Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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5 Lieder nach Gedichten von Mathilde Wesendonck

für Singstimme und Klavier

Orchesterfassung der Lieder 1-4 von Felix Mottl, Lied 5 von Richard Wagner

- Wesendonck – Lieder -



Der Engel – Stehe still – Im Treibhaus – Schmerzen – Träume



Wagners einfach gehaltene, kaum raffiniert zu nennende Klavierfassung klingt intimer, also auch persönlicher als die spätere Orchesterfassung. Für Felix Mottl war Wagners eigene Instrumentierung des letzten Liedes die Richtschnur für seine Orchestrierung der ersten vier. Im Gegensatz zu Wagner reicherte er die Musik jedoch mit eigenen Ideen an. Seine langjährige Vertrautheit mit dieser, insbesondere auch der des Tristans, vermittelte ihm sicher Anregungen dazu. Auf einige markante Stellen sei hingewiesen: Lied 1 Solo-Violine T. 23-27 und 40-45, Lied 2 die wirkungsvolle Trompete T.82-86, Lied 3 die gestopften (Tristan-) Hörner T. 44-48 und Lied 4 eine weitere Trompetenstimme T. 12/13.

Hans Werner Henze löst sich im Gegensatz zu Mottl weitgehend von Wagners Klavierpart und bietet eine eigenständige Fassung aller fünf Lieder. Sein Orchesterpart gewinnt eine wunderbare Durchsichtigkeit und auch Lebendigkeit, eingefügte Harfenklänge tragen auch dazu bei. Zu Beginn des 2. Liedes wird der Hörer – parallel zum Text – das „sausende, brausende Rad der Zeit“ akustisch gewahr. Henze betont noch mehr als Mottl die Tristan-Nähe der Musik, auch durch die Verwendung eines Englischhorns im 3. Lied.


Norman

London Symphony Orchester

Davis, Colin

Philips

1975

22‘02

5


Nilsson

London Symphony Orchester

Davis, Colin

Philips

P 1972

22‘52

5


Varnay

Sinfonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

Ludwig, Leopold

DGG

1954

20‘54

5


Flagstad

Orchester der Städtischen Oper Berlin

Sebastian

audite

1952

22'19

5

live

Flagstad

Wiener Philharmoniker

Knappertsbusch

Decca

1956

20‘20

5


Margiono

Limburg Symphony Orchestra

Spanjaard

Pentatone

2006

19'36

5


Peckova

Prag Philharmonia

Belohlavek

Supraphon

1999

21'27

5



Mödl

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

Keilberth

Archipel

1955

20'30

4-5

live

Lemnitz

Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin

Abendroth

Rundfunkaufnahme

1955

21‘42

4-5

live, unveröffentlicht

Ludwig

Philharmonia Orchestra

Klemperer

EMI

1962

21‘39

4-5


Kuhse

Gewandhausorchester Leipzig

Neumann

Berlin Classics

1964

20‘23

4-5


Farrell

Sinfonie-Orchester Leopold Stokowski

RCA Testament

1947

23'47

4-5


Flagstad

Oslo Philharmonic Orchestra

Fjelstad

Acanta

1951

22‘10

4-5

live

Flagstad

BBC Symphony Orchestra

Sargent

BBCL

1953

20‘07

4-5

live

Eaglen

London Symphony Orchestra Runnicles

Telarc

1999

20'41

4-5


Meier

Orchestre de Paris

Barenboim

Erato

P 1991

21‘12

4-5



Baker

London Philharmonic Orchestra

Boult

EMI

P 1976

23‘29

4


Studer

Sächsische Staatskapelle Dresden

Sinopoli

DGG

1993

21‘17

4


Lemnitz

Staatskapelle Berlin

Heger

Acanta

1944

21‘01

4

live

Baker

BBC Symphony Orchestra

Goodall

BBCL

1971

22‘46

4

live


Baltsa

London Symphony Orchestra Jeffrey Tate

Philips

1985

19'38

3-4


Horne

Royal Philharmonic Orchestra Henry Lewis

Decca

1969

23'09

3-4


Varady

Deutsches Symphonie-Orchester

Fischer-Dieskau

Orfeo

1997

20‘31

3-4


Stemme

Schwedisches Kammerorchester

Thomas Dausgaard

BIS

2012

18'54

3-4



Orchesterfassung von Hans Werner Henze:


Blythe

Ensemble Orchestral de Paris

John Nelson

EMI

2003

19'31

5



Lipovsek

Philadelphia Orchestra

Wolfgang Sawallisch

EMI

1995

20'08

4-5



in der ursprünglichen Fassung mit Klavierbegleitung:


Norman

Gage

EMI

1969

19'50

5



Flagstad

Moore

EMI

1948

20‘03

4-5


Lipovsek

Sawallisch

Farao

1991

20'38

4-5

live



Astrid Varnay müsste eigentlich an der Spitze aller besprochenen Aufnahmen stehen, sie singt sehr deutlich, die Töne werden genau gebildet und erhalten den ihnen zustehenden Platz in den Melodien. Sie verfügt auch über die notwendige Höhe, um exponierte Töne ohne zu forcieren darzubieten. Der Vortrag scheint mir jedoch ein wenig wie eine Lehrstunde in puncto Wagnergesang zu sein: „So muss man es singen!" Die Stimme erklingt immer vor dem Orchester. Trotzdem eine der besten Aufnahmen.

Jessye Norman hat die Wesendock-Lieder zunächst in der Klavierfassung mit Irwin Gage am Flügel aufgenommen, sie stand damals am Beginn ihrer Karriere. Ihre große Stimme fährt sie, wenn erforderlich, voll aus, sie steht immer unter Spannung und ist gut verständlich. Ein Pluspunkt der Aufnahme ist auch die sehr differenzierte Klavierbegleitung von Gage. Sieben Jahre später folgte dann die Orchesterfassung mit Colin Davis am Pult, das vorher Gesagte gilt auch hier, die Einbettung im Orchester kommt ihrer Stimme zusätzlich entgegen. Birgit Nilsson singt die Lieder intimer, schlichter als Varnay und Norman. Es dirigiert erneut Colin Davis das London Symphony Orchestra, sehr überzeugend, Spitzenleistung.

Auch ins Spitzenfeld gehört die Aufnahme mit Kirsten Flagstad und Knappertsbusch, die den Konzertaufnahmen mit Fjeldstad und Sargent interpretatorisch und vor allem klangtechnisch überlegen ist. Noch etwas weiter nach vorn rücken möchte ich den Konzertmitschnitt aus Berlin mit Georges Sebastian am Pult des Orchesters der Städtischen Oper Berlin, bei dem der Klang noch mehr aufgefächert ist als bei Kna. Für das Publikum muss der Konzertabend ein packendes Erlebnis gewesen sein, kaum Störungen, man vergleiche da einmal Furtwängler-Konzerte!

Die Oslo-Aufnahme klingt, obwohl in einem großen Saal mitgeschnitten, stellenweise wie aus einem Trichter, manchmal etwas gequetscht. Bei dem Mitschnitt aus der Royal Festival Hall ist der Orchesterklang kompakt und wenig aufgefächert. Jedoch muss auch gesagt werden, dass in den beiden live-Aufnahmen Flagstads Stimme mit etwas mehr Wärme eingefangen ist als in der Knappertsbusch-Aufnahme. Flagstad hat uns auch eine gute Aufnahme in der ursprünglichen Fassung mit Klavier (Gerald Moore) hinterlassen. Zum Schluss darf nicht verschwiegen sein, dass Flagstads etwas gaumige Stimme nicht unbedingt Jedermanns Geschmack trifft.

Das triff auch auf Martha Mödls Stimme zu. Unbestritten ist jedoch, dass die Mödl über eine große Ausstrahlung verfügte. Hans Knappertsbusch soll einmal gesagt haben, sie sänge Philosophie. Auch bei der Aufnahme der Wesendonck-Lieder spürt man eine große Affinität zu Wagners Miniaturen. Vokalverfärbungen und erkämpfte Spitzentöne trüben etwas den sonst positiven Eindruck.

In Europa kaum bekannt ist Eileen Farrells Aufnahme von Wagners Liederzyklus. Sie hat ihn auf Wunsch von und mit Leopold Stokowski erarbeitet und anschließend mit ihm und seinem Orchester eingespielt. Auffallend die gemäßigten bis sehr langsamen Tempi, die die Sopranistin immer wieder zum Zwischenatmen veranlassen und mit dafür verantwortlich sind, dass die Lieder teilweise in Abschnitte zerfallen. Insgesamt vermisst man auch das Drängende in einigen Liedern, stattdessen bietet Farrell einen einfühlsamen Vortrag, ihr Deutsch ist gut verständlich, leider jedoch nicht immer akzentfrei. Stokowskis Begleitung ist hervorragend, auch der Klang, selten hört man im 3. Lied im Orchester die „schweren Tropfen“!

Christa Ludwigs gaumige Stimme gepaart mit viel Vibrato mindert die Textverständlichkeit, andererseits strahlt ihre Stimme viel Wärme aus. Klemperer Begleitung mit dem POL ist hervorragend.

Auch Waltraud Meier setzt sehr auf Vibrato, vor allem bei lauten Stellen, dann klingt die Stimme zudem leicht geschärft.

Hanne-Lore Kuhses feinfühliger Vortrag gefällt, ihre Stimme bietet gute Textverständlichkeit, das 3. Lied scheint mir etwas zu schnell vorgetragen.

Von Tiana Lemnitz, die ihre große Zeit zwischen den beiden Weltkriegen hatte, sind mir zwei Aufnahmen mit Orchester bekannt, beide in Berlin mitgeschnitten. Die Heger-Aufnahme entstand 1944, die jüngere nach dem Krieg. Diese gefällt mir besser, die beiden Tristan-Studien (3. u. 5. Lied) gelingen hier sehr eindringlich, mit wunderbaren Pianissimi. Zeitbedingte Portamenti sollten hier nicht stören.

Janet Bakers Aufnahmen erreichen nicht das Spitzenfeld, sie sind meist zu langsam oder träge, Boult dirigiert etwas pauschal. Im Mitschnitt mit Goodall verpasst Baker im 4. Lied den Einsatz bei „muss die Sonne...". Der Dirigent jedoch überblickt die Situation und nach zwei Takten ist man wieder zusammen. Am besten gelingt Baker jeweils das dritte Lied „Im Treibhaus".

Marilyn Horne - in Verbindung mit Zubin Mehtaneigt zu opernhaftem Singen, man vermisst das sich Einlassen auf den Text, vieles klingt zu einförmig, auf die gleiche Weise gestaltet. Immer wenn sich die Musik in die Höhe schwingt, spürt man ein Aufleben, eine Zunahme an Intensität. Bei der Orchesterbegleitung wünschte man sich ein Mehr an dynamischer Differenzierung.

Charyl Studer bietet Schöngesang, ihre Stimme ist hier nicht sehr wandlungsfähig und scheint immer unter (zu viel) Druck zu stehen.

Julia Varadys Aufnahme mit Ehemann FD am Pult kann mir wenig zusagen, die Textverständlichkeit lässt zu wünschen übrig. Sängerin und Orchester scheinen nicht mit- sondern nebeneinander zu musizieren, oft fehlt die Spannung, die Lieder zerfallen in einzelne Abschnitte.

Agnes Baltsa hat die Wesendonck-Lieder zusammen mit Jeffrey Tate in London aufgenommen. Ganz glücklich bin ich mit der Aufname nicht. Ihre helle Stimme dominiert sehr, bei lauten Stellen wird sie leicht grell und klingt leicht gequetscht. Wärme ist hier nicht unbedingt ihre Sache. Tate macht seine Sache gut.

Dagmar Peckovas Mezzo verträgt sich sehr gut mit den Wesendonck-Liedern, auch wegen einer guten Textausdeutung und -verständlichkeit. Ihr Vibrato ist nach meinem Geschmack schon fast an der Grenze des Erträglichen. Sie nimmt die Lieder je nach Vorgabe sehr ruhig und gestaltet nach Möglichkeit in großen Bögen. Erwähnt werden muss auch die einfühlsame Orchesterbegleitung durch das Prag Philharmonia.

Marjana Lipovsek kann mit zwei Aufnahmen der Wesendonck-Lieder erfreuen: 1991 gab sie zusammen mit Wolfgang Sawallisch in Neuschwanstein die Klavierfassung, einfühlsam interpretiert, in guter Partnerschaft, man verstand sich. Folglich nahm man vier Jahre später den Zyklus in Philadelphia mit Orchester auf, allerdings in der im Vergleich zu Mottl/Wagner gelichteten Orchestrierung von Hans Werner Henze, die man leider selten hört. Auch hier erlebt man eine einfühlsame Gestaltung des Notentextes, sowohl in den ruhigen Partien als auch in den (wenigen) ekstatischen.

Stephanie Blythe erweist sich als profunder Anwalt von Henzes Orchesterfassung, nach dem Anhören der CD wünschte man sich noch mehr solcher Interpretationen.Blythe bietet eine gute Textverständlichkeit, leider jedoch nicht immer ein akzentfreies Deutsch.

Jane Eaglens Timbre passt gut zu den Liedern, sie trifft auch gut deren unterschiedliche Stimmungen wobei sie von Runnicles bestens unterstützt wird.

Bei Charlotte Margiono fällt das gute Miteinander mit dem auf dem Tonträgermarkt kaum hervortretenden Orchester ins Ohr. Ihre Stimme ist locker geführt und gut verständlich. Stellenweise gelingen sehr stimmungsvoll gestaltete Partien.

Nina Stemme trifft auf ein klein besetztes Orchester, singt aber so, als stände sie in der Wiener Staatsoper oder in Covent Garden auf der Bühne, mit zu viel Dauer-Vibrato und verfärbten Vokalen. Ihr Gesang klingt künstlich, die höhere Lage überzeugt mehr als die tiefere. Thomas Dausgaard leuchtet mit seinem Schwedischen Kammerorchester die Partitur aus, nirgends sonst hört man so deutlich die gestopften Hörner („Tristan!“) oder die fallenden Tropfen, eine Meisterleistung!

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass Wagner sein letztes Lied „Träume" auch als Konzertstück für Solo-Violine und Orchester gedacht hat, der Part der Singstimme kann von einer Geige übernommen werden.

Hugh Bean hat das Stück mit dem Philharmonia Orchester unter der Leitung von Paul Kletzki bei EMI eingespielt, ebenso Katarina Andreasson mit dem Schwedisches Kammerorchester unter Leitung von Thomas Dausgaard bei BIS .

eingestellt am 18.09.05

überarbeitet und ergänzt am 17.04.16


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