Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Chopin

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Fantasie f-Moll op. 49

 

Zimerman

DGG

1987

13‘52

5

streng, feine dynamische Abstufungen in den langsamen Abschnitten, mit großer Übersicht und Ruhe, überlegen und kraftvoll musiziert

Benedetti Michelangeli

Testament

1957

12‘27

5

live London – schnelles Grave, schneller Marsch, feuriges agitato, Spannung – Entspannung, im Lento sostenuto ganz versunken, Beifall in den Schlussakkord!

Kissin

RCA

1993

13‘40

5

live – con molto passionato, runder Flügelklang

Solomon

APR      audite

1956

11‘24

5

Marcia wirklich als Marsch zu erleben, F-Dur-Abschnitt etwas schneller, glutvoll, deutlicher als früher

Sudbin

BIS

2011

11‘49

5

geschmeidiges Klavierspiel, offenes Klangbild, in großen Bögen gestaltet

Avdeeva

NIF

2010

11‘22

5

live Chopin-Wettbewerb 2010 – überlegen gestaltet, glühend, Lento sostenuto als großer Bogen

 

Maisenberg

Glissando

1995

13‘33

4-5

live – hervorragende Interpretation, Lento sostenuto ohne Leuchtkraft

Solomon

EMI

1932

12‘10

4-5

mit Verve gespielt, aufgrund des Alters der Aufnahme nicht immer genügend deutlich, Marcia wie 1956

Duchable

EMI

1974-1979

12‘15

4-5

Marschtempo durchgehalten, Duchable der Gestalter, schöner Klavierklang

Arrau

Decca     DGG

1954

13‘03

4-5

 

Arrau

Philips

1977

12‘15

4-5

 

El Bacha

Forlane

1999

11‘25

4-5

geschliffen, funkelnd, anfangs jeweils die beiden ersten Takte des Grave-Motivs unter Pedal??

Bolet

Decca

1986

13‘04

4-5

das hat Form, detailverliebt, aber immer das Ganze im Blick, schöner Flügelklang

Pollini

DGG

1999

11‘25

4-5

Grave und Lento sostenuto etwas zügig, letzteres mit wenig Leuchtkraft, technisch auf höchstem Niveau, Pedalnebel trübt etwas das Klangbild

Kempff

Decca

1958

12‘09

4-5

Grave: jeweils die beiden ersten Takte des Anfangsmotivs mit Pedal, Poesie geht vor technisch geschliffener Darstellung

Kern

HMF

2005

14‘00

4-5

temperamentvolle Darstellung, in der auch lyrische Partien nicht überspielt werden, schöner Klavierklang (Tiefbass)

Ogdon

IMP

P 1986

14‘52

4-5

Akkord-Arbeit erinnert an Arrau, Lento sostenuto nicht als Durchgangsstation, sondern als Ruhepunkt, Ende der Oktav-Raketen T.109-115 sowie 276-283 undeutlich

Horszowski

Pearl

1973

12‘46

4-5

Horszowski mit 81 Jahren, live, etwas belegter Klang – jeweils die beiden ersten Takte des Grave-Motivs unter Pedal, doppio movimento etwas zahm, insgesamt jedoch sehr engagiert, wie man es von H. kennt, einige Publikumsgeräusche

Perahia

CBS

1985

12‘51

4-5

gradlinig, sehr plastisch, Fantasie und keine Ballade!

Freire

Teldec

1976

11‘51

4-5

sehr durchsichtig, weite Dynamik, pianistisch geschliffen, mehr Einzelabschnitte als ein Zusammenhang

Gililov

Aulos

1982

12‘24

4-5

trockener Klang, immer ganz nahe am Notentext, mit Kraft und Übersicht

 

Buchbinder

BR-Aufnahme

1970

11‘30

4

unveröffentlicht, jeweils die beiden ersten Takte des Grave-Motivs unter Pedal, dramatisch, molto agitato, Lento sostenuto etwas nüchtern, Buchbinder spielt die Fantasie, als sei sie Chopins Appassionata

Arrau

EMI

1960

13‘09

4

 

Cortot

EMI u.a.

1933

11‘29

4

pianistisch nicht immer perfekt, aber Vorstellung vom Werk vermittelt, schnelles Grave und Lento sostenuto

Rubinstein

RCA

1957

11‘19

4

schnelles Grave und Lento sostenuto, Rubinstein rafft das musikalische Geschehen bei gleichzeitiger Dramatisierung, Klirrneigung!

Cherkassky

EMI    Philips

P 1953

12‘44

4

immer nahe am Notentext, viel strenger als 1973, Klang präsenter als 1973

Pires

DGG

1997

14‘32

4

individuelle Lesart, Tempo Rubato, stellenweise sehr gewichtig

Zitterbart

gutingi

1992

12‘07

4

in großen Bögen, Zitterbart setzt sorgfältig Chopins Anweisungen um, z. B. erste staccato-Stelle T. 127-142 im Tempo, zweite T. 294-309 piu mosso und animato!

Magaloff

Philips

1978

11‘46

4

ziemlich gradlinig, in den schnellen Partien dramatisch, jedoch nicht überhitzt

Harasiewicz

Philips

P 1959

11‘32

4

zufriedenstellende bis gute Interpretation, Blick eher nach vorn gerichtet, Details werden oft übergangen

Moravec

Vox

2002

12‘45

4

individuelle Lesart, bereits im Grave zu hören, Crescendo teilweise etwas gebremst

Tharaud

Virgin

2008

11‘52

4

flüssiges Lento sostenuto, T. 294 kein piu mosso, insgesamt solide

Benedetti Michelangeli

aura

1985

14‘21

4

live Bregenz – nicht mehr so geschlossen wie 1957, Lento sostenuto vom Vorherigen wie abgetrennt, teilweise mächtige Klangentfaltung, jedoch weniger geschmeidig, viele Publikumsgeräusche

Scheps

Sony

2009

13‘32

4

live – gradliniges Musizieren mehr an der Oberfläche der Fantasie, ohne deren Untiefen auszuloten

Ashkenazy

Decca

1979

13‘48

4

Ashkenazy und sein Drahtflügel (f und ff-Stellen, Triolen der rechten Hd.), doppio movimento kommt nicht recht in Fahrt

Rubinstein

RCA

1962

11‘57

4

Grave und Lento sostenuto etwas langsamer als 1957, insgesamt mit weniger Drive, auch weniger geschlossen

 

Katchen

Decca

1949

12‘04

3-4

in den schnellen Partien und Akkorden Liszt näher als Chopin, Klirrneigung!

Gourari

Koch

2001

12‘10

3-4

Crescendostellen etwas unentschlossen, mehr technisch als musikalisch bewältigt, Lento sostenuto ohne Spannung, Gestaltungsmängel

Rubinova

EMI

2006

13‘46

3-4

Marsch durch Ritardandi und überlange halbe Noten deformiert, bei langsamen Partien metrische Großzügigkeit, etwas einförmiger Klavierton

Ciani

Ides

1969

12‘09

3-4

live – pianistisch gediegen, am besten das Lento sostenuto, Klavier keineswegs optimal aufgenommen, viele Publikumsstörungen

 

Cziffra

EMI

1956

12‘29

3

pianistisch unangefochten, zu oberflächlich effekthaschend, kein Zusammenhang im Stück, mehr Cziffra als Chopin

Cziffra

medici arts

1964

11‘36

3

live Tokyo – Aufnahme etwas stumpf; auch hier kann er mit den langsamen Abschnitten wenig anfangen, sie klingen seltsam blutleer, die Viertelnoten im Diskant bei der chromatischen Abwärtsbewegung vor Adagio sostenuto nicht zu hören, auch 1956 nicht!

Pommier

Erato

1992

12‘05

3

schneller Grave-Teil, keine tiefere Beziehung zum Werk spürbar

François

EMI

1966

13‘14

3

Grave-Teil ziemlich teilnahmslos, großzügige Auslegung der Lautstärkegrade, François führt nicht die Eigenarten der einzelnen Abschnitte vor, eindimensional

Cherkassky

Decca Ermitage

1973

12‘12

3

live – andauerndes Tempo Rubato, Blick auf Nebenstimmen, geschmäcklerisch, fast keine Publikumsgeräusche

Cliburn

RCA

1961

12‘07

3

großzügiger Umgang mit Chopins Notentext, Lento sostenuto etwas gleichgültig, eintöniger Klavierklang

 

Pletnjew

DGG

1996

14‘46

2-3

ich will es anders machen", metrische Wechselbäder, Pletnjews pianistische Potenz steht nicht zur Diskussion

 

Ney

Colosseum

1961

12‘08

2

technisch fast nicht/nicht mehr bewältigt (Ney mit 79), hölzern, keine Interpretation

 

Der Pianist Claudio Arrau muss eine besondere Affinität zur f-Moll-Fantasie von Chopin gehabt haben, wenn er das Stück während seiner Laufbahn dreimal für die Schallplatte einspielte. Bei den meisten Musikfreunden waren bisher jedoch nur zwei Aufnahmen im Gedächtnis, die EMI-Aufnahme von 1960 sowie nach dem Wechsel zum Label Philips die von 1977. Nun können wir zum Vergleich eine dritte heranziehen, die die amerikanische Decca 1954 aufzeichnete, aber nicht auf den Markt brachte. Erst 2011, 57 Jahre danach, erlebte sie als Teil der DGG-Box „The Liszt Legazy" ihre posthume „Uraufführung", zusammen mit fünf bekannten Beethoven-Sonaten. Arrau begreift in allen drei Aufnahmen die Fantasie als dramatische Aktion, am deutlichsten tritt das in der „neuen" Aufnahme zu Tage. Kraftvoll zupackend, sehr gewichtig, aber auch die lyrischen Partien empfindsam überlegen nachzeichnend, immer das ganze Stück im Fokus, stellt er op. 49 vor uns auf. Das Klangbild ist erstaunlich hell und transparent. Ihr am nächsten steht die Philips-Aufnahme, übrigens die schnellste von allen, die auch con gran passione dargeboten wird, während die EMI-Produktion aufgrund ihres dunklen Klangs nicht ganz so begeistern kann und auch bei der Akkordarbeit etwas erdverbundener klingt. Erwähnen sollte man aber auch, dass Arraus Chopin-Spiel vor dem Hintergrund seiner Ausbildung in Berlin bei Martin Krause (deutsche Schule), einem der letzten Liszt-Schüler, gesehen werden muss. Cortot, Rubinstein oder Horowitz pflegten einen anderen Stil.

eingestellt 2005

letzte Ergänzung : 26.05. 2012

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