Das Klassik-Prisma |
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Bernd
Stremmel |
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Anton
Bruckner
8.
Sinfonie c-Moll
Allegro
moderato – Scherzo, Allegro moderato – Adagio, feierlich langsam, doch nicht
schleppend – Finale, feierlich, nicht schnell
Bruckners 8. Sinfonie steht in der
Reihe der Sinfonien des Komponisten (Nr.1-4), die mehrmals bearbeitet wurden,
ehe sie ihre endgültige Form erreichten. Die Partitur dieser Sinfonie wurde im
Herbst 1887 abgeschlossen und zugleich an Hermann Levi versandt, damals
Hofkapellmeister in München und zugleich rechte Hand von Cosima Wagner.
Unmittelbar nach der Fertigstellung der 8. begann Bruckner bereits mit seiner
9. Sinfonie, unterbrach die Arbeit jedoch daran, als er aus dem Umkreis seiner
Bekannten und Weggefährten (z. B: die Brüder Josef und Franz Schalk) erfuhr,
dass Levi sich nicht für die 8. Sinfonie erwärmen könnte. Auch diese selbst
äußerten Vorbehalte gegenüber diesem ausgedehnten Werk. In großer
Niedergeschlagenheit begann er eine Überarbeitung der Partitur, die sich drei
Jahre lang bis 1890 hinzog und eine komplette Neufassung der Sinfonie
bedeutete. Bruckner widmete diese Neufassung Kaiser Franz Joseph I. von
Österreich, der auch die Druckkosten übernahm. Der Erstdruck erschien im
Frühjahr 1892, im Dezember dieses Jahres fand die Uraufführung mit den Wiener
Philharmonikern unter Leitung von Hans Richter statt, nachdem eine ein Jahr
zuvor ins Auge gefasste unter Leitung von Felix Weingartner gescheitert war.
Der Komponist war überglücklich über diesen Erfolg, auch wenn bei ihm Zweifel
blieben, ob es denn tatsächlich die bessere Version sei. Der Wiener Triumpf
machte den Weg frei für die langsame Verbreitung Brucknerscher Sinfonien in
Österreich und Deutschland.
Bei der Revision griff Bruckner nicht nur
in die thematische Arbeit ein, er kürzte, stellte um und änderte auch die
Instrumentierung. Außerdem erweiterte er den Holzbläserklang, indem er jetzt
3-faches Holz statt ursprünglich 2-faches einsetzte.
In den Erstdruck der 2. Fassung
(Verlag Haslinger) aus 1892 sind jedoch auch Stellen eingeflossen, die nicht so
von Bruckner stammen, sondern in bester Absicht, jedoch unautorisiert, von
Bruckners Freunden Franz Schalk und Max von Oberleithner eingefügt worden. Im
Gegensatz dazu enthält er vor allem im letzten Satz mehrere Striche (von
Bruckner nicht (!) abgelehnt). Diese Partitur wurden von Bruno Walter, Volkmar
Andreae sowie Hans Knappertsbusch bei ihren Interpretationen genutzt. Im Jahre
1939 brachte Robert Haas eine Partitur heraus – sie wurde Originalfassung
genannt –, die diese Stellen wieder ausmerzte, andererseits auch wieder einige
Takte der Erstfassung übernahm sowie auf ihre Instrumentation zurückgriff, vor
allem im Adagio. Der Musikologe Peter Hagmann äußerte sich über die
Haas-Ausgabe folgendermaßen: „Sie reichert vielmehr die zweite Fassung der
Partitur, die der Komponist 1890 erstellt hat, mit einzelnen, vom Herausgeber
als notwendig, besonders sinnfällig oder schön erachteten Stellen aus der ersten
Fassung von 1887 an“ (www.peterhagmann.com). Diese Mischfassung hatte
auf dem Konzertpodium und bei Schallplattenproduktionen großen Erfolg und
ebnete den Weg für Bruckners monumentale 8. Sinfonie. Auch heute noch findet sie immer
wieder Verwendung. Pierre Boulez z.B. war der Auffassung, dass die Striche der
Nowak-Partitur „manchmal die Symmetrie, die Logik und die Konstruktion“
störten (Booklet zur CD mit der 8. Sinfonie).
Leopold Nowak, ein Mitarbeiter des
inzwischen verstorbenen Robert Haas, legte 1955 eine gereinigte Partitur der 8.
Sinfonie vor, die die Modifikationen von Haas wieder rückgängig machte und
Bruckners letzten Willen widerspiegeln sollte. Das betrifft vor allem die
ersten beiden Sätze, bei denen ich in den Ausgaben von Haas und Nowak keine
Abweichungen finden konnte. Auch die Nowak-Ausgabe wurde, jedoch nicht vom
Herausgeber, als Originalfassung benannt. Das ist irreführend, korrekter sollte
man von der Fassung 1887 und der Fassung 1890 sprechen, die vom Komponisten beide
als gültig bezeichnet wurden. Dieser dachte selbst eher pragmatisch, endgültige
Aussagen schien er zu vermeiden, wichtig war ihm, dass seine Musik aufgeführt
würde. So äußerte er sich in einen Brief an Felix Weingartner im Januar 1891: „Wie
geht es der achten? Haben Sie schon Proben gehabt? Wie klingt sie? Bitte sehr,
das Finale so wie es angezeigt ist, fest zu kürzen; denn es wäre viel zu lange
und gilt nur späteren Zeiten, und zwar für einen Kreis von Freunden und
Kennern“ (zitiert aus: Dietmar Holland: Konzertführer, Rowohlt Verlag). Im
Musikbetrieb hat sich die Nowak-Ausgabe gegenüber der von Haas jedoch nicht so
recht durchsetzen können. Namhafte Dirigenten bekannten/bekennen sich
ausdrücklich für die letztere, z. B. Wand, Haitink, Blomstedt, Thielemann und
Boulez.
Hinweise zu den Sätzen:
1. Satz: Der Satz ist als alla breve
bezeichnet, sollte also nicht zu langsam oder schleppend gespielt werden. Das
zu Beginn von den tiefen Streichern vorgestellte Thema ist der Anfang des
sogenannten Todesverkündigungs-Themas, das erst in den Takten 253-261 von den
beiden Trompeten im Oktavabstand pp vorgestellt wird. Ab T. 271 sollen wir
es erneut von den Trompeten vernehmen (jetzt statt auf c nun auf g), weiterhin
sehr leise. Da das nahezu gesamte Orchester ff spielt, hat es jedoch
keine Chance. Einige Dirigenten, wie Walter, van Beinum, Knappertsbusch-63,
Kubelik-63 und Rögner, erlauben allerdings den Trompeten ein f. Erst am
Satzende ab T. 368 darf sich das sogenannte Todesverkündigungs-Thema über 22
Takte lang im dreifachen Forte ausbreiten. Hier springen die Hörner den
Trompeten zur Seite.
Bruckner notiert in den Takten 205-213
eine Klarinettenstimme, im bekannten Bruckner-Rhythmus (2 Viertel,
Vierteltriole). Bei dem vorgesehenen pp können sich die beiden
Klarinetten jedoch nicht gegen Hörner und Streicher durchsetzen, folglich sind
sie nicht zu hören. Allein Mrawinsky, Kegel und Haitink-60 haben Erbarmen mit
den beiden Bläsern.
2. Satz: Im Scherzo-Abschnitt
(Mittelteil) verharren 1. Horn (immer mit kurzem Vorschlag) und Pauke ab T. 128
pp auf einem leeren C-Akkord. Die Geigen werfen aufsteigend jeweils zwei
Achtel in b-Moll (pizz.) mit zunehmender Lautstärke in die Diskussion.
In T. 134 übernehmen die drei Flöten diese Bewegung und bringen ihn zum
Abschluss. Bruckner notiert hier folgerichtig f. Nur sehr wenige
Interpreten (WF-44, Szell, Andreae, Knappertsbusch-51 und -63! Keilberth,
Rosbaud, van Beinum, Karajan-WP, Kubelik sowie Kegel) erkennen den logischen
Zusammenhang; bei der überwiegenden Mehrheit sind die Flötentöne nicht Ziel der
Entwicklung, sondern nur ein Anhang, der ohne Spannung dasteht.
Im Trio schreibt Bruckner eine
wunderbare Hornstelle (Ziff. D, T. 37-44), Harfen sorgen zusätzlich für
einen sphärischen Klang. Hier sollte das 3. Horn nicht vernachlässigt werden.
Am Ende wiederholt Bruckner diese Szene und reichert sie mit weiteren Bläsern
an.
3. Satz: Nicht zum ersten Mal lässt
Bruckner einen Satz, bevor das Thema vorgestellt wird, mit einem leisen
Klangteppich der Streicher beginnen (s. 4. Sinfonie). Hier wiederholt der
Komponist dies und greift dabei auf den Beginn des Liebesduetts „O sink
hernieder, Nacht der Liebe“ aus dem 2. Akt von Wagners Tristan und
Isolde zurück, ohne Wagners rhythmische Struktur zu kopieren. Feierlich,
sehr ruhig, keineswegs schwül soll die Musik der Streicher klingen und dem in
Takt 3 beginnenden 1. Thema, vorgetragen von den 1. Geigen, einen tragfähigen
Untergrund bieten. Einige Jahre später erinnert sich Richard Strauss bei der
Komposition seiner Tondichtung Tod und Verklärung gleichfalls an diese
Stelle, behandelt sie jedoch wie ein Thema, gleich zu Beginn und dann innerhalb
des Werkes.
Beim zweiten Erscheinen des 2. Themas
(T. 141 ff.) setzt Bruckner zusätzlich eine Solo-Violine (3 Spieler) ein, die
sich jedoch nicht recht durchsetzen kann, da sie immer wieder von den anderen
Instrumenten überlagert wird.
Nach dem ersten Höhepunkt bei den
Ziffern O und P sollte nach Bruckners Wille in der Zweitfassung
die Musik mit T. 209 (Ziff. Q) fortgeführt werden. Robert Haas fügt
jedoch noch 10 Takte ein, die sich nicht in der umgearbeiteten Partitur finden.
Wenige Takte vor Satzende sollen die
Hörner in T. 280 auf vier und T. 281 auf eins pausieren. Haas jedoch füllt die
Lücke, indem er die drei Hornstimmen weiterspielen lässt.
4. Satz: Der letzte Satz wird wieder
streckenweise vom Todesverkündigungs-Thema, oder dem Beginn desselben,
beherrscht. Es steigert sich vor dem Finale zu einer erbittert klingenden Klage
bei Ziffer Ss (T. 618-623). In den Schlusstakten verbindet Bruckner das
Todesverkündigungsthema mit Themen(teilen) aus den vorangegangenen Sätzen und
führt so das ganze Werk zu einem triumphierenden Abschluss in C-Dur.
Die vertrackte Paukenmelodie im
Übergang von T. 16 zu T. 17 geht meistens im Getöse des Tuttiklangs unter.
Lediglich Walter, Knappertsbusch-55 und -63, Wand, Goodall, Kubelik-63, Kegel
und Suitner haben diese für den Zuhörer entdeckt. Von Ziffer O zu Ziffer
P verzeichnet Nowak nur 4 Takte, Haas dagegen fügt 20 neue Takte hinzu,
sie sind vermutlich der Erstfassung entnommen. Vergleichbar enthält die
Haas-Partitur im Bereich von Ziffer Nn 14 weitere Takte, die sich auch
bei Schalk/Oberleithner finden.
Bruckner verlangt für seine 8. Sinfonie
ein sehr großes Orchester: Die Holzbläser sind dreifach besetzt, die Hörner
sogar achtfach, wobei an besonderen Stellen Nr. 5 bis 8 jeweils Tenor- bzw.
Basstuben übernehmen. Dazu kommt noch eine Kontrabasstuba. Auch Trompeten und
Posaunen sind dreifach besetzt. Zu den Pauken treten noch ein Becken sowie ein
Triangel. So ein umfangreicher Bläserapparat erfordert eine erweiterte
Streicherbesetzung. Nicht vergessen werden sollen auch die drei Harfen, die der
Musik an gewissen Stellen eine besondere Aura verleihen.
Zur Diskographie:
Bruckners 8. Sinfonie wurde im
Vergleich zur 4., 5. und besonders der 7. Sinfonie erst relativ spät von der
Schallplatten-Industrie entdeckt. Ein Werk von diesen Ausmaßen auf
Schellackplatten zu bannen, war ein große Herausforderung, besonders auch im Hinblick
auf potentielle Käufer. Erst mit der Einführung der Tonbandtechnik von
Telefunken musste die Musik von den Technikern nicht mehr in Abschnitte von ca.
4½ Minuten gestückelt werden und es konnten nun ganze Sätze oder Werke an einem
Stück aufgenommen werden.
Die m. W. erste (vollständige)
Einspielung erfolgte 1944 im Haus des Rundfunks in Berlin mit Herbert von
Karajan und der Preußischen Staatskapelle, der Kopfsatz ist allerdings verloren
gegangen. Das Finale wurde von den Tontechnikern erstmals im zwei-Kanal-Ton,
heute Stereo genannt, aufgezeichnet.
Die erste Platteneinspielung erfolgte
1949 mit Eugen Jochum und dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg für die
DGG, noch auf Schellackplatten, dazu wurden 21 Plattenseiten bespielt.
1. Fassung 1887 |
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Simone Young |
Hamburger
Philharmoniker |
Oehms |
2008 |
82‘09 |
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live, ▼ |
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4-5 |
Michael Gielen |
SWR Sinfonie-Orchester Baden-Baden und Freiburg |
SWR Music |
2007 |
95‘24 |
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live, ▼ |
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4-5 |
Kent Nagano |
Bayerisches Staatsorchester |
Farao |
2007 |
99‘10 |
|
▼ |
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4-5 |
Eliahu Inbal |
Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt |
Teldec |
1982 |
76‘09 |
|
▼ |
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4 |
Dennis Russell Davis |
Bruckner-Orchester Linz |
Arte Nova |
2004 |
80‘07 |
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live, ▼ |
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4 |
Georg Tintner |
National Symphony Orchestra of Ireland |
Naxos |
1996 |
89‘22 |
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▼ |
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3-4 |
Fabio Luisi |
Philharmonia Zürich |
Philharmonic Records |
2015 |
92‘00 |
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▼ |
90 Jahre hat es
gedauert, bis die Urfassung/Erstfassung von Bruckners 8. Sinfonie via Tonträger
Musikfreundinnen und-freunden bekannt gemacht wurde. Es ist das Verdienst von Eliahu
Inbal, dem damaligen Chefdirigenten des Radio-Sinfonie-Orchesters
Frankfurt, neben den Erstfassungen der 3. und 4. Sinfonie auch die der 8.
Sinfonie mit seinem Orchester einzuspielen. Ein Vorwagen, dass viele Jahre
einzig blieb. Inbal bevorzugt einen schlanken Klang bei möglichst fließendem
Musizieren und einer Dynamik, die sich ziemlich an den Vorgaben der Partitur
orientiert. Extreme Auslegungen sind hier nicht zu finden, jedoch eine
Affinität zum Werk hörbar. In der Aufnahme mit dem Linzer Bruckner-Orchester
unter der Stabführung von Dennis Russell Davis dagegen wird m. E. zu
sachlich musiziert, das Ergebnis bleibt eher neutral. Der langsame Satz ist
hier ein Andante und klingt locker. Im Finale herrscht dagegen ein ruhiges
Tempo vor, es fehlt der Drang nach vorn; als Hörer fühlt man sich kaum
angegangen, geschweige denn betroffen und überwältigt. In der Aufnahme mit Georg
Tintner wird Bruckners Musik extrem ausgebreitet, es hinterlässt den
Eindruck von Langatmigkeit. Das helle Klangbild wird in den Tutti-Abschnitten
von den Trompeten bestimmt. Ein
überwiegend ernsthaft anmutendes Musizieren erlebt der Hörer bei Kent Nagano
und dem Bayerischen Staatsorchester, dessen Chefdirigent er damals war. Es wird
mit viel Nachdruck gearbeitet, bei sehr guter dynamischer Differenzierung. Der
Klang ist überwiegend breit und pastos, entsprechend sind die Tempi auch im
Vergleich zu den anderen vorgestellten Aufnahmen gezogen. Hier entpuppt sich
der Dirigent als Jünger des vormaligen Münchner GMD Celibidache, der mit einem
langen Atem mehr die innere Glut der Sätze zu entfachen vermochte, als durch
äußeren Pomp zu überzeugen versuchte. In diese Richtung geht auch die
Interpretation von Fabio Luisi, der mit seinem Zürcher Opernorchester
bei langsamen Tempi in allen Sätzen immer wieder mächtige Klangblöcke auftürmt.
Der Klang gerät dabei etwas bräsig. Bei dieser Einspielung gewinnt man den
Eindruck, dass eine Überarbeitung der Partitur geboten erschien. Mit spürbarer
Hingabe und langem Atem breitet Michael Gielen die Erstfassung der 8.
Sinfonie aus. Die Höhepunkte werden mit langer Hand angesteuert und dann
ausmoduliert. Immer wieder erfreut eine fabelhafte Differenzierung sowie eine
gute Balance zwischen den Orchestergruppen, wovon besonders die Holzbläser profitieren.
Gielen sorgt für beste Transparenz und einen farbigen Klang. Leider ist das
Tempo in allen Sätzen, außer dem Adagio, stellenweise auffallend
zurückgenommen. Der letzte Satz klingt hier und da schon schwerfällig. Erwähnt
seien noch lange Generalpausen, deren Sinn von Gielen im Booklet begründet
werden.
An die Spitze stelle ich den
Konzertmitschnitt mit Simone Young und ihren Hamburger Philharmonikern
(ehemals Philharmonisches Staatsorchester Hamburg). Young kniet sich in die
Partitur hinein und schafft bei prägnantem Zugriff viel Stringenz, aber auch
klangliche Opulenz. Für mich das überzeugendste Plädoyer für die
Urfassung/Erstfassung dieser Sinfonie.
Irritiert bin ich bei den Aufnahmen vom
zweifachen Beckenschlag kurz vor Ende des Adagios, der von Aufnahme zu Aufnahme
unterschiedlich gehandhabt wird. Bei Russell Davis sucht man ihn vergebens, bei
Inbal und Nagano hört man zwei Schläge, beim ersteren ist der zweite Schlag
jedoch sehr leise. Tintner, Gielen, Young und Luisi überraschen dagegen mit
zweimal drei Beckenschlägen. Da ich keine Partitur der Erstfassung besitze, bin
ich etwas ratlos, was Bruckner hier vorschwebte.
2. Fassung 1890
(Robert Haas) |
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Wilhelm
Furtwängler |
Wiener
Philharmoniker |
RRG WFG
DGG |
1944 |
76‘54 Orfeo: 78‘43 |
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▼ |
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5 |
Herbert Blomstedt |
Gewandhausorchester Leipzig |
Querstand |
2005 |
83‘23 |
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live, aufmerksames Dirigat, das kompositorische Geflecht
offengelegt, Musik immer im Fluss und unter Spannung, II lichtdurchflutetes
Trio, III sehr langsam, jedoch nicht schleppend, stellenweise zarte
Abschnitte, die Takte nach dem HP bei Ziff. V sehr markig, wie es die
Partitur verlangt, IV Blomstedt entdeckt T. 547 ff. eine Melodie im 5./6.
Horn – gute Dynamik, Abstufungen beachtet, sehr gute Balance und Transparenz |
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5 |
Carl Schuricht |
SDR Sinfonie-Orchester Stuttgart |
hänssler |
1954 |
79‘37 |
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live, ▼ |
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5 |
Hermann Abendroth |
Rundfunk-Sinfonie-Orchester Leipzig |
Rundfunkmitschnitt
M & A |
1949 |
78‘11 |
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live, aufmerksames Dirigat, Dynamik nach
Partiturvorgabe, an vielen Stellen nach spätromantischer Art, cresc. mit
accel. gekoppelt, I feierlich, breit, Themen in unterschiedlichen
Tempi, II lebendiges Scherzo, Trio: 3. Horn bei Ziff. D nicht
vernachlässigt, III molto espressivo, mit langem Atem, Trp. beherrscht
nicht den Bläserklang bei Tutti-Stellen, tritt eher als Signal hervor, IV
Tempokontrast zum vorherigen Satz, überwiegend lebendig, keine übertriebenen
Rubati – kompaktes, aber präsentes Klangbild, wenig Publikumsgeräusche, von
Zeit zu Zeit leise Verkehrsgeräusche |
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5 |
Michael Gielen |
SWR Sinfonie-Orchester Baden-Baden |
hänssler |
1990 |
83‘57 |
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Gielens
erste Aufnahme, I spannungsreiche Darstellung, Inspiration vom 1. Takt an,
intensive Fermate T. 340, II kraftvoll, jedoch im Vergleich langsames Tempo,
aufgehelltes Trio, III farbiges Spiel, subtil differenziert, viele
ausdrucksvolle Partien der Blechbläser auch außerhalb der Tuttistellen,
überzeugend – gute dynamische Differenzierung, helles Klangbild |
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5 |
Eduard van Beinum |
Concertgebouw Orchester Amsterdam |
Philips |
1955 |
72‘15 |
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▼ |
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5 |
Joseph Keilberth |
Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester |
Orfeo |
1966 |
79‘10 |
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I die innere Dramatik freigelegt, Sinn für Proportionen,
große Bögen, Inspiration, Spannung, II Trio Hörner T. 21/23 etwas leise, auch
bei Ziff. D, atmosphärisch dichtes Musizieren, von langer Hand
vorbereiteter Höhepunkt bei Ziff. V, IV gewichtig, immer wieder neue
Spannungsbögen, zusätzliche Triangel T. 495-500 – gute Balance und Transparenz |
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5 |
Günter Wand |
Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester |
DHM
EMI RCA |
1979 |
80‘34 |
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|
▼ |
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5 |
Günter Wand |
NDR Sinfonie-Orchester Hamburg |
RCA |
1987 |
86‘11 |
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|
live, ▼ |
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5 |
Günter Wand |
Berliner Philharmoniker |
RCA |
2001 |
86‘50 |
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|
live, ▼ |
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5 |
Günter Wand |
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin |
Profil Hänssler |
1994 |
86‘42 |
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|
live, ▼ |
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4-5 |
Jascha Horenstein |
London Symphony Orchestra |
BBCL |
1970 |
81‘34 |
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live, im Vergleich zur früheren Vox-Aufnahme aus Wien
bedient sich der Dirigent jetzt wieder der Haas-Partitur, immer deutliches
Musizieren, abgesehen vom 3. Satz langsamere Tempi, die hellklingenden
Trompeten stechen auch dem Tutti-Klang heraus, vorteilhaft auf dem Höhepunkt
bei Ziff. V, insgesamt helles und transparentes Klangbild |
||||||||||||||||
4-5 |
Wilhelm Furtwängler |
Berliner Philharmoniker |
Electrola
audite |
1949 |
78‘37 |
||||||||||||
|
▼ |
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4-5 |
Wilhelm Furtwängler |
Berliner Philharmoniker |
audite |
1949 |
75‘53 |
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|
live, ▼ |
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4-5 |
Günter Wand |
NDR Sinfonie-Orchester Hamburg |
RCA |
1993 |
88‘01 |
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|
live, ▼ |
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4-5 |
Günter Wand |
Münchner Phiharmoniker |
Profil Hänssler |
2000 |
88‘18 |
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live, ▼ |
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4-5 |
Eduard van Beinum |
Concertgebouw Orchester Amsterdam |
Tahra |
1955 |
72‘10 |
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|
live, ▼ |
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4-5 |
Rafael Kubelik |
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks |
BR Klassik |
1977 |
78‘02 |
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|
live, ▼ |
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Pierre Boulez |
Wiener
Philharmoniker |
DGG |
1996 |
76‘02 |
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live,
durchgehend bewegtes Musizieren, aufmerksames Dirigat, keine starren Tempi,
insgesamt sehr klar, keinesfalls blutleer, an einigen Stellen Kopplung von cresc.
und accel., wie man es von romantisch-orientierten Dirigenten her
kennt; helles Klangbild mit leuchtenden Farben, gute Balance und Transparenz,
II schnelles Scherzo, bewegtes Trio mit etwas weniger Espressivo, III an
Atmosphäre wird etwas gespart |
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4-5 |
Christian Thielemann |
Sächsische Staatskapelle Dresden |
Profil Hännsler |
2009 |
82‘02 |
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|
live, ▼ |
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4-5 |
Christian Thielemann |
Wiener Philharmoniker |
Sony |
2019 |
81‘21 |
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|
live, ▼ |
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Carl Schuricht |
Sinfonie-Orchester
des NDR Hamburg |
Tahra |
1955 |
79‘18 |
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|
live, ▼ |
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4-5 |
Christoph von Dohnanyi |
Cleveland Orchestra |
Decca |
1994 |
81‘53 |
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|
Musik bestens durchgeformt, ausgeglichen, klangschöne Aufnahme,
Adagio trotz langsamen Tempos eher sachlich als innerlich, sehr gute Balance
und Transparenz |
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4-5 |
Eugen Jochum |
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg |
DGG |
1949 |
82‘25 |
||||||||||||
|
▼ |
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4-5 |
Eugen Jochum |
Sinfonie-Orchester des Hessischen Rundfunks |
Tahra |
1949 |
78‘40 |
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|
live, ▼ |
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4-5 |
Otmar Suitner |
Staatskapelle Berlin |
Eterna Berlin
Classics |
1986 |
80‘17 |
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Suitner lässt sich erfolgreich auf das Potential der
Musik ein, aufmerksames Dirigat, atmet mit der Musik, sprechende
Artikulation, gute Balance, ausgewogen; gute Differenzierung, auch in der
Dynamik; ausgeglichener Klang, kein aufgesetztes Pathos – IV deutliche Pauke
bei Ziff. A |
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4-5 |
Herbert Kegel |
Rundfunk-Sinfonie-Orchester Leipzig |
Eterna Pilz |
1975 |
79‘02 |
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Aufmerksames Dirigat,
Klangbild sehr gut aufgefächert, nie dick, kommt Holzbläsern sehr zu Gute,
auch Streichern, die nicht als Block, sonders als Einzelstimmen wahrgenommen
werden; aber auch die Architektur wird genau nachgezeichnet, große Bögen.
Keine kompakte Darstellung wie in einer dunklen Kathedrale. Trompeten
zuweilen etwas scharf klingend, III 1. Tenor-Tuba mit leichtem Vibrato |
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4-5 |
Hans Rosbaud |
Sinfonie-Orchester des SWF Baden-Baden |
SWR Classic |
1955 |
72‘30 |
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I bewegt, Allegro, zielstrebig nach vorn,
selbstverständliche Perfektion, mit einer gewissen Strenge und Sachlichkeit,
objektive Art, für die Aufnahmezeit gute Transparenz, II keine
herausgehobenen Höhepunkte, bewegtes Trio, III hier lässt Rosbaud auch Emotionen
zu, großartiger HP bei Ziff. V, IV schneller als Bruckner erwartete,
so treten jedoch die mit langsamer oder noch langsamer gekennzeichneten
Stellen deutlicher hervor |
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4-5 |
Bernard Haitink |
Wiener Philharmoniker |
Philips |
1995 |
83‘04 |
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▼ |
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4-5 |
Bernard Haitink |
Sächsische Staatskapelle Dresden |
Profil Hänssler |
2002 |
83‘57 |
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|
live, ▼ |
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4-5 |
Marcus Bosch |
Sinfonieorchester Aachen |
Coviello Classics |
2004 |
75‘48 |
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live, schlankes Musizieren evoziert schlanken Klang
sowie sehr gute Transparenz, deutliche Stimmführungen, sehr gute dynamische
Differenzierung, auch im p-Bereich, überwiegend sachliches Musizieren,
ohne Schwulst, Anzahl der Streicher nicht erweitert, III fließendes Tempo,
Themen nicht durch Tempomodifikationen voneinander abgesetzt – insgesamt
moderne Interpretation, aufmerksames Publikum |
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4-5 |
Günther Herbig |
Radio-Sinfonie-Orchester Saarbrücken |
Perc.pro |
2002 |
79‘10 |
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live, geradliniges Musizieren, überwiegend sachlich und
prägnant, Sinn für Proportionen, immer wieder Blick auf Details, sehr gute
Dynamik, helles Klangbild, I anfangs Prägnanz etwas zurückgenommen, II, Blech
bei Ziff. G und H nicht in bester Balance, III zart, IV bei
Ziff. O einige Takte weggelassen – keine Publikumsstörungen |
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4-5 |
Yannick Nezet-Sequin |
Rotterdam Philharmonic Orchestra |
DGG |
2016 |
86‘34 |
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|
I gelassen, mehr Spannung als bei HvK, unmotivierte
Temporücknahme T.69/70, 1. Tenor-Tuba bei Ziff. H mit leichtem
Vibrato, Geigen stellenweise mit überhöhtem Bogendruck, III trotz langsamen
Tempos bleibt die Musik im Fluss, Harfen zu leise, dynamisch nicht
geschichtet, IV auch an lautesten Stellen Musik nie zu dicht – überwiegend
schlankes Musizieren, jedoch keineswegs nüchtern, gute Balance und Transparenz |
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4 |
Herbert von Karajan |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
1975 |
82‘12 |
||||||||||||
|
▼ |
||||||||||||||||
4 |
Herbert von Karajan |
Berliner Philharmoniker |
EMI |
1957 |
86‘40 |
||||||||||||
|
▼ |
||||||||||||||||
4 |
Herbert von Karajan |
Wiener Philharmoniker |
Andante |
1957 |
80‘29 |
||||||||||||
|
live, ▼ |
||||||||||||||||
4 |
Herbert von Karajan |
Wiener Philharmoniker |
DGG |
1988 |
82‘34 |
||||||||||||
|
▼ |
||||||||||||||||
4 |
Rudolf Kempe |
Tonhalle-Orchester Zürich |
Somm |
1971 |
82‘10 |
||||||||||||
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überwiegend lebendiges Musizieren, spätromantischer
Bruckner-Tonfall, cresc. werden mit accel. verbunden,
Tutti-Abschnitte etwas plakativ, II Scherzo mit viel Drive, Trio im Andante
Tempo, 3. Horn bei Ziff. D gut zu hören, III weniger geheimnisvoll,
Triangel bei den Beckenschlägen hörbar gemacht, IV Intonation der Hörner und
Trp. nicht immer über alle Kritik erhaben – Kempe lässt Bruckners blockhafte
Instrumentation durchklingen, Trp. im Tutti manchmal (zu) breit, Dynamik im p-Bereich
nicht ausgeschöpft |
||||||||||||||||
4 |
Gennadi Roshdestvensky |
Staatliches Sinfonie-Orchester des Kultusministeriums
der UdSSR |
Relevation |
1984 |
78‘43 |
||||||||||||
|
I aufmerksames Dirigat, Musik bleibt im Fluss, gute
Transparenz, T. 113 ff. accel. gekoppelt mit cresc., T. 303-305
Fg. nicht vergessen, ebenso Horn T. 361-363, III ausdrucksvoll musiziert, 1.
Ten.Tuba T. 67-70 mit Vibrato, T. 91-94 breit wie WF-44, Klangspektrum auf
dem Höhepunkt bei Y etwas komprimiert, IV letzter Satz beim Orchester
leider nicht so konzentriert wie in den vorigen Sätzen, Störung T. 120,
Becken T. 499 – Blech bei Einsätzen nicht immer Hundertprozent zusammen,
einige Hornkiekser |
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4 |
Takasi Asahina |
Osaka Philharmonic Orchestra |
Disques Jean-Jean |
1976 |
84‘41 |
||||||||||||
|
live, sorgfältig musiziert, Orchesterspiel jedoch nicht
immer auf höchstem Niveau, etwas eingeebnete Dynamik, im Tutti Blech oft zu
breit, II etwas gezogen, im Trio bei Ziff. D deutliches 3. Horn, III
Musik geschieht, entwickelt sich nicht, IV am Satzende ab Ziff. Vv
wünschte man sich mehr Spannung – achtbare Interpretation, die aber nicht
sonderlich herausragt |
||||||||||||||||
4 |
Reginald Goodall |
BBC Symphony Orchestra |
BBCL |
1969 |
88‘26 |
||||||||||||
|
I molto moderato, zu zögerlich, guter Aufbau, viele Details,
ansprechende Dynamik, II im Tempo nicht so extrem wie Satz 1, III manchmal
wünschte man sich noch mehr Nachdruck, z. B. nach dem Höhepunkt bei Ziff. V,
IV breites Musizieren, auch etwas zögerlich, monumental, kräftige
Tutti-Höhepunkte, 2. Tenor-Tuba bei T. 690-694 etwas zu leise, eindringlicher
Schluss – Blech nicht so geschmeidig wie bei anderen Top-Orchestern, gute
Balance und Transparenz |
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4 |
Rafael Kubelik |
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks |
Orfeo |
1963 |
74‘11 |
||||||||||||
|
live, ▼ |
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4 |
Bernard Haitink |
Concertgebouw Orchester Amsterdam |
Philips |
1960 |
73‘45 |
||||||||||||
|
▼ |
||||||||||||||||
4 |
Kurt Masur |
Gewandhausorchester Leipzig |
Eterna
Eurodisc RCA |
1978 |
81‘48 |
||||||||||||
|
an der Partitur entlang musiziert, kaum eigene Akzente,
Stimmführungen nicht immer mit höchster Deutlichkeit, Dynamik im f-Bereich
etwas pauschal, Klang nicht immer genügend aufgefächert, I Oboe bei Soli mit
Vibrato, gezogen, IV wenig Spannung |
||||||||||||||||
4 |
Jewgenij Mrawinsky |
Leningrader Philharmonie |
Melodya BMG |
1959 |
73‘33 |
||||||||||||
|
Interpretation und Aufnahmetechnik liegen weit
auseinander, laute Tutti-Anschnitte von Trompeten und hohen Streichern
beherrscht, wenig Transparenz, kompakt – I bewegt, II drängend, vital, Trio
auch schneller, wenig Kontrast zum Scherzo, III anfangs zu laut, eingeebnete
Dynamik, später mehr p, eine Innerlichkeit stellt sich kaum ein |
||||||||||||||||
4 |
Heinz Rögner |
Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin |
Eterna Berlin
Classics |
P 1985 |
74‘53 |
||||||||||||
|
I sehr bewegt, drängend, etwas robust, klingt manchmal
nach Liszt, Stimmführungen nicht immer ganz klar, II etwas wie pauschal
heruntergespielt, III man vermisst ein feinfühliges Vorgehen, Dynamik zu
pauschal – Musik kommt sehr direkt |
||||||||||||||||
4 |
Daniel Barenboim |
Berliner Philharmoniker |
Teldec |
1994 |
76‘54 |
||||||||||||
|
live, fließendes Musizieren, mangelnde Abstufungen im f-Bereich,
führt u. a. auch zu undifferenziertem bräsigem Klang, andererseits
ausdrucksvolle Bläserpartien, II Klarinette T. 11-14 zu leise, sollte sich
vor dem Streichertremolo abheben, III sehr ruhig, jedoch nicht schleppend –
insgesamt etwas nüchtern, vor allem im letzten Satz; Bruckner in
Verlaufsform, hat den Hörer im Konzertsaal mehr überzeugt als vor den
Lautsprechern |
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4 |
Daniel Barenboim |
Staatskapelle Berlin |
DGG |
2010 |
76‘57 |
||||||||||||
|
live, I schwerfälliger als zuvor, Klangbild im Vergleich kompakter und etwas mulmig bei Streichern und im Tutti, II Klarinette wie 1994, Spannungseinbruch bei Ziff. M, Ziff. P Trompete bei den wechselnden Rhythmen nicht deutlich, Trio: Musik weniger geformt, IV Tempi flexibler als früher, cresc. gekoppelt mit accel., insgesamt mit geringerer Spannung |
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|
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3-4 |
Carlos Païta |
The Philharmonic Symphony Orchestra |
Lodia |
1982 |
73‘46 |
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|
Abgesehen vom 3. Satz wählt Païta schnellere Tempi als
üblich, durchgehend bewegtes Musizieren, Blech in Tutti-Abschnitten zu
dominierend, darunter leiden auch die Streicher, insgesamt sachlicher
Vortrag, I 2. Todesverkündung T. 271-277 hörbar gemacht, jedoch kein pp,
II Tutti-Abschnitte knallig, langsames Trio, bei E Tempo noch
zurückgenommen, IV im Finale bei Ziff. Yy Paukengalopp |
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2. Fassung mit
Änderungen von Franz Schalk und Max von Oberleithner |
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5 |
Hans Knappertsbusch |
Münchner Philharmoniker |
Westminster MCA |
1963 |
85‘23 |
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|
▼ |
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5 |
Volkmar Andreae |
Wiener Symphoniker |
ORF-Aufnahme
M&A |
1953 |
72‘08 |
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|
bewegtes Musizieren, immer deutlich, klare Linien,
überwiegend sachlicher Stil, ziemlich feste Tempi, sehr gute Transparenz, II
Hörner im Trio bei Ziff. D ausgewogen, III formende Hand des
Dirigenten auch bei Nebenstimmen spürbar, IV bewegt, die letzten Takte des
Finales trotz ihrer Massivität immer transparent – emotionale Betroffenheit
an Höhepunkten weniger stark, etwas harter Klang |
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|
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4-5 |
Hans Knappertsbusch |
Berliner Philharmoniker |
audite |
1951 |
78‘27 |
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|
▼ |
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4-5 |
Bruno Walter |
New York Philharmonic Orchestra |
Iron needle M&A |
1941 |
74‘06 M&A: |
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|
live, lebendiges Musizieren, kompakter Klang, Rauschen
und Rumpeln der Acetatplatten, II Trio Musik bei Ziff. G wie
triumphierend, III mit viel Nachdruck, besonders nach dem HP bei Ziff. W |
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|
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4 |
Hans Knappertsbusch |
Bayerisches Staatsorchester |
Orfeo |
1955 |
69‘29 |
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|
live, ▼ |
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|
|||||||||||||||||
3 |
George Szell |
Concertgebouw Orchester Amsterdam |
APL |
1951 |
70‘27 |
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|
live, ▼ |
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2. Fassung 1890
(Leopold Nowak) |
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5 |
Stanislaw Skrowaczewski |
Radio-Philharmonie Saarbrücken |
Arte Nova
Oehms |
1993 |
82‘09 |
||||||||||||
|
Intensität, Liebe zum Detail, Bruckners Dynamik
übernommen, überwiegend schlankes Blech, III berührend zu erleben, wie
Skrowaczewski die Musik immer wieder bis auf ein Nichts zurücknimmt, um
danach aus der Stille einen neuen Bogen überzeugend aufbaut, spannungsvoller
Satzschluss, IV stringentes Vorgehen, jedoch Einschub aus Haas-Version –
farbiges Klangbild mit sehr guter Transparenz |
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5 |
George Szell |
Cleveland Orchestra |
CBS Sony |
1969 |
82‘02 |
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|
▼ |
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5 |
Otto Klemperer |
Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester |
medici arts |
1957 |
71‘53 |
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|
live, ▼ |
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5 |
Carl Schuricht |
Wiener Philharmoniker |
EMI |
1963 |
71‘12 |
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|
▼ |
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5 |
Karl Böhm |
Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester |
EMI |
1974 |
73‘39 |
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|
live, ▼ |
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5 |
Carlo Maria Giulini |
Wiener Philharmoniker |
DGG |
1984 |
87‘31 |
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|
▼ |
||||||||||||||||
5 |
Carlo Maria Giulini |
Berliner Philharmoniker |
Testament |
1984 |
84‘25 |
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|
live, ▼ |
||||||||||||||||
5 |
Carlo Maria Giulini |
Philharmonia Orchestra London |
BBCL |
1983 |
85‘09 |
||||||||||||
|
live, ▼ |
||||||||||||||||
5 |
Eugen Jochum |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
1964 |
77‘28 |
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|
▼ |
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5 |
Eugen Jochum |
Staatskapelle Dresden |
EMI |
1976 |
76‘02 |
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|
▼ |
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5 |
Sergiu Celibidache |
Sinfonie-Orchester des SDR Stuttgart |
DGG |
1976 |
83‘00 |
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|
live, ▼ |
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5 |
Jascha Horenstein |
Pro Musica Orchester Wien |
Vox |
1955 |
76‘37 |
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|
Tempokonstanz in den jeweiligen Abschnitten, die
Blockhaftigkeit in der Konstruktion offengelegt, immer sehr klares
Musizieren, nicht misterioso, kein Weihrauch, II sehr transparent, III sehr
gute dynamische Abstufungen, T. 99 Horn spielt hier die Haas-Vorlage! –
helles Klangbild, bei Tutti-Stellen jedoch kompakt, bei Horenstein besteht
nie die Gefahr, dass der Hörer von Bruckners Musik erschlagen werden könnte |
||||||||||||||||
5 |
Georg Solti |
Wiener Philharmoniker |
Decca |
1966 |
76‘38 |
||||||||||||
|
I volle Spannung bereits in den ersten Takten,
Orientierung an Bruckners Dynamik, Stimmführungen offengelegt, lauter- und
schnellerwerden oftmals miteinander verbunden, II sehr lebendig,
spannungsgeladen, III überall wird Soltis formende Hand spürbar, Intensität!!
– sehr gute Transparenz und Balance |
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5 |
Mariss Jansons |
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks |
BR Klassik |
2017 |
80‘08 |
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|
live, geschmeidiges Musizieren, gute p-Kultur,
klares Klangbild bei guter Transparenz, überwiegend weiches Blech, I
„Todesverkündung“ der Trp. T. 255-261 am Ende der Durchführung auch zu Beginn
der Reprise T. 271-277, leise, aber deutlich, II bewegtes Trio, III
Espressivo nicht voll ausgefahren, IV immer wieder Details – Bruckner ohne
verborgene und/oder nicht erlöste Geheimnisse |
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5 |
Giuseppe Sinopoli |
Sächsische Staatskapelle Dresden |
DGG |
1994 |
85‘46 |
||||||||||||
|
I feierlich, ernst, mit viel Nachdruck, bei lauten
Tutti-Stellen etwas schneidende Trp., II Trio deutlich langsamer, feierlich,
III gezogen, aber eindringlich, Intensität – sehr breite Klangpalette, laute
Tutti-Stellen massiv, bullig, Gegenpol zur geschmeidigeren Solti-Aufnahme mit
den WPh |
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5 |
Gerd Albrecht |
Tschechische Philharmonie Prag |
Canyon |
1994 |
82‘07 |
||||||||||||
|
I Bruckner pur, ohne die Kanten abzuschleifen, ohne
Weihrauch, feste Tempi, II Bruckners Dynamik umgesetzt, überzeugende
Tempogegensätze zwischen Scherzo und Trio, III richtige Mischung aus Herbheit
und weichem Musizieren, mit viel Spannung aufgeladen, geformter Klang, IV
bezwingendes Finale – Tschechische Philharmonie bietet guten Bruckner-Klang,
Klangbild könnte etwas mehr in die Breite gehen, Holzbläser zeitweise etwas
zurück |
||||||||||||||||
5 |
Marek Janowski |
Orchestre de la Suisse
Romande |
Pentatone |
2010 |
79‘30 |
||||||||||||
|
ohne aufgesetztes Pathos musiziert, klar, entfettet,
meistens übersehene Holzbläserstimmen treten dezent hervor, hervorragend abgestimmte
Dynamik, durchgehend fließende Tempi, II 3. Horn bei Ziff. D und I
deutlich, IV Abwechseln der Hörner und Trp. bei Ziff. Ww bestens
gelungen |
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|
|||||||||||||||||
Riccardo
Chailly |
Royal Concertgebouw
Orchestra Amsterdam |
Decca |
1999 |
78‘46 |
|||||||||||||
|
I Blick auf
Stimmführungen, trotz nicht übermäßig schnellen Tempos stringent, Dialog
zwischen Bässen und 1. Horn T. 204 ff. nicht übersehen, II Tempogegensätze
nicht überspielt, III Chailly zeigt ein Gespür für diese Musik, ohne die
emotionale Komponente zu sehr zu strapazieren, IV überwiegend festlich –
ausgewogenes Klangbild, besonders im Hinblick auf die Blechbläser |
||||||||||||||||
4-5 |
Sergiu Celibidache |
Münchner Philharmoniker |
Sony Japan |
1990 |
96‘23 |
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|
live Tokyo, ▼ |
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4-5 |
Sergiu Celibidache |
Münchner Philharmoniker |
EMI |
1993 |
105‘03 |
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|
live München, ▼ |
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4-5 |
Sergiu Celibidache |
Münchner Philharmoniker |
Contrapunktus XIX |
1994 |
101‘49 |
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|
live Lissabon, ▼
– mit Zwischenpausen gemessen! |
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4-5 |
Karl Böhm |
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks |
audite |
1971 |
75‘42 |
||||||||||||
|
live, ▼ |
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4-5 |
Karl Böhm |
Wiener Philharmoniker |
DGG |
1976 |
79‘36 |
||||||||||||
|
▼ |
||||||||||||||||
4-5 |
Jaap van Zweden |
Radio Philharmonisches Orchester der Niederlande |
Challenge |
2011 |
79‘00 |
||||||||||||
|
I van Zweden stellt sich hinter das Werk, sorgfältig
erarbeitet, objektive Darstellung, aufmerksames Dirigat, II Hörner im Trio T.
21-23 zu leise, III mit langem Atem, Tempogegensätze zwischen Scherzo und
Finale betont – klangschöne Aufnahme |
||||||||||||||||
4-5 |
Lorin Maazel |
Berliner Philharmoniker |
EMI |
1989 |
79‘26 |
||||||||||||
|
I klangliche Gestaltung scheint Vorrang vor rhythmischer
zu haben, Mischklang, breite Dynamik, II geringe Tempogegensätze zwischen
Scherzo und Trio, III etwas nüchtern, teilweise auch etwas spannungsarm |
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4-5 |
Otto Klemperer |
New Philharmonia Orchestra London |
EMI |
1970 |
84‘00 |
||||||||||||
|
▼ |
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4 |
Wilhelm Furtwängler |
Wiener Philharmoniker |
Orfeo |
1954 |
79‘14 |
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|
live, ▼ |
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4 |
Mario Venzago |
Konzerthausorchester Berlin |
CPO |
2011 |
75‘12 |
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|
live - nach Angabe des Dirigenten eine Interpretation,
die von Pathos, Feierlichkeit, üppigem Orchesterklang und Langsamkeit gereinigt
wurde, I klares Musizieren, weitgehender Verzicht auf Vibrato, schnelleres
Tempo als üblich, in lauten Tutti-Abschnitten Stimmführung nicht immer klar,
II im Trio mehrmalige Tempowechsel, IV auch hier Tempowechsel – in den
Ecksätzen mehr Allegro, stellenweise etwas nüchtern |
||||||||||||||||
4 |
Lorin Maazel |
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks |
BR Klassik |
1999 |
85‘17 |
||||||||||||
|
live, in allen Sätzen langsameres Tempo gegenüber früher,
I bei lauten Tutti-Abschnitten auch etwas schwerfällig, z. B. bei Ziffern L
und M, II geringe Tempogegensätze zwischen Scherzo und Trio,
Bläserpartien im Trio gut aufgelichtet, III sehr gezogen, Maazel zeigt die
Schönheiten dieses Satzes, IV Musik scheint sich selbst zu genügen |
||||||||||||||||
4 |
Stefan Blunier |
Beethoven-Orchester Bonn |
MDG |
2011 |
88‘17 |
||||||||||||
|
live, sorgfältig erarbeitet, ziemlich feste Tempi während
der Sätze, jedoch nicht immer von Vorteil, so bleibt die Interpretation etwas
distanziert/neutral, ohne Brucknersches Herzblut, gute Differenzierung (z. B.
III T. 78-80), an Höhepunkten etwas (zu) breiter Klang, gute Balance und
Transparenz, I T. 205 ff. ohne Klarinetten, II Ziffer H Abwechseln der
Hörner nicht zu hören, III auf dem Höhepunkt bei Ziffer V Becken eine
Idee zu früh, IV Klarinette T. 127-129 von Horn verdeckt – zusätzlich drei
Einschübe von Haas übernommen |
||||||||||||||||
4 |
Jewgenij Svetlanov |
Staatliches Sinfonie-Orchester der UdSSR |
Melodya
Scribendum |
1981 |
78‘52 |
||||||||||||
|
engagiertes Musizieren, insgesamt lebendige Gestaltung,
I schneidende Trompeten bei Tutti-Passagen beherrschen zur sehr den
Blech-Klang, II Harfen mit Stahlsaiten, insgesamt holzschnittartiges Klangbild |
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4 |
Stanislaw Skrowaczewski |
Yomiuri Nippon Symphony Orchestra |
Denon |
2010 |
78‘05 |
||||||||||||
|
live, wie bei SR 1993 immer schlankes Musizieren, jedoch
mehr kontrolliert als emotional aufgeladen, insgesamt sparsamer Umgang mit
Espressivo, letztlich etwas distanziert, abgesehen vom Scherzo schnellere
Tempi als früher, III Streicher mit wenig Vibrato, IV weniger Spannung als
früher, Pk. fehlt T. 16, an ff- Stellen fehlt es an Druck, bei den
Ziffern V und X kein ff, es klingt, als müsste man sich
die Kraft für die letzten 13 Takte aufheben |
||||||||||||||||
4 |
Andris Nelsons |
Gewandhausorchester Leipzig |
DGG |
2019 |
81‘23 |
||||||||||||
|
mehr sachlich als emotional, sehr gute p-Kultur,
I Auftakt Achtel/Sechzehntel bei lauten Tutti-Stellen oft verschluckt,
Balance nicht immer wie gewünscht, z. B. T.279 ff. oder T. 314/315, T. 322,
wenig Espressivo T. 338-340, II Trp. im Tutti nicht top, III Stimmführungen
nicht immer deutlich, Spannung nicht immer auf höchstem Level, Generalpause
vor Ziffer W, IV beim Dialog von Horn und Klarinette T. 57-62 letztere
zu leise, Horn T. 202 ff. versteckt, insgesamt jedoch überzeugendster Satz –
etwas enges Klangbild |
||||||||||||||||
4 |
Lovro von Mataćić |
NHK Symphony Orchestra |
Denon |
1984 |
74‘10 |
||||||||||||
|
live, bewegtes Musizieren, Tempowechsel, überwiegend
sachlicher Stil, etwas wie distanziert, ohne Herzblut, die Tenor- und
Basstuben strahlen keine Wärme aus, an der Partitur entlang musiziert, gute
Transparenz, III Trio gefällt besser |
||||||||||||||||
4 |
Zubin Mehta |
Israel Philharmonic Orchestra |
Sony |
1989 |
80‘42 |
||||||||||||
|
I mehr referiert als Sinnzusammenhänge aufgespürt, mehr
Einzelabschnitte, keine durchgehende Spannung, laute Tutti-Abschnitte vom
Blech beherrscht, II Stimmführungen nicht immer deutlich, Flöte T. 134 nicht
als Ziel einer Entwicklung dargeboten, III (Begleit-)Rhythmus der tiefen
Streicher ohne rechte Kontur, sehr ruhig, fast schon zäh, IV einige nicht
vorgesehene Accelerandi, eher leicht als schwergewichtig–
traditionelle Lesart, mehr auf der diesseitigen Seite verordnet |
||||||||||||||||
4 |
Jesús López-Cobos |
Cincinatti Symphony Orchestra |
Telarc |
1993 |
76‘11 |
||||||||||||
|
uneinheitliche Aufnahme, einige kammermusikalische
Abschnitte, I anfangs kein pp, Blech beherrscht bei Tutti-Stellen zu
sehr das Klangbild, führt zu Klangbrei, II T. 183 ff. Blech bei lauten
Passagen wie eine Banda, Trio zu bewegt, III überzeugendster Satz, IV zwei
Einschübe T. 238 f und nach T. 636 (4 Takte von Haas) |
||||||||||||||||
4 |
Nikolaus Harnoncourt |
Berliner Philharmoniker |
Teldec |
2000 |
82‘20 |
||||||||||||
|
live, I sehr deutliches Musizieren, präzise, mit großer
Ruhe, breite Klangpalette, jedoch vergleichsweise karger Klang, wenig saftig,
asketisch, kühl, III zu Beginn Stillstand, fast Ratlosigkeit, geringere
Spannung |
||||||||||||||||
|
|||||||||||||||||
3-4 |
Klaus Tennstedt |
London Philharmonic Orchestra |
EMI |
1982 |
75‘28 |
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|
▼ |
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3-4 |
Klaus Tennstedt |
Berliner Philharmoniker |
Testament |
1981 |
76‘21 |
||||||||||||
|
live, ▼ |
||||||||||||||||
3-4 |
Franz Welser-Möst |
Gustav Mahler Jugendorchester |
EMI |
2002 |
78‘46 |
||||||||||||
|
live, I zügig, geschäftiges und holzschnittartiges
Musizieren, stellenweise auch etwas grob, bei lauten Tutti-Stellen schneidend
klingende Trp., III ragt über die anderen Sätze hinaus, mit mehr Ruhe
gespielt – Balance nicht immer nach Wunsch der Partitur, eine Momentaufnahme
des ad-hoc-Orchesters, Mitschnitt gewiss nicht als Aufnahme für die Ewigkeit
gedacht |
||||||||||||||||
|
|||||||||||||||||
3 |
Heinz Rögner |
Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin |
Eterna |
P 1985 |
74‘53 |
||||||||||||
|
I sehr bewegt bis drängend, robust, sollte Bruckner an
Liszt gedacht haben? Stimmführungen nicht immer klar, II Scherzo etwas
pauschal wie heruntergeleiert, 3. Horn im Trio bei Ziff. D und K
deutlich, III man vermisst hier ein feinfühliges Vorgehen, Dynamik zu
pauschal – Musik kommt immer sehr direkt aus den Lautsprechern |
||||||||||||||||
|
|
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Hinweise auf Interpreten und
Interpretationen
Carl Schuricht
Wie wenige Dirigenten der älteren Dirigentengeneration,
aus Sicht der Tonkonservierung müsste man sagen ältesten, ist Schuricht noch im
hohen Alter offen geblieben für neuere Erkenntnisse in der Bruckner-Forschung.
Im Falle der 8. Sinfonie wechselte er nach Erscheinen der Partitur von Nowak
(1955) von der Haas-Ausgabe (1939) zu dieser Neuausgabe. Bei den beiden älteren
Konzertmitschnitten aus Stuttgart und Hamburg liegen noch die Stimmen der
Haas-Ausgabe auf den Pulten der Musiker, einige Jahre später müssen die Wiener
Philharmoniker nach der Nowak-Partitur musizieren, vermutlich zum ersten Mal in
ihrer Berufslaufbahn. Schurichts Auffassung hat sich dabei jedoch kaum
geändert, abgesehen davon, dass er mit zunehmendem Alter schneller wird. Der
Kopfsatz klingt immer lebendig, die Spannungsbögen entwickeln sich recht
organisch, die Musik läuft wie selbstverständlich. Auch bei langsameren Stellen
steht die Musik nie still. Temperamentvoll, vital lässt der Dirigent das
Scherzo vorüberziehen und setzt das Trio deutlich ab. Auffallend hier ist das stabile
Tempo. Die Musik des Adagios strahlt eine große Ruhe aus und besitzt viel
Spannung, auch noch in der letzten – schnellsten – Aufnahme aus Wien herrscht
eine große Intensität vor. Schuricht wechselt jedoch nicht vom Konzertsaal in
einen Kirchenraum, strebt keine Andacht an. Konzentriert und kraftvoll wird das
Finale gespielt. Klanglich ist die Wiener Studio-Aufnahme den beiden
Konzert-Mitschnitten klar überlegen, wobei die Techniker des SDR eine bessere
Leistung hinterlassen haben als die vom NDR. Hier hört man auch immer wieder
Publikumsgeräusche.
Hier noch einige Details zu den
einzelnen Aufnahmen: Stuttgart 1954: Trotz des etwas eingeengten Klangbildes,
sind die beiden Klarinetten T. 205 ff. noch vernehmbar, auch bei den Wiener
Philharmonikern. In Hamburg hört man sie nicht. Die sog. „Todesverkündigung“
der Trompeten ist im letzten Tutti-Abschnitt genau herausgearbeitet. In den
Takten 198 ff. klingen die Hörner zu leise, ist es etwa eine
Ermüdungserscheinung nach ständigem Einsatz?
Hamburg 1955: Der Klang der Blechbläser
ist weniger gepflegt als in den anderen Aufnahmen. Vor allem stechen die
Trompeten oft zu sehr heraus. Bei fff-Stellen nimmt die Tontechnik den
Klangpegel etwas zurück. Die „Todesverkündigungs-Stelle“ der Trompeten T. 271
ff. und zum Schluss erklingt zu laut. Im Finale zieht Schuricht beim 3. Thema
das Tempo etwas an. Insgesamt ist die Balance bei lauten Tutti-Stellen
zugunsten des Blechs verschoben, die Streicher sind dort zu sehr
zurückgenommen.
Wien 1963: Bester Klang gekoppelt mit
der besten Balance und Transparenz. Im 3. Satz lässt er die Hörner in den
Takten 279-282 nach Haas spielen und streicht im Finale die Takte 212-214.
Otto Klemperer
Zu Beginn von Klemperers
Schallplattenkarriere entstand im Jahre 1924 eine Aufnahme von Bruckners 8.
Sinfonie mit der Preußischen Staatskapelle Berlin, jedoch nur das Adagio, im
Trichterverfahren für Polydor aufgenommen und auf 7 Schellackplatten veröffentlicht,
heute als CD-Version von archiphon vertrieben. Gern hätte man auch die anderen
drei Sätze in der Interpretation des Dirigenten gehört, jedoch war die Zeit für
ein solches Großprojekt, wahrscheinlich aus finanziellen Gründen, noch nicht
gekommen. Wolfgang Georgy berichtet im Booklet dieser Veröffentlichung von
vielbeachteten live-Aufführungen der 8. Sinfonie, die der Plattenaufnahme
vorangingen. Der Musikwissenschaftler Hugo Leichtentritt war von einer Berliner
Aufführung durch Klemperer so begeistert, dass er in der dritten Auflage seines
damals als Standardwerk gehandelten Lehrbuches „Musikalische Formenlehre“ das
neu hinzugefügte Kapitel über Bruckners 8. Sinfonie Otto Klemperer widmete.
Nach der Vertreibung des Dirigenten aus Deutschland 1933 und seiner Emigration
in die USA wird seine Aufnahmetätigkeit unterbrochen. Erst nach seiner Rückkehr
nach Europa nimmt das US-amerikanische Label Vox Klemperer unter Vertrag und
produziert in den frühen 1950er Jahren eine Anzahl von Aufnahmen, die
überwiegend in Wien getätigt werden. Darunter befindet sich Klemperers zweite
Aufnahme einer Bruckner-Sinfonie, der (vollständigen) 4. mit den Wiener
Symphonikern. Eine Aufnahme der 8. Sinfonie erfolgte 1970 am Ende seiner
Aufnahmetätigkeit mit dem New Philharmonia Orchestra, für den erkrankten
Dirigenten eigentlich schon zu spät. Musikfreunde können froh sein, dass in den
Schallarchiven einiger Rundfunksender Mitschnitte von Konzerten Klemperers mit
ihren Orchestern erhalten geblieben sind, so in Köln beim WDR, wo Klemperer in
den letzten Jahren seiner (Spät-) Karriere regelmäßig zu Gast war. Dort
entstand 1957 eine Aufnahme der 8. Sinfonie, die seit wenigen Jahren vom Label
medici arts auf dem CD-Markt gebracht wurde. Es ist ein überzeugendes Plädoyer
für diese Sinfonie: völlig unsentimental, jedoch sehr eindringlich breitet der
Dirigent die Musik aus, stringent, spannungsvoll und mit großer Intensität. Die
Stimmführungen sind gut zu verfolgen und Bruckners dynamische Vorgaben werden
beachtet. Im langsamen Satz wird das Tempo nicht zerdehnt, die Musik klingt
dann stellenweise nicht so explizit feierlich wie anderswo. Die Mono-Aufnahme
klingt präsent mit hinreichender Transparenz, allerdings dringen die Holzbläser
nicht immer so durch, wie es die Partitur vorsieht.
Ein besseres Klangbild bringt die
Studio-Aufnahme aus London. Klemperer verfügt immer noch über den langen Atem
um ein gewaltiges Werk wie diese Sinfonie durchzustehen, jedoch gelingt es ihm
am Ende seiner Karriere nicht mehr so zwingend, die Musik hinreichend zu
formen. So sind die Tempi merklich zurückgegangen, das Trio im 2. Satz klingt
zu gezogen. Das Finale kürzt Klemperer mittels zweier Striche. Am
überzeugendsten klingt hier das Adagio.
Wilhelm Furtwängler
Von vielen Musikfreunden wird
Furtwängler als der maßstabsetzende Interpret von Bruckners 8. Sinfonie
angesehen. Wie er sich in die Musik hineinkniet und ausdrucksvoll zu Gehör
bringt, ist für diese nahezu einzigartig. Das Tragische in diesem epochalen Werk
ist bei Furtwängler in besten Händen. Diese Meinung kann ich nachvollziehen,
auch wenn ich mir stellenweise andere Lösungen vorstelle. Keinesfalls sollte
man vergessen, dass auch anderen Dirigenten eindrucksvolle Interpretationen
gelangen und auch heute von Zeit zu Zeit noch gelingen.
In meinem Archiv stehen 5 Aufnahmen aus
einem Zeitraum von 11 Jahren von 1944 bis 1954, Studio-Aufnahmen und
Konzertmitschnitte aus Wien und Berlin. Musiziert wird aus der damals noch
jungen Robert-Haas-Ausgabe. Allerdings eliminiert WF im 3. Satz die Takte
209-218, dieselben, die auch Leopold Nowak nicht in seine Partitur aufgenommen
hat. Allerdings fügt er im Finale bei T. 499 einen Beckenschlag ein (jedoch nur
1949 und 1954), den weder Haas noch Nowak in ihre Partitur aufgenommen hatten.
Beim letzten Konzert der 8. in Wien in seinem Todesjahr wendet sich der
Dirigent vollständig der Nowak-Partitur zu, die damals allerdings noch nicht im
Druck erschienen, ihm aber inzwischen bekannt geworden war.
Furtwänglers älteste Aufnahme entstand
soweit bekannt als Studioproduktion der Reichsrundfunkgesellschaft am
17.10.1944 im Wiener Musikvereinssaal mit den Wiener Philharmonikern, im
Anschluss an drei öffentliche Konzerte. Meiner Meinung nach ist es Furtwänglers
überzeugendste Interpretation des Werkes. Obwohl mit großem Nachdruck
musiziert, bleibt sie sehr lebendig, mit Espressivo vom ersten Takt an. Die
Gleichzeitigkeit von Crescendo und Accelerando zu Höhepunkten
hin, ein Erbe seiner musikalischen Ausbildung, die noch in der Spätromantik
begründet ist, wirkt auf mich keineswegs aufgesetzt. Die Entspannung nach den
jeweiligen Höhepunkten ist wie ein Loslassen, ein Ausatmen. In diese Kategorie
fallen auch die deutlich gesetzten Ritardandi, z. B. im 1. Satz nach T. 20. Von
allen mir bekannten WF-Interpretationen der 8. besitzt sie einen relativ guten
Klang mit erfreulicher Präsenz. Sie wurde – technisch verbessert – ab 2004 von
der Wilhelm Furtwängler-Gesellschaft für Mitglieder angeboten. Jahrzehnte zuvor
brachte die DGG diese Aufnahme noch als LP auf den Markt. Eine dritte
Veröffentlichung erfolgte 2012 vom Label Orfeo innerhalb einer Box mit 18 CDs,
die jedoch klanglich und in der Präsenz nicht mit der Studio-Einspielung
mithalten kann. Sie klingt auch etwas tiefer und das Tempo ist satzweise ein
wenig langsamer. Das sorgt für eine gewisse Verwirrung. Andererseits ist zu
bedenken, dass die unterschiedlichen Label das Masterband der
Reichsrundfunkgesellschaft vor der Veröffentlichung jeweils einer eigenen Bearbeitung
unterzogen, also letztlich manipulierten, im positiven Sinne, um den jeweils
besten Klang herauszuholen.
Nicht ganz so verwirrend steht es um
Furtwänglers Nachkriegsaufnahmen der 8. Sinfonie mit den Berliner
Philharmonikern, die am 14. und 15. März entstanden. Am 14. März wurde vom
Rundfunk eine Studioeinspielung im Gemeindehaus Dahlem getätigt, die 1964 als
LP von Electrola zusammen mit der 7. Sinfonie auf den Markt kam. Sie ist in
ihrem ernsten detailreichen Musizieren vergleichbar mit der Wiener
Studioaufnahme. Der Klang ist jedoch kompakter und weist eine verminderte
Präsenz auf. Das Scherzo besitzt hier Drive, die Musik klingt fast hektisch und
der Dirigent betont deutlich die ABA-Form auf. Zwischen den Ziffern G
und H nimmt der Dirigent das Tempo deutlich zurück. Die vielen Höhepunkte im
Adagio werden mit Inbrunst zelebriert, molto espressivo nach Ziff. W. Der Finalsatz dagegen klingt objektiver, auch wenn er ein hohes Maß an
Expressivität aufweist. Überraschend hört man auf dem HP in Takt 499 den oben
erwähnten Beckenschlag. Heute ist diese Aufnahme bei Testament als Einzel-CD zu
erwerben. Einen Tag später erlebte das Berliner Publikum WF und die BPh auf dem
Podium des Titania-Palastes. Deutschlandradio (RIAS-Berlin) hat das Konzert
mitgeschnitten und vom Label audite wurde es 2009 in einer 13 CD umfassende Box
auf den Markt gebracht. Der Klang ist hier weniger präsent und etwas kompakter,
Saalgeräusche wurden nicht eliminiert, ebenso wenig Geräusche von Flugzeugen,
die bei der Berliner Luftbrücke im Einsatz waren. Das Scherzo wird sehr schnell
angegangen, dabei fallen einige Details unter die Notenpulte. Das Adagio
besitzt nicht ganz die Ruhe, die die Vortagsaufnahme vermittelt. Sehr
überzeugend jedoch gelingt das intensive Crescendo von T. 71 bis zum HP T. 77,
auch bei Ziff. Hh. Wie bereits früher legt der Dirigent eine
große Tragik in die T. 675-683.
Furtwänglers
letzte Aufnahme von Bruckners 8. stammt wieder aus Wien, ein Mitschnitt eines
Konzerts vom 10. 04. 1954. Der erste Satz beginnt vorsichtig, auch im weiteren
Verlauf bleibt die Musik zögerlich, zurückhaltender. Die Musik besitzt nicht
mehr die Vitalität von früher. Das Scherzo zieht hier eher episch vorbei. Im
Adagio wird sehr breit musiziert, mit weniger Inbrunst, z. B. T. 83 ff. Das
Finale klingt nicht mehr so schlank wie in früheren Jahren. Auch hier fehlt
nicht der Beckenschlag in Takt 499.
Hans Knappertsbusch
Der Dirigent bediente sich beim
Musizieren von Bruckners 8. Sinfonie zeitlebens der Partitur-Ausgabe von
Schalk/Oberleithner. Zwei Studioeinspielungen sowie ein Konzertmitschnitt
liegen mir vor. Die erste entstand mit den Berliner Philharmonikern für den
RIAS Berlin im Studio der Jesus-Christus-Kirche. Knappertsbusch geht sorgfältig
zu Werke, achtet auf eine gute Transparenz – auch an den Höhepunkten und dort
besonders beim Blech – und hütet sich vor spätromantischem Schwulst. Sein Tempo
wird aber immer wieder mit Rubati angereichert. Viel Espressivo gelingt Kna im
Adagio, sehr intensiv gestaltet klingt die Musik bei Partiturziffer G,
auch nach dem Höhepunkt bei Ziffer X und Y. Bei den beiden
Beckenschlägen lässt der Dirigent den ersten leiser spielen, auch später. Im
Finalsatz lässt der Dirigent als einziger die Harfen bei T. 95 ff. leiser
spielen als die Streicher, obwohl die Partitur das umgekehrt möchte, übrigens
auch am Satzende. Sehr gewichtig lässt er dann bei Ff aufspielen, am
Satzende fehlt es ihm dann aber an Stringenz. Leider ist das Klangbild etwas
hart ausgefallen, die Trompeten stechen oft zu sehr heraus, auch die Geigen an
exponierten Stellen.
Klanglich viel besser ist die zweite
Studio-Aufnahme mit den Münchner Philharmonikern ausgefallen, es wird insgesamt
auch runder musiziert. Die erwähnten Harfen im Adagio entsprechen nun den
Partiturvorgaben. Im Trio des Scherzos gefällt die bestens geformte Hornstelle
bei Ziffer G. Von allen drei Interpretationen hinterlässt diese den
besten Eindruck, da es ihr gelingt, die Großartigkeit des Werkes
herauszustellen.
Der Mitschnitt mit dem Bayerischen
Staatsorchester gefällt mir weniger, Kna lässt in den Sätzen 1 und 3 schnell
musizieren, zu schnell, dadurch bekommt die Musik ein holzschnittartiges
Äußeres. Hinzu kommen den wechselnden Tempi im Kopfsatz, die für Unruhe sorgen.
Klanglich ist sie der Berliner Studio-Produktion etwas überlegen, besonders im
Finale.
Karl Böhm
Böhms drei hier untersuchte
Einspielungen der 8. Sinfonie stammen alle aus der ersten Hälfte der 1970er
Jahre. Den Anfang macht ein Mitschnitt mit dem Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks aus dem Münchner Herkulessaal. Böhm macht klar, dass es
sich beim 1. Satz um ein Allegro handelt, es wird stringent musiziert, die
einzelnen Perioden halten ein festes Tempo, so entsteht eine klare
Formgestaltung. Die Musik bleibt ausgewogen und transparent. In die Musik wird
nichts hineingeheimnisst. Ab und zu tritt die 1. Trp. zu sehr aus dem
Blechbläserklang heraus. Dem 2. Satz verordnet Böhm das schnellste mir bekannte
Tempo, so klingt die Musik wie durchgezogen. Die Musik kann in diesen beiden
ersten Sätzen als zu neutral empfunden werden. Ein anderes Bild hinterlassen
jedoch die folgenden Sätze: Die Musik wird hier mit kundiger Hand geformt, es
werden große Spannungsbögen organisch entwickelt und ihrem jeweiligen Höhepunkt
zugeführt. Das klingt überzeugend, abgesehen von den letzten Takten des
Finales, in denen die Spannung etwas nachlässt.
Drei Jahre später führt Böhm Bruckners
8. in Köln mit dem Rundfunk-Sinfonie-Orchester im großen Sendesaal des WDR auf.
In der Auffassung der Musik ist sich Böhm treu geblieben, jedoch klingt die
Musik hier viel wärmer und saftiger, in
den ersten Sätzen nicht so holzschnittartig. Das Scherzo erhält eine höhere
Qualität, trotz des schnellen Tempos. Das Adagio wird mit langem Atem
musiziert, klingt aber immer noch lebendig. Viel Feuer erreicht der Dirigent im
Finale, für das er nur 20’44 Minuten benötigt, fast so schnell wie Klemperer
mit demselben Orchester 1957. Dieser Mitschnitt empfinde ich als eine
Sternstunde, auch was den Klang betrifft. Nicht immer gelingt es den
Rundfunktechnikern mit den Kollegen der großen Plattenfirmen mitzuhalten, hier
scheinen sie über ihr Können hinausgewachsen zu sein. Leider ist die Aufnahme
nur über die CD aus der Reihe „Great Conductors of the Century“ greifbar, die
inzwischen vom Markt genommen wurde. Eine Neuveröffentlichung wäre zu begrüßen.
Zwei Jahre später nahm die DGG
Bruckners 7.und 8. Sinfonie mit Böhm und den Wiener Philharmonikern – noch
analog – auf Hier kann man die bessere
klangliche Differenzierung, vor allem in den lauten Tutti-Stellen besonders im
Blech, hervorheben. Jedoch wird nicht mehr so lebendig musiziert. Im Vergleich
zu den früheren Mitschnitten klingt Bruckners Musik hier abgeklärter.
George Szell
Ähnlich Klemperer legt auch Szell die Musik
der 8. Sinfonie völlig unsentimental, aber sehr eindringlich vor. Die erste mir
vorliegende Aufnahme ist ein Mitschnitt aus dem Amsterdamer Concertgebouw, hier
wird noch nach der alten Schalk-Fassung musiziert. Leider haben die Techniker
bei der Digitalisierung der ursprünglichen Acetat-Platten zu viele musikalische
Signale weggefiltert. Der Klang ist zwar hell, aber kompakt und weniger
transparent und auch der Pegel schwank hier und da. Szells Musizieren ist wie
gewohnt prägnant und straff, immer bleibt der Blick nach vorn gerichtet. Im
Scherzo zeigen sich einige Schwächen beim Horn. Für den langsamen Satz wählt
Szell ein Andante-Tempo, kümmert sich um eine intensive Gestaltung, ohne eine
weihevolle Stimmung zu evozieren.
Für seine Studio-Produktion mit dem
Cleveland Orchester bedient sich Szell nun der inzwischen erschienenen
Nowak-Partitur. Hier wird mit höchster Konzentration und einer
bewundernswürdigen Sensibilität musiziert. Im Trio des 2. Satzes sind die
Pizzicati zu Beginn und später bei Ziff. F nicht nur Zutat, auch das 3.
Horn wird nicht vernachlässigt. Für den langsamen Satz wählt Szell nun ein
Adagio-Tempo; auf dem Höhepunkt bei V ist neben den beiden
Beckenschlägen auch die Triangel zu hören, die meist im fff untergeht.
Das Finale zieht bewegt vorüber, eine übergestülpte Weihe und Festlichkeit war
nicht beabsichtigt.
Eduard van Beinum
Ältere Plattenfreunde werden noch van
Beinums Philips-Aufnahme von Bruckners 8. Sinfonie in bester Erinnerung haben.
Der holländische Dirigent wählt vergleichbar schnellere Tempi als etwa Jochum,
Böhm und Karajan, ohne jedoch an Intensität zu verlieren. Der Notentext erfährt
eine aufmerksame Gestaltung bei guter Transparenz. Die dynamische
Differenzierung vor allem im p-Bereich könnte jedoch noch etwas
deutlicher ausfallen. Fließend, weniger feierlich, zieht das Adagio vorüber,
ohne Einbuße an Spannung. Die Takte 71-78 werden intensiv gestaltet und im
Blick auf die bevorstehenden Höhepunkte baut der Dirigent viel Druck auf, der
sich dann, besonders bei Ziff. V, wie befreiend entlädt, was einen
starken Eindruck hinterlässt. Dem lebendig musizierten Finale verpasst van
Beinum einen festlichen Glanz.
Als Vorbereitung zu dieser
Studio-Aufnahme probierte van Beinum die 8. Sinfonie in einigen
Konzertaufführungen wenige Wochen zuvor. Das inzwischen eingestellte Label
Tahra hat die Aufführung vom 21. April 1955 veröffentlicht, die vom
holländischen Rundfunk auf Acetat-Platten gespeichert wurde. Für die CD haben
die Techniker ein annehmbareres Klangbild mit geringem Rumpeln ermöglicht, der
Klang ist jedoch nicht so deutlich wie im Studio.
Eugen Jochum
Vergleichbar mit Schuricht legte auch
Jochum nach dem Erscheinen die Nowak-Partitur seinem Musizieren zugrunde, das
betrifft die Studio-Produktionen mit den Berliner Philharmonikern sowie der
Staatskapelle Dresden. Seine erste Studio-Produktion für die DGG mit dem
Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, am Ende seiner Zeit als GMD, wurde
noch auf Schellacks mitgeschnitten (Haas-Ausgabe). Der Klang ist etwas
holzschnittartig, an Höhepunkten auch opulent, teilweise auch etwas plakativ,
und passt m. E. gut zu dieser Sinfonie. Jochum versteht es große Bögen zu
spannen, dabei begegnet man auch immer wieder der spätromantischen
Interpretations(un)art, lauter- mit schnellerwerden zu kombinieren und
umgekehrt – da ist Jochum ein Kind seiner Zeit. Im Kopfsatz lässt der Dirigent
beim 3. Thema schneller spielen. Im Trio des 2. Satzes wird der Hörer Zeuge
eines poetischen Zusammenspiels der Hörner. Das Adagio bringt Jochum sehr
langsam und feierlich, jedoch keineswegs schleppend, insgesamt eine herbe
Lesart; mit 30’26 übertrifft er sogar noch Giulini mit den Wiener
Philharmonikern. In der Dynamik musste man sich dem Aufnahmemöglichkeiten
anpassen, d.h., dass ein pp oder gar ein ppp selten erreicht
wird.
Wenige Monate später führte Jochum
Bruckners 8. In Frankfurt mit dem Sinfonie-Orchester des Hessischen Rundfunks
auf. Den Mitschnitt gab es beim Label Tahra zu erwerben. Interpretatorische
Unterschiede sind gering. Das Orchester ist jedoch nicht so perfekt wie der
Hamburger Klangkörper, den Jochum 15 Jahre lang geleitet hatte. Das helle
Klangbild ist an lauten Tutti-Stellen recht kompakt, der Hörer muss sich auch
an spitz klingende Oboen gewöhnen. Das Scherzo klingt hier noch ungestümer als
früher und im Adagio spüre ich noch mehr an Espressivo.
Die Stereo-Aufnahme mit den Berliner
Philharmonikern (1964) löste Jochums alte Mono-Aufnahme ab. Ein helleres
Klangbild mit mehr Transparenz und besserer Balance zwischen den Gruppen
schlagen positiv zu Buche. Allerdings werden in lauten Tutti-Abschnitten die
Trompeten m. E. zu sehr nach vorn gezogen. Die Tempi sind etwas schneller als
in den früheren Aufnahmen. Mit viel Elan kommt das Scherzo daher und das Trio
erscheint hier nicht als kleiner Bruder des 3. Satzes, der im Vergleich zu
früher abgerundeter erklingt, anfangs auch ruhiger. Lebendig, aber auch
ausdrucksstark sowie stellenweise betroffen machend lässt Jochum den Finalsatz
musizierend, ohne klanglichen Bombast.
Jochum wurde zeitlebens als
authentischer Bruckner-Dirigent angesehen. So ist es nicht verwunderlich, dass
nach seinem Wechsel von DGG und Philips zu EMI auch Bruckner-Sinfonien unter
seiner Leitung produziert wurden. In Zusammenarbeit mit VEB Deutsche Schallplatten
entstand in wenigen Jahren ein kompletter Zyklus aller Sinfonien mit der
Staatskapelle Dresden. Interpretatorisch ähnelt sie der Berliner Aufnahme, die
Tempi sind teilweise noch etwas bewegter. Im Trio hört man erneut die poetisch
klingenden Hörner, in den Höhepunkten des letzten Satzes wird der Klang noch
etwas breiter als früher. Jochum ist, mindestens bei Bruckner, auch im Alter
noch jung geblieben.
Herbert von Karajan
Mit Herbert von Karajan stehen mir vier
Aufnahmen zur Verfügung, die erste entstand mit den Berliner Philharmonikern im
Jahre 1957 in der Berliner Grunewaldkirche, die jahrelang auch als Studio der
Electrola fungierte. Einige Wochen zuvor hatte der Maestro die 8. Sinfonie mit
den Wiener Philharmonikern im Musikverein aufgeführt, das Label Andante hat den
Rundfunkmitschnitt veröffentlicht. Auch Karajans letzte Aufnahme, wiederum mit
diesem Orchester, entstand in diesem Saal. Die zweite Aufnahme mit seinem Berliner
Orchester wurde in der Berliner Philharmonie aufgezeichnet. Im Vergleich dieser
vier Aufnahmen stellt sich heraus, dass sich Karajans Auffassung dieses Werkes
im Laufe der Jahre kaum gewandelt hat, er hält an einem früh entwickelten
Muster fest, nur die klangliche Realisierung und Präsentation hat sich im Laufe
der Jahre verfeinert. Bei seinem Antipoden Wilhelm Furtwängler sieht es
vergleichsweise anders aus. Mitschnitte von aufeinander folgenden Tagen
bezeugen, dass sie nicht Kopien sind, sondern sich partiell von Aufführung zu
Aufführung unterscheiden, und das nicht nur klanglich.
Karajan legt die Sinfonie bei
zurückhaltenden Tempi sehr weiträumig an, die Ecksätze in der ersten Berliner
Aufnahme klingen schon zäh. Ihm scheint das Aufzeigen der Monumentalität des
Stückes von höchster Priorität zu sein. Das zeigt sich vor allem durch die
Bevorzugung der Blechbläser, wobei die Transparenz innerhalb der Gruppe nicht
immer optimal ist. Nebenstimmen, vor allem der Holzbläser, werden oft
vernachlässigt. Durch solche Reduktionen erscheinen Karajans Interpretationen
insgesamt etwas nüchtern und geheimnislos. Im 1. Satz klingen die Takte 140-164
etwas unruhig, da sie nicht im Metrum gespielt werden. Gehen wir zu den Takten
217 ff.: hier sind bei den wechselnden Signaltönen von Pauken und Trompeten
(1975 und 1988) die Trompeten unterbelichtet. Das Scherzo wird in der ersten
und letzten Aufnahme zu wuchtig musiziert, die markanten Horn-Einwürfe im Trio
T. 21 und 23 kommen viel zu leise. Das Adagio klingt in allen Aufnahmen zu
statisch. In seinem Bemühen, jede Melodie, jedes Thema so schön wie möglich zu
musizieren, vernachlässigt HvK die Binnen-Spannung. Die Musik scheint sich zu
sehr selbst zu gefallen. Das setzt sich auch im Finale in allen Aufnahmen fort.
Aus Gründen der Tempogestaltung wie der klanglichen Präsentation steht die
Berliner-Aufnahme von 1975 an erster Stelle.
Günter Wand
Günter Wand war bis zum Ende der 1970er
Jahre auf dem Schallplattenmarkt in Deutschland kaum vertreten, obwohl er mit
dem Gürzenichorchester Köln, dessen musikalischer Leiter er von 1948 bis 1974
war, über 30 Langspielplatten aufnahm. Allerdings für einen französischen
Schallplattenclub. Nach seiner Pensionierung gelang es dem kleinen deutsche
Label DHM Wand bewegen, Aufnahmen mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester zu
tätigen, und zwar Sinfonien von Schubert und Bruckner. Am Anfang stand
Bruckners 5. Sinfonie, die 1977 auf den Markt kam und ein großer Erfolg wurde.
Der Vertrieb erfolgte anfangs über das Label BASF, bald danach jedoch über die
deutsche EMI-Tochter Electrola. Später gingen die Rechte an RCA über.
Wand sah in Bruckner den bedeutendsten
Sinfoniker nach Beethoven, er schrieb „Ich möchte, wenn ich Bruckner
dirigiere, deutlich machen, dass er ein großer Sinfoniker ist und nicht nur der
Komponist weihevoll-sakraler Stimmungen, möchte ganz einfach die Musik
darstellen, wie sie gemeint ist.“ Er zelebrierte nicht Bruckners Musik,
sondern versuchte ihre Konstruktion sowie ihre innere Dramatik freizulegen.
Erst relativ spät hat er zu Anton Bruckners Sinfonien gefunden. Bevor er ins
Studio ging, führte er das betreffende Werk, quasi als Vorbereitung, in
etlichen Konzerten auf. Die Erfahrungen, die er dabei sammelte, kamen der
„endgültigen“ Interpretation auf der Schallplatte zugute. Die erste Aufnahme
für DHM war Bruckners 5. Sinfonie, die von Hörern und der Fachpresse in den
höchsten Tönen gelobt wurde. Zwei Jahre danach nahm er in Köln seine 8. in
c-Moll auf. Es folgten in den folgenden Jahren Aufführungen überwiegend mit
deutschen Rundfunkorchestern, aber auch in Wien, London und Tokyo war er zu
Gast. Eine besondere Hochburg von Wands Bruckner-Deutungen wurde Hamburg, als
Wand zum Chefdirigenten des NDR Sinfonie-Orchesters ernannt wurde, zwei
Mitschnitte mit Bruckners 8. und diesem Orchester sind in meinem Vergleich
vertreten. Mit den Münchner Philharmonikern verband ihn eine lange
Freundschaft, auch mit dem Deutschen Sinfonie-Orchester Berlin, dem früheren
Radio-Sinfonie-Orchester. Am Ende seiner langen Karriere trat er regelmäßig mit
den Berliner Philharmonikern auf und führte dort auch immer wieder Bruckner auf.
Bruckners erste Aufnahme aus Köln
zeichnet sich aus durch eine genaue Umsetzung des Notentextes, immer wieder
entdeckt man Stellen, die der Dirigent neu für den Plattenhörer entdeckt. Sein
Musizieren ist immer bewegt und belebt und auf ein Ziel hin, meist einen
Höhepunkt, ausgerichtet. Das Orchester erklingt in großer Bandbreite, jedoch
nicht schwergewichtig und behält durchgehend einen jugendlich anmuteten Klang.
Zu Beginn des Adagios wird die Streicherbegleitung zwar breit ausgebreitet,
bleibt dabei jedoch völlig klar, nicht irgendwie drückend weihevoll. Stringent
zieht das Finale daher mit einem tragischen Höhepunkt bei Ziffer Ss.
Eine beeindruckende Interpretation, die den Ruf eines begnadeten
Bruckner-Dirigenten festigte.
Die restlichen 5 Aufnahmen
unterscheiden sich im Wesentlichen kaum voneinander, allenfalls im Tempo, hier
ist die WDR-Aufnahme deutlich schneller als die anderen, sowie der klanglichen
Präsentation. Der NDR-Mitschnitt aus dem Lübecker Dom (1987) klingt dunkler und
Wand musste sein Tempo dem langen Nachhall des Kirchenraumes anpassen. Das
Klangbild ist aber auch weicher, geschlossener und auch fülliger. Die großen
Ausbrüche klingen gewaltiger als im großen Sendesaal in Köln. Im Adagio,
innerlich bewegter als früher, beobachtet man auch noch einen höheren Grad an
Spannung. Dagegen fällt der zweite NDR-Mitschnitt (Laeisz-Halle) etwas zurück.
Wand benötigt noch mehr Zeit, der Klang ist weniger schlank und weniger
durchgearbeitet. Ein Jahr später führt Wand die 8. mit dem Deutschen
Symphonie-Orchester Berlin auf. Das Klangbild ist klarer als das beim NDR,
jedoch ist das Blech in den lauten Tutti-Stellen nicht immer bestens
durchgearbeitet. Der 3. Satz beginnt in der Streicherbegleitung etwas
schleppend, aber mit viel Nachdruck. Der Satz ist von allen Aufnahmen der
langsamste. Im Finale erreicht Wand stellenweise eine bemerkenswerte
Feierlichkeit. Bei den Münchner Philharmonikern nimmt der Dirigent im Kopfsatz
das Tempo stellenweise mehr zurück, das Adagio klingt etwas schwerfälliger und
im Finale gerät der Schluss schon ein wenig zäh. Beim Mitschnitt mit den
Berliner Philharmoniker erlebt man als Hörer ein höchstes Maß an Durchformung,
die ersten Takte des Adagios sind ein Klangereignis. Wand bietet mit dem Orchester
höchste Klangkultur und wo angebracht auch große Fülle und Breite.
Sergiu Celibidache
Celibidaches früher Mitschnitt aus
Stuttgart kann vor allem aus Tempogründen mehr für sich einnehmen als der 17 Jahre
spätere aus dem Münchner Gasteig. Celi lässt die Perioden immer wieder
spannungsvoll aus dem Nichts entstehen und überzeugt mit detailreichen
Ausblicken. Die Musik klingt bei ihm nie wie konstruiert, sondern als
gewachsen. Immer wieder das plastische Formen des musikalischen Materials.
Hauchzarte Pianissimi und lautstark gespielt Höhepunkte stehen nie
nebeneinander, sondern werden miteinander verbunden, das Eine geht organisch
aus dem Anderen hervor. Die Spannung geht auch über Pausen hinweg. Bei aller
zeitweiligen Langsamkeit gibt es bei ihm kein Spannungseinbruch. Darin lag die
hohe Kunst von Celibidaches Dirigieren und dies zeigt diese Stuttgarter
Konzertaufnahme.
In den späteren drei
Konzertmitschnitten mit den Münchner Philharmonikern können wir die
musikalischen Tugenden des Dirigenten wieder erleben, nur ist – abgesehen vom
Scherzo-Satz – die Musik jetzt viel langsamer, teilweise zähflüssig, besonders
in München und Lissabon, und fordert vom Hörer ein hohes Maß an Konzentration.
In den Sätzen 3 und 4 klingt die Musik wie zelebriert, dachte Bruckner hier an
eine katholische Prozession? An den Höhepunkten bieten diese Mitschnitte eine
noch größere Klangentfaltung mit mehr Volumen als der aus der Stuttgarter
Liederhalle. Vermutlich hat auch der Maestro die Anzahl der Streicher über das
übliche Maß hinaus erhöht, um einen breiten Klang zu erreichen.
Von den Mitschnitten mit den Münchner
Philharmonikern gefällt mir der aus Tokyo etwas besser als die beiden späteren,
da hier die Musik nicht ganz so in die Breite gezogen wird. Ein Geheimtipp für
Celi-Fans ist die mit viel Spannung aufgeladene Interpretation aus Lissabon.
Carlo Maria Giulini
Der italienische Meisterdirigent wandte
sich in seinen späteren Jahren auch den Sinfonien Anton Bruckners zu. Es liegen
Aufnahmen der Sinfonien Nr. 2 und 7 bis 9 vor. Im Falle der 8. erscheinen hier
drei in meinem Überblick, alle innerhalb eines Jahres eingespielt. Die
Studio-Produktion mit den Wiener Philharmonikern bei DGG ist die bekannteste
und wurde bei ihrem Erscheinen zurecht als eine der wesentlichen
Interpretationen des monumentalen Werkes gepriesen. Giulini nimmt sich viel
Zeit für die Sinfonie, arbeitet sehr konzentriert und mit viel Nachdruck, molto
espressivo. Die Blechbläser pflegen einen weichen Ansatz, treten jedoch,
wenn von der Partitur gefordert, auch gepanzert in den Vordergrund. Das
abgerundete Scherzo entbehrt jeglicher Derbheit, klingt allerdings nicht so
unmittelbar wie bei den meisten Interpretationen. Höhepunkt ist das Adagio,
nach Celibidache-MP (35’04) und Jochum-49 mit 29’15 das längste mir bekannte.
In den Takten 11-14 deklamieren die Geigen nicht ihre Stimme, sondern spielen
eine Linie, mit langem Atem, ohne dass der Spannungsbogen einbricht. Die beiden
Beckenschläge bei Ziffer V sind in den Gesamtklang integriert, fallen
nicht krachend aus dem Klang.
Vom September des Vorjahres datiert ein
Mitschnitt mit dem Philharmonia Orchestra aus der Londoner Royal Festival Hall.
Die Tempi, abgesehen vom Adagio, entsprechen der Wiener Aufnahme. Giulinis
Vorstellung der 8. Sinfonie wird auch schon hier deutlich. Die Dynamik im p-Bereich
erreicht noch nicht das spätere Niveau, die Beckenschläge werden mehr
hervorgehoben und die Pauken haben insgesamt mehr Präsenz als in Wien und
Berlin. Das Klangbild ist insgesamt etwas enger. Ein großer Gewinn sind neue
Oboen im Orchester, die die alten, von mir immer wieder wegen ihres quäkenden
Klangs monierten, abgelöst haben.
Ein weiterer Mitschnitt stammt aus der
Berliner Philharmonie und hat Testament auf den Markt gebracht. Hier ist die
Inspiration des Augenblicks eingefangen, einschließlich leisem Brummen des
Dirigenten an einigen Stellen. Der Aufbau der Höhepunkte ab T. 217 und T. 354
im ersten Satz ist mit einer bestechenden Sogwirkung verbunden. Immer wieder
bewundert man den Spannungsauf- und -abbau. Der Beginn des Trios wünschte ich
mir noch leiser. Die oben beschriebene Geigenstelle T. 11-14 des Adagios klingt
hier nicht mehr so zart, auch das Violinsolo T. 149 ff. ist hier nicht so
deutlich. Dagegen überzeugt die Fülle der Streicher, vor allem der tiefen,
immer wieder. Insgesamt besitzt diese Aufnahme im Finalsatz eine höhere innere
Lebendigkeit als ihre Konkurrenten.
Rafael Kubelik
Im Gedächtnis der Plattenhörer ist der
tschechische Dirigent Rafael Kubelik eher als Mahler-Dirigent haften geblieben,
denn als Anwalt der Sinfonien von Anton Bruckner. Sicher, seine Mahler
Einspielungen bei der DGG waren damals ein Ereignis, mit Bruckner konnte er da
nicht anknüpfen, denn das Gelbe Label hatte vorerst mit Eugen Jochum sein Feld
bestellt. Immerhin konnte er mit seinem Rundfunk-Orchester die wichtigsten
Sinfonien Bruckners im Münchner Herkulessaal aufführen, teils mehrmals. Von der
8. Sinfonie gelangten zwei Mitschnitte auf den CD-Markt. Orfeo veröffentlichte eine Aufnahme aus dem
Jahre 1963, später folgte das Sender-eigene Label BR Klassik mit einem
Mitschnitt aus 1977. Die ältere Aufnahme nimmt den Hörer bereits vom ersten
Takt an gefangen. Bewegt musizierend richtet Kubelik den Blick nach vorn,
jedoch ohne die Musik abschnittsweise mittels veränderter Tempi zu gliedern,
wie es sich der Komponist wünschte. Die Tutti-Einsätze sind nicht immer ganz präzise,
dass ändert sich jedoch im Lauf der Aufführung. Die Dynamik bleibt noch etwas
pauschal, besonders im forte-Bereich an lauten Tutti-Stellen. Insgesamt
hat man den Eindruck, dass es Kubelik damals noch nicht gelang, tief in
Bruckners Mysterium einzudringen. Das hat sich im Laufe der Jahre zum Positiven
geändert. Auch hier die Intensität von Anfang an. Kubelik lässt sich jetzt mehr
Zeit, die er für eine intensivere Gestaltung verwendet, vgl. z. B. im Adagio
die Takte 91-94. Das Orchester – auf höherem Niveau – klingt nun geschmeidiger,
auch geschlossener, hat mehr Fülle gewonnen und strahlt mehr Wärme aus. In der
Live-Situation gelingt natürlich nicht immer alles bestens, so kommen die
Hörner-Einwürfe im Trio des 2. Satzes T. 21 und 23 viel zu leise. Oder im
Finale wünschte man sich die eindrucksvolle Melodie der 2. Tenortuba T. 651-656
viel deutlicher. Unter dem Strich bleibt jedoch eine sehr gute Interpretation,
die an der 5 kratzt. Im Booklet wird behauptet, dass Kubelik nun nach der
Nowak-Partitur musizieren lässt, was sich beim Mithören jedoch nicht bestätigt.
Klaus Tennstedt
Der Mitschnitt mit den Berliner
Philharmonikern zeigt Tennstedt als Einspringer für den erkrankten Karajan.
Obwohl sich Dirigent und Orchester aus früheren Begegnungen kannten, werden die
wenigen Proben nicht ausgereicht haben, um eine vollgültige Interpretation des
umfangreichen Werkes auf die Beine zu stellen. Die Philharmoniker spielen hier
nicht so geschliffen, wie man sie von Platten-Aufnahmen her kennt. Mit voller
Intensität steigt Tennstedt in den Anfang ein, mit viel Leidenschaft,
stellenweise auch etwas grob wird Bruckners Musik angegangen. Im T. 40 setzt
die 1. Trp. einen Moment zu spät ein. Das zweite Thema wird ab T. 193 zu laut
gespielt und klingt so etwas schwerfällig. Crescendi werden immer wieder mit
Accelerandi verbunden. Das Scherzo wird sehr unruhig gespielt. Im Adagio bleibt
die Expressivität immer auf höchstem Niveau, man spürt keine Entwicklung und
kaum Abstufungen. Bei Ziffer N wird die Steigerung zu deutlich
angegangen und klingt so schon etwas plakativ. Als Hörer vermisst man eine Strategie,
zu viele Höhepunkte folgen einander. Es verwundert nicht, dass der Höhepunkt
bei Ziffer V zwar als üppig vernommen wird, ihm aber letztlich die Kraft
fehlt. Das gilt entsprechend auch für das Finale, in dem Tennstedt oft auf p
verzichtet. Die Musik beginnt bei Ziffer Y zwar fff, geht aber
recht bald auf ein ff zurück. Beim Konzert in der Philharmonie haben die
Zuhörer gewiss einen anderen Eindruck gewonnen, als die Zuhörer ihn via CD
vermittelt bekommen. Insofern fragt man sich, ob diese posthume Veröffentlichung
sinnvoll war.
Ein Jahr später erfolgte mit dem London
Philharmonic Orchestra eine Studio-Produktion von Bruckners 8. Die schon vom
Berliner Mitschnitt bekannte Musizierhaltung Tennstedts zeigt sich auch hier:
Die Musik ist immer in Bewegung, mit einen sonst in diesem Satz kaum
beobachteten Lebendigkeit. Das Londoner Orchester spielt mit mehr Schliff und
Tennstedt hält es zu einer besseren Dynamik an. Leider gelingt es dem
Dirigenten nicht dieses Niveau im Verlauf der Sätze zu halten. Im Scherzo
bleibt die Musik zwischen den Ziffern K – M zu neutral, die
Hornstelle T. 21/23 im Trio bleibt zu leise, auch stellt sich nach T. 82 keine
richtige Spannung ein. Das Adagio bleibt zurückhaltend, erst bei Ziffer H
spürt man mehr Teilnahme. Das Finale bleibt neutral und zerfällt in Abschnitte,
immer wieder bricht die Spannung ein. Im
dynamischen Bereich vermisst man, vor allem beim Beginn einer Steigerung, das Piano.
Bernard Haitink
Nach dem plötzlichen Tod von Eduard van
Beinum wurde der 32jährige Bernard Haitink im Jahre 1961 zum Leiter des
Concertgebouw Orchesters ernannt, in den ersten Jahren stand ihm noch der
erfahrene Eugen Jochum zur Seite. Bereits 1960 nahm das holländische
Philips-Label den Newcomer unter ihre Fittiche und produzierte mit ihm im
selben Jahr Bruckners 8. Sinfonie, die restlichen Sinfonien wurden in den
folgenden Jahren ergänzt. Diese erste Aufnahme sagt weniger aus zu Anton
Bruckners Sinfonie, die nicht schlecht dirigiert wird, als zum Dirigenten
selbst. Er betont im Kopfsatz die Tempobezeichnung Allegro, weniger den
Zusatz moderato. Auch im Finale wird das nicht schnell durch
bewegtes Musizieren ersetzt. Insgesamt lässt Haitink fließend musizieren, in
jeweils ziemlich festem Tempo, bleibt dabei nahe am Notentext, die Musik
vollzieht sich jedoch eher im sachlichen Bereich, mit geringerer Spannung.
Die beiden späteren Aufnahmen zeigen im
Umgang mit Bruckners 8. einen gereiften Kapellmeister, der Themen und Motive
moduliert sowie auf Details achtet. Ein freierer Umgang mit den Tempi sowie von
langer Hand geplante Crescendi deuten darauf hin, dass Haitink das
musikalische Geschehen des jeweiligen Satzes von der ersten bis zur letzten
Note voll im Blick hat und versteht, Spannungsbögen zu entwickeln. Den
stärksten Eindruck hinterlässt dabei das Adagio. Das gilt sowohl für die
Studioproduktion aus Wien als auch für den Live-Mitschnitt aus Dresden, die
Satz für Satz etwa dasselbe Tempo aufweisen. Im Detail gibt es jedoch auch
Kritikpunkte, z. B. die überspielten Horn-Einwürfe im Trio des 2. Satzes T. 21
bzw. 23 in Dresden oder die zu leisen Harfen im Adagio, bei denen der Komponist
dreifaches Forte in die Noten geschrieben hat. Im Finalsatz wünschte man
sich an den Höhepunkten bei Ziff. Ff sowie später bei Xx
triumphierende Fanfaren der drei Trompeten, in beiden Aufnahmen kommen sie mir
zu beiläufig.
Christian Thielemann
Innerhalb eines Jahrzehnts legt
Thielemann zwei Aufnahmen der Haas-Fassung vor, beides sind Konzertmitschnitte.
In Dresden sprang der Dirigent kurzfristig für den erkrankten F. Luisi ein und
hinterließ mit seiner Interpretation sowohl beim Publikum als auch dem
Orchester einen tiefen Eindruck, was dazu führte, dass er nach Luisis
Ausscheiden zum Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle berufen wurde. Der
Mitschnitt des MDR zeigt das Orchester von seiner besten Seite. Der Dirigent
entlockt ihm einen warmen Klang und viel Espressivo. Lebendiges und plastisches
Musizieren erlebt man in den schnellen Sätzen. Die Höhepunkte treten, wie von
Bruckner gewünscht und unterstützt von Thielemanns langem Atem, feierlich und
mit Nachdruck hervor, besonders im Adagio. Im Detail jedoch müssen an einigen
Stellen Abstriche gemacht werden, z. B. könnte im ersten Satz das 1. Horn etwas
mehr heraustreten, auch im Scherzo klingt es in den Takten 21 und 23 zu leise.
Nicht mit der Partitur im Einklang steht das plötzliche Zurücknehmen der
Lautstärke in den Takten 52 und 186 während eines Crescendos. Der zehn Jahre
später entstandene Konzertmitschnitt mit den Wiener Philharmonikern ähnelt sehr
der früheren Aufnahme, bringt also keine neuen Erkenntnisse. Klanglich empfinde
ich sie als ein wenig plakativer gespielt, da sehnt man sich im Adagio zurück
zur Wärme der Dresdner Staatskapelle. Im Finalsatz ist das Tempo nicht immer
fest. Hier ist das Horn T. 187 ff. zu leise. Die zuvor bemängelten Stellen im
zweiten Satz laufen hier nach Partitur ab. Insgesamt handelt es sich bei beiden
Mitschnitten um ziemlich überzeugende Interpretationen nach traditioneller Art
in der Haas-Fassung.
Einen herzlichen Dank aussprechen
möchte ich den Musikfreunden, die mir für diese große Übersicht einige
Aufnahmen außerhalb meines Plattenschranks haben zukommen lassen. Ohne ihre
Unterstützung wären einige Aufnahmen unberücksichtigt geblieben.
eingestellt am 18.09.22