Das Klassik-Prisma |
|
Bernd
Stremmel |
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Frederic Chopin
3. Klaviersonate h-Moll op. 58
Allegro maestoso – Scherzo, molto vivace – Largo –
Presto, non tanto
Für Chopin war das Komponieren von Klaviersonaten
kein Herzensbedürfnis und keineswegs eine Angelegenheit, sich mit Beethoven als
Sonatenkomponist messen zu wollen. Ein Überblick über sein gesamtes Œvre zeigt deutlich, dass mehrteilige Werke wie Sonaten
etc. in strenger Form nur eine Randerscheinung einnehmen. Längere Zyklen wie
die der Etüden oder der Preludes sind
Zusammenstellungen von knappen Sätzen, die jedoch kaum Bezüge untereinander
aufweisen. Die Klaviersonaten bilden da eine Ausnahme. Nach seiner ersten
Auseinandersetzung mit diesem Genre mit der frühen Sonate in c-Moll op. 4 aus
dem Jahre 1828 dauerte es 11 Jahre, bis er ein zweites Werk dieses Genres der
Öffentlichkeit übergab: die Sonate in b-Moll op. 35, bekannt auch unter dem
Beinamen „mit dem Trauermarsch“ (1837/39).
Leider hat Krystian Zimerman
bis jetzt keine Aufnahme der h-Moll-Sonate eingespielt. Vor einem Jahrzehnt
habe ich den polnischen Pianisten mit ihr in einem Konzert gehört.
Leif Ove Andsnes |
Virgin |
1990/91 |
30‘32 |
|
|
I spürbare Vitalität, jedoch auch Sinn für die
lyrischen und verspielten Abschnitte, II geschmeidig, immer locker, linke
Hand immer als Stütze der rechten, III mit großer Ruhe, A fast andächtig, B
empfindsam, IV souverän, Andsnes behält immer den
Überblick |
|||
5 |
Abdel
Rahman El Bacha |
Forlane |
2000 |
26‘49 |
|
I Temperament und Präzision auf gemeinsamen
Nenner, eher Kammermusik als im Konzertsaal, II A re.
und lk. Hd. aufeinander abgestimmt, B Mittelstimme
genau eingepasst, III mit spürbarer Hingabe, überzeugend, IV schwelgerisch –
angenehmer Flügelklang, sehr lockerer Anschlag |
|||
5 |
Maria
João Pires |
DGG |
2008 |
32‘28 |
|
I die unterschiedlichen Aggregatzustände der Musik
gut getroffen, Pires zeigt Sinn für die Proportionen innerhalb des Satzes, II
B Außen- und Mittelstimmen gut aufeinander abgestimmt, III geschmackvoll, mit
intuitiver Einfühlsamkeit, stellenweise auch verträumt, IV
Musik akribisch ausformuliert, sprechende Artikulation |
|||
5 |
Garrick
Ohlsson |
Arabesque |
1990 |
27‘27 |
|
I profiliert, ausdrucksstark, II spontan wirkender
musikalischer Fluss, trotz des schnellen Tempos gelöst, III erhabene Ruhe,
mit viel Klangsinn, IV mit Hingabe |
|||
5 |
Nikolai
Demidenko |
hyperion helios |
1993 |
32‘54 |
|
I mit
spürbarer Hingabe, sich Zeit lassend, nuancenreich, überlegte Dynamik, II A lk. Hd. nicht immer präsent, B fast wie scheu, III Largo,
Atmosphäre, IV vital |
|||
5 |
Yundi Li |
DGG |
2001 |
26‘43 |
|
I auf
längst bekannten Wegen unterwegs, jedoch mit klarer Artikulation und viel
Klangsinn, gute Dynamik, T. 23-28 deutliche Zweistimmigkeit, II feinfühlige
Gestaltung, III nuanciertes Spiel, IV nicht nur auf das handwerkliche
reduziert |
|||
5 |
Marc-André Hamelin |
hyperion |
2008 |
30‘02 |
|
Hamelin mit großer Übersicht über das Werk, I
temperamentvoll, rhythmischer Schwung, überzeugende Dynamik, II ganz nahe an
der Partitur, III den Nerv der Musik getroffen, IV vehementer Zugriff, die
beiden Themen bestens gegenübergestellt, Spannung bis zum letzten Akkord |
|||
|
||||
4-5 |
Maurizio
Pollini |
DGG |
1984 |
28‘18 |
|
I
ausdrucksstark, jedoch immer wieder auch gezügelt, Sensibilität für Chopins
Vorlage, II straff, für die lk. Hand wünschte man
sich etwas mehr Gewicht, III A lk. Hd. hier besser,
B überwiegend lebendig, IV souverän, agitato immer im Blick |
|||
4-5 |
Dinu Lipatti |
EMI |
1947 |
25‘11 |
|
I immer
wieder zupackende Momente, andererseits auch retardierende; bedrohliche
chromatische Tonleiter T. 23-28, II zügig, aber unaufgeregt, III mit innerer
Ruhe, con spirito,
delikat, IV agitato, große Bögen – Flügel klingt ein wenig stumpf |
|||
4-5 |
Martha Argerich |
DGG |
1967 |
26‘16 |
|
▼ |
|||
4-5 |
William Kapell |
RCA Philips |
1951/52 |
24‘39 |
|
einerseits
stürmisch drängend, andererseits feinsinnig bei leichter Rücknahme des
Tempos, II A Bass könnte etwas mehr hervortreten, III fließendes Musizieren,
elastisch, klar, ausdrucksstark, IV ausgelassen, stürmisch, überlegen |
|||
4-5 |
Jewgenij Kissin |
RCA |
1993 |
27‘46 |
|
live, I variable Tempi, Fugati der re. Hd. T.
23-28 deutlich herausgestellt, II A artistische Leichtigkeit, III Bass immer
präsent, stabilisiert die Musik, IV souverän bewältigt, überzeugendes leggiero |
|||
4-5 |
Daniil Trifonov |
Decca |
2010 |
26‘52 |
|
live, I
Trifonov verliert sich in der Musik, überlegter Umgang mit Chopins Dynamik,
II A lk. Hd. nur wie eine Beigabe, B Spannung nicht
immer gehalten, III B auf der Suche nach einer trefflichen Gestaltung, IV mit
Verve, aufgewühlt – Fazioli-Flügel |
|||
4-5 |
Emil
Gilels |
Fondamenta |
1978 |
28‘02 |
|
live, ▼ |
|||
4-5 |
Julius
Katchen |
Decca |
1954 |
24‘49 |
|
I erstes
Thema wild, mit scharfer Klanglichkeit, zweites und
drittes ausdrucksvoll, II B Außen- und Mittelstimmen aufeinander abgestimmt,
III Dynamik dem Notentext angepasst, Katchen atmet
mit der Musik, IV nuanciertes Spiel |
|||
4-5 |
Andrea Lucchesini |
EMI |
1984 |
34‘14 |
|
I
kraftvoll, vehementer Zugriff, Abschnitte deutlich gegenübergestellt, II A lk. Hd. könnte deutlicher sein, B Außen- und
Mittelstimmen aufeinander abgestimmt, III innig, mit spürbarer Hingabe,
nuancenreich, IV wie entfesselt |
|||
4-5 |
Bruno Leonardo Gelber |
EMI |
1979 |
26‘19 |
|
I erstes
und zweites Thema gut gegenübergestellt, II Außen- und Mittelstimmen trotz
schnellen Tempos deutlich getrennt zu vernehmen, III innig, con spirito, dolce,
mit langem Atem, IV kraftvoll, drängend |
|||
4-5 |
Artur Rubinstein |
RCA |
1961 |
25‘41 |
|
I mäßiges
Tempo, nicht eilend, Rubinstein behält fast immer die Übersicht, Balance
innerhalb der drei- und vierstimmigen Abschnitte nicht immer bestens
austariert, II A Bass etwas unterbelichtet, B zu laut, III Pianist hält die
Musik etwas auf Distanz, IV agitato, ab T. 9 zu laut, Anschlag
stellenweise weniger locker – einzige Schallplatten-Aufnahme des Pianisten
von op. 58 |
|||
4-5 |
Claudio
Arrau |
EMI |
1960 |
33‘22 |
|
I
ernsthaft, mit Nachdruck, Arrau atmet mit der Musik, intensives Ausloten der
Partitur, farbiger Klang, III A innig, teilweise auch betroffen machend, B
wie eine Barcarolle, re.
Hd. könnte etwas leiser sein, IV straff, ausgelassen, fast wie atemlos |
|||
4-5 |
Rudolf
Firkusny |
Orfeo |
1957 |
25‘29 |
|
live, I
natürlich musikalischer Fluss, schwelgerisch, ausdrucksstark, II A Bass nicht
immer deutlich, B zu zurückhaltend, III vielschichtig, nicht weihevoll
zelebriert, IV ansteckende Spielfreude, rhythmischer Schwung |
|||
4-5 |
Wilhelm Kempff |
Decca |
1958 |
25‘19 |
|
I mit
guter Übersicht, Musik wird nicht überfahren, Verzicht auf alles Grelle, II
klar, teilweise filigran, III wie mit Pastellfarben gemalt, ebenmäßig, IV
leicht und locker, ohne die Musik zu dramatisieren |
|||
4-5 |
Nelson Freire |
Decca |
2001 |
23‘32 |
|
▼ |
|||
4-5 |
Nelson Freire |
CBS Sony Philips |
1969 |
24‘18 |
|
▼ |
|||
4-5 |
Joseph
Moog |
Onyx |
2016 |
28‘23 |
|
I
elastisches Klavierspiel, rhythmischer Schwung, jedoch immer wieder Wechsel
der Tempi, nicht nur beim 2. Thema, II deutliches Absetzen von A- und
B-Abschnitten, III farbiges Spiel, empfindsam, IV nuanciert, schwelgerisch |
|||
4-5 |
Nikolai
Demidenko |
Onyx |
2008 |
34‘32 |
|
I ähnlich
wie 1993, ▲, allerdings noch etwas langsamer und weniger Spannung, II A
hier deutlicher, III wie ▲, jedoch in B etwas gekünstelt, IV auch hier
etwas langsamer, macht sich in B bemerkbar – Fazioli-Flügel |
|||
4-5 |
Gerrit Zitterbart |
Tacet |
1992 |
24‘45 |
|
I
insgesamt lebhaftes Spiel, nicht immer mit festem Tempo, manchmal etwas grob,
gute Dynamik, II A re. und lk.
Hd. aufeinander abgestimmt, B Mittelstimme passt sich ein, III konzentriert,
facettenreich, durchgehend bewegt, IV entschieden voran, bravourös |
|||
4-5 |
Nikita Magaloff |
Decca |
1954 |
25‘08 |
|
I teils
wie entfesselt, teils auch schwelgerisch, kein festes Tempo, II A die lk. Hd. wünschte man sich prägnanter, III facettenreich,
jedoch eher sachlich als emotional, IV ausdrucksstark, ausgelassen – für die
Zeit der Aufnahme guter Klavierklang |
|||
4-5 |
Nikita Magaloff |
Philips |
1976 |
25‘00 |
|
die
spätere Aufnahme bietet keinen Neuansatz, der Kopfsatz wird etwas schneller
gespielt, die restlichen ein wenig langsamer |
|||
Jorge Bolet |
Marston |
1985 |
28‘39 |
|
|
live, I Bolet nähert
sich feinfühlend der Musik, nicht eilend oder auftrumpfend, gelassen, er will
nichts vorführen, Zweistimmigkeit der re. Hd. T.
23-28 deutlich herausgestellt, II A lk. Hd. nicht
immer deutlich, B beide Hände fügen sich gut zusammen, III Bolet zeigt Sinn für Proportionen, insgesamt jedoch etwas
zurückhaltend, weniger Spannung, IV markant akzentuiert |
|||
|
||||
4 |
Emil
Gilels |
Melodya
Brilliant |
1977 |
27‘22 |
|
live, ▼ |
|||
4 |
Emil
Gilels |
DGG |
1978 |
29‘32 |
|
▼ |
|||
4 |
Martha Argerich |
DGG |
1967 |
26‘25 |
|
live, ▼ |
|||
4 |
Martha Argerich |
EMI |
1965 |
24‘46 |
|
▼ |
|||
4 |
François-René Duchable |
Erato |
1984 |
28‘12 |
|
I mehr energico
als maestoso, kein „verweile doch …“, ziemlich festes Tempo, II
etwas nüchtern, III geradlinig, B etwas zu laut, wenig Espressivo, IV
energisch voran |
|||
4 |
Guiomar Novaes |
Vox forgotten
records |
1952 |
24‘15 |
|
I im
Balladenton, kämpferisch, pointierte Dramatik, II nur eine kurze Episode, im
Trio Bass deutlicher als üblich, III natürlich musikalischer Fluss, könnte
jedoch leiser sein, IV wie atemlos, immer auf dem Sprung, man sich die
Ausführung etwas geschmeidiger |
|||
4 |
Emanuel Ax |
Sony newton |
1975 |
26‘20 |
|
I
sprechende Artikulation, einige Rubati, II A lk. Hd. etwas unterbelichtet, B keine durchgehende
Spannung, III ruhig und gelassen, breite dynamische Skala, IV tadellos –
insgesamt gediegen |
|||
4 |
Vlado
Perlemuter |
BBCL |
1961 |
24‘45 |
|
I eher
entspannt, ausgewogen, Beginn der Durchführung etwas unübersichtlich, II B
Mittelstimme findet wenig Beachtung, III wie ein Nocturne, feinsinnig und
geschmackvoll, IV zielstrebig dem Ende entgegen, unspektakulär |
|||
4 |
Vlado
Perlemuter |
Nimbus |
1974 |
25‘26 |
|
von Satz
zu Satz ein wenig langsamer, Darstellung ähnlich wie zuvor, IV Agitato-Beginn
etwas zu laut, zupackend, jedoch ohne Hetze – etwas belegter Klang |
|||
4 |
Stefan
Askenase |
DGG |
1951 |
26‘27 |
|
I mit
großer Übersicht, jedoch fast schon etwas schleppend, das Lyrische überwiegt,
II A kleinteilige Phrasierung, Mittelstimmen immer klar, III warmherzig, IV
ohne cresc. in den 8 Einleitungstakten, A Achtel wenig geschmeidig –
stumpfer Klang |
|||
4 |
Witold
Malcuzynski |
EMI Warner |
1961 |
25‘07 |
|
I ohne
innere Glut, Pianist geht den Verästelungen der Stimmführungen nach, mehr
kontrolliert als emotional aufgeladen, II A Achtel-Ketten wenig geschmeidig,
B im selben Tempo, III B etwas schneller, klingt routiniert, warum nicht
leiser? A- und B-Abschnitte werden kaum voneinander abgesetzt |
|||
4 |
Alfred Cortot |
EMI Andromeda |
1931 |
23‘16 |
|
I
elegantes Spiel, einige Stellen nicht ganz deutlich, man bekommt den
Eindruck, dass sich die Musik in re. und lk. Hd. verselbständigen würden, II B Bass nicht immer
deutlich, III eher im Andante-Tempo, lk. und re. Hd. nicht immer im Gleichklang, IV gefällt am besten |
|||
4 |
Cyprien Katsaris |
Sony |
1990/91 |
31‘52 |
|
I
vehementer Zugriff, zur Dramatik und Unruhe neigend, beim 2. Th.
Tempodrosselung, II A wie so oft lk. Hd.
unterbelichtet, B wenig p, III B etwas leiernd, Spannung? IV
zielstrebig nach vorn, jedoch nur kaltes Feuer |
|||
4 |
Louis Lortie |
Chandos |
2013 |
26‘18 |
|
I Musik in
Abschnitte aufgeteilt, II A Bass könnte etwas mehr hervortreten, B
Mittelstimmen deutlicher als Eckstimmen, III A zurückhaltend, B bewegt,
jedoch etwas leiernd, IV agitato anfangs zu laut, geschmeidig, jedoch auch
gewichtig – Klang von hoher Dichte |
|||
4 |
Igor
Tchetujew |
Orfeo |
2002 |
29‘49 |
|
I etwas
unstet, sowohl im Tempo als auch in der Dynamik, II kapriziös, III Pianist
geht feinfühlig zur Sache, IV in den B-Abschnitten läuft der Bass nur mit |
|||
4 |
Anna
Gourari |
ECM |
2013 |
28‘32 |
|
I T. 23-28
deutliche Zweistimmigkeit in der re. Hd.,
zielstrebig voran, bleibt dabei dennoch gelassen, II B weniger bewegt,
nüchtern, III B etwas zu laut und zu äußerlich, kühl, IV mit Hingabe, jedoch
nur kaltes Feuer |
|||
4 |
Shura Cherkassky
|
Philips Decca |
1985 |
23‘50 |
|
live, alle
Sätze etwas schneller als 1964, besonders der dritte, der mit viel mehr
Poesie aufwartet, IV etwas lockerer |
|||
4 |
Jean-Bernard Pommier |
Erato |
1992 |
26‘19 |
|
I klar,
gute Transparenz, farbiges Spiel, allerdings auch Rubati,
II B Außen- und Mittelstimmen aufeinander abgestimmt, III B etwas spröde, IV
mit ansteckender Spielfreude |
|||
4 |
Adam
Harasiewicz |
Philips |
P 1961 |
24‘56 |
|
I die
große Linie nachgezeichnet, konzentriert, gediegen, II A: lk.
Hd. nicht immer deutlich, III überwiegend sachlicher Vortrag, IV neutrale
Aussage |
|||
4 |
Michail
Pletnew |
DGG |
1996 |
32‘57 |
|
Pletnev hinterfragt den Notentext, insgesamt zwiespältig
– I immer wieder Rubati, teilweise bis zum
Stillstand, teilweise verzärtelt, II A lk. und re. Hd. aufeinander bezogen, auch bei B, leider auch Rubati, III Eintauchen in die Welt der Poesie,
überzeugend, IV ähnlich wie Satz 1 |
|||
4 |
John
Ogdon |
IMP |
P 1987 |
30‘30 |
|
I Ogdon sieht sich dem Moderato verpflichtet, zieht
aber das Tempo im Verlauf des Satzes an, beim 2. Th. bleibt die lk. Hd. etwas blass, in der Reprise jedoch nicht mehr, II
A wie etwas darüber hinweg, III Nocturne, jedoch sehr gezogen, wie
zerbrechlich, wie ein Fremdkörper in dieser Sonate, mit 13’24 zweitlängster
3. Satz, IV mit Druck, nicht immer elastisch – Ogdons
Klavierspiel wünschte man sich etwas geschmeidiger |
|||
4 |
Jean-Marc
Luisada |
RCA |
2004 |
28‘12 |
|
I T. 23-28
deutliche Zweistimmigkeit in der re. Hd., 2. Th.
innig, mit viel Klangsinn, insgesamt in Abschnitten musiziert, dabei kommt
die Musik etwas ins Stocken, II A nach Notenvorlage, B kein festes Tempo, III
B bewegt, fließend, locker, gegen Satzende etwas gestelzt, IV kraftvoll nach
vorn, insgesamt aber moderates Tempo |
|||
4 |
Sergio
Fiorentino |
MCPS |
1994 |
27‘35 |
|
Fiorentino
zergliedert den Satz in Abschnitte, kein festes Tempo, etwas diffus, II B
Außen- und Mittelstimmen zu einer Einheit verschmolzen, III ein Nocturne,
zurückhaltende Romantisierung, A etwas grob, fallende Skalen im B-Abschnitt
etwas harmlos, das bessert sich jedoch im Laufe des Satzes |
|||
4 |
Cécile
Ousset |
EMI |
P 1987 |
29‘08 |
|
I straffes
Tempo, variabel, wenig maestoso spürbar, ziemlich unruhig,
unausgewogen, T. 23-28 re. Hd. nur einstimmig, II A
zielstrebig nach vorn, B Außen- und Mittelstimmen im ausgewogenen Verhältnis,
das überzeugt, III B leider gestalterische Blässe, insgesamt großzügige
Dynamik, IV hier trifft die Pianistin den Nerv der Musik, wie ein Rausch |
|||
4 |
Alexandre
Uninsky |
Philips forgotten records |
1951 |
23‘19 |
|
I diesen
Satz wünschte man sich geschmeidiger, mit mehr artikulatorischer Feinarbeit,
II sehr schnell, nur eine Episode, III gelöstes Musizieren, viel Espressivo,
warmherzig, IV nur die große Linie, etwas grob |
|||
|
||||
3-4 |
Vladimir
Ashkenazy |
Decca |
P 1993 |
26‘18 |
|
I spontan
wirkendes Musizieren, kein festes Tempo, eigene Vorstellungen schieben sich
vor Chopins Notentext, mehr Ashkenazy als Chopin, II Musik gespielt, aber
auch entdeckt? III hier lässt sich der Pianist mehr auf das Potential der
Musik ein, IV etwas robust |
|||
3-4 |
Robert
Casadesus |
CBS Sony |
1964 |
25‘01 |
|
I
routiniert, etwas flüchtig, Musik zerfällt in Abschnitte, lk.
und re. Hd. nicht immer aufeinander bezogen, II B
Bassfiguren undeutlich, III klare Artikulation, ausgewogen, mit Empathie,
gefällt am besten, IV ohne Charme, Musik klingt irgendwie mechanisch |
|||
3-4 |
Alexander
Brailowsky |
CBS Sony |
1963 |
23‘17 |
|
I robuster
Ansatz, die große Linie nachgezogen, II im Trio geschmeidige Binnenstimmen,
insgesamt jedoch zu viel Leerlauf, III überwiegend sachlicher Vortrag, IV
neutral in der Aussage – Aufnahme hinterlässt keinen bleibenden Eindruck |
|||
3-4 |
Shura Cherkassky
|
BBCL |
1964 |
26‘25 |
|
I Satz
zerfällt in einzelne Abschnitte, II A lk. Hd. nur
wie nebenbei, B wenig prägnant, III balladesk, kein festes Tempo, die Musik
schwimmt, IV zu gewichtig |
|||
3-4 |
Samson François |
EMI |
1964 |
25‘56 |
|
I
pointierte Dramatik, Temposchwankungen, Pianist neigt zum Auftrumpfen, Satz
zerfällt in einzelne Abschnitte, II A gut, B beide Hände nicht im
Gleichgewicht, III kein Largo, B wie abgespult, IV aufgekratzt, grob –
Interpretation hinterlässt keinen bleibenden Eindruck |
|||
3-4 |
Ingolf Wunder |
DGG |
2011 |
27‘14 |
|
I
insgesamt schwerfälliges Spiel, Wunder bremst das Tempo T. 13 ff., auch
später immer wieder, Pianist scheint maestoso mit lento zu
verwechseln, ihm gelingt es nicht, die Musik auf den Punkt zu
bringen; insgesamt wenig Spannung, die Interpretation hinterlässt keinen
bleibenden Eindruck |
|||
3-4 |
Alex
Slobodyanik |
EMI |
1998 |
26‘51 |
|
I
unterschiedliche Tempi bei dramatischen oder lyrischen Abschnitten, Rubati, Musik am Rande des Zerfallens, II A korrekt, B
zögernd, kein festes Tempo, III A ab T. 3 durchgehend leise gehalten, das
setzt sich in B fort, Pianist verzichtet auf dynamische Gestaltung, IV Ansatz des 3. Satzes setzt sich hier fort, Slobodyanik bleibt hinter seinen pianistischen
Möglichkeiten zurück |
|||
3-4 |
Lang Lang |
DGG |
2005 |
38‘07 |
|
I ständige
Tempowechsel, beim 2. Th. deutlich langsamer, gekünstelt, stellenweise
Stillstand, Pianist schiebt sich vor die Partitur, II B langsamer, jedoch
kaum Spannung, A‘ rasend, III A langsam, B wie buchstabiert, langatmig, mit
14’10 längster Satz der besprochenen Aufnahmen IV pianistisch perfekt, jedoch
weniger geschmeidig, ab T. 263 Stretta |
Hinweise zu Interpreten und
Interpretationen
Emil Gilels
Gilels Aufnahmen von Chopins h-Moll-Sonate verteilen
sich auf die kurze Zeitspanne von 1977 bis 1980 und sind bis auf eine Ausnahme
Konzertmitschnitte aus Moskau, Amsterdam, Rochester sowie Salzburg. Die einzige
Studio-Produktion wurde von der DGG in Berlin vorgenommen. Die
Interpretationsmuster liegen in den mir bekannten drei Aufnahmen nicht weit
auseinander. Bereits in der ersten aus Moskau fällt eine reduzierte Dramatik
auf, die Musik klingt episch, mir reduzierter Spannung und bewegt sich am Rande
des Auseinanderfallens. Diese Haltung kann man auch bei der Aufnahme ein Jahr
später aus dem Amsterdamer Concertgebouw beobachten. Sechs Monate danach im
Berliner Studio klingt die Musik von Chopins maestoso-Kopfsatz so, als
spiele der Pianist nicht für ein Publikum, sondern für sich selbst. Gilels nimmt dabei auch das Tempo mehr und mehr zurück. Das
Scherzo zieht schnell an den Ohren vorbei, hier klingt die Studio-Produktion am
klarsten. Beim langsamen dritten Satz reduziert der Pianist wie zu Beginn nach
und nach das Tempo, weicht aber nicht wesentlich vom Durchschnitt anderer
Interpreten ab. Hier gefällt mir der Amsterdamer Mitschnitt mit seiner
durchgehenden Spannung, die kaum abreißt, am besten. Die Berliner Aufnahme
gefällt durch einen weichen Anschlag, klingt letztlich jedoch ein bisschen
spröde oder distanziert. Die großbogige Gestaltung im Finalsatz ist Ziel und
Abschluss der drei vorangegangenen Sätze. Etwas mehr sagt mir jedoch die
holländische Version zu, ohne Hektik, eher mit Besonnenheit und Feinsinn, das
ist letztlich jedoch Geschmacksache. Die Moskauer Version hat insgesamt mehr
Ecken und Kanten als die beiden späteren Aufnahmen.
Nelson Freire
Martha Argerich
eingestellt am 02. 04. 24