Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Klaviertrio a-Moll op. 50

Tschaikowsky war eigentlich nicht willens  ein Klaviertrio zu schreiben, da ein Trio „die Gleichberechtigung und Gleichartigkeit … zwischen Streichinstrumenten einerseits und dem Klavier andererseits“ voraussetze, aber nicht gegeben sei. „Darum liegt im Klaviertrio immer etwas Gekünsteltes...“. Trotz dieser begründeten Abneigung schuf der Komponist ein Trio, im Andenken an seinen Freund und Kollegen Nikolai Rubinstein, der im März des Jahres 1881 in Paris im Alter von nur 46 Jahren verstorben war. Nach vollendeter Komposition war sich Tschaikowsky nicht im Klaren, ob sein Trio nicht zu orchestral ausgefallen sei. Diese Befürchtung scheint mir nach dem Durchhören von mehr als zwanzig Aufnahmen nicht unbegründet. Davon zeugen vor allem die Aufnahmen, die unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg entstanden sind. Die Balance zwischen den drei Instrumenten ist nicht immer gegeben, auch in den später eingespielten aufnahmen: das Cello wird oft von Geige und Klavier bis zur Unhörbarkeit „überfahren“. Erst in den Aufnahmen, die in den letzten zwanzig Jahren erschienen sind, stimmt die Balance. Es bedarf schon eines Cellisten mir starkem Ego, um seinen Part durchsetzen zu können. Meist liegt es jedoch am Pianisten, der einfach zu laut spielt und auch nicht zwischen Partien, bei denen er sich zurückhalten muss und solchen, in der das Klavier führen darf, unterscheiden kann. Schuld trifft aber auch den Komponisten, der das Cello unter den Möglichkeiten seines Ausdrucksvermögens behandelt. Dazu treten viele Unisono-Stellen zwischen Geige und Cello, womöglich um sich zusammen gegenüber dem Klavier behaupten zu können, oder das Cello verstärkt wie in Generalbasszeiten die tiefen Töne des Klaviers, was man nicht als glückliche Lösung am Ende des 19. Jahrhunderts anerkennen kann. Auch scheint mir der Klavierpart an vielen Stellen zu dick instrumentiert, er klingt dann zu klobig, zu wenig luftig, und stört die Balance zwischen den Instrumenten.

Trotz dieser aufgezeichneten Mängel liegt in op. 50 doch ein ausdrucksstarkes Trio vor, das immer gern gespielt und aufgenommen wird und auch bei der Zuhörerschaft viele Freunde gefundenhat. In Tschaikowskys Heimatland gab es den Anstoß zur Komposition weiterer Kompositionen in diesem Genre.

Das Trio weist zwei Sätze auf: einen Kopfsatz – Pezzo elegiaco – mit einer langsamen Einleitung, die am Anfang der Reprise und am Satzende modifiziert wiederholt wird. Darauf folgt ein Variationssatz mit 11 Variationen, Variation ist eine Fuge, und einem ausgedehnten Finalsatz in Sonatenform. Dem Komponisten mögen Zweifel ob dieser Länge von mehr als zehn Minuten gekommen sein und öffnet eine Kürzung gleich nach dem achten Takt bis zum Beginn der Reprise, je nach Geschwindigkeit sind das rund fünf Minuten. Heifetz, das Beaux Arts Trio, das Abegg Trio, Berezowski und das Wanderer Trio folgen dem Vorschlag des Komponisten. Anderer Formationen erlauben sich andere Striche in diesem Satz: Oistrach-52, Barenboim und das Haydn-Trio. Tschaikowski erlaubt auch die Auslassung der Fuge, einzig das Beaux Arts Trio geht darauf ein.



Trio Wanderer

HMF

2012

40‘47

5

schlanke Tongebung, zupackend; aber auch zurücknehmend; transparentes Klangbild, II die einzelnen Variationen werden gut in ihrer jeweiligen Eigenart umrissen, V 3 molto giocoso,

Bunitiashvili – Kremer – Divranauskaite

ECM

2010

52‘27

5

modern anmutender Tschaikowsky, schlank und geschmeidig musiziert, sehr bewegt bis aufgekratzt, aber auch mit nervigem Espressivo, Klaviersatz lichtdurchflutet

Gilels – Kogan – Rostropovitch

Melodya-Ariola

1952

47‘47

5

I leidenschaftlich, Streicher mit sehr viel Bogendruck, schlanker Geigenton, Vc. etwas zurück, Klang etwas gepresst, aber auch gut durchhörbare Partien, II V 3 sehr rhythmisch, überzeugend – „russische Seele“

David Oistrach Trio

Brilliant

1947

48‘27

5

Trio gut aufeinander eingespielt, con gran passione, Vc. etwas zurück, einige zeitbedingte Portamenti, II Einsätze immer gut markiert, Finale lebendiger und lockerer als bei Gilels/Kogan, mitreißend

Schweizer Klavier Trio

audite

2011

50‘25

5

mit viel Klangsinn und kammermusikalischer Feinabstimmung, sorgfältig, sehr gute Transparenz, auch im Klaviersatz, immer präsentes Cello

Geschwister Chung

EMI

P 1986

47‘32

5

schlankes homogenes musizieren, leidenschaftlich, V 5 silbrig klingendes Klavier, Fuge immer schlank, nicht demonstrativ auftrumpfend, technisch und musikalisch souverän

Ashkenazy – Perlman - Harrell

EMI

1980

49‘11

5

I zu Beginn der Reprise Vl. mit sehr viel Sentiment, II V 6 locker, grazioso, V 10 mit Delikatesse, Finale wie Tsch. fordert: risoluto con fuoco

 

Argerich – Kremer – Maisky

DGG

1998

46‘40

4-5

meist von der vorderen Stuhlkante aus musizierend, mit viel Nachdruck, dabei weicht die Akkuratesse auch schon mal einem groben Darüberhinweg, II V 3 molto scherzando, V 10 grobkörnig, Mazurka?, Finale con fuoco, mitreißend

Vogt – Weithaas - Bohorquez

EMI

2004

51‘19

4-5

live Heimbach – spannungsintensive Beredheit, die Musik selbst steht im Mittelpunkt, weniger ihre Außenwirkung, moderate Tempi

Rubinstein – Heifetz- Piatigorsky

RCA

1950

41‘04

4-5

I zügiges Tempo, schlankes Musizieren, con anima, teilweise elegant, ohne „russische Seele“, II V 5 das Spieldosenhafte gut herausgearbeitet, geht viel zu schnell vorüber, V 6 schwungvoll, In der Fuge und im Finale zeigt sich Piatigorsky nicht in Bestform, sportliches Finale

Abegg Trio

Tacet

2002

43‘19

4-5

I sofort im Tempo, eingespieltes Team, Cello präsent, überzeugende agogische Gestaltung, nuancenreich, II V 5 ohne Akzente der Streicher, Fuge trocken, akademisch, V 11 wenig sinnlicher Geigenton – dem Abegg Trio liegt bei der Aufnahme Tschaikowskys Originalpartitur zugrunde, bevor sie in den Druck ging und dabei hier und da kleine Änderungen in der Agogik und bei den Phrasierungen erfuhr

David Oistrach Trio

Archipel

1952

43‘57

4-5

live - ähnlich in der Anlage wie 1948, sehr direkt aufgenommen, viel Bogendruck, II V 9 Störungen, Finale gekürzt

Berezowski – Repin – Yablonski

Erato

1997

42‘06

4

Crescendi gehen meist mit Acellerandi einher, gute Balance zwischen den Instrumenten, Cello kommt nicht zu kurz, transparenter Klang, 2. Satz überzeugt mehr als der erste

Barenboim – Zukerman - du Prés

EMI

1972

42‘53

4

live – I engagiert, leidenschaftlich, Barenboim in den vielen Arpeggien und Figuren ziemlich pauschal, etwas stumpfer Klang, II V 5 Spannung bricht ein, Fuge etwas rustikal, etwas stumpfer Klang, Finale anfangs burschikos, gekürzt

Beaux Arts Trio

Philips

1970

41‘12

4

kantable Vortragsweise mit viel Klangsinn, keineswegs auftrumpfend, gute Balance zwischen den Instrumenten, II Fuge ausgelassen!, V 3 etwas zu brav, V 6 hervorragend, V 10 etwas verhalten, V 11 stimmungsvoll

Richter- Kagan - Gutman

Live Classics

1986

54‘09

4

Solisten im Wettstreit, voller Einsatz, intensive Gestaltung, alter Flügel, Klang oft viel zu kompakt, II V 5 Akzente der Streicher unbeachtet, V 6 A-Teil elegant und kapriziös, V 7 gewichtig, Finale viel zu gewichtig, mit Emotionen überfrachtet

Bronfman – Shaham - Mörk

Canary Classics

2006

46‘51

4

I sofort im Tempo, teilweise etwas unterkühlt und spannungsarm, schlankes Musizieren, Klavier jedoch stellenweise zu massiv, gute Transparenz, II V 6 elegant und mit Esprit, Fuge entspannt, Finale con anima


Haydn-Trio Wien

Teldec

1985

43‘26

3-4

I moderates Tempo, agogische Freiheiten nutzend, gute Transparenz, II V 3 Esprit?, Fuge aufgehellt, locker, kein Kraftakt, aber auch etwas akademisch, V 10 fehlt etwas an Charme, auch V 11, Finale nüchtern, Strich!

Lang – Repin – Maisky

DGG

2009

49‘11

3-4

I Lang bremst zuweilen, in langsamen Abschnitten zu viel Vibrato, neigt zum Kitschigen, II V 4 kitschig, V 6 Walzer grob, V 8 Durststrecke, V 10 affektiert – insgesamt ziemlich äußerlich, auf Virtuosität zugeschnitten

H. Menuhin - Y. Menuhin - Eisenburg

EMI Dutton u.a.

1939

44‘17

3-4

Geige immer präsent, Cello verschwindet oft im klanglichen Background, Klavier oft nur pauschal, II V 5 Klavier mehr mechanisch, Fuge bemüht, V 10 Klavier hölzern, Finale geschafft, jedoch kaum gestaltet, Yehudi bester Spieler


Moskauer Klaviertrio

Brilliant

1990

55‘42

2-3

hier kommt der große Gleichmacher: in moderatem Tempo, gelassen, das führt teilweise zu Langatmigkeit, da auch die Tempogegensätze kaum herausgestellt werden, Pianist im Ausdruck nivellierend/zurückhaltend und drängt Str. nicht an de Wand, gute Balance und Transparenz, Finale die große Ausnahme

 

Auch hier wurde ich bei der Beschaffung einer Aufnahme von einem Freund des Klassik-Prismas unterstützt, herzlichen Dank.

eingestellt am 21. 07. 14

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