Das Klassik-Prisma |
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Bernd Stremmel |
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Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 7 E-Dur
Allegro moderato – Adagio. Sehr feierlich und sehr
langsam – Scherzo. Sehr Schnell – Finale. Bewegt, doch nicht schnell
Mit seiner 7. Sinfonie gelang Bruckner endlich die ersehnte Anerkennung als Komponist. Die Uraufführung im Leipziger Gewandhaus unter Leitung von Arthur Nikisch am 30. Dez. 1884 wurde vom Publikum teils wohlwollend, teils auch noch ablehnend aufgenommen. Die kurz darauf folgende zweite Aufführung am 10. März des folgenden Jahres im München unter Leitung von Hermann Levi, dem Dirigenten der Uraufführung des Parsifals, brachte dann den Durchbruch, Constantin Floros spricht im Beiheft der letzten Karajan-CD von einem „Triumphzug für Bruckner“.
Bruckner arbeitete zunächst an den Sätzen 1 und 3, danach nahm er sich das Adagio vor, in Vorahnung des Todes von Richard Wagner, der dann tatsächlich bald eintrat. Der Höhepunkt im Adagio bei Buchstabe W, Takt 177 ff, sowie die folgende Trauermusik wurden „zum Andenken an den Hochseligen, heißgeliebten unsterblichen Meister“ komponiert. Danach entstand noch das Finale. In den beiden zuletzt komponierten Sätzen verwendet Bruckner zum ersten Mal einen Satz Wagner-Tuben, auch Nibelungen-Tuben genannt, die einen weichen, dunkel getönten Klang von sich geben, zur Erinnerung an den Verstorben.
Nach der Münchner Aufführung drängten wohlwollende Freunde den Komponisten zu einigen kleinen Veränderungen in der Partitur. So kam der Beckenschlag mit Triangel-Tremolo auf dem Höhepunkt des 2. Satzes dazu. Insgesamt erfuhr die 7. Sinfonie jedoch keine Revisionen oder neu komponierte Teile oder Sätze wie bei den vorausgegangenen Sinfonien, ausgenommen Nr. 5 und 6. Den Erstdruck bei Gutmann in Wien bezahlte der Widmungsträger König Ludwig II. von Bayern, dem das Adagio so gut gefiel, dass er es sich im verdunkelten Münchner Hoftheater mehrmals vorspielen ließ. Die erste revidierte Fassung brachte Robert Haas heraus (1944) und Leopold Nowack veröffentlichte seine revidierte Fassung 1954.
Im 1. Satz wird das zweiteilige 1. Thema zweimal hintereinander dargeboten, zuerst von den Celli, unterstützt vom 1. Horn, das in T. 6 von den Bratschen abgelöst wird, während die Geigen einen Klangteppich auslegen. Beim zweiten Teil des Kopfthemas tritt dann noch die erste Klarinette hinzu, die man in fast allen hier vertretenen Aufnahmen jedoch kaum hört. Bevor jetzt das Kopfthema vom gesamten Orchester vorgestellt wird, lässt Bruckner in der Gutmann-Partitur einen halben Takt vorher einen Hornton, den Dominanton h, in Vorbereitung auf die Grundtonart E-Dur, leise erklingen. Die älteren Dirigenten, die in ihrem Berufsleben nur mit dieser Gutmann-Ausgabe gearbeitet haben, bringen diesen leisen Hornton: Schuricht, Furtwängler, Andreae, Abendroth, Knappertsbusch, Szell, van Beinum, Barbirolli, Ormandy, Matacic, Kabasta, Fried, Horenstein und Jochum (nur BP). Eine weitere Hornstimme ist bei Rosbaud in den Takten 125/26 (3. Th.) zu hören, quasi als Einleitung zu der Hornstelle in den folgenden Takten, die leider oft im Klang untergeht. Deutlich wahrnehmbar ist sie bei Klemperer, Andreae, Rosbaud, HvK-70, -75 und -89. Nach der knappen Durchführung mit allen drei Themen beginnt die Reprise mit Thema 1 in C-Dur (T. 249 ff), wunderbar blüht die Musik auf. Bevor es jedoch mit der zweiten Hälfte des Themas weitergeht, bricht Bruckner ab und wagt einen neuen Versuch, jetzt in d-Moll, wobei sich das Thema aufzulösen scheint. Nach 16 Takten dann ein kurzer dritter Versuch in Es-Dur, nach nur vier Takten ist der Spuk vorbei. Bei Walter klingt die Stelle wie unwirklich, auch bei Klemperer, Andreae, Furtwängler, Mrawinsky, Jochum-BP und Blomstedt-Dresd. Nach einem kurzen Innehalten setzt dann nach diesen drei Scheinreprisen die eigentliche Reprise in der Grundtonart E-Dur ein, zwar leise, aber um so eindringlicher, sofern die Dirigenten diesen Moment nicht gleichgültig vorüberziehen lassen.
Beim Finale des 1. Satzes treten die beiden Teile des 1.Themas in umgekehrter Reihenfolge auf. Wie schon zu Beginn bringen Celli und Bratschen die zweite Themenhälfte, dazu spielen versetzt Oboen und Flöten einen Kontrapunkt. Hier lässt Bruckner die Musik richtig aufglühen. Einen entscheidenden Beitrag dazu leistet die Pauke, die zum ersten Mal in diesem Satz - mit einem Wirbel auf e als Orgelpunkt - mitspielen darf, sich ab dem 3. Takt bis zum Höhepunkt T. 401 immer mehr steigert und dann bis zum Ende dieses Abschnitts wieder leiser wird. Eine großartige Musik! Sehr überzeugend bei Jochum-BP, van Beinum und Abbado. Das abschließende Finale mit dem ersten Teil des Themenkopfs klingt wie ein Triumph, laut und prächtig, es kann aber nicht mit der Innerlichkeit der vorhergehenden Takte aufwarten.
Das Adagio in der parallelen Moll-Tonart cis-Moll ist sehr breit gearbeitet. Wie schon oben angedeutet, erweiterte Bruckner das Klangspektrum um 4 Tuben und eine Kontrabasstuba. Nachdem die beiden Themen mehrmals durchgeführt wurden, beginnt bei Partiturziffer S (T.157) der Aufbau des mächtigen Höhepunktes, der nach mehreren Aufschwüngen bei Ziffer W (T. 177-180) erreicht wird. Die meisten Dirigenten bringen hier den Beckenschlag (samt Triangel), der ursprünglich nicht vorgesehen war, jedoch von Bruckner nachträglich sanktioniert wurde. Folgende Dirigenten verzichten jedoch darauf: Walter, Abendroth, Wand, Konwitschny, Otterloo, Asahina, Tintner, Gielen, Masur, Blomstedt, Harnoncourt, Inbal, Lopez-Cobos und Herreweghe. Ein Sonderfall ist Carl Schuricht: in seiner ersten und letzten Aufnahme ist er da, bei den Rundfunkaufnahmen 1953 und 1954 fehlt er. Der zweite Satz klingt aus mit der eindringlichen Trauermusik der Flöten, der Tuben, hinzu tritt hier eine beinahe herz-zerreißende Klage der Hörner, sehr überzeugend bei Blomstedt, Otterloo, Jochum, HvK-71 ff, Giulini, Maazel, Inbal und Herreweghe. Dann folgt eine tieftraurige Musik der Streicher und Flöten, hier fühle ich mich an die Stelle in Walküre II. Akt erinnert, als Siegmund zum Kampf mit Hunding aufgebrochen ist und Sieglinde verlassen hat (T. 193 ff). Für den Abschluss sind dann die Tuben und Hörner zuständig, die feierlich über dem Cis-Dur-Klang der Streicher fünfmal den Kopf des 1. Themas bemühen.
Das Scherzo ist weitgehend monothematisch angelegt, wie ein Signal. Der Seitengedanke, die zweite Hälfte des Themas, bleibt episodenhaft, auch wenn er im Mittelteil des Satzes quasi wie eine Durchführung eine größere Beachtung findet. Der wie penetrant ständig wiederholte Themenanfang erinnert irgendwie an die Nibelheim-Szene in Wagners Rheingold mit ihren hämmernden Ambossen. Dem nur episodenhaften Trio fehlt ein einprägsames Thema, immer wieder wechseln sich in anderer Instrumentation ein 4-Takt-Motiv ab, auch als Engführung, und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Den musikalischen Reichtum der ersten beiden Sätze sucht man hier und auch im Finale vergebens.
Der Schlusssatz mit seiner kleinteiligen Anlage scheint von Anfang an auf das Finale konzipiert. Die Durchführung ist äußerst knapp gehalten und wird in ihrer Funktion vom Hörer kaum wahrgenommen. Immer wieder wird der Fluss der Musik durch blechgepanzerte Einwürfe unterbrochen. Man kann die Frage stellen, ob hier die feierlichen Tuben noch erforderlich sind. Vielleicht hat die relative Kürze dieses Satzes nach den ausgedehnten zwei ersten Sätzen auch zum Erfolg der Sinfonie beigetragen.
„Gerade die 7. Sinfonie wurde sowohl
wegen der grossen Schönheit und Prägnanz ihrer Themen,
als auch wegen des Reichtums und der Leuchtkraft ihrer instrumentalen Farben
sofort nicht nur zum Liebling der Konzertbesucher, sondern nach der Erfindung
der Schallplatte auch zum meist eingespielten Werk Bruckners in der Zeit der Schellackplatte.“ (Wolfgang
Georgy im Booklet der Oskar Fried-CD). Die ersten
Aufnahmen waren:
1924 Oskar Fried, Staatskapelle Berlin
1928 Jascha Horenstein, Berliner Philharmoniker
1935 Eugene Ormandy, Minneapolis Symphony Orchestra
1935 Eugen Jochum, Wiener Philharmoniker
1938 Carl Schuricht, Berliner Philharmoniker
1942
Oswald Kabasta, Münchner Philharmoniker
Bruckner hielt eine Bearbeitung oder Revision seiner 7. Sinfonie für nicht erforderlich, er wurde auch nicht von seinen Jüngern dazu gedrängt, schade, den Sinfonien Nr. 4 und 8 hat es meiner Ansicht nach gut getan. Der Übergang vom 2. zum 3. Satz kommt mir wie eine kalte Dusche vor, als wenn ich aus der Warmen plötzlich ins Kalte gestürzt würde, dass passt m. E. nicht gut zusammen. Im Konzertsaal kann man da eine Pause machen, dann fällt der Wechsel nicht so auf. Das Scherzo klingt ein bisschen so, als wollte die Musik sagen: Jetzt müssen wir mal wieder andere Saiten aufziehen! Sie ist weitgehend monothematisch und auch deshalb klingt sie bei den lauten Stellen als viel zu lärmend. Auch das Finale mit seinen kurzatmigen Themen, das Hauptthema ist aus dem des 1. Satzes entwickelt, klingt irgendwie nach einer Verlegenheitslösung. Nur ganz wenige Dirigenten schaffen es durch geschickte Artikulation und guter Tempowahl dieses Manko zu überspielen, z. B. Nagano.
Für mich ist die 7. eine „Unvollendete“, nicht dass etwas fehlte, sondern dass nach einer Revision die musikalischen Gestalten/Themen vielleicht besser aufeinander abgestimmt worden wären, ein Gewinn für die Musik. Ich könnte mir auch denken, dass der 3. Satz durch einen anderen hätte ersetzt werden können, bei der 1. und 4. Sinfonie gelangen ihm zuvor andere (überzeugendere) Lösungen. Das Niveau zwischen den beiden ersten und beiden letzten Sätzen in der vorliegenden Fassung ist nicht dasselbe. Bruckner jedoch durften solche Gedanken nicht plagen, er gab sein Werk erst einmal in die Hände eines Dirigenten, der damit Erfolg versprach und auch brachte, worüber der Komponist glücklich war und sich erleichtert Neuem zuwandte.
Wer als Ergebnis meiner Untersuchungen
wieder wenige Top-Aufnahmen erwartete, wird jetzt verwundert sein über die
große Anzahl in der obersten Kategorie. Das ist nicht als Zeichen von
Ratlosigkeit zu verstehen, sondern spiegelt das insgesamt sehr hohe Niveau der
Interpretationen wider. Meine Beurteilungen erfolgten ohne Berücksichtigung der
erwähnten Vorbehalte zur Form der beiden letzten Sätze.
Wand |
Berliner
Philharmoniker |
RCA |
1999 |
66‘29 |
5 |
live – geschmeidiges
Musizieren auf höchstem Niveau, die Partitur souverän umgesetzt, Orchester
mit noch etwas mehr Brillanz als 1999 |
Wand |
Sinfonie-Orchester
des NDR Hamburg |
RCA |
1992 |
63‘51 |
5 |
live – wie 1999 |
van Beinum |
Concertgebouw Orchester
Amsterdam |
Decca |
1953 |
58‘35 |
5 |
trotz etwas
zügigerer Tempi in den beiden ersten Sätzen gelingt v. Beinum
eine atmosphärisch dichte Interpretation, in lauten Tutti-Abschnitten
geringere Transparenz, Orchester ohne den Feinschliff der Jetztzeit |
Furtwängler |
Berliner
Philharmoniker |
Myto |
1951 |
63‘04 |
5 |
live Rom |
Furtwängler |
Berliner
Philharmoniker |
EMI SWF Toshiba |
1949 |
62‘10 |
5 |
live Berlin |
Furtwängler |
Berliner
Philharmoniker |
DGG |
1951 |
62‘24 |
5 |
live Kairo |
Solti |
Chicago Symphony Orchestra |
Decca |
1986 |
68‘19 |
5 |
sehr gute
Orchesterleistung, geschmeidiges Blech, Blick immer auch auf ’s Detail, gute
Dynamik, sehr gute Transparenz, I die großen Bögen nicht ganz gestaltet, II
viel Espressivo, gelassen, mit viel Ruhe, gefeilt,
III nimmt sich für das Trio viel Zeit und wertet es durch nachdrückliches
Musizieren auf |
Dohnanyi |
Cleveland Orchestra |
Decca |
1990 |
63‘53 |
5 |
Dohnanyi hat die Partitur
fest im Griff, hervorragender Bruckner-Exeget, perfekt, man wünschte sich
stellenweise noch etwas mehr Wärme, helles Klangbild |
Schuricht |
Sinfonie-Orchester
des NDR Hamburg |
Tahra |
1954 |
62‘31 |
5 |
live |
Chailly |
Deutsches Symphonie-Orchester
Berlin |
Decca |
1984 |
69‘00 |
5 |
ruhig fließend,
sehr gute Disposition, die gesamte dynamische Bandbreite nutzend, schlank
aufspielende Blechbläser, sehr gute Transparenz |
Karajan |
Berliner
Philharmoniker |
DGG |
1975 |
64‘35 |
5 |
|
Karajan |
Wiener
Philharmoniker |
DGG |
1989 |
65‘57 |
5 |
|
Sinopoli |
Sächsische
Staatskapelle Dresden |
DGG |
1991 |
64‘47 |
5 |
überzeugend
gestaltete Darstellung, I ausdrucksvoller Beginn, zu Beginn des Finales T. 193
ff Bratschen und Celli etwas unterdrückt, gute Temporelationen, II mit langem
Atem, lastend, T. 33-36 wie eine düstere Vorahnung, ausdrucksvolle
Trauermusik |
Szell |
Wiener
Philharmoniker |
Orfeo Sony |
1968 |
63‘11 |
5 |
live - I 1. Th. im Gegensatz z. B. zu Celibidache ganz keusch
vorgetragen, Höhepunkt hier erst bei T. 38 f, im bewegten Tempo, mehr auf das
Ganze schauend als auf die Einzelheiten, II Musik bleibt immer im Fluss,
spannungsintensive Beredtheit, III die Musik darf bei Szell auch atmen, Trio:
mit Hingabe, IV spannungsvoll |
Otterloo |
Wiener Symphoniker |
Philips Challenge forgotten records |
1954 |
64‘22 |
5 |
I bewegtes Tempo,
immer lebendiger Musizierstil, Stimmenverläufe immer nachzuvollziehen, II warmherzig,
mit großem Atem, I immer wieder sonst überspielte Details, IV lebendig –
hellwache Orchesterleitung, gute Transparenz |
Matacic |
Tschechische
Philharmonie |
Supraphon Denon |
1967 |
68‘58 |
5 |
intensives Ausloten
der Partitur, Orchesterklang baut sich über den Bass auf, etwas angeraut,
nicht auf Hochglanz poliert, sehr gute Transparenz, I beim 1. Th. tritt das Horn etwas vor die Celli, plastische Pizzicati der tiefen Streicher, II trotz langsamen Tempos
immer lebendig, III intensiv gestaltetes Trio |
Kreizberg |
Wiener Symphoniker |
Pentatone |
2004 |
67‘38 |
5 |
live – I ruhig, mit
großem Atem gestaltet, II mit intensiver Einfühlsamkeit, III hellwach disponiertes
Scherzo, facettenreiches, empfindsames Trio, IV souverän, gibt dem Satz
Eigenständigkeit und Größe – helles Klangbild, beste Transparenz |
Nagano |
Bayerisches
Staatsorchester |
Farao |
2010 |
64‘41 |
5 |
live – N. bleibt immer
schlank, zeichnet die Musik fein nach, Liebe zum Detail; voller, warmer
Streicherklang, wunderbare Abrundung des Blechbläserklangs, Trompeten stechen
nicht hervor und trumpfen nicht vorlaut auf, Flöten klanglich etwas
zurückgesetzt, I intensiv gestaltet, eher zart, jedoch keine Magerkost, II
gestaltete Zeit, mit viel Fingerspitzengefühl, III Motiv T. 9-12 immer
rhythmisch betont gezeichnet, nicht lärmend – Nagano formt die Partitur zu
einem gerundeten Ganzen |
Abbado |
Festival Orchester
Luzern |
EuroArts |
2005 |
60‘34 |
5 |
live – Soundtrack
der Videoproduktion |
Herreweghe |
Orchestre des Champs-Élysées |
HMF |
2004 |
59‘27 |
5 |
teilweise schon
impressionistisch, völlig ohne Weihepathos, kammermusikalische Feinabstimmung,
pointiert artikuliert, Bruckners Dynamik beim Wort genommen, weiche
Blechklänge; durchweg schlank, mit viel Klangsinn, musiziert |
Giulini |
Philharmonia Orchestra London |
BBCL |
1982 |
61‘06 |
5 |
live |
Horenstein |
Berliner Philharmoniker |
DGG Berliner
Philharmoniker |
1928 |
59'03 |
5 |
I Neigung zu einem
sachlichen Vortragsstil, insofern bereits moderner Zugriff, II mit viel
Empathie gespielt, III Trio: deutlich der doppelpunktierte Rhythmus der Pauke,
harter Schlägel, IV sehr bewegt |
|
|
|
|
|
|
|
Fried |
Staatskapelle
Berlin |
DGG M&A |
1924 |
56‘45 |
4-5 |
Dokument der ersten
Aufnahme der Sinfonie noch unter akustischen Bedingungen. Fried schlägt große
Bögen, ohne die motivischen Verflechtungen zu vernachlässigen, erstaunlich
viele Einzelheiten. Einige Passagen der Kb werden
durch die Kontrabasstuba verstärkt, bewegte Tempi, bei günstigeren
akustischen Gegebenheit der Aufnahme wäre eine Höherstufung gegeben. |
Abendroth |
Berliner
Rundfunk-Sinfonie-Orchester |
Tahra |
1956 |
61‘02 |
4-5 |
live – intensiv
nachgezeichnet, viel Atmosphäre vermittelnd, immer lebendig, teilweise
glühend, III mit viel Fantasie gestaltet, intensives Trio |
Schuricht |
Sinfonie-Orchester
des NDR Stuttgart |
hänssler |
1953 |
60‘01 |
4-5 |
live |
Schuricht |
Philharmonisches
Orchester Den Haag |
Concert Hall Scribendum |
1964 |
60‘17 |
4-5 |
|
Schuricht |
Berliner
Philharmoniker |
Polydor History |
1938 |
64‘31 |
4-5 |
|
Andreae |
Wiener Symphoniker |
M&A |
1953 |
58'22 |
4-5 |
Andreae breitet die Musik
sehr klar aus, immer mit Einbezug der Nebenstimmen, sinnvolle Artikulation,
überzeugender Aufbau der Höhepunkte, nicht theatralisch, für die Aufnahmezeit
gute Transparenz und guter Klang, II bewegtes Moderato, nicht schwerblütig,
III ausdrucksvolles und auch nachdenkliches Trio |
Konwitschny |
Gewandhausorchester
Leipzig |
Eterna Berlin Classics |
1958 |
65‘21 |
4-5 |
intensiv gestaltet,
spannungsvoll, große Bögen, Orchester noch nicht auf dem heutigen Niveau,
Blech nicht optimal ausgeglichen, leicht mulmiger Klang |
Jochum |
Berliner
Philharmoniker |
DGG |
1964 |
67‘30 |
4-5 |
|
Jochum |
Staatskapelle
Dresden |
EMI |
1976 |
69‘01 |
4-5 |
|
Rosbaud |
SWF
Sinfonie-Orchester Baden-Baden |
Mediaphon Line |
1957 |
63‘00 |
4-5 |
I bewegt, warm,
leuchtend, II bewegt, insgesamt etwas sachlich, gebremster Höhepunkt, III sich
Zeit lassend, episches Trio – für die Zeit der Aufnahme ausgezeichneter
Klang, gute Transparenz |
Abbado |
Wiener
Philharmoniker |
DGG |
1992 |
64‘11 |
4-5 |
|
Böhm |
Sinfonie-Orchester
des Bayerischen Rundfunks |
Orfeo |
1977 |
64‘21 |
4-5 |
live – immer sehr
deutlich, Atmosphäre |
Böhm |
Wiener
Philharmoniker |
DGG |
1976 |
66‘16 |
4-5 |
ähnlich wie die
Münchner Aufnahme, helleres Klangbild als gewohnt, davon profitieren die Holzbläser,
II sehr breiter Höhepunkt, IV deutliche Unterschiede zwischen schnellen und
langsamen Partien |
Klemperer |
Berliner
Philharmoniker |
Frequenz |
1958 |
60‘14 |
4-5 |
live Luzern |
Klemperer |
New Philharmonia Orchestra London |
Testament |
1965 |
61‘12 |
4-5 |
live London |
Knappertsbusch |
Wiener
Philharmoniker |
Orfeo History |
1949 |
63‘08 |
4-5 |
live – Musik immer
im Fluss, mehr das Zukünftige als das Hier und Jetzt im Blick, flaches
Klangbild, fast schon spitz klingend, da 1. Vl. zu sehr
dominieren, geringere Transparenz, I deutliche Reprise, II bewegt,
Natürlichkeit bewahrend, große spannungsintensive Bögen |
Blomstedt |
Staatskapelle
Dresden |
Eterna Denon |
1980 |
67‘51 |
4-5 |
|
Blomstedt |
Gewandhausorchester
Leipzig |
Querstand |
2006 |
68‘44 |
4-5 |
live |
Giulini |
Wiener
Philharmoniker |
DGG |
1986 |
67‘42 |
4-5 |
|
Tintner |
Royal Scottish Symphony Orchestra |
Naxos |
1997 |
65‘33 |
4-5 |
I intensiv geformt,
immer deutlich, Blick auf Details, 3. Th. bewegter als
üblich, I wie selbstverständlich, Höhepunkte nicht ganz ausgespielt, III Trp. anfangs tatsächlich p, nicht zu laut, wie man es oft hört, sehr ruhiges Trio - helles
Klangbild, jedoch im Tutti etwas eingeengt, hervorragende Tranzparenz |
Celibidache |
SDR
Sinfonie-Orchester Stuttgart |
DGG |
1971 |
66‘23 |
4-5 |
|
Kabasta |
Münchner
Philharmoniker |
EMI |
1942 |
57‘44 |
4-5 |
Dokument des
Bruckner-Apostels Kabasta – bewegte Tempi, wirkt sich
positiv auf die Sätze 3 und 4 aus, mäßiges Rubato, mäßige Transparenz, in
lauten Tutti-Passagen kompakt, höhenbeschnitten |
Haitink |
Concertgebouw Orchester
Amsterdam |
Philips |
1978 |
65‘13 |
4-5 |
|
Skrowaczewski |
Radio Sinfonie-Orchester
Saarbrücken |
Oehms |
1991 |
68‘34 |
4-5 |
live – sehr gute
Darstellung, wie selbstverständlich gespielt, große Bögen, Scherzo: derb, wie
von Bruckner gewünscht, Trio von Streichern beherrscht |
Skrowaczewski |
London Philharmonic Orchestra |
LPO Eigenlabel |
2012 |
68‘39 |
4-5 |
live – kaum
Unterschiede zur älteren Aufnahme, Oboe im Gegensatz zum übrigen Holz viel
Vibrato!, Scherzo weniger derb |
Gielen |
SWF
Sinfonie-Orchester Baden-Baden |
Intercord SWR
music |
1986 |
58‘22 |
4-5 |
durchgehend
fließend bewegtes Musizieren, schlank, völlig ohne einen Anflug von
Weihepathos, Alternative zu den meisten anderen Aufnahmen |
Harnoncourt |
Wiener
Philharmoniker |
Teldec |
1999 |
59‘51 |
4-5 |
live – Streicher ohne
Vibrato, sehr schlank geführt, fast schon wie geglättet, ich vermisse etwas
Prägnanz und Nachdruck, hervorragende Transparenz, II Flöte T. 195-199
Vibrato, III ebenso Str. im Trio, IV gut, spannungsvoll |
Inbal |
Radio-Sinfonie-Orchester
Frankfurt |
Teldec |
1985 |
63‘33 |
4-5 |
analytischer Blick
auf die Partitur, immer bewegt, helles und transparentes Klangbild, II bringt
die Bässe nicht genügend ein, klingt aber wie eine Herzensangelegenheit |
Walter |
Columbia Symphony Orchestra |
CBS Sony |
1961 |
64‘33 |
4-5 |
viel Wärme
ausstrahlend, heller Klang, Lautstärkedifferenzierung im unteren Bereich kaum
Top, I Es-Dur T. 277-80 vor der Reprise klingt irgendwie unwirklich, fast
falsch, die Reprise danach klingt umso deutlicher, II zügiges Tempo, |
Karajan |
Wiener
Philharmoniker |
ica-classics |
1962 |
62‘39 |
4-5 |
live |
|
|
|
|
|
|
|
Klemperer |
Sinfonie-Orchester
des Bayerischen Rundfunks |
medici arts |
1956 |
59‘05 |
4 |
live München |
Klemperer |
Wiener Symphoniker |
Testament |
1958 |
59‘22 |
4 |
live Wien |
Klemperer |
Philharmonia Orchestra London |
EMI Warner |
1960 |
65‘00 |
4 |
|
Welser-Möst |
Gustav Mahler
Jugendorchester |
Orfeo |
1989 |
56‘34 |
4 |
live – Dokument eines
pragmatischen Vortragsstils ohne Weihe-Attitüde, die jungen Musiker schlagen
sich unter ihrem 29 jährigen Dirigenten wacker, mit Elan, für Brucknerianer gewiss etwas zu nüchtern |
Maazel |
Berliner
Philharmoniker |
EMI |
1988 |
73‘40 |
4 |
|
Maazel |
Sinfonie-Orchester
des Bayerischen Rundfunks |
BR Klassik |
1999 |
66‘08 |
4 |
live |
Karajan |
Berliner
Philharmoniker |
EMI |
1970/71 |
67‘56 |
4 |
|
Haitink |
Concertgebouw Orchester
Amsterdam |
Philips |
1966 |
60‘28 |
4 |
|
Haitink |
Chicago Symphony Orchestra |
CSO Eigenlabel |
2007 |
67‘14 |
4 |
live |
Asahina |
Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra |
Fontee |
1997 |
70‘00 |
4 |
live – Musik
überzeugend organisiert, sehr ausgewogen, es fehlt jedoch das Geheimnisvolle,
das Romantische, Atmosphäre und eine gewisse Glut bei den Höhepunkten – keine
Publikumsgeräusche |
Jansons |
Symphonie-Orchester
des Bayerischen Rundfunks |
BR Klassik |
2007 |
64‘31 |
4 |
live – musikalisch und
technisch auf höchstem Niveau, jedoch ziemlich steril, zurückhaltend, ohne
Gefühle zu zeigen, ohne echte Intensität, II auf dem Höhepunkt kein Triumph,
er klingt wie abgerungen, III Scherzo ohne Intensität, mattes Trio |
Barenboim |
Berliner Philharmoniker |
Teldec |
1992 |
70‘33 |
4 |
|
Barenboim |
Staatskapelle
Berlin |
DGG |
2010 |
65‘57 |
4 |
live |
Barbirolli |
Hallé Orchestra
Manchester |
BBCL |
1967 |
62‘11 |
4 |
live – dynamische Differenzierung
im unteren Bereich kaum gegeben, im Tutti enges Klangbild, wenig transparent,
Bandrauschen, leises Summen B. Nicht zu
überhören; breiter Blechklang, der in Tuttipassagen rau klingt; I
unruhiges 2. Th., überzeugendes Finale I, Finale II
dagegen etwas lärmend, II T. 89 ff Proportionen nicht stimmig, IV
doppelpunktierter Rhythmus nicht genügend scharf, feuriges Finale |
Lopez-Cobos |
Cincinatti Symphony Orchestra |
Telarc |
1989 |
66‘32 |
4 |
I mit Ruhe und Gelassenheit
am Werk, II Musik etwas direkt angegangen, IV Wechsel der Motive zwischen
Fl./Ob. und Vl. 1 bei T. 183-190 unterbelichtet –
Geigen mit etwas breitem Strich |
Celibidache |
Münchner
Philharmoniker |
EMI |
1994 |
79‘50 |
4 |
live |
Goodall |
BBC Symphony Orchestra |
BBCL |
1971 |
67‘57 |
4 |
live – ansprechende
Interpretation, es fehlt der Musik jedoch etwas Nachdruck, mehr referierend
als mitgefühlt dargestellt, es fehlen die Momente des Aufglühens, besonders im
2. Satz, III schleppend, IV überzeugt am meisten, warme wagnerische
Tuttistellen |
|
|
|
|
|
|
|
Rattle |
City of Birmingham Symphony Orchestra |
EMI |
1996 |
70’38 |
3-4 |
sehr große dynamische
Spannbreite und gute Differenzierung, jedoch nicht immer hinreichend
transparent, I sehr breit genommen, darunter leidet jedoch etwas die
Spannung, II beim 1. Th. scheint Rattle vor
Ehrfurcht zu erstarren, Spannung bricht oft ein, T. 123 f Flöten?, mehr
Einzelabschnitte als ein Ganzes, Scherzo etwas tapsig, Trio: Streicher decken
die Bläser oft zu, IV mit der Länge sinkt die Spannung, zu Beginn der Reprise
übertönt das Blech die restlichen Instrumente |
Ormandy |
Minneapolis Symphony Orchestra bei History fälschlich: Philadelphia Orchestra |
Victor History |
1935 |
62‘04 |
3-4 |
I sehr flüssiges
Tempo, führt zeitweise zu Kurzatmigkeit, 2. Th. in
der Durchführung zelebriert, II hier näher bei Bruckner, III Trio:
überbordendes Espressivo, fast schon kitschig, IV
beim 1. Th. sehr eilend, Bläser-Tutti martialisch,
abrupte Schlüsse – enges Klangbild, wenig transparent, Verzerrungen bei
lauten Tutti-Stellen, bzw. Dynamik stark beschnitten, zeitbedingte
Portamenti; Aufnahme mehr eine Information über Bruckner in den USA 1935, als
ein Hörgenuss |
Mrawinsky |
Leningrader
Philharmonie |
EMI |
1967 |
61‘01 |
3-4 |
live – I russischer
Bruckner, Nähe zu Tschaikowsky kann nicht ganz geleugnet werden, II bewegt, spannungsintensiv,
jedoch vermisst man die artikulatorische Feinarbeit, HP mehr herbei gezwungen
als gestaltet, III derbes Scherzo, Orchesterspiel nicht auf höchstem Niveau,
im Trio Trp. T. 91 ein Viertel zu früh – Klang:
aufdringliche Trompeten stechen aus dem Blechbläserklang hervor und
verhindern ein abgerundetes Klangbild |
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Masur |
New York Philharmonic Orchestra |
Teldec |
1991 |
63‘09 |
3 |
Antrittsskonzert als neuer
Musikdirektor des Orchesters. I beim 2. Th. T. 51
schneller, obwohl dort ruhig
vorgezeichnet ist, ebenso beim 3. Th., die
Scheinreprisen werden viel dringlicher gespielt als die eigentliche Reprise,
die zu blass klingt, der lange Atem fehlt, II natürlicher Gesang, keineswegs
raffiniert, T. 104 von Vl. 1 nicht mehr gestaltet, Trp. T. 127 f zu leise, kein richtiger Höhepunkt bei
Buchstabe W (T. 177), dynamische Regie?, III Scherzo al fresco, Klangkultur beim
Zusammenspiel von Celli und Bässen nicht bestens |
Hinweise
zu Interpreten und ihren Interpretationen:
Carl
Schuricht
Der 1880 in Danzig geborene Schuricht nahm die 7. Sinfonie von Bruckner bereits im
Jahre 1938 mit den Berliner Philharmonikern für Polydor/DGG
auf, am Ende seiner Dirigentenlaufbahn dann noch einmal für Concert Hall, vor
ein paar Jahren von Scribendum neu herausgegeben. Als
Orchester wird das Philharmonische Orchester Den Haag genannt, vermutlich
handelt es sich jedoch um das jahrelang von Willem van Otterloo
betreute Residenz Orchester, das hier aus Lizenzgründen unter anderem Namen
geführt wird. Auch bei anderen Orchestern (London, Wien) ist so etwas bekannt.
Neben diese beiden Studioproduktionen gesellen sich noch zwei
Konzertmitschnitte aus Stuttgart und Hamburg mit den dortigen
Rundfunkorchestern, mit dem ersten hat er nach dem 2. Weltkrieg regelmäßig
konzertiert. Schurichts Interpretationen der
Bruckner-Sinfonien zeignen sich aus durch Klarheit in
der Stimmführung, transparente Klangbilder, flüssige
Tempi und jegliches Fehlen von aufgesetzter Bedeutungsschwere. Davon geben alle
der hier genannten Aufnahmen Kunde und empfehlen sich als gültige
Interpretationen der 7. Sinfonie. Für heutige Musikfreunde werden sie weniger
interessant erscheinen, da die klangliche Präsentation im Hinblick auf ihre
Entstehungszeit eher bescheiden zu nennen ist, abgesehen von seiner letzten
Aufnahme aus Den Haag. Leider lassen sich hier Intonationsprobleme im Finale T.
47 ff nicht überhören. Ich vermute, dass es sich nicht um Schwächen des Orchesters handelt, sondern
eher einem Bandschaden bzw. Geschwindigkeitsunebenheiten bei der Übertragung
zuzuschreiben ist. Der Hamburger Mitschnitt aus der Laeisz-Halle
klingt etwas besser als der Stuttgarter aus dem Waldheim-Degerloch.
Otto
Klemperer
Klemperers Aufnahmen der 7. Sinfonie
stammen aus seiner letzten Dekade als Dirigent. Für Bruckners Sinfonien hat er
sich jedoch schon sehr früh eingesetzt. Bereits 1924 durfte er für Polydor noch unter akustischen Aufnahmebedingungen das
Adagio der 8. Sinfonie mit der Preußischen Staatskapelle Berlin auf sieben Schellackplatten aufzeichnen. Auf Klemperers fünf Aufnahmen
hört man in den ersten beiden Sätzen ein
flüssiges Musizieren, immer sehr bewegt, klar und objektiv. Die Suche nach
verborgenen Wahrheiten in diesem Werk ist ihm fremd. So sind denn auch die
Interpretationsunterschiede gering, Spannungen aufzubauen und mit Intensität zu
füllen findet man hier seltener. Klemperer lässt den Notentext spielen und
verzichtet auf gewollte persönliche Stellungnahmen. Musikfreunde, die in erster
Linie auf den Klang einer CD achten, greifen natürlich zu der einzigen
Studio-Produktion mit dem POL aus dem Jahre 1960. Sie ist in allen Sätzen etwas
langsamer, der Mitschnitt mit dem New POL fünf Jahre später ist in allen Sätzen
schneller. Mir scheint aber, dass er in der Studio-Aufnahme im 2. Satz Bruckner
am nächsten gekommen ist. Die vier live-Mitschnitte mit den anderen Orchestern
haben alle ihre Meriten aber auch ihre Schwächen. Das orchestrale Niveau damals
hatte noch nicht das der Gegenwart erreicht. Da hört man immer wieder an einigen
Blechbläsereinsätzen Unsauberkeiten, aber nicht nur dort. Möglicherweise waren
die Musiker mit Klemperers Dirigierstil ohne
Taktstock noch nicht vertraut, was zu Irritationen führte. Am besten gefällt
mir der Mitschnitt des Konzert der Berliner Philharmoniker aus Luzern, man kann
im Vergleich hören, dass hier das beste seiner
Orchester spielt. Beeindruckend das intensiv gestaltete Trio im 3. Satz. Leider
ist die klangliche Seite nicht ganz so berauschend. Das trifft aber auch auf
die restlichen Aufnahmen zu. Beim Londoner Mitschnitt 1965 haben die
BBC-Tontechniker scheinbar geschlafen. Wie konnte es passieren, dass das Finale
des Kopfsatzes total übersteuert wurde? Bei den restlichen Sätzen stimmt es
dann.
Wilhelm
Furtwängler
Furtwänglers Aufnahmen von Bruckners 7. sind sämtlich Konzert-Mitschnitte. Die älteste stammt aus Berlin, die beiden anderen wurden bei der riesigen Tournee des Berliner Philharmonischen Orchesters mit Furtwängler aus dem Jahre 1951 aufgezeichnet, die zunächst nach Ägypten führte, dann Neapel, Bologna und Turin besuchte, einen zweitägigen Abstecher nach Paris machte und anschließend noch neun westdeutsche Städte, wie z. B. Münster und Bielefeld, aufsuchte. In dieser Stadt gab man zum letzten Mal zusammen Bruckners 7. Sinfonie.
Auch wenn alle drei Aufnahmen ganz im
Sinne Bruckners gespielt sind, stelle ich die Rom-Aufnahme an den Anfang. Die
Sinfonie wird hier mit einer fast schon gespenstigen Sicherheit gespielt,
völlig organisch. Gleich zu Beginn glüht das 1. Thema intensiv auf und die
Intensität lässt nicht nach, molto espressivo
verlangte WF von seinen Musikern, das kann man besonders auch in der Reprise
vernehmen. Im 2. Satz lassen immer wieder die sowohl
dynamische wie agogische Gestaltung der großen Bögen erstaunen, die der
Dirigent schlägt. Vorbildlich das Crescendo und Diminuendo in den ersten drei
Takten. Bewunderungswürdig auch die Intensität der 1. Violinen in den Takten
199-206, allerdings nur bei dieser Aufnahme. Die Dynamik wurde von Furtwängler im
unteren Bereich nicht ausgeschöpft. Leider hört man ein leises Rauschen der
Acetatplatten, auf der die Aufnahme einst gespeichert wurde. Der Mitschnitt aus
Kairo ist leider nicht so gut erhalten, die Tutti-Stellen klingen eng und das
Klangbild ist insgesamt entfernter. Die Takte 51/52 im 1. Satz klingen etwas
undeutlich, das kann jedoch auch auf ein technisches Problem zurückzuführen
sein. Klanglich am besten erhalten ist der Berliner Mitschnitt. Auch hier wohnt
der Hörer einem organischen, immer wieder spannungsvollen Musizieren bei.
Furtwängler lässt auf dem Höhepunkt des 2. Satzes die Pauke einen Takt früher
einsetzen als von Bruckner vorgezeichnet, war dies ein Versehen des Paukisten?
In den beiden anderen Aufnahmen wird nämlich partiturgetreu
gespielt.
Eugen
Jochum
Der zeitlebens und darüber hinaus als
Bruckner-Apostel gefeierte Eugen Jochum legt hier zwei stimmige
Interpretationen vor. Er beginnt mit den Berliner Philharmonikern den 1. Satz
etwas vornehm zurückhaltend, eher sachlich als passionato, steigert die Musik allerdings im Laufe des Satzes immer
mehr und legt bei Buchstabe W einen grandiosen Höhepunkt hin. Das Adagio wird
sehr intensiv ausgeformt, für mich der Höhepunkt in dieser Interpretation. Auch
das Finale lässt kaum Wünsche offen. Die Dresdner Produktion ist vom
interpretatorischen Ansatz her ähnlich, die Tempi, abgesehen vom Schlusssatz, sind jedoch etwas langsamer. Das Klangbild ist etwas wärmer.
Leider finden die Blechbläser hier nicht immer zu einem homogenen Klang
zusammen. Auch das geschmeidige Spiel der Berliner Kollegen wird nicht ganz
erreicht.
Herbert
von Karajan
Herbert von Karajan war zeitlebens
darauf bedacht, dass nur Studioproduktionen, die unter seiner Leitung
entstanden waren, veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren erreichen den Plattenmarkt jedoch auch
Konzertmitschnitte, wie vom Konzert in London aus dem Jahre 1962, auf dem auch
Bruckners 7. Sinfonie auf dem Programm stand. Die Musik ist lebendig gestaltet,
wozu auch bewegte Tempi beitragen. Nebenstimmen werden nicht vernachlässigt,
das Klangbild ist transparent, besser als bei früheren Mitschnitten der BBC,
beim Finale des 1. Satzes jedoch etwas gepresst, auch der Höhepunkt im 2. Satz
klingt noch nicht optimal. Auf ein robust musiziertes Scherzo folgt das schnellste
aller Karajan-Finalsätze, in dem jedoch einige kleine Unsauberkeiten im
Zusammenspiel nicht zu überhören sind. Insgesamt liegt hier eine gute bis sehr
gute Aufnahme vor, deren Rang allerdings von zwei späteren Produktionen
gedrückt wird. Einmal von seiner allerletzten Plattenaufnahme mit demselben
Orchester, den Wiener Philharmonikern, aus dem großen Musikvereinssaal aus dem
Jahre 1989. Diese wird klanglich und künstlerisch noch ein wenig übertroffen
von Karajans Aufnahme mit seinem Berliner Orchester, aufgenommen in der
Philharmonie 1975. Klangfetischisten werden vom Sound dieser CD beeindruckt
sein. Aber auch musikalisch hat man den Eindruck, dass hier sehr ernsthaft
musiziert wird, dabei immer locker, lebendig, natürlich und wie
selbstverständlich. Im Vergleich dazu spielen die Wiener m. E. etwas rauer,
nicht ganz so rund. Sehr eindrucksvoll gelingen HvK
jedoch hier die begleitenden Sechzehntel-Triolen der Violinen vor dem Höhepunkt
des 2. Satzes T. 160-180. Am wenigsten gefällt mir die Studioaufnahme mit den
Berliner Philharmonikern, aufgenommen in der Jesus-Christus-Kirche, für EMI.
Hier wurde Bruckners Partitur ganz ernst genommen, es klingt alles wie blank
geputzt, die Dynamik ist sehr differenziert und auch in den unteren Bereichen
vorbildlich ausgefallen. Das Hornsolo ab T. 89
erklingt endlich einmal weich und gleichzeitig p. Das Klangbild ist jedoch nicht so transparent wie in Karajans
späteren Aufnahmen. Insgesamt klingt alles zu gewollt, aufgesetzt, fast museal,
man vermisst das Selbstverständliche!
Sergiu
Celibidache
Auf der CD mir
dem SDR Sinfonie-Orchester bleibt das von Celibidache eingeschlagene Tempo im
Rahmen. Im Kopfsatz lässt er das 1. Thema gleich zu Beginn glühen, so schön hat
Bruckner das gemeint! Insgesamt herrscht ein nerviges Espressivo
vor, die Partitur wird dabei intensiv ausgelotet. Die restlichen drei Sätze
erreichen nicht ganz dieses Niveau, bei Buchstabe F gibt es etwas Leerlauf und
auf dem Höhepunkt bei W sind die Stimmverläufe zwei Takte lang nicht klar, so,
als müssten die Musiker sich erst sammeln. Das Scherzo erklingt derb, die
Transparenz könnte besser sein, dafür entschädigt ein kantables Trio. Im
Münchner Konzertmitschnitt sind die Tempi deutlich langsamer ausgefallen, was
sich insgesamt negativ auf die Spannung auswirkt. Celibidache lässt noch mehr
in die Breite musizieren und vertraut auf Bruckners Themen und Motive. Die
Musik wirkt hier eher zelebriert als interpretiert. Am Ende des 1. Satzes
bleibt nur noch ein Klangbrei stehen. Positiv zu vermerken ist das deutliche
Herausheben der Melodieverläufe bei mäßigem Tempo im Scherzo, dadurch wirken
allerdings die ohnehin lauten Tuttiabschnitte lärmend.
Carlo
Maria Giulini
Von Giulini
liegen zwei gegensätzliche Aufnahmen vor, die eine ist ein BBC-Mitschnitt aus
London, die andere eine Studioproduktion aus Wien. Die live-Aufnahme gefällt
mir besser: hier wird wie selbstverständlich musiziert, frisch und mit
rhythmischer Feinarbeit kommt der Kopfsatz daher. Das Adagio ist bewegt und
dazu noch intensiv gestaltet. Im 3. Satz lässt ein inniges Trio aufhorchen und
das Finale knüpft wieder an den Kopfsatz an. Das Klangbild ist erstaunlich
transparent. Bei der Studio-Aufnahme aus dem Wiener Musikvereinssaal wird in
allen Sätzen viel langsamer musiziert. Sie ist sorgfältig erarbeitet, wie man
es von dem italienischen Maestro kennt, die Musik erklingt atmosphärisch dicht,
epischer ist zuvor, da man sich mehr Zeit lässt. Die Melodien werden länger
gezogen, alles klingt viel bedeutungsvoller bei etwas dunklerem Klangbild. Im
Adagio lässt Giulini auf dem Höhepunkt den Triangel
einen Takt länger spielen als vorgesehen. Sehr schön behandelt er die
Paukenstimme im Trio. Das Finale klingt in den Tutti-Abschnitten etwas zu
starr. Insgesamt vermisse ich in dieser Aufnahme die Spiritualität des
Konzertmitschnitts.
Herbert
Blomstedt
Beide Aufnahmen haben ihre Stärken und
Schwächen, sodass es schwer fällt sich für die eine oder andere zu entscheiden.
Blomstedt moduliert mit Hingabe, mit viel artikulatorischer Feinarbeit im
Detail, dabei tritt der Blick auf das Gesamtgefüge etwas zurück. Trotz einer
sehr guten Dynamik klingt die Dresdner Aufnahme jedoch etwas distanziert. Hier
überzeugen jedoch die sehr gut formulierten Übergänge zwischen den Satzteilen.
Auch ohne Beckenschlag gelingt dem Dirigenten ein überzeugender Höhepunkt, dem
ein ausdrucksvolles Finale folgt. Das Trio nimmt Blomstedt etwas zurückhaltend.
Die Leipziger Aufnahme klingt im Ansatz wie seine frühere, es fällt jedoch ein
insgesamt etwas kernigeres Musizieren auf, das mehr Wärme aufzeigt. Der 2. Satz
ist nicht ganz so fein gezeichnet wie 1980, auch der Höhepunkt und das Finale
können da nicht so überzeugen. Dagegen gefällt das differenzierter gespielte
Scherzo samt kraftvollem Trio mehr.
Bernard
Haitink
Haitink setzt die Bruckner-Tradition seiner Vorgänger am Pult des Concertgebouw Orchesters fort, nach Jochum, für die DGG, legte er die zweite Gesamtaufnahme der Sinfonien für das Philips-Label vor. Aus dieser Serie stammt die erste Aufnahme von 1966, danach entstand eine weitere Produktion der 7. Sinfonie mit demselben Orchester und zuletzt erreichte den Plattensammler noch ein Konzertmitschnitt aus dem Jahr 2007 mit dem Chicago Symphony Orchestra. Von Aufnahme zu Aufnahme lässt sich Haitink mehr Zeit. Die mittlere Aufnahme gefällt mir am besten. Haitink nimmt sich mehr Zeit und formt einige Partien bewusster aus, der Höhepunkt im 2. Satz bei Buchstabe W klingt nun majestätischer, weniger lärmend. Allerdings gelingt das Finale des 1. Satzes nicht intensiver als früher. Zum Beginn des Scherzos sind die Streicher besser artikuliert. Beim Trio kann man jedoch geteilter Meinung sein, ob man die ins hymnisch gesteigerte Version der ersten Aufnahme oder die ruhig und gelassen gespielte Version von 1978 bevorzugt. Auch im Finale hat man die Wahl zwischen den robusten Blechbläser-Tutti oder die breit und wuchtig (so Bruckners Partiturangabe) genommenen der zweiten Aufnahme.
Kommen wir noch zur Chicago-CD: wie in
den zuvor besprochenen früheren Aufnahmen lässt er das 1. Thema immer noch
recht objektiv vortragen, das Finale des Satzes gefällt mir hier besser, ist
aber etwas schleppend geraten. Die Motiv-Verschiebungen im Scherzo werden gut
herausgearbeitet, insgesamt jedoch lässt Haitink hier ohne Druck spielen. Der
4. Satz erklingt weniger lebendiger, da langsamer. Auch der
Pizzicato-Begleitung der tiefen Streicher beim 2. Thema fehlt es etwas an
Intensität.
Claudio
Abbado
Abbados Interpretationen der 7.
Sinfonie überzeugen vor allem in den Ecksätzen. Die Musik im Kopfsatz erklingt
intensiv gestaltet und immer bewegt. Nach den drei Scheinreprisen wird der
tatsächliche Beginn der Reprise nicht verschleiert oder untertrieben sondern
deutlich herausgestellt. Beim Konzertmitschnitt aus Luzern nehmen die erregend
formulierten Steigerungen zusätzlich für sich ein. Hier erklingen auch die
Pauken in den Takten 391-412 eindringlicher. Spontanes Musiziergefühl herrscht
im Finale vor. Etwas schwächer erscheint mir der Adagio-Satz, da der Dirigent
die Lautstärkedifferenzierung nicht voll ausspielt. Beim 2. Thema fehlt mir
einfach das Piano! In der Wiener Einspielung klingt die Musik auch etwas wie al fresco, da
gefällt der Luzerner Mitschnitt besser. In beiden Aufnahmen jedoch verschenkt
Abbado die eindringliche Hornstelle in der Trauermusik T. 190-193, hier passen
sich die Hörner zu sehr in den Klang der Tuben ein. Beim Scherzo stelle ich auch Luzern nach vorn, die
derbe Musik lässt Abbado sehr differenziert aufspielen. In allen Sätzen dieser
Aufnahme, abgesehen vom Scherzo, nimmt Abbado ein schnelleres Tempo als früher.
Lorin
Maazel
Maazels Interpretationen haben sich
innerhalb eines Zeitraums von elf Jahren kaum gewandelt. Da sind der runde
Klang des Blechs, die nicht so schnellen Tempi, bei den Berliner
Philharmonikern sind sie in den beiden Sätzen sogar extrem langsam, und der
flexible Umgang mit den Tempi, der mich allerdings etwas irritiert, da er nicht
konsequent durchgehalten wird. Dazu kommt, dass er das 2. Thema im Kopfsatz
schneller nimmt als das 3. Thema. In diesem Satz kommt der Paukenwirbel (cresc.)
T. 400 f viel zu domestiziert, Bruckner schreibt hier ff vor! Bei den Berliner Philharmonikern ist dieser Satz zu
langsam, verschleppt, und weist eine geringe Spannung auf. Die Münchner
Aufnahme ist fast drei Minuten schneller, aber auch hier geht die Spannung oft
verloren. Das Adagio kann in beiden Versionen mehr überzeugen. Die Behandlung
der Tempi ist ähnlich, dafür überzeugen jedoch die Steigerungen zum Höhepunkt
und die folgende Trauermusik. Das Trio wird hier gezogen gespielt, das Finale
keineswegs eilend. Die EMI-CD wartet mit opulentem Blech auf, beim Finale in
München hätte ich mir etwas mehr Spannung gewünscht.
Daniel
Barenboim
Barenboim pflegt, zumindest bei
Bruckner, einen musikantischen Ansatz mit direktem Zugriff auf die Musik. Dabei
werden die jeweils führenden Instrumente etwas herausgehoben. Die
Binnendifferenzierung, besonders im Streicherchor,
ist nicht immer ganz zufriedenstellend. Die beiden hier genannten Aufnahmen
sind in etwa gleichwertig. Der Käufer sollte überlegen, ob er das etwas geschlossener
aufspielende Orchester ins Kalkül nimmt oder der besseren Klangtechnik der
Staatskapellen-CD den Vorzug gibt. Allerdings ist in dieser live-Aufnahme der
Abschlag des letzten Akkords im 1. Satz nicht einheitlich.
eingestellt am 28.03.2014