus dem ersten Thema eine Rolle spielt. Nach einem knappen Rezitativ der Solo-Geige wird dieses vom Solisten vorgetragen, verarbeitet und in einer technisch anspruchsvolleren Fassung erneut dargeboten. Vom Orchester hört man es mehrmals, jedoch immer in derselben Instrumentation, als überaus glänzendes Tableau. Ansonsten tritt das Orchester eher als Zuarbeiter für den Solistin in Erscheinung.

 

In formaler Hinsicht könnte man von einem Sonatensatz sprechen, den der Komponist jedoch nach seinen Vorstellungen umformt. Das zweite Thema wird ab T. 69 ebenfalls von der Solo-Geige angestimmt, mit einer spärlichen Begleitung der Streicher, und anschließend fortgesponnen. Der Komponist vermerkt in der Partitur con molto espressivo, also: mit großem Ausdruck. Die meisten Interpreten übersetzen Tschaikowskys Vorstellung jedoch mit viel langsamer. Das eine schließt das andere nicht aus, ich denke aber, dass Ausdruck vor etwas verzögertem Tempo gemeint ist. Im Anschluss an das erste Tutti, immer zweimal im ff, schließt sich eine lange vierteilige Durchführung an (T. 141-210). Im ersten Teil kann man zur Ansicht gelangen, Tschaikowsky wandle auf den Spuren von Brahms, wenn er fortlaufend Halbtonschritte den Holzbläsern zuteilt, dabei aber die Musik auf der Stelle treten lässt und Langeweile einkehrt. Die Streicherbegleitung bringt keine Abwechslung und keine Lösung, der Solist pausiert. Hier ist die Kunst des Dirigenten gefragt, der mit geschickter Disposition und kluger Schattierung gegen den Gleichmut angehen kann. Kann es verwundern, wenn einige Dirigenten diese Takte überspringen (141-159)? Erst mit dem Eintritt der Solo-Violine wendet sich das Blatt. Mit einem Wechselspiel aus schnellen staccato-Läufen, Doppelgriffen und Akkorden zieht er beim Publikum alle Aufmerksamkeit auf seine Seite. Danach folgt wieder das pompöse Tutti, dem sich erneut die schon bekannte Halbton-Bewegung anschließt, jetzt jedoch kompromierter, schneller, und von Streichern und Bläsern ausgeführt (T. 195-204). Schon nach wenigen Takten erklimmt der Komponist mit einem Wechselspiel von drei aufeinander folgenden Sechzehntel-Halbtönen sowie jeweils vier Akkorden der Solo-Geige den Höhepunkt, der durch den Eintritt der exzentrischen Kadenz des Solisten markiert wird (T. 211). Die Kadenz, üblich vor dem Satzende platziert, wird hier ans Ende der Durchführung gesetzt. Damit rückt das technisch-virtuose Element deutlich in die Mitte des Satzes. Einige Virtuosen lassen es sich nicht nehmen, den Komponisten mit eigenen schwierigen Zutaten noch zu übertreffen. Nachdem alle geigerischen Hexenkünste ausgereizt sind, intoniert die Flöte sanft und versöhnlich den Beginn des 1. Themas und läutet damit die Reprise ein. Schon nach wenigen Takten wird sie vom Solisten abgelöst, der nach seinen Vorstellungen fortfährt. Bis zum Satzende läuft die Musik nun in schon bekannten Bahnen.

 

Am Beginn des 2. Satzes, der Canzonetta, steht eine zwölftaktige Einleitung der Bläser, bis der Solist mehrfach nacheinander mit einer einschmeichelnden Melodie einsetzt. Beim letzten Einsatz (T. 77) verlegen David Oistrach, Jascha Heifetz, Zino Francescatti, Leonid Kogan, Tibor Varga, Christian Ferras, Itzhak Perlman-Mehta und Uto Ughi entgegen der Partitur die Melodie eine Oktave höher, das klingt wie selbstverständlich, ohne dass der Hörer die Änderung sofort erkennt. Bereits einige Takte zuvor (T. 77/78), verfuhren Jascha Heifetz, Gerhard Taschner, Leonid Kogan, Salvatore Accardo, Uto Ughi, Chen und Radulovic in ähnlicher Weise. Die schon bekannte Einleitung fungiert ab T. 96 auch als Satzende und gleichzeitig als Überleitung zum Finale. Einigen Dirigenten geht es hier nicht schnell genug und geraten dabei metrisch ins Schwimmen. Erwähnt werden muss noch, dass Tschaikowsky für den Solisten in diesem Satz den Gebrauch des Dämpfers wünscht, wie auch bei den restlichen Streichern. Nur wenige Solisten halten dies für eine Vorschrift.

 

Im 3. Satz werden drei Themen abwechselnd behandelt, das erste tänzerisch, exaltiert in rasendem Tempo. Ihm folgt ein zweites mit der Tempoüberschrift poco meno mosso, also etwas weniger bewegt, das bedeutet jedoch nicht langsam, wie man es oft hört. Nach Meinung etlicher Musikologen soll das Thema einer Zigeunermelodie nachempfunden sein. Nach einem kurzen Intermezzo im Anfangstempo erreicht das 3. Thema mit der Tempoüberschrift molto meno mosso, noch etwas langsamer, Ausführende und Zuhörer. Nicht sehr langsam, eher melancholisch stelle ich mir das Zwiegespräch zwischen Oboe und Klarinette, sowie Oboe und Fagott vor, ehe sich der Solist wieder einmischt. Die Reihenfolge der drei Themen wird wiederholt, vor dem erneuten Beginn des 3. Themas begleitet der Solist einen Holzbläser-Einschub von 7 Takten im Flageolett. Die meisten Geigerinnen und Geiger nehmen dies zum Anlass, das Tempo deutlich zu drosseln, wozu der Komponist keinen Hinweis gibt. Nur wenige bleiben im vorherigen Tempo: Heifetz, Kremer, Repin-Gergiev, Vengerov und Tetzlaff, etwas langsamer spielen Kogan und Ehnes.

 

Nun ist es höchste Zeit auf die Fassung von Leopold Auer zu sprechen zu kommen, die von den meisten Interpreten genutzt wird. M. W. beziehen sich Auers Kürzungen nur auf den 3. Satz, im Bereich des 1. Themas strafft er den Ablauf, indem meist mehrmalige Wiederholungen ausgelassen werden, es handelt sich um die Takte 69-80, danach 259-270 sowie 476-487. In der Fortspinnung des 1. Themas von T. 295-312 sollen die Takte 300-307 wegfallen, was im Laufe der musikalischen Entwicklung nicht ganz logisch erscheint. Die letzte Kürzung betrifft die zugegeben etwas langatmige und wenig inspirierte Solostelle nach den Bläserdialogen beim 3. Thema, wenn es zum zweiten Mal erscheint, es handelt sich hier um die Takte 424-431. Ob der schon oben erwähnte Strich in der Durchführung des 1. Satzes sowie die Änderung in den Takten 456-459 (Finale) in der Solovioline auch auf Auer zurückgehen, entzieht sich meiner Kenntnis.

 

 

5

David Oistrach

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS       Sony

1961

34‘58

 

 

 

 

 

5

David Oistrach

Kyrill Kondraschin

Staatliches Sinfonie-Orchester der UdSSR

Melodya       Eurodisc

1957

35‘13

 

 

 

 

 

5

David Oistrach

Stanislaw Skrowaczewski

National- Philharmonie Warschau

Archipel

1957

34‘04

 

 

 

live,

 

 

5

Bronislaw Huberman

William Steinberg

Staatskapelle Berlin

Columbia      EMI

1929

28‘01

 

 

 

 

 

5

Bronislaw Huberman

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

M&A

1946

27‘34

 

 

 

live,

 

 

5

Nathan Milstein

Frederick Stock

Chicago Symphony Orchestra

Columbia     Naxos

1940

29‘59

 

 

 

 

 

5

Nathan Milstein

William Steinberg

Pittsburgh Symphony Orchestra

Capitol     EMI

1959

32‘22

 

 

 

 

 

5

Nathan Milstein

Claudio Abbado

Wiener Philharmoniker

DGG

1972

32‘08

 

 

 

 

 

5

Janine Jansen

Daniel Harding

Mahler Chamber Orchestra

Decca

2007

36‘03

 

 

 

nach Tsch. Partitur, sehr sauberes und deutliches Musizieren, gewichtig und ernsthaft, jedoch nicht schleppend, abwechslungs- und ideenreiche Gestaltung des Soloparts, I in der Durchführung spürt man die Durststrecke T. 141 ff, III T. 376-387 Ausflug in die Puszta, die oft gestrichenen Takte 478-487 fasst Jansen als Herausforderung auf – sehr gutes Miteinander, sehr gute Balance und Transparenz

 

 

5

Ida Haendel

Hans Müller-Kray

SDR Symphonie-Orchester Stuttgart

hännsler

1960

33‘15

 

 

 

live,

 

 

5

Isaac Stern

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS    Sony

1958

33‘00

 

 

 

 

 

5

Jascha Heifetz

Fritz Reiner

Chicago Symphony Orchestra

RCA

1957

29‘05

 

 

 

 

 

5

Gidon Kremer

Lorin Maazel

Berliner Philharmoniker

DGG

1979

33‘30

 

 

 

Kremer mit viel Leidenschaft, immer profiliertes Spiel, tragfähige Spannungsbögen, I Maazel achtet im ersten Teil der Durchführung auf farbiges Spiel, II auch hier sehr farbiges Klangbild, III selbstverständliche Perfektion, straffe Ausführung, furioses Finale

 

 

5

Leonid Kogan

Constantin Silvestri

Conservatoire Orchester Paris

EMI

1959

33‘29

 

 

 

 

 

5

Leonid Kogan

André Vandernoot

Conservatoire Orchester Paris

EMI

1956

32‘49

 

 

 

 

 

5

Itzhak Perlman

Zubin Mehta

Israel Philharmonic Orchestra

EMI

P 1990

34‘12

 

 

 

live,

 

 

5

Pinchas Zukerman

Rafael Kubelik

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

audite

1969

35‘26

 

 

 

live, nach dem Münchner Konzert, in dem der 21Jährige Zukerman als Einspringer für den erkrankten Nathan Milstein auftrat, war man sich dort einig, dass man eine Sternstunde erlebt hatte. Der Orchester-Manager Erich Mauermann bemerkte „Zukerman faszinierte durch eine souveräne, fast lässige Spieltechnik, mehr noch durch seine umwerfende Musikalität … Den oft halsbrecherischen virtuosen Herausforderungen wich er nie aus, er attackierte sie mit draufgängerischer Abenteuerlust.“ In der Süddeutschen Zeitung vom 25. April war von Joachim Kaiser zu lesen: „Der junge Künstler spielte … mit einer Süße des Tons und einer noblen, ruhigen Beseeltheit des Ausdrucks, wie man es schöner und interessanter selbst von dem russischen Meistergeiger David Oistrach noch auch von Henryk Szeryng gehört hat.“ (Zitate aus dem Booklet). Diese Statements stehen für sich. Ich möchte noch darauf aufmerksam machen, dass Zukerman – wie von Tschaikowsky gewünscht – in der Canzonetta con sordino, also mit Dämpfer spielt, das wird selten ausgeführt. Zusammen mit den ebenfalls gedämpften Streichern klingt die Musik, hier als spielte sie hinter einem Schleier. Zu erwähnen sei noch das gebannt lauschende Publikum.

 

 

5

Akiko Suwanai

Dimitri Kitajenko

Moskauer Philharmoniker

Teldec

1990

35‘36

 

 

 

live,

 

 

5

Akiko Suwanai

Vladimir Ashkenazy

Tschechische Philharmonie Prag

Decca

2001

35‘34

 

 

 

 

 

5

James Ehnes

Vladimir Ashkenazy

Sydney Symphony Orchestra

Onyx

2011

34‘24

 

 

 

nach Tsch. Partitur, I vorwärtsdrängend, aber auch mit einer gewissen Portion Charme, Ehnes oft mit viel Bogendruck, erster Abschnitt der Durchführung (T. 141-159) zwar korrekt, jedoch etwas trocken, gute Partnerschaft, II Solist spielt hier con sordino, Musik nicht erstarrt, wie so oft, III tänzerisch, mit viel Schwung, teilweise etwas hektisch, herber Geigenton – schönes offenes Klangbild, sehr gute Transparenz und Balance

 

 

 

   

 

 

4-5

David Oistrach

Franz Konwitschny

Sächsische Staatskapelle Dresden

Eterna    DGG

1954

35‘22

 

 

 

 

 

4-5

David Oistrach

Gennadi Roshdestvenski

Moskauer Philharmoniker

Melodya    Brilliant

1968

34‘06

 

 

 

live,

 

 

4-5

Jascha Heifetz

Walter Süsskind

Philharmonia Orchestra London

EMI    RCA

1950

31‘03

 

 

 

 

 

4-5

Jascha Heifetz

John Barbirolli

London Philharmonic Orchestra

EMI    RCA

1937

31‘08

 

 

 

 

 

4-5

Isaac Stern

Lorin Maazel

Schweizerisches Festspielorchester

audite

1958

32‘09

 

 

 

live,

 

 

4-5

Zino Francescatti

Dimitri Mitropoulos

New York Philharmonic Orchestra

CBS   Sony

1954

32‘52

 

 

 

 

 

4-5

Arthur Grumiaux

Jan Krenz

New Philharmonia Orchestra London

Philips

1975

33‘47

 

 

 

nach Tsch. Partitur, I atmosphärisch dicht und diszipliniert, großbogige Gestaltung, Sinn für Proportionen, Kadenz keine zirzensische Vorstellung, II klare Artikulation, ausgewogen, T 78-85 Klarinette zu leise, III trotz aller Virtuosität immer vornehm bleibend

 

 

4-5

Arthur Grumiaux

Bernard Haitink

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Philips

1960

33‘43

 

 

 

Grumiaux hat damals schon seinen Weg zu op. 35 gefunden und adelt das Konzert mit seinem Vortrag; Haitink lässt das Orchester leichter und etwas lockerer aufspielen; Strich in der Durchführung I T. 150-159, III weitgehend nach Tsch. Partitur, jedoch Strich T. 424-431

 

 

4-5

Itzhak Perlman

Eugene Ormandy  

Philadelphia Orchestra

EMI

1978

37‘43

 

 

 

 

 

4-5

Erica Morini

Ferenc Fricsay

RIAS Symphonie-Orchester Berlin

audite

1952

31‘10

 

 

 

live,

 

 

4-5

Erica Morini

Artur Rodzinski

Philharmonic Symphony Orchestra of London

Westminster   DGG

1956

32‘05

 

 

 

 

 

4-5

Gerhard Taschner

Artur Rother

Berliner Philharmoniker

Royale   archiphon

1948

32‘34

 

 

 

live, Überspielung einer LP des amerikanischen Labels Royale, bei der die Mitwirkenden mit Pseudonym genannt werden, immerhin ist dort ein Berlin Symphony Orchestra verzeichnet. Taschner hat in Berlin am 11. und 12. April das Tschaikowsky-Konzert dreimal mit den Philharmonikern unter Rother aufgeführt. Indizien sprechen dafür, dass es sich hier um eine dieser Aufführungen handelt, die auch im Radio übertragen wurde. Die Musik klingt hier sehr lebendig, vorwärtsdrängend und zielgerichtet, die Virtuosität des Geigers bleibt nicht verborgen. Wie üblich zu dieser Zeit, ist das Instrument nach vorn gerückt und das Orchester etwas hinten platziert, jedoch ist eine hinreichende Transparenz gegeben. Im zweiten Satz setzt Taschner sehr viel Bogendruck ein, die Melodie wird in den Takten 77 und 78 eine Oktave nach oben transponiert. Molto vivace geht es durch das Finale, fast atemlos und mit viel Schwung jagt die Musik dahin. Selten hat man die Oktaven in der Solo-Violine in den Takten 376-384 so sauber gehört. Im ersten Satz ändert Taschner die Kadenz geringfügig und im Finale gibt es einen kurzen Strich von T. 424 zu T. 431, übrigens der einzige.

 

 

4-5

Ida Haendel

Eugene Goossens

Philharmonia Orchestra London

EMI    Testament

1953

34‘46

 

 

 

 

 

4-5

Kyung-Wha Chung

Carlo Maria Giulini

Berliner Philharmoniker

Testament

1973

37‘07

 

 

 

live, Chung jetzt gereift, zeigt mehr Emotionen, Giulini bringt viel Pathos ins Spiel, jedoch auch langsamere Tempi, I 2. Thema langsamer, passionierte Darstellung, III T. 459 Änderung der Solostimme, triumphales Finale – Holzbläser nicht immer optimal eingefangen

 

 

4-5

Dimitri Sitkovetzky

Neville Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

hännsler

1999

36‘59

 

 

 

nach Tsch. Partitur, geschmackvolle Darstellung, nichts Reißerisches, Solist erzählt die Musik, er vertieft sich in den Notentext und setzt ihn bewusst um, Marriner sorgfältig, jedoch nicht sonderlich inspiriert – eine gute Alternative zu all den anderen Aufnahmen!

 

 

4-5

Viktoria Mullova

Seiji Ozawa

Boston Symphony Orchestra

Philips

1985

34‘22

 

 

 

nach Tsch. Partitur, geringfügige Änderung T. 458 f. aber unerheblich – I moderates Tempo, viel Bogendruck, mit ernsthaftem Ausdruck, III Stimmführung der Streicher T. 189-195 nicht so deutlich, hier Virtuosenkonzert – insgesamt angemessener Umgang mit dem Tempo, Orchester in der Regel in Begleitfunktion

 

 

4-5

Julia Fischer

Yakov Kreizberg

Russisches National-Orchester

Pentatone

2006

34‘44

 

 

 

nach Tsch. Partitur, immer schlanker Geigenton, kaum forciert, das Lyrische aber nicht vergessend, gute Partnerschaft, jedoch etwas sachlicher Stil, I T. 194 ff. schneller, III überwiegend furios – klarer, transparenter Klang

 

 

4-5

Antje Weithaas, Vl. und Ltg.

 

Camerata Bern

CAvi

2017

37‘01

 

 

 

nach Tsch. Partitur, gelungene kammermusikalische Vorgehensweise, eher vornehm und verspielt, nicht reißerisch, schlanke Violinstimme, immer schlankes Musizieren, I erster Abschnitt der Durchführung tritt etwas auf der Stelle, II Melancholie, III zweites und drittes Thema wie ermüdet

 

 

4-5

Gil Shaham

Giuseppe Sinopoli

Philharmonia Orchestra London

DGG

1991

35‘17

 

 

 

nach Tsch. Partitur, runder, süßlicher Geigenton, souveräne Darstellung, in tiefer Lage mit deutlichem Bogendruck, I eher gewichtiges als dramatisches Musizieren, Sinopoli achtet im ersten Teil der Durchführung auf stringende Ausführung, II con sentimento – Solist und Orchester in ausgewogenem Verhältnis, guter Klang

 

 

4-5

Victor Tretjakow

Mariss Jansons

Staatliches Sinfonie-Orchester der UdSSR

Brilliant

1981

38‘08

 

 

 

live,

 

 

4-5

Vilde Frang

Eivind Gullberg Jensen

Dänisches Nationales Sinfonie-Orchester

Warner

2011

34‘53

 

 

 

I teil verspielt, teils leidenschaftlich, Durchf. bis T. 159 etwas schneller, T. 192 starke Beschleunigung, II Frang auch hier verspielt, flexibles Tempo, Melancholie, III lustvoller Umgang mit dem Notentext, Holz T. 165-170 zu leise

 

 

4-5

Frank Peter Zimmermann

Manfred Honeck

Oslo Philharmonic Orchestra

Sony

2001

33‘14

 

 

 

nach Tsch. Partitur, Musizieren hat gegenüber früher jetzt mehr Saft und Schwung, Zimmermanns Geige mehr Körper, eine gewisse (Tschaikowsky-) Süße fehlt jedoch, II bewegt, III sehr lebendig

 

 

4-5

Eugene Fodor

Erich Leinsdorf

New Philharmonia Orchestra London

RCA

1974

33‘43

 

 

 

I jugendlich, frisches Musizieren, straff, Fodor spielt nach vorn, abwechslungsreich, 2. Thema im überzeugenden Tempo, sehr gute Partnerschaft, III Tempi des 2. und 3. Themas bremsen nicht den Fluss der Musik

 

 

4-5

Leila Josefowicz

Neville Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

Philips

1995

33‘39

 

 

 

souveränes Geigenspiel, Kadenz geringfügig geändert, lebendiger Vortrag, im Finale lustbetont, Marriner aufmerksamer Partner – sehr guter Klang

 

 

4-5

Ivry Gitlis

Heinrich Hollreiser

Wiener Symphoniker

Vox

1954-57

29‘39

 

 

 

I Gitlis folgt Tschaikowskys Dramatik, gibt aber dem Konzert auch seine Eleganz, bleibt überwiegend locker, zügiges Tempo, II bewegt, III in schnellen Abschnitten rasendes Tempo – Solist vorn, hinreichende Balance und Transparenz

 

 

4-5

Vladimir Spivakov

Seiji Ozawa

Philharmonia Orchestra London

EMI

P 1982

33‘37

 

 

 

schlanker Geigenton, weniger Bogendruck, zwischen den dramatisch aufgeladenen Abschnitten immer wieder entspannt, insgesamt eher ein unbeschwertes Musizieren, II einfühlsame Darstellung – klanglich zufriedenstellend

 

 

4-5

Vadim Repin

Emmanuel Krivine

London Symphony Orchestra

Erato

1994

34‘36

 

 

 

nach Tsch. Partitur, I leicht, locker, geschmeidig, unangestrengt, flexibel, immer wieder dezente Rubati, spontan wirkende Musizierfreude, II verhalten, Klarinette T. 78-85 viel zu leise, III ausgelassenes Musizieren, Holz T. 295-308 zu leise – gute Partnerschaft, schlanker Orchesterklang

 

 

4-5

Vadim Repin

Valery Gergiev

Orchester des Kirov Theaters St. Petersburg

Decca

2002

34‘30

 

 

 

nach Tsch. Partitur, Geigenton jetzt etwas fülliger, klingt gereifter, etwas weniger Spannung als früher, einige Rubati, weniger stringent, starkes accel. ab T. 196, II etwas schneller, Klarinette jetzt deutlicher, T. 104 ff. wackelndes Metrum, III Holz T. 295-308 deutlicher zu vernehmen – gute Partnerschaft, Orchesterklang mit mehr Fülle

 

 

 4-5

Midori

Claudio Abbado

Berliner Philharmoniker

Sony

1995

36‘27

 

 

 

live, sorgfältiges und ausdrucksvolles Violinspiel, technisch perfekt, Midori zeigt allerdings weniger Temperament, einige Temposchwankungen, das klingt etwas unentschlossen, Abbado sorgt für auftrumpfende Höhepunkte, I Tempo betont moderato, II zurückhaltende Solistin, scheint sich ins Private zurückzuziehen, III jetzt mehr Leben

 

 

4-5

Michael Rabin

Alceo Galliera

Philharmonia Orchestra London

EMI

1956

33‘07

 

 

 

Rabin auf technisch sehr hohem Niveau, lebendige, temperamentvolle und teils feurige Interpretation, geringfügige, jedoch stimmige Tempomodifikationen, Mono-Klang mit hinreichender Transparenz, zufriedenstellende Balance, gute Partnerschaft zwischen Rabin und Galliera, II Rabin hier etwas schmalzig

 

 

4-5

Maxim Vengerov

Claudio Abbado

Berliner Philharmoniker

Teldec

1994

34‘54

 

 

 

nach Tsch. Partitur, Solist und Orchester in gutem Einvernehmen, sehr solide, alles in gewohnten Bahnen, keine Überraschungen, Geige (hier immer noch) vorn, manchmal zu viel Stahlsaitenklang, II Geige mit viel Bogendruck und Vibrato, III bei Molto meno mosso T. 196 ff. Tempo uneinheitlich

 

 

4-5

Christian Ferras

Constantin Silvestri

Philharmonia Orchestra London

EMI   Testament

1957

32‘01

 

 

 

 

 

 

   

 

 

4

David Oistrach

Paul Kletzki

Stockholm Festival Orchestra

medici arts

1955

33‘58

 

 

 

live,

 

 

4

David Oistrach

Pierre Dervaux

Orchestre National Paris

forgotten records

1960

34‘32

 

 

 

live,

 

 

4

Isaac Stern

Alexander Hilsberg

Philadelphia Orchestra

CBS    Sony

1949

32‘19

 

 

 

 

 

4

Isaac Stern

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS    Sony

1973

35‘57

 

 

 

 

 

4

Henryk Szeryng

Charles Münch

Boston Symphony Orchestra

RCA

P 1960

33‘29

 

 

 

Szeryngs Ton hat Gewicht, kultiviert, wenig reißerisch, Münch starker Partner, I langsamer Beginn der Reprise, II Klarinette T. 78 ff. zu leise, III feuriger Solist, Orchester manchmal etwas hinterher, insgesamt weniger Eleganz – etwas belegter Klang

 

 

4

David Garrett

Michail Pletnjew

Russisches National Orchester

DGG

1997

35‘28

 

 

 

tadelloses Handwerk, I immer wieder stockt die Musik, um auf besondere Stellen aufmerksam zu machen und sie innig, con spirito, vortragen zu können, das führt jedoch zu Spannungseinbrüchen, II unstetes Tempo, gezogen, Garrett spielt mit Dämpfer, III furios, 3. Thema sehr langsam

 

 

4

Christian Tetzlaff

Kent Nagano

Russisches National Orchester

Pentatone

2003

31‘42

 

 

 

I Interpreten halten sich an Tschaikowskys Tempovorgaben, vorwärtsdrängend, Tetzlaff als Draufgänger, Geigenton nicht so rund und geschliffen wie bei den Stars, Holzbläser nicht vergessen, heller Klang, II Tetzlaff mit Dämpfer, bewegt, ein wenig nüchtern

 

 

4

Boris Belkin

Vladimir Ashkenazy

New Philharmonia Orchestra London

Decca

1977

36‘08

 

 

 

nach Tsch. Partitur, Belkin mit nuancemreichen Spiel, schlanker und flexibler Geigenton, I Musik akribisch ausformuliert, jedoch ohne ansteckende Spielfreunde, keine virtuose Selbstdarstellung, II verträumt, etwas zögerlich, III in den schnellen Abschnitten überstürzt sich die Musik, in den langsamen jedoch gedehnt

 

 

4

Ray Chen

Daniel Harding

Schwedisches Radio- Sinfonie-Orchester

Sony

2011

35‘56

 

 

 

nach Tsch. Partitur, Chen zeigt bestes Geigenhandwerk, wie alle Solisten heutzutage, I 2. Thema langsamer, verzärtelt, klingt fast wie ein anderes Stück, Harding sorgt für eine profilierte Orchesterbegleitung, ab T. 193 schneller, keine durchgehende Spannung, II gefällt am besten, III alles korrekt, jedoch bei aller Perfektion etwas blutleer – gute Transparenz und Balance

 

 

4

Erica Morini

Jascha Horenstein

Orchestre National d’ORTF Paris

M&A

1957

32‘12

 

 

 

live,

 

 

4

Zino Francescatti

Thomas Schippers

New York Philharmonic Orchestra

CBS    Sony

1965

32‘48

 

 

 

 

 

4

Leonid Kogan

Vassily Nebolsin

Staatliches Sinfonie-Orchester der UdSSR

Telefunken   Saga   Brilliant

1950

34‘27

 

 

 

live,

 

 

4

Lisa Batiashvili

Daniel Barenboim

Staatskapelle Berlin

DGG

2016

36‘42

 

 

 

I mit Nachdruck musiziert, geschmeidige Tongebung, Solistin kostet die Schönheiten der Partitur aus, in tiefen Lagen mit viel Bogendruck, immer wieder Tempo-Einbrüche, Barenboim kann die Durststrecke in der Durchf. T. 141 ff. nicht überwinden, Holz T. 309 zu leise, II etwas gezogen, zweites und drittes Thema jeweils deutlich langsamer, fast gezogen – Orchester in Tutti-Abschnitten etwas kompakt, sonst angenehmer Klang

 

 

4

Tibor Varga

Willem van Otterloo

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

WDR-Aufnahme (unveröffentlicht)

1967

32‘35

 

 

 

live, solide Interpretation, die den Zuhörern gefallen haben muss, I Dirigent haucht den Takten 141 ff. (erster Abschnitt der Durchführung) Leben ein, III sehr lebendig, T. 260-270 nicht von Tschaikowsky

 

 

4

Erick Friedman

Seiji Ozawa

London Symphony Orchestra

RCA

1965

32‘03

 

 

 

Friedman spielt leicht und locker, stellenweise auch zirzensisch, z. B. T. 152 ff., immer wieder Tempoänderungen und Rubati, Solist akustisch nach vorn gezogen, Orchester findet sich eher in der Begleitrolle, breit gefächertes Stereo, jedoch etwas flach, II Melancholie

 

 

4

Kyung-Wha Chung

André Previn

London Symphony Orchestra

Decca

1970

34‘36

 

 

 

I souveränes Geigenspiel, viel Bogendruck, Darstellung jedoch etwas nüchtern, blass, Pflichtstück? II bewegt, Gewinn für die Musik, III sehr bewegt, Solistin mit Haut und Haaren dabei, T. 459 Änderung der Solostimme – Klang nicht optimal, Holz etwas zurückgesetzt, umgekehrt starke Bässe

 

 

4

Kyung-Wha Chung

Charles Dutoit

Orchestre Symphonique de Montreal

Decca

1981

34‘38

 

 

 

zweite Studio-Einspielung der koreanischen Geigerin, ohne neuere Aussagen zum Tschaikowsky-Konzert, Geige immer vorn – im Gegensatz zu den Aufnahmen mit Previn und Giulini greift Chung hier zu Tschaikowskys Originalfassung, ohne die Kürzungen von Auer

 

 

4

Valery Sokolov

David Zinman

Tonhalle-Orchester Zürich

Virgin

P 2011

34‘53

 

 

 

bestes Geigen-Handwerk, I Temposchwankungen, etwas unstet, II Solo-Violine con sordino, Klarinette T. 78-85 zu leise, III flottes Tempo, sehr gutes Miteinander, gute Balance

 

 

4

Frank Peter Zimmerman

Lorin Maazel

Berliner Philharmoniker

EMI

1987

36‘06

 

 

 

nach Tsch. Partitur, Tschaikowsky ernst genommen, keine zirzensische Überrumplung angestrebt, Aufnahme etwas seriös nüchtern, I 2. Thema deutlich langsamer, II Klarinette T. 78-85 zurückhaltend, III kein Geschwindigkeitsrekord in Sicht, Maazel hebt das Orchester in den letzten vier Takten hervor

 

 

4

Wolfgang Schneiderhan

Vaclav Talich

Tschechische Philharmonie Prag

Supraphon     amadeo

1940

32‘54

 

 

 

nach Tsch. Partitur, eher sachliche Darstellung, uneitles Musizieren, eher klassizistisch als im romantischen Stil; überzeugende Tempowahl, Geige klanglich vorgezogen, Holz überwiegend zu leise oder nicht zu hören, so fällt der Dialog zwischen Geige und Klarinette im zweiten Satz unter die Pulte

 

 

4

Igor Oistrach

Wilhelm Schüchter

Pro Arte Orchestra London

HMV    forgotten records

1957

34‘02

 

 

 

eher sachlicher als temperamentvoller Vortragsstil, I. Oistrach kein Freund der großen Gesten und Emotionen, disziplinierte Musikalität, keine virtuose Selbstdarstellung, Solist und Orchester auf derselben Wellenlänge

 

 

4

Nemanja Radulovic

Sascha Goetzel

Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra

DGG

2016

34‘57

 

 

 

technisch bestens vorbereiteter Geiger, Solist klopft den Notentext auf noch nie versuchte Interpretationsmuster ab (Dynamik, Pausen, Agogik), etwas schematisch, Orchester nicht zur Weltspitze vorgedrungen, schlägt sich aber achtbar, III stellenweise plakativ

 

 

4

Baiba Skride

Andris Nelsons

City of Birmingham Symphony Orchestra

Sony

2007

38‘02

 

 

 

nach Tsch. Partitur, I moderato zu sehr betont, teilweise gezogen, die Interpretation hat etwas Zufälliges, III poco meno mosso zu leise, in schnellen Abschnitten leicht und locker, es wird m. E. jedoch keine rechte Spannung erreicht, für mich klingt die Interpretation etwas künstlich

 

 

4

Václav Hudeček

Jiří Bĕlohlávek

Prager Sinfonie-Orchester

Panton     Supraphon

1979

35‘16

 

 

 

nach Tsch. Partitur, I Solist mit Temperament bei der Sache, spontan wirkende Musizierfreude, vehementer Zugriff, geigerisch jedoch nicht alles restlos schlackenlos, II empfindsam, III Interpretation nach bekanntem Muster, Temperament, Musikalität und Außenwirkung haben einen höheren Anteil als geigerische Sicherheit

 

 

4

Salvatore Accardo

Colin Davis

BBC Symphony Orchestra

Philips

1975

35‘55

 

 

 

nach Tsch. Partitur, I Rezitativ vor 1. Thema unter einem Bogen, Solist mit wenig wandlungsfähigem Ton, immer wieder stockt die Musik, darunter leidet die Spannung, II Klarinette T. 78-85 zu leise, Musik tritt etwas auf der Stelle, III erst am Ende kann mich Accardo überzeugen – die Aufnahme hinterlässt keinen bleibenden Eindruck

 

 

 

   

 

 

3-4

Arabella Steinbacher

Charles Dutoit

Orchestre de la Suisse Romande

Pentatone

2014

37‘50

 

 

 

nach Tsch. Partitur, I moderato-betont, eine der langsamsten Aufnahmen des Kopfsatzes, lyrische Abschnitte mit viel Bogendruck, insgesamt kultiviert, die Musik kommt jedoch nicht recht voran, III gezogen, neutral, scheu, III drittes Thema klingt schön, aber auch wieder gedehnt – guter Klang, beste Transparenz

 

 

3-4

Anne-Sophie Mutter

André Previn

Wiener Philharmoniker

DGG

2003

34‘48

 

 

 

live,

 

 

3-4

Anne-Sophie Mutter

Herbert von Karajan

Wiener Philharmoniker

DGG

1988

36‘49

 

 

 

live,

 

 

3-4

Victor Tretjakow

Neeme Järvi

Moskauer Philharmoniker

Melodya    BMG

1966

34‘07

 

 

 

live,

 

 

3-4

Joshua Bell

Michael Tilson Thomas

Berliner Philharmoniker

Sony

2005

37‘26

 

 

 

live, nach Tsch. Partitur; bestes Geigenhandwerk, I schmachtendes Rezitativ vor dem 1. Thema, auch während des 1. und 2. Themas (Tschaikowsky im Pariser Salon?), Tutti-Akkord T. 127 auf Zz 1 nicht genau zusammen, erster Teil der Durchführung ohne Spannung, immer wieder verzärtelte Stellen, auch in der Kadenz, insgesamt gestalterische Blässe, II Bell setzt seinen Vortragsstil auch hier fort, III hier Abschnitte des 1. Themas furios, Flageolett-Töne T. 393-399 ausgekostet

 

 

3-4

Nigel Kennedy

Okku Kamu

London Philharmonic Orchestra

EMI

1985

37‘43

 

 

 

nach Tsch. Partitur, I schwerblütige Darstellung, Portamenti, viel Bogendruck, vor allem in tiefer Lage, 2. Thema klingt weinerlich, II Solist con sordino, sehr gezogen, kaum Spannung, III Musik stellt beim 3. Thema fast still

 

 

3-4

Christian Ferras

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1965

35‘39

 

 

 

 

 

3-4

Uto Ughi

Marc Andreae

Radio-Orchester der Italienischen Schweiz

Ermitage

1981

35‘19

 

 

 

live, I etwas schwergewichtig, viel Bogendruck, weniger Spannung, auch in der Canzonetta, III Ughi spielt in T. 148 auf Zz 1 anstelle einer Achtel eine Viertel, dynamische Differenzierung zu grob, 3. Thema beschwert – immer wieder dumpfe Geräusche im Tiefbassbereich, sehr störend

 

 

 

   

 

 

3

Georg Kulenkampff

Artur Rother

Orchester der Deutschen Oper Berlin

Telefunken     Dutton   Andromeda

1939

32‘52

 

 

 

fraglicher Umgang mit der Partitur, immer wieder Striche in allen Sätzen, über Auer hinausgehend, abweichende Lesart in der Solostimme im Kopfsatz T. 123-126 und T. 299-302, Portamenti, Solist vorn, gestörte Balance, sachliche Art, I ruhiges Tempo, herabgesetzte Spannung – stumpfer Klang

 

 

3

Yehudi Menuhin

Ferenc Fricsay

Schweizer Festspielorchester Luzern

Tahra

1961

34‘52

 

 

 

live,

 

 

3

Gioconda de Vito

Mario Rossi

RAI Orchester Turin

Archipel

1954

35‘58

 

 

 

live, I Rubato-Musizieren, Satz wie nur durchgegangen, jedoch ohne Spannung, Durchführung gekürzt, II dick aufgetragenes breites Vibrato bei sehr hohem Bogendruck, super romantisch, sentimental, III hier stößt die Technik der Geigerin deutlich an ihre Grenzen – Solistin führt, Orchester zieht mit, kompakter Klang ohne Transparenz, Holz weit im Hintergrund

 

 

 

   

 

 

2-3

Yehudi Menuhin

Ferenc Fricsay

RIAS Symphonie-Orchester Berlin

DGG

1949

29‘42

 

 

 

live,

 

 

 

   

 

 

1

Patricia Kopatschinskaja

Teodor Currentzis

MusicaAeterna Orchestra

Sony

2015

33‘35

 

 

 

extrem exzentrisch, es scheint hier nicht um Tschaikowskys Konzert, sondern um die Selbstdarstellung der Solistin zu gehen; verzerrte und clowneske Themen und Motive, eine Karikatur, keine Reinigung von der Patina einer „falschen“ Tradition, immer wieder neue Tempovarianten – Tschaikowsky im Zirkus?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

     

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen:

 

Bronislaw Huberman

Der polnische Geiger Huberman legte die erste Studio-Aufnahme des Tschaikowsky-Konzertes vor, sie entstand in Berlin unter Leitung des 30jährigen Dirigenten Hans Wilhelm Steinberg, der nach seiner Emigration eine große Karriere in den USA unter dem Namen William Steinberg machte. Er sorgt für eine sorgfältige Orchesterbegleitung, muss aber, wie damals üblich, dem Solisten den Vortritt lassen, der weitgehend das musikalische Geschehen bestimmt. Huberman verfügt über einen leuchtenden, runden Geigenton, mit Gewicht, ohne dass er als schwerfällig verstanden wird. Die vielen Portamenti sind als zeitbedingt zu verstehen. Viel Feuer entfachen Solist und Orchester im Finale, das leider mittels eines großen Sprungs von T. 93 zu T. 282 zusammengestrichen wurde.

Diesen Strich scheint Huberman in seiner weiteren Karriere beibehalten zu haben, denn er taucht auch in dem bewunderungswürdigen Konzertmitschnitt aus dem Jahre 1946 mit Eugene Ormandy auf, in dem Huberman hier und da etwas ausgeglichener spielt. Der Klang ist besser als andere Mitschnitte aus dieser Zeit.

 

Jascha Heifetz

Drei Interpretationen hat uns der Schüler Leopold Auers hinterlassen. Selbstredend spielte er das Konzert in der Fassung seines Lehrers mit all den Kürzungen im 1. und 3. Satz. Darüber hinaus nahm er noch zusätzliche Veränderungen vor, um dem Werk, aber auch seinem Geigenspiel, vermehrten Glanz zu verleihen. Diese Eingriffe in die Partitur mögen uns heutigen Hörerinnen und Hörern suspekt erscheinen und sogar auf Ablehnung stoßen, das sollte jeder für sich selbst entscheiden. Heifetz‘ exorbitantes Geigenspiel steht dabei jedoch außer Frage: die wieselhaften Läufe und Passagen, sein immer lockeres und gleichwohl auch zirzensisches Akkordspiel auf der einen Seite, die Eleganz gepaart mit immer schlanker Tongebung auf der anderen Seite. Diese Parameter seines Könnens sind auf allen drei Aufzeichnungen festgehalten und zu studieren, vielleicht sogar zu bewundern. Die klangliche Situation bessert sich im Laufe der Jahre, jedoch hat die Tontechnik Heifetz‘ Geige klanglich immer nach vorn geholt, worunter vor allem die Holzbläser, abgesehen im 2. Satz, zu leiden haben. Am wenigsten trifft dies zu auf die letzte Aufnahme mit Fritz Reiner, da achtet der Maestro schon darauf, dass sein Orchester nicht zu kurz kommt. In dieser Interpretation schaffen die Musiker den 2. Satz mit 5‘32‘‘, ein Rekord, Heifetz verbindet Ausdruck mit bewegtem Tempo, ohne dass man geneigt ist von einer Fehlinterpretation zu sprechen. Aufmerksam machen möchte ich die Hörerinnen und Hörer noch auf die Takte 217-234 im Finale, wo es Heifetz gelingt, aus den kurzatmigen Phrasen des Notentextes Melodien zu formen. Eigentlich kein Problem für jeden Geiger, man muss nur die Situation erkennen und entsprechend agieren.

 

Nathan Milstein

Milstein hat den Freunden des Tschaikowsky-Konzerts drei Studio-Aufnahmen hinterlassen, die erste wurde 1940 in Chicago unter Leitung von Frederik Stock aufgezeichnet. Der erste Satz besticht durch sein furioses, immer nach vorn gerichtetes, reaktionsschnelles Spiel. Milstein bietet einen großen Ton, der aber Lockerheit und Eleganz nicht ausschließt, die Triller nimmt er schneller als andere. Das Satzende des belebt gespielten 2. Satzes klingt nicht einfach ruhig aus, wie man es überall hört, sondern wird zum Finale hin etwas dramatisiert. Auch hier unterscheidet sich Milsteins Auffassung von der Zunft seiner Kollegen, wenn er das Tempo des zweiten und auch des dritten Themas nicht wesentlich zurückfährt, wie es die Partitur verlangt. Ein furios gespieltes Finale zeigt erneut, dass der Geiger dieses Konzert eindeutig als Virtuosenstück versteht, bei dem der Geiger immer im Vordergrund spielt.

 

Fast 20 Jahre später kommt es in Pittsburgh zu einer zweiten Einspielung, hier steht William Steinberg am Pult, mit dem er auch die Konzerte von Brahms, Dvorak und Glasunow aufnimmt. Geiger und Dirigent erweisen sich als ein gut aufeinander eingespieltes Team, ihr Musizieren ist allerdings nicht mehr ganz so locker wie in der ersten Aufnahme. Ein Zugewinn ist der Klang und die Tatsache, dass weniger Striche zu vermelden sind. Als 68-Jähriger, nach dem Wechsel seines Plattenlabels, trifft Milstein in Wien auf Claudio Abbado und die Wiener Philharmoniker. Der Geiger formuliert stellenweise nicht mehr so selbstverständlich, man hat den Eindruck, er beschäftige sich mehr mit seiner Geige und ist weniger mit der Zusammenarbeit zum Orchester bemüht, obwohl Abbado ihn bestens unterstützt. Das Virtuosenkonzert früherer Jahre wird hier weniger groß geschrieben. Gute Transparenz und Balance zeichnet die Aufnahme aus. Nur im Finalsatz sind mir drei kurze Striche aufgefallen.

 

David Oistrach

Der Name David Oistrach ist seit den 1950er-Jahren fest mit dem Violinkonzert von Tschaikowsky verbunden, also solange, seit seine Interpretationen auf Schallplatten festgehalten sind. Mit großer Intensität, unverzärtelt, geradlinig, umsichtig nähert er sich dem russischsten aller russischen Violinkonzerte. Er lässt keinen Zweifel zu, dass es sich hier um kein Salonstück handelt, auch wenn einige Stellen dies suggerieren mögen (2. Satz), sondern sieht es in der Reihe der großen romantischen Konzerte von Mendelssohn, Brahms, Bruch, und Dvorak. Sein Ton ist immer bis ins letzte kontrolliert, auch im schnellsten Tempo. Oistrach formuliert die Musik souverän mit substanzreichem Ton (hoher Bogendruck). In dieser Übersicht stehen sieben Interpretationen auf dem Prüfstand, weitere können auf YouTube hinzukommen: mit den Dirigenten Gauk (1939), Mrawinsky (Prag 1940er Jahre), Kempe (RAI).

 

Trotz der erwähnten Meriten konnte ich nicht alle in der höchsten Kategorie platzieren, das hat seinen Grund in der Aufnahmetechnik, oder dem begleitenden Dirigenten und seinem Orchester. Seine erste (westliche) Aufnahme entstand in Dresden mit Franz Konwitschny als Leiter der Staatskapelle. Solist und Dirigent setzen mehr auf ein gewichtiges Musizieren, alles muss geformt sein und darf nicht Glanz und Glitzer Raum geben. Der Solist wird, wie damals üblich, etwas nach vorn geholt, so kommen Details im Orchester nicht immer bestens heraus, z. B. die Klarinetten T. 81/82. Lange Jahre blieb diese LP das Aushängeschild in Sachen Tschaikowsky-Violinkonzert, bis sie Oistrach mit einer Neuaufnahme aus Philadelphia und dem Dirigenten Eugen Ormandy auf Platz 2 verwies. Letzterer setzte hier und da andere Akzente als Konwitschny, während der Solist weiterhin unangefochten glänzte. Allein die technische Seite gab jetzt den Ausschlag: der bessere Klang mit mehr Farbe und einer größeren Transparenz. Allerdings bleiben die Klarinetten im 2. Satz ab T. 78 zu leise. Diese klanglichen Standards werden von einem Mitschnitt aus Warschau mit dem Dirigenten Stanislaw Skrowaszewski noch nicht erreicht. Das Klangbild besitzt aber noch eine hinreichende Transparenz und Balance, die Streicher klingen an lauten Abschnitten jedoch rau. Erfreulich ist festzustellen, dass Solist und Dirigent auf einer Wellenlänge agieren und ein Konzept verwirklichen, eine durchgeformte Interpretation mit viel Leidenschaft in allen Sätzen. Im Westen weniger bekannt wurde die Melodya-Studio-Einspielung aus demselben Jahr mit dem Staatlichen Sinfonie-Orchester der UdSSR unter der Leitung von Kyrill Kondraschin. Hier wurde das moderato im Kopfsatz ernst genommen, die Aufnahme strahlt, zumindest im ersten Satz, Überlegenheit und eine gewisse Würde aus, im Finale dagegen überwiegt ein feuriger Vortragsstil.

 

Eine weitere hochkarätige Leistung kommt live aus Moskau mit dem Dirigenten Gennadi Roshdestvenski, mit dem Oistrach immer wieder zusammen musizierte, ein Heimspiel, jedoch ein klein wenig routiniert. Im Vergleich zu den vorgenannten Aufnahmen kann man hier ein Mehr an russischer Seele entdecken.  Im Konzertsaal sicher ein Erlebnis war die Aufnahme vom Stockholm-Festival 1955, bei der der Tschaikowski-erfahrene Paul Kletzki am Pult des Festival-Orchesters stand. Letzteres, ein ad-hoc-Ensemble, erreichte nicht ganz das erwartete Niveau, auch klanglich bleiben Wünsche offen. Das gilt auch für den Konzertmitschnitt aus Paris, bei dem Pierre Dervaux das Orchestre National des französischen Rundfunks leitete. Der Solist agiert im Vordergrund, während das Orchester mehr vom Rand aus eingreift. Das meist helle Klangbild ist insgesamt rau, wobei das Orchester bei lauten Tutti-Abschnitten zurückgenommen wird, was zu wechselnden Klangpegeln führt. Das Publikum zeigt hier nicht immer die gebotene Aufmerksamkeit.

 

Yehudi Menuhin

Meines Wissens hat Menuhin das Tschaikowsky-Konzert nie im Studio aufgenommen, aber in seinem Konzert-Repertoire geführt. Zwei Aufnahmen stehen jedoch in meinem Archiv zum Vergleich bereit. Die erste entstand im Nachkriegs-Berlin für den Sender RIAS mit Ferenc Fricsay am Pult des noch jungen RIAS Symphonie-Orchesters im Titania-Palast, in dem damals die Konzerte der Philharmoniker und anderer Orchester stattfanden. Die DGG hat den MItschnitt im Jahre 1994 im Rahmen einer Fricsay-Jubiläums-Edition allgemein zugänglich gemacht. Technische Unzulänglichkeiten des Solisten sprechen eigentlich gegen eine Veröffentlichung. Ihm gelingt es nicht die Musik zu formen, immer wieder kommt es zu nicht bewältigten Spielfiguren, Läufen oder Akkorden. Im 1. Satz wird die Durchführung um 13 Takte verkürzt. Den 2. Satz gehen die Musiker zögerlich an, man vermisst hier den natürlichen Fluss. Kaum zufrieden stellt der Schlusssatz mit seinen vielen technischen Hürden. Die Aufnahme klingt sehr hell, hohe Streicher teilweise spitz. Außerdem stört ein dumpfes Rumpeln. Jedoch gibt es etwas Erfreuliches zu berichten: laut Booklet spendete der Geiger sein Honorar für die Ausstattung der Musiker mit neuen Fräcken.

 

12 Jahre nach diesem Konzert treffen sich Menuhin und Fricsay erneut beim Tschaikowsky-Konzert, jetzt im Rahmen der Luzerner Festwochen 1961. Der Mitschnitt des SRF zeigt nun Menuhin in etwas besserer Verfassung, er spielt etwas sicherer als früher. Immer wieder jedoch kommt es zu Tempowechseln, auch in der Canzonetta, in der der Solist die Kantilenen ziemlich frei formuliert, leider jedoch auch zu farblos. Im Finale wechseln verschleppte langsame Abschnitte mit sehr schnellen, fast wie gehetzten, ab. Hier sind weniger Striche als früher zu verzeichnen.

 

Zino Francescatti

Francescatti liebte neben den Klassikern besonders französische Violinmusik, die er durch sein unaufdringliches Spiel adelte. Aber auch bei den Schlachtrössern, wie dem Tschaikowsky-Konzert, fühlte er sich zuhause.  Albrecht Roeseler beschreibt in seinem Buch „Große Geiger des Jahrhunderts“ (München 1987, S. 122) seinen Vortrag auf dem Podium und vor Mikrophonen so: „Was immer Francescatti spielt, wird nicht bloß liebenswürdig serviert oder leichtgewichtig-charmant dargeboten, sondern ist immer durchzogen von der Kraft der Überredung, der Überzeugung, der Eindringlichkeit“. Das trifft auch auf seine beiden Aufnahmen des Tschaikowsky-Konzerts zu. Im Kopfsatz geht es vehement nach vorn, mit pointierter Dramatik, mit Hingabe. Der Solist ist immer bemüht den Satz nicht in Teile zerfallen zu lassen. Seine schlanke Tongebung wird durch schnelles Vibrato unterstützt und vermeidet alle Schwerfälligkeit. Aber auch das Streben nach elegantem Spiel ist nicht zu überhören. Das gilt sowohl für seine erste Aufnahme mit Dimitri Mitropoulos als auch für seine Stereo-Aufnahme mit Thomas Schippers, in beiden Aufnahmen spielen die New Yorker Philharmoniker. In dieser Aufnahme haben die Columbia-Techniker die Geige nach vorn geholt, wie zu Mono-Zeiten, d. h., dass die Bläser klanglich etwas zurückgestellt werden. Schippers möchte der Musik mittels eines Accelerandos, gepaart mit einem Crescendo, ab T. 197 zusätzliche Dramatik verleihen. Leider wird in dieser Aufnahme der erste Abschnitt der Durchführung, also die Takte 141-159, komplett gestrichen. Einige Interpreten kürzen diesen Abschnitt, jedoch so konsequent und radikal wie Francescatti/Schippers geht kaum einer vor.

 

Isaac Stern

Vom polnisch-ukrainisch-amerikanischen Meistergeiger Isaac Stern stehen mir vier unterschiedliche Interpretationen zur Verfügung, drei entstanden im Studio, eine wurde in Luzern mitgeschnitten. Mit 29 Jahren durfte er für Columbia (CBS) mit dem Philadelphia Orchester unter Leitung von Alexander Hilsberg seine erste Aufnahme machen. Stern ist technisch in Top-Form, vermag jedoch (noch) nicht, den Kopfsatz unter einen Bogen zu bringen, immer wieder gibt es Beschleunigungen oder Rücknahmen des Tempos, man vermisst ein zielgerichtetes Musizieren, so dass der Satz in Abschnitte zerfällt. Die folgenden Sätze gelingen besser. Mit demselben Orchester, nun mit Eugene Ormandy am Pult, erfolgt 1958 eine Neuaufnahme in frühem Stereo. Stern verbreitet mit seinem Instrument hier mehr Melos und Ormandy sorgt für zielgerichtetes Musizieren mit einer besseren Tempokonstanz. Es ist seine m. E. beste Aufnahme des Konzerts, auch wenn der Klang stellenweise noch etwas flach aus den Lautsprechern kommt und die Bläser nicht immer die wünschenswerte Präsenz zeigen. Leider ist dieses Manko auch auf seiner dritten Aufnahme von der Technik nicht abgestellt, hier dirigiert Leonard Bernstein die Philharmoniker aus New York. Das Orchester klingt gewichtig, bedeutend, tritt aber stellenweise etwas auf der Stelle. Für den ersten Satz benötigen die Musiker knapp zwei Minuten mehr als bei Ormandy. Der Finalsatz hat jetzt mehr Feuer. Vor wenigen Jahren erschien auf dem deutschen Label audite ein Mitschnitt von den Luzerner Festwochen aus dem Jahre 1958, die aufgrund ihrer Lebendigkeit und ihres Einsatzes an die Ormandy-Aufnahme fast heranreicht. Von der Technik wurde jedoch die Geige nach vorn geholt und das schweizerische Festspielorchester, am Pult Lorin Maazel, in die zweite Reihe versetzt, es agiert nicht ganz auf der Höhe der amerikanischen Klangkörper. Im langsamen Satz schaffen die Musiker trotz Andante-Tempo eine lebendige Darstellung. In der Einleitung zum letzten Satz spielt Stern nicht ganz lupenrein. In allen vier Interpretationen greift Stern zur Auer-Vorlage mit ihren Kürzungen im Finale. Bei Hilsberg und Maazel gibt es einen zusätzlichen Sprung von T. 540-563. Außer bei Bernstein wird auch im Kopfsatz der erste Teil der Durchführung verkürzt.

 

Erica Morini

Die österreich-amerikanische Geigerin muss man zu den besten Interpreten des Tschaikowsky-Konzerts zählen. Sie spielt die Auer-Version, die schon Kürzungen vorsieht, amputiert jedoch zusätzlich den Finalsatz mittels eines großen Strichs von T.460-563. Alle drei Dirigenten folgen dabei ihrer Lesart. Aufgrund dieser unbegründeten Verstümmelung habe ich meine Platzierung um einen Grad herabgesetzt.

 

Die live-Aufnahme aus dem Berliner Titania-Palast ist eine einfallsreiche und lebendige Darstellung, Morini spielt immer geschmackvoll mit engem Vibrato in guter Partnerschaft mit Ferenc Fricsay. Das Andante wird hier um ein con moto ergänzt, die Solistin überzeugt mit ihrem erzählenden Geigenton. Mit viel Feuer absolviert man die Musik des Finales. Morini zeigt ein gutes Stilgefühl, indem sie Tschaikowskys Musik den Vortritt lässt und keine eigenen Vorstellungen nach vorne schiebt. Der Mitschnitt ist leider durch etliche dumpfe Hintergrundgeräusche „verziert“.

 

Vier Jahre später erfolgt für das Label Westminster in London eine Studio-Produktion, in der die Tugenden von Morinis Geigenspiel gut zum Tragen kommen: ein engagiertes Musizieren mit viel Spannung, ein tragfähiger Geigenton, sehr gutes Zusammenspiel mit Artur Rodzinski. Der zweite Satz ist ein wenig langsamer, stimmungsvoll und kommt aber ohne Tempoextravaganzen aus. Das zuvor bei Fricsay für das Finale Gesagte gilt auch hier. Leider ist der Klang oft etwas stumpf und besitzt weniger Präsenz als bei Fricsay.

 

Ein Jahr später gastiert Erica Morini in Paris beim Orchestre National des französischen Rundfunks, das hier unter Leitung von Jascha Horenstein spielt. Ihr Geigenspiel bewegt sich auch hier auf höchstem Niveau, wird von der Technik auch gebührend nach vorn geholt, das Orchester klingt jedoch sehr kompakt, wie ein Brei, auch stumpf. Die Solo-Stellen der Bläser muss der Hörer erahnen. Der Finalsatz klingt zu Beginn nicht wie ein Feuerwerk, wie man es bei Fricsay erlebt. Ein Manko der Aufnahme ist auch das unruhige Publikum.

 

Leonid Kogan

Der russische Meistergeiger Leonard Kogan hat das Konzert innerhalb von drei Jahren zweimal im Studio aufgenommen, beide in Paris mit dem dortigen Konservatoriums-Orchester, jedoch mit verschiedenen Dirigenten (Vandernoot – Silvestri), eine Erklärung dafür konnte ich jedoch nicht finden. Oder lag der Grund vielleicht in der inzwischen eingesetzten Stereo-Technik, die bei der zweiten Einspielung unter Silvestri zum Einsatz kam, darauf deutet der insgesamt vollere Klang sowie das etwas aufgehellte Klangbild, vor allem bei Tutti-Abschnitten, hin. Trotz der neuen Technik holt die Klangregie die Sologeige auch hier nach vorn und hält die Bläser auf Distanz (Vgl. T. 267-270 in Satz 1). Kogan gibt in beiden Interpretationen dasselbe Bild ab: mit einer Leichtigkeit stürmt er über die Saiten seines Instruments, hinreisend und voller Temperament. Im Vergleich zu David Oistrach gibt er den Virtuosen ab, Oistrach dagegen den eher seriösen Interpreten.

 

Eine dritte Interpretation gelangte auch als Konzertmitschnitt auf den Plattenmarkt. Sie entstand bereits 1950 in Moskau, kann aber aufnahmetechnisch wie in punkto Orchesterspiel nicht mit den beiden vorgenannten konkurrieren. Die Geige erklingt sehr weit vorn, vielleicht stand das (einzige?) Mikro direkt vor ihr, das Orchester ist viel zu kompakt aufgenommen, viele Einzelheiten, vor allem der Bläser, sind nicht zu hören, stattdessen jedoch einige Nachlässigkeiten bei Tutti-Abschnitten. Kogan zeigt auch bereits hier sein überragendes Können, jedoch stören im 1. Satz viele Kratzgeräusche der Stahlsaiten. Nur in dieser Aufnahme ändert der Solist seinen Solopart in Satz 1 in den Takten 123-126 sowie T. 299-302, dieses kennen wir bereits von Heifetz.

 

Ida Haendel

Die Schülerin Carl Fleschs konnte nicht den Bekanntheitsgrad von Erica Morini, Johanna Martzys oder Gioconda de Vitos erreichen, das scheint weniger von ihren Qualitäten als Geigerin, sondern mit der Geschäftspolitik der Platten-Labels zusammenzuhängen. Für das Tschaikowsky-Konzert hat sie eine gute Hand, technische Überlegenheit trifft sich hier mit einer geschmackvollen Darstellung, Übertreibungen findet man hier nicht. Auch ein gutes Tempogefühl sollte noch erwähnt werden. 1953 entstand in London eine Aufnahme mit dem Philharmonia-Orchester unter Leitung von Eugene Goossens. Hier klingt die Balance ausgeglichener als bei vielen anderen Produktion dieser Zeit, Solistin und Dirigent agieren hier auf derselben Wellenlänge, Ida Haendel erzählt im Andante auf ihrer Geige. Leider ist die Klarinette T. 78-85 zu leise aufgenommen. Furios geht es im Finale zu, hier klingen die Takte 393 ff. endlich einmal im Tempo und werden nicht verschleppt. Sieben Jahre später spielt Haendel in Stuttgart an der Seite von Hans Müller-Kray das Tschaikowsky-Konzert, der Radio-Mitschnitt gefällt mir noch etwas besser als die EMI-Platte. Haendel überzeugt mit einem gepflegten Geigenton, der immer kontrolliert ist sowie mit einer bewundernswerten Lockerheit. Müller-Kray ist ihr ein zuverlässiger Partner.

 

Christian Ferras

Christian Ferras, ein Spross der französisch/belgischen Geigenschule, aus dem zuvor auch Arthur Grumiaux hervorging, interpretiert das Tschaikowsky-Konzert aus mitteleuropäischer, nicht aus russischer Sicht. Der Geiger mit süßem und verbindlichem Ton, kniet sich in die Partitur und überträgt ihre Musik auf seine Geige, locker, mit schnellem Vibrato, leicht, elegant und geschmeidig. Man hat den Eindruck, dass er das Werk liebe. In Punkto Tempo ist er sich mit Silvestri einig, dass der erste Satz nicht zu langsam gespielt werden müsse, auch nicht beim 2. Thema. Trotz der zwei Striche, die auf das Konto des Dirigenten gehen (T. 152-159 und T. 197-204), muss hier von einem der besten Dirigate dieses Konzerts gesprochen werden. Im 2. Satz bricht die Spannung nicht ein. Leider kann sich, wie so oft, die Klarinette in den Takten 78-85 nicht richtig durchsetzen. Federndes Orchesterspiel beherrscht das Finale. Auch hier streicht Silvestri die Takte 540-563, zusätzlich zu den Strichen der Auer-Fassung. Auf Grund dieser Verstümmelung in den Randsätzen sehe ich mich veranlasst, die Interpretation in die Kategorie 4-5 statt 5 einzuordnen, hörenswert ist sie jedoch allemal.

 

Bekannter als die soeben beschriebene Aufnahme ist die acht Jahre später entstandene mit Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern. Ferras spielt hier nicht um sein Leben, sondern angenehm in einem Pariser Salon. Das 2. Thema wird hier viel langsamer genommen. Der Dirigent verfügt nicht über die Vision seines rumänischen Kollegen, stellenweise erklingt die Musik zu träge. Sehr schön dagegen, fast schon gravitätisch, die Tutti-Höhepunkte mit dem Hauptthema im Kopfsatz, das ist/war die philharmonische Welt zu Zeiten Karajans. Gezogen klingt die Canzonetta, überzeugender das Finale. Auch hier hört man die Auer-Version. Ob die Änderungen in der Kadenz in beiden Aufnahmen auch auf dessen Konto gehen, ist jedoch fraglich.

 

Victor Tretjakow

Im Jahre 1966 konnte der russische Geiger Victor Tretjakow den Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb im Fach Violine für sich entscheiden. Pflichtstück in der dritten Runde der übriggebliebenen Bewerber war immer das Tschaikowsky-Konzert, dass Tretjakow auch in dem anschließenden Festkonzert nach Grigory Sokolov, der damals den 1. Platz in der Klavierkategorie gewann, vortrug. Neeme Järvi dirigierte die Moskauer Philharmoniker. Nach Anhörung des anschließend veröffentlichten Konzertmitschnitts musste ich feststellen: Preis gewonnen – Konzert jedoch vergeigt. Nach dem anstrengenden Wettbewerbs-Marathon war Tretjakow vermutlich ausgelaugt und am Ende seiner Kräfte. Nur so ist sein Spiel mit in der Höhe übermäßig spitzen Tönen, gekratzten Passagen, Intonationsmängeln sowie unausgeglichen Passagen zu erklären. Dazu gesellt sich ein durchgehend hoher Bogendruck. Das Orchester begleitet auch nicht mit höchster Hingabe.

 

Ein weiterer Mitschnitt des Labels Brilliant 15 Jahre später kommt einer Reputation des Solisten gleich. Alle Sätze werden etwas langsamer genommen, es wird nun sauberer und ausgeglichener gespielt, sowohl seitens des Solisten als auch des Orchesters. Das Stück hat nun mehr Kontur und ist mit einem besseren Klang einschließlich einer besseren Balance ausgestattet. Am Pult stand damals Mariss Jansons, der 10 Jahre zuvor den 2. Preis beim Herbert-von-Karajan-Dirigentenwettbewerb in Berlin gewonnen hatte.

 

Itzhak Perlman

 Der 1945 in Tel Aviv geborene Itzhak Perlman wurde als Wundergeiger bestaunt, nachdem er ab 1964 die Konzertsäle der Welt eroberte. Kein Stück schien ihm zu schwer und er fand immer wieder überzeugende Interpretationen, sowohl auf dem Podium als auch im Schallplattenstudio. Seine Dirigentenpartner – Druck des Musikbetriebs – waren jedoch nicht immer klug ausgewählt, auch wenn sie große Namen trugen.

 

Bei der Aufnahme des Tschaikowsky-Konzerts stand der mit dem Werk erfahrene Eugene Ormandy am Pult seines Philadelphia Orchesters. Beim Solisten ist sein makelloses Geigenspiel mit einigen Portamenti zu bewundern, leider ist das Tempo im Kopfsatz zu gemäßigt, was evtl. der Grund für die geringere Spannung bedeutet. Im Andante setzt Perlman immer wieder viel Bogendruck ein, besonders in tiefer Lage, auch hier liegt das Tempo unter dem Durchschnitt. Im flott absolvierten Finale wird das Tempo beim dritten Thema stark zurückgefahren, es klingt fast behäbig.

 

Perlman gab immer wieder gern Konzerte auch im Ostblock. Aus Leningrad ist ein Mitschnitt mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter Leitung von Zubin Mehta von EMI auf den Markt gebracht worden. Hier werden schnellere Tempi vorgelegt, so dass das Tschaikowsky-Konzert jetzt mehr als drei Minuten kürzer beendet wird, ein Gewinn für die Interpretation. Man spürt die Hingabe, die Passion, mit der hier musiziert wird. Das Orchester ist jedoch weniger präsent abgebildet als früher, auch scheint mir Mehta dem Solisten freie Hand zu lassen. Nicht zu verbergen ist das leichte Rauschen der Aufnahme. Trotz allem liegt hier eine mitreißende Interpretation vor.

 

Bemerkenswert ist, das Perlman in der Studio-Aufnahme nach Tschaikowskys Partitur spielt, beim Leningrader Mitschnitt jedoch die gekürzte Auer-Fassung heranzieht.

 

Anne-Sophie Mutter

Anne-Sophie Mutter drückt beiden Mitschnitten ihren unverwechselbaren Stempel auf: großes Engagement, Musizieren mit hohem Bogendruck und teilweise übermäßigem Vibrato, ständige Tempowechsel in allen Sätzen. Im Finale legt sie ein fetziges erstes Thema vor, jedoch beim zweiten geht es ganz langsam voran, man taucht in eine ganz andere Welt ab, in den Takten 417-436 geht es ziemlich weinerlich zu. Das ist eine effektheischende und exzentrische Sicht, die man nicht unbedingt mit der Partitur in Einklang bringen kann. Es verwundert, dass ihre Dirigenten Karajan und Previn dem folgen. Ersterer lässt sein Orchester in lauten Tutti-Abschnitten dick, pompös auftragen, es soll richtig glänzen! Beim Übergang zum 3. Satz zerdehnt er das Tempo vor dem Hintergrund „bedeutungsvoll“. Previn hält sich da mehr zurück. An den Stellen, wo der Dirigent führen muss, sorgt er für stabilere Tempi. Insgesamt ist dieser Mitschnitt ein wenig schneller und etwas näher bei Tschaikowsky.

 

 Akiko Suwanai

Die 1972 geborene japanische Geigerin gewann 1989 den zweiten Preis beim „Königin Elisabeth Wettbewerb“ in Brüssel, ein Jahr darauf als jüngste Gewinnerin den Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Das Festkonzert mit den Gewinnern in Fach Klavier (Boris Berezowsky) und Geige (Akiko Suwanai) im Anschluss an den Wettbewerb wurde von Teldec als CD veröffentlicht. Suwanai spielt das Tschaikowsky- Violinkonzert (=Pflichtstück in der Endrunde) mit einer bewundernswürdigen Sicherheit und viel Schwung. Gleich zu Beginn des 1. Satzes kostet sie das erste Thema mir Herzblut aus, atemlos geht es, vor allem auch im Finale, durch die schnellen Abschnitte. Die Klangregie hat die Solistin wie zu Mono-Zeiten etwas nach vorn geholt, was die Balance ein wenig stört, so treten einige Bläser-Soli in den Hintergrund, wie z. B. T. 269/270. Dirigent Kitajenko ist ein guter Partner der Solistin. Elf Jahre später erfolgt eine Studio-Produktion des Konzerts in Prag mit der Tschechischen Philharmonie unter Leitung des Tschaikowsky-erfahrenen Vladimir Ashkenazy. Hier spielt eine gereifte Künstlerin, man ist Zeuge eines bewussten Musizierens, die Aufnahme klingt nicht mehr so unmittelbar, so leichtfüßig wie früher, jedoch trotzdem angemessen und überzeugend. Ashkenazy gibt dem Orchester mehr Gewicht als Kitajenko. Die Durchführung im 1. Satz klingt jedoch etwas schwerfällig. Klangtechnisch ist auch hier die Solistin nach vorn geholt und Orchesterinstrumente kommen bei Solo-Stellen nicht immer gebührend nach vorn. Beiden Aufnahmen liegt Tschaikowskys Original-Partitur zugrunde.

 

eingestellt am 24.12.23  

  

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