Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Antonin Dvorak

8. Sinfonie G-Dur op. 88

Allegro con brio – Adagio – Allegretto grazioso – Allegro ma non troppo

 

Der Münchner Musikologe Karl Schumann schrieb im Beiheft der LP-Serie aller Dvorak-Sinfonien der DGG mit dem Dirigenten Rafael Kubelik und den Berliner Philharmonikern zur 8. Sinfonie, die ich hier zitiere: Die Siebte verhält sich zur Achten (1889) wie Spannung und Lösung. Die Symphonie in G-Dur, in der von der romantischen Symphonik weitgehend gemiedenen Tonart der Volkslieder, ist Dvoraks wohl interessanteste, „modernste“ Partitur: ein Werk voll klug dosierter Regelwidrigkeiten, lyrisch-kantabler Selbstvergessenheit, diatonischer Schlichtheit und kammermusikalisch aufgelockertem Klang. Die lineare Führung der Instrumente, die vielen und mitunter bizarren Soli, die Durchführungstechnik und der liedhafte Duktus der Melodien weisen vorauf auf Mahler, Dvoraks Verehrer und kundigen Interpreten…

Antonin Dvorak komponierte seine 8. Sinfonie, zu Lebzeiten als seine 4. bezeichnet, im Herbst 1889 auf seinem böhmischen Landsitz. Er freute sich über Frieden und Ruhe, frische Luft und eine schöne Natur, wie er sich einem Freund gegenüber äußerte. Seinem Verleger beschrieb er, wie er den Gesang der Vögel bewundere. Einem Besucher gegenüber äußerte er, dass er vor seinem Tode noch eine schöne Vogelsinfonie schreiben wolle. Die Skizzen der G-Dur-Sinfonie schienen ihm nur so „zugeflogen“ zu sein. Seinem Freund und Förderer Johannes Brahms gefiel die Sinfonie jedoch kaum, als er sie in Wien kennengelernt hatte. Er bemängelte – vor allem im 1. Satz – das Fragmentarische und Nebensächliche, sie hätte viel mehr durchgearbeitet sein sollen. Vielleicht hatte er die Ähnlichkeit der Melodie in der Fortspinnung des 2. Themas, von Hörnern und Posaunen vorgetragen (T. 89-93), mit dem Thema der Überleitung im 1. Satz seines Violinkonzerts (T.17 ff.) übersehen. An beiden Stellen erfolgt hier eine Verdichtung, eine dramatische Zuspitzung des musikalischen Geschehens. Das ist es, was Brahms von einem ambitionierten Werk erwartete und was der böhmische Komponist hier liefert.

Die Uraufführung erfolgte am 2. Februar 1890 in Prag mit dem Komponisten am Pult. Ein Jahr später wurde sie in Wien und London jeweils zum ersten Mal gespielt, Dirigent war Hans Richter, der in diesen Jahren die Konzerte der Wiener Philharmoniker leitete.

Der Druck des Werkes verzögerte sich, da Dvoraks Verleger Fritz Simrock dem Komponisten lediglich 1000 Mark zahlen wollte, mit der Begründung, mit so einem umfangreichen Werk ließe sich kein Gewinn erzielen. Daraufhin bot Dvorak die Sinfonie dem englischen Verleger Novello, Ewer & Co. zum Druck an, der sie 1892 herausbrachte. Das führte dazu, dass die Sinfonie den Beinahmen „Englische“ erhielt.

60 Aufnahmen stehen hier zum Vergleich an, die älteste stammt aus dem Jahre 1948 unter Leitung von Bruno Walter.

 

5

George Szell

Cleveland Orchestra

EPIC    Sony

1958

35‘33

 

 

 

5

George Szell

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Decca

1951

35‘08

 

 

 

5

George Szell

Tschechische Philharmonie Prag

audite

1969

37‘10

 

 

live, ▼

 

5

Constantin Silvestri

London Philharmonic Orchestra

EMI

1957

35‘09

 

 

I E wie gesungen, T.157 ff. accel., Tempo jetzt beibehalten, T. 257 ff. spürbare Vitalität, II Vielschichtigkeit des Satzes diskret herausgestellt, Geigen-Solo nicht ganz optimal, III immer der Partitur genauestens auf der Spur, Verschachtelungen des Themas freigelegt, Pk. etwas zurück, IV stellenweise überschwänglich, tumultuös

 

 

5

Vaclav Talich

Tschechische Philharmonie Prag

Supraphon

1954

34‘55

 

 

I konzentriert, zielgerichtet, con brio, schlankes Musizieren, II Geigen-Solo T. 57-64 etwas dünn, ausgewogen, fließend, III Streicher mit seidigem Klang, Pk. wenig markant, IV Talich atmet mit der Musik, insgesamt viel Ruhe ausstrahlend, zum Satzende überschäumende Vitalität

 

 

5

Charles Mackerras

Prager Symphonie-Orchester

Supraphon

2005

35‘21

 

 

live, I kleine Tempowechsel, insgesamt jedoch ziemlich festes Tempo, T sehr gute Transparenz, II polierter Klang, T. 47 ff. diverse Pizzicato-Formen herausgearbeitet, Solo-Geige T. 57-63 etwas leise, III Verschachtelungen des Themas offengelegt, führende Stimmen vorn, IV überwiegend locker, entfettet, Klangbild jedoch nicht immer natürlich

 

 

5

Christoph von Dohnanyi

Cleveland Orchestra

Decca

1984

36‘18

 

 

I selbstverständliche Perfektion, hellwaches Musizieren, entschieden voran, prägnante Rhythmik, II dynamischer Reichtum der Partitur herausgestellt, breite Ausdrucksskala, III inspiriert, IV mit spürbarer Hingabe, fulminanter Schluss – sehr gute Balance und Transparenz

 

 

5

Antal Dorati

London Symphony Orchestra

Mercury

1959

34‘20

 

 

I mit deutlicher Empathie, stellenweise fast elektrisierend, II/III Dorati wird der Vielschichtigkeit der Partitur bestens gerecht, IV vehementer Zugriff, Trp. T. 155-166 kaum zu hören

 

 

 

5

Rudolf Kempe

Sinfonie-Orchester des Hessischen Rundfunks

Archipel

1953

35‘56

 

 

live, I orchestrale Vehemenz, kraftvoll, ausdrucksstark, II mit viel Klangsinn, andererseits explosive Ausbrüche, markant akzentuiert, III gefühlvoll, die Schönheiten der Partitur auskostend, IV Kempe lässt sich auf das Potential des Satzes ein, mit spürbarer Vitalität – gute Balance und Transparenz

 

 

5

Carlo Maria Giulini

Kölner Rundfunk- Sinfonie-Orchester

Profil-Hänssler

1958

33‘11

 

 

live, ▼

 

5

Carlo Maria Giulini

Philharmonia Orchestra London

BBCL

1963

35‘38

 

 

live, ▼

 

5

James Levine

Sächsische Staatskapelle Dresden

DGG

1990

36‘41

 

 

der vielgerühmte pastose Klang der Staatskapelle mit ihrer Klangfülle, vor allem ihrer Bläser, erfreut auch hier bei Dvoraks 8., Levine hat einen sehr guten Draht zu dieser Sinfonie, er findet den jeweils überzeugenden Ton zu jedem Satz, lebendiges Musizieren, Differenzierung in p-Bereich jedoch nicht immer top

 

 

5

Wolfgang Sawallisch

Philadelphia Orchestra

EMI

1989

34‘57

 

 

I mit viel Klangsinn, ansteckende Spielfreude, dynamische Wünsche der Partitur werden erfüllt, II ausdrucksstarkes Musizieren, III sehr bewegt, geschmeidig, Trio con anima, IV erfrischend - sehr gute Balance und Transparenz

 

 

5

Ivan Fischer

Budapest Festival Orchestra

Philips

2000

36‘41

 

 

Dirigent glänzt mit hohem Stilbewusstsein, I innere Dramatik, elastisches Musizieren, II großbogige Gestaltung, schnörkellose Klarheit, III elastisches Musizieren, schwebend, IV einerseits artistische Leichtigkeit, musikantischer Feinsinn, andererseits hinreisende Musikalität

 

 

5

Jakub Hrusa

Bamberger Symphoniker

Tudor

2018

36‘52

 

 

sorgfältiges Musizieren, erfrischend, stellenweise wie entfesselt, mit Hingabe, kerniger Klang, II Vc. und Kb. T. 65 ff. etwas zu breit, III ausdrucksvoller böhmischer Walzer

 

 

 

 

 

 

4-5

George Szell

Cleveland Orchestra

EMI

1968

37‘18

 

 

 

4-5

Thomas Beecham

Royal Philharmonic Orchestra

BBCL

1959

36‘27

 

 

live, eine Lieblingssinfonie des Dirigenten – I überwiegend gelöst und beschwingt, sehr lebendig, farbiges Musizieren, bemerkenswerte Pizzicati der Kb., saftiges Klangbild, II Oboe fällt aus dem klanglichen Rahmen der übrigen Holzbläser, Beecham mit langem Atem, III Dvoraks Melodien sanft nachgezogen, IV einige Tempomodifikationen – etliche Publikumsstörungen sowie Unsauberkeiten im Orchester

 

 

4-5

Herbert Blomstedt

Staatskapelle Dresden

Eterna       Berlin Classics

1974

37‘24

 

 

I harmonische und melodische Wendungen sensibel nachgezogen, Stilbewusstsein, Tempogefühl, II darstellerische Konzentration, inspiriert, delikat, III wiegende „böhmische“ Walzer, IV ausdrucksstark, nuancenreich

 

 

4-5

John Barbirolli

Hallé Orchester Manchester

Nixa       Pye   Mercury   Vanguard

P 1958

34‘50

 

 

I temperamentvolle Darstellung, mit rhythmischem Schwung, teilweise auch klangliche Wucht, Trp. hebt bei T. 103-109 bisher „unbekannte“ Melodie heraus, II breite Ausdrucksskala, nuancenreich, III im Trio breite Streicher, IV überwiegend temperamentvoll, keck, andererseits wird mit Espressivo nicht gespart

 

 

4-5

Karel Ancerl

Concertgebouw Orchester Amsterdam

EMI

1970

35‘22

 

 

live, I entschieden voran, großbogige Gestaltung, Klangbild nicht immer ganz klar, II klangvoller Espressivo-Stil, Violin-Solo T. 57 ff. tritt wenig hervor, III etwas eindimensional, Balance kaum erschöpft, Pk. zu leise, IV Musizieren wünschte man sich hier etwas lockerer, weniger gewichtig

 

 

4-5

Nikolaus Harnoncourt

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Teldec

1998

36‘19

 

 

live, I schwungvoll, mit einer gewissen Sinnlichkeit, stellenweide wie entfesselt, ausdrucksstark, II ausdrucksvolle Holzbläser und Hörner, facettenreiche Darstellung, III spontan wirkende Musizierfreude, Trio deutlich abgesetzt, etwas wehmütig, IV temperamentvoll, entfesselt, forciert

 

 

4-5

Charles Münch

Boston Symphony Orchestra

RCA

1961

35‘37

 

 

I insgesamt sehr lebendige Darstellung, Vc. T. 39-47 herausgestellt, wird oft übersehen, saftiges Musizieren, II musikalische Haltung setzt sich hier fort, souverän, III Coda T. 180 ff. könnte etwas spritziger sein, IV Orchester bei ff-/ fff- Stellen etwas fest

 

 

4-5

Claudio Abbado

Berliner Philharmoniker

Sony

1993

36‘25

 

 

live, I temperamentvoll, pointierte Dramatik, persönlichkeitsstark, elastisch, II gelöstes Musizieren, klare Artikulation, III klangvoller Espressivostil, jedoch nicht voll ausgefahren, IV ansteckende Spielfreude, facettenreiche Abschnitte – ohne äußerste Brillanz

 

 

4-5

Rafael Kubelik

Berliner Philharmoniker

DGG

1966

35‘21

 

 

 

4-5

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

EMI

1977

36‘31

 

 

 

4-5

Carlo Maria Giulini

Philharmonia Orchestra London

EMI

1962

37‘58

 

 

 

4-5

Carlo Maria Giulini

Chicago Symphony Orchestra

DGG

1978

39‘55

 

 

 

4-5

Yakov Kreizberg

Niederländisches Philharmonisches Orchester

Pentatone

2006

38‘15

 

 

I Empathie für Dvoraks Musik spürend, selbstverständliche Perfektion, Blick immer nach vorn, kaum nachlassender Drive, II nuancenreiches Spiel, mit viel Klangsinn, III hier wie nur durchgespielt, IV hier wieder auf dem Niveau des Kopfsatzes

 

 

4-5

Myung-Wha Chung

Gothenburg Symphony Orchestra

BIS

1989

37‘18

 

 

ausdrucksstarkes Musizieren, stellenweise federnde Streicher, Orientierung an Dvoraks Dynamik, farbenreiches Klangbild, III locker musiziert, Tanzcharakter kommt nicht gut heraus, IV Pk. T. 20-25 fast unhörbar, Musik T. 132-142 wie filigran, etwas verträumt – gute Balance und Transparenz, insgesamt angenehmer Klang

 

 

4-5

Lorin Maazel

Wiener Philharmoniker

DGG

P 1981

35‘50

 

 

I geschmeidiges Musizieren, klare Artikulation, profiliert, insgesamt jedoch etwas kühl, II souverän bewältigt, Violinen an lauten Stellen in hohen Lagen etwas stahlig, III rhythmische Energien freigesetzt, Pk. in unterschiedlichen p-Bereichen immer prägnant, jedoch diskret zurückgenommen, IV Rhythmus mit einer gespenstischen Sicherheit, jedoch auch etwas mechanisch gleichmacherisch, dabei klingt die Musik äußerlich

 

 

4-5

Colin Davis

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Philips

1978

36‘49

 

 

I spielfreudig, mit einer gewissen Sinnlichkeit, elastischer Vortrag, Holz- und Blechbläser treten immer wieder nach vorn, II facettenreiches Musizieren, rhythmische Präsenz, III böhmisches Kolorit getroffen, breite Ausdrucksskala, IV hellwach, farbenreich, souverän bewältigt

 

 

4-5

Frantiček Stupka

Tschechische Philharmonie Prag

Praga

1959

38‘55

 

 

live, I entschieden voran, Trp. nicht immer auf höchstem Niveau, etwas Hall, II Pk-Wirbel T. 31/32 zu laut, deckt Holzbläser zu, III Musik hier unnatürlich, in den Background gerückt, Pk. jetzt zu leise, Transparenz nicht optimal, IV stellenweise wie entfesselt, viel musikalisches Feuer

 

 

4-5

Yannik Nézet-Séguin

Rotterdammer Philharmoniker

DGG

20‘16

37‘21

 

 

I Musik nicht nur auf das Handwerkliche reduziert, breite Farbskala, zielstrebig nach vorn, elastisch, II pastose Bläserklänge, mit Feingefühl intoniert, III klangvoller Espressivo-Stil, IV ansteckende Spielfreude, markante Trompete, über das Übliche hinausgehend, Variations-Thema teilweise etwas zu fest aufgetragen

 

 

4-5

Seiji Ozawa

Wiener Philharmoniker

Philips    newton

1992

36‘19

 

 

live, I lebendig, ausdrucksstark, etwas sorglos in Sachen Dynamik, II klare Artikulation, Musik ausgesungen, explosive Ausbrüche, III viel Espressivo, „böhmisch“ soll es klingen, IV markant akzentuiert, Spannungsbögen, böhmisches Kolorit

 

 

4-5

Witold Rowicki

London Symphony Orchestra

Philips

1969

35‘42

 

 

Rowicki zeigt Stilbewusstsein, I elastisches Musizieren, auch aufgewühlt, II mit viel Klangsinn, spannungsvolle Beredtheit, III schwungvoll, klangvoller Espressivo-Stil, mit Hingabe musiziert, aber auch übertriebene Dynamik, grob, Finale hingeknallt!

 

4-5

Bruno Walter

New York Philharmonic Orchestra

Columbia  History

1948

33‘11

 

 

live, I spannungsvolle E, viele Tempowechsel, aufgewühltes Musizieren, mit viel Druck, robust, II Walter atmet mit der Musik, viel Espressivo freigesetzt, III nuanciertes Spiel, schwelgerisch, IV Walter holt mehr aus der Partitur heraus als in der Studio-Einspielung von 1961- eingeengtes Klangbild, einige Publikumsgeräusche

 

 

 

 

 

 

4

Vaclav Neumann

Tschechische Philharmonie Prag

Supraphon

1982

34‘27

 

 

I Klar. T. 61/62 zu leise, Transparenz an vielen Stellen nicht gegeben, da sich Stimmen immer wieder überschneiden, II Violin-Solo hier deutlicher, jedoch eher diskret als auftrumpfend, insgesamt ausgewogen, III Pk. im Trio könnte lockerer sein, ausgeglichen, IV ausgelassen, jedoch auch etwas statisch

 

 

4

Fritz Lehmann

Bamberger Symphoniker

DGG

1953

34‘33

 

 

I mit spürbarer Hingabe, ausgewogen, Mono-Klangbild jedoch nivelliert und etwas stumpf, II gestalterischer Ernst, III gediegen, Holzbläser oft zurück, weniger transparent, insgesamt jedoch akkurat, ohne Feuer, IV vehementer Zugriff wechselt mit unaufgeregtem, eher objektivem Musizieren

 

 

4

Herbert von Karajan

Wiener Philharmoniker

DGG

1985

36‘32

 

 

live, ▼

 

4

Herbert von Karajan

Wiener Philharmoniker

Andante

1974

36‘38

 

 

live, ▼

 

4

Herbert von Karajan

Wiener Philharmoniker

Decca

1961

33‘35

 

 

 

4

Rafael Kubelik

Philharmomia Orchestra London

EMI   Testament

1948

37‘52

 

 

 

4

Carlo Maria Giulini

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Sony

1990

41‘48

 

 

 

4

Zubin Mehta

Los Angeles Philharmonic Orchestra

Decca

P 1976

35‘02

 

 

Mehta mit Empathie am Werk, überschäumende Musizierlaune, Klang von hoher Dichte, Sinn für Proportionen, spürbare Vitalität, schwelgerisch, ungekünstelter Vortrag

 

 

4

Istvan Kertesz

London Symphony Orchestra

Decca

1963

35‘07

 

 

I spielfreudig, mit einer gewissen Sinnlichkeit, jedoch auch aufrührerische Motorik, II geschmeidig, auch theatralisch, auftrumpfend, III elastisch, gelöstes Musizieren, kein gestalteter Übergang zum Trio – insgesamt etwas geglättet

 

 

4

Mariss Jansons

Oslo Philharmonic Orchestra

EMI     Brilliant

1992

36‘35

 

 

I wechselnde Tempi, Musizieren klingt teilweise wie mechanisch, neigt zum Auftrumpfen, scharfe Klanglichkeit, II markant akzentuiert, betonte Farbwechsel, III nuanciertes Spiel, böhmische Musizierlaune evoziert, IV entschieden voran, überwiegend Druck aufbauend, in den schnellen Abschnitten gestelzt

 

 

4

Zdenĕk Košler

Slowakische Philharmonie

Opus

1973

39‘32

 

 

den Anforderungen der Partitur gerecht werdend, mit Inspiration, Klang von hoher Dichte, ausgewogen, im Vergleich zu den Superstars der Orchesterszene jedoch nur gediegen, besonders beim 4. Satz (2. Liga), aber keineswegs nur routiniert

 

 

4

Eliahu Inbal

Philharmonia Orchestra London

Teldec

P 1991

36‘59

 

 

I Tempo in der Überleitung zum HT nachlassend, T. 61-76 Musik fein gezeichnet, jedoch nicht immer mit der möglichen Spannung, II sich Zeit lassend, ausdrucksvoll, jedoch auch explosive Ausbrüche, III Trio: Pk. zu harmlos, kein Biss, IV akkurat, jedoch ohne böhmischen Touch

 

 

4

André Previn

Los Angeles Philharmonic Orchestra

Telarc

1989

36‘21

 

 

I markant akzentuiert, Musik mehr auf das Handwerkliche als auf die klangliche Ausgestaltung konzentriert, II stellenweise filigrane Tongebung. wache Aufmerksamkeit, III gelöstes Musizieren, IV T. 74 ff. weniger Spannung, ähnelt Satz 1

 

 

4

Bruno Walter

Columbia Symphony Orchestra

CBS     Sony

1961

35‘11

 

 

Diese Stereo-Einspielung löst die frühere Mono-Produktion mit dem NY Philharmonic Symphony Orchestra aus dem Jahre 1947 ab. I mit spürbarer Hingabe, konzentriert, viel Druck, etwas aufgeplustert und burschikos, II kein Eintauchen in die Welt der Poesie, eher sachliche Haltung, III souverän, jedoch auch routiniert, Dynamik zu pauschal, IV T. 58-73 sowie T. 90-109 etwas schwerfällig

 

 

4

Andrew Davis

Philharmonia Orchestra London

CBS     Sony

1979

36‘20

 

 

I Musik geht angenehm in die Ohren, weniger kernig; Musik insgesamt parzelliert, als Zusammenhänge darstellend, darunter leidet die Spannung, II langsameres Tempo, Klang im Bass T. 68 ff. mulmig, III gediegen, ohne spürbare Hingabe, Pk. wenig markierend, IV klangliche Wucht an lauten Tutti-Stellen, Musik in Einzelabschnitten – Klangbild nicht immer bestens aufgefächert

 

 

4

Klaus Tennstedt

London Philharmonic Orchestra

BBCL

1991

39‘22

 

 

live – I E wirkt wie unentschlossen, in Bögen musiziert, kein stabiles Tempo, T. 233 f. pathetischer Höhepunkt mit Vorbereitung, insgesamt aufgeplustert, II sich Zeit lassend, immer wieder prägnante Zugriffe bei übersteigerter Dynamik, eher an der Oberfläche musiziert als in die Partitur eingedrungen, Pk. und Blech oft im Vordergrund, ohne Feingefühl – jubelndes Publikum

 

 

4

Neeme Järvi

Scottish National Orchestra

Chandos

1987

36‘29

 

 

I E Vc. führt, ohne Klarinetten, HT T. 104-110 herabgesetzte Transparenz im Tutti, oft robust, Akkorde sind nicht immer präzise zusammen, II in Abschnitten musiziert, geringe Spannung, III Oberstimmen-betontes Musizieren, Trio im Tempo zurückgefahren, IV mit Schwung, jedoch auch etwas routiniert

 

 

4

Neville Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

Capriccio

1990

35‘35

 

 

Marriner nur Koordinator, weniger Gestalter, kein Mann der großen Emotionen, I Pk. T.119/120 nicht zu hören, II überzeugende Dynamik, III böhmischer Walzer, erfrischend, jedoch auch etwas glattgebügelt, Trio: Pk. markiert zu wenig, IV wie nur durchgezogen – homogener Klang; die Aufnahme hinterlässt keinen bleibenden Eindruck

 

 

 

 

 

 

3-4

Kurt Masur

New York Philharmonic Orchestra

Teldec

1993

37‘49

 

 

live ?,  I in Abschnitten musiziert, II sehr ruhig, schwerblütig, Musik tritt teilweise auf der Stelle, III Streicher sehr pauschal artikuliert, Pk. oft zurückgestellt, IV Variationsthema gezogen, bei Ziffer D, T. 74 besser, insgesamt wenig poliert

 

 

3-4

Rafael Kubelik

Tschechische Philharmonie Prag

Supraphon

1944

37‘15

 

 

live, ▼

 

3-4

Otmar Suitner

Staatskapelle Berlin

Eterna      Berlin Classics

P 1979

36‘12

 

 

I Streicher etwas schwergängig, T. 28 ff. plötzlich aufgewühltes Tempo, Spannungsbögen jedoch nicht immer gehalten, II Dirigent stellt sich den Anforderungen des Notentextes, T. 57-62 mehr an der Oberfläche musizierend, III etwas träge, geringerer Klangsinn, interpretatorischer Gleichlauf, IV wenig Musizierlaune, Flöten mit geringem Ausdruck

 

 

3-4

Hartmut Haenchen

Netherlands Philharmonic Orchestra

Vanguard

P 1994

37‘37

 

 

I darstellerische Konzentration, Überleitung vom 1. zum 2. Thema gebremst, Klang eher indirekt, mehr Einzelabschnitte als Zusammenhänge, II überwiegend sachlich, ist es so noch eine romantische Sinfonie? ff-Höhepunkt T. 65 ff. wie ein Trauermarsch, III entspannt, wie abwartend, IV etwas langatmig, geringe Spannung

 

 

 

 

 

 

3

Mstislav Rostropovich

London Philharmonic Orchestra

EMI

1980

41‘07

 

 

Partitur fordert Dirigenten nicht heraus, Anflug von Behäbigkeit, Musik zerfällt in einzelne Abschnitte, gestalterische Blässe, Musik gespielt, jedoch nicht entdeckt

 

 

 

Interpretation in historischer Aufführungspraxis mit Instrumenten der Zeit   

   

 

3-4

Roger Norrington

SWR Sinfonie-Orchester Stuttgart

hänssler

2010

36‘24

 

 

live - kaum zufriedenstellende Transparenz und Balance, an vielen Stellen Blech zu weit vorn, Stimmführungen nicht immer nachzuvollziehen, II teilweise grob – böhmische Musik ihres böhmischen Flairs beraubt, knallige Pauken-Töne, Dvoraks 8. Sinfonie eine Herzensangelegenheit?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

 

George Szell

Vier Interpretationen mit Szell stellen sich dem Vergleich, drei wurden im Studio produziert, die letzte ein Jahr vor seinem Tode mit der Tschechischen Philharmonie im Luzerner Kunsthaus mitgeschnitten. Szell war ein Dvorak-Interpret par Excellence; seine Kunst stützte sich überwiegend auf straffes aber auch nuanciertes Musizieren, überzeugende rhythmische Gestaltung, natürlich gestaltete Agogik sowie eine anhaltende Transparenz. All diese Parameter begegnen uns in diesen Aufnahmen, beginnend mit der Decca-Aufnahme aus dem Amsterdamer Concertgebouw. Der einzige Abstrich ist hier beim etwas flachen Klangbild zu vermelden. Die für mich überzeugendste Interpretation gelang 1958 in Cleveland. Szell schafft hier ein spannungsvolles Musizieren bei einer natürlich gestalteten Agogik in allen Sätzen. Man höre einmal die delikat aufspielenden Celli T. 39 ff. oder die diversen Pizzicatoformen im 2. Satz T. 47 ff. Die spätere Cleveland-Produktion der EMI kommt da nicht ganz mit: hier wird auch profiliert musiziert, jedoch ein wenig langsamer, nicht mit der letzten Hingabe. Auch fällt der Klang nicht so glasklar aus. Eine besondere Aufnahme ist der Mitschnitt mit der Tschechischen Philharmonie vom Musikfestival Luzern. Hier wird mit Schwung musiziert, die Tempi sind keineswegs überzogen, von einer virtuosen Selbstdarstellung ist der Maestro weit entfernt. Überzeugend wie Szell den Höhepunkt T. 235 f. im Kopfsatz ansteuert. Insgesamt werden die unterschiedlichen Aggregatzustände bestens getroffen. Gelassen und ohne Druck zieht das Scherzo vorüber. Im Finale jedoch ist die Lust an instrumentaler Zuspitzung nicht zu überhören.

 

 

Herbert von Karajan

Außer zur „Neuen Welt-Sinfonie“ griff HvK auch immer wieder zur 8. Sinfonie. In meinem Archiv befinden sich vier Aufnahmen, je zwei Studio-Aufnahmen und zwei Konzertmitschnitte. Allen gemeinsam ist ein temperamentvolles und ausdrucksstarkes Musizieren, wobei den Blechbläsern bevorzugte Plätze eingeräumt werden. Die in dieser Sinfonie so wichtigen Holzbläser kommen nicht immer zu ihrem in der Partitur aufgezeichneten Recht. Die Streicher klingen leider oft etwas pauschal und oberflächlich, auch die Pauken, man vermisst den runden geschliffenen Klang, der viele andere Karajan-Produktionen auszeichnet. Ist das Absicht des Maestros, um ein für ihn typisch-böhmisches Kolorit der Musik zu evozieren? Die in meinen Augen beste Produktion entstand 1977 in der Berliner Philharmonie für EMI, die diszipliniert und ausdrucksstark aus den Lautsprechern kommt.

 

Rafael Kubelik

Kubeliks erste Aufnahme von Dvoraks 8. Sinfonie entstand unmittelbar nach seiner Emigration aus der kommunistisch regierten Heimat. Ein Jahr zuvor hatte Bruno Walter seine erste Aufnahme dieser Sinfonie in New York aufzeichnen lassen, sie kam Kubeliks Aufnahme zuvor, die auch erst Ende 1953 in England als LP erschien und die Schellack-Ausgabe ablöste. Der Klang dieser Aufnahme stellt mich nicht recht zufrieden: bei lauten Stellen stört mich der scharfe Klang vor allem der Blechbläser, im langsamen Satz stehen Flöten und Oboen nicht in bester Balance, im Finale – giocoso! – klingen die Geigen zwar ausdrucksstark, jedoch zu scharf. Im dritten Satz lässt der Dirigent einen etwas sämigen Tonfall zu, wobei das Trio zu gediegen daherkommt. Supraphon brachte 2012 eine frühere live-Aufnahme mit der Tschechischen Philharmonie aus dem Jahre 1944 heraus, die klanglich nicht überzeugen kann und viele Störgeräusche aufweist.

Nach einigen Wechsel von HMV zu Mercury und Decca schloss Kubelik einen Vertrag mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft und begann eine Aufnahmeserie mit den Berliner Philharmonikern. 1966 wurde als erste einer Serie aller Dvorak-Sinfonien die G-Dur-Sinfonie aufgezeichnet, die das Publikum aufgrund ihres ausdrucksstarken Musizierens, der klaren Artikulation, hier denkt man in erster Linie an die farbigen Holzbläser, überzeugte. In der überschäumenden Musizierlaune an einigen Stellen klingen die Trompeten jedoch etwas scharf.

 

Carlo Maria Giulini

Dvoraks letzte drei Sinfonien erschienen immer wieder auf Giulinis Programmzetteln, sowohl im Aufnahmestudio als auch im Konzertplan. Meine erste Aufnahme der 8. ist ein Mitschnitt mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, mit dem der italienische Maestro Ende der 50er bis Anfang der 1980er Jahre mehrmals zusammenarbeitete. Giulini legte großen Wert auf die Qualität seiner Klangkörper, auf die er im Kölner Funkhaus zurückgreifen konnte. Die Aufnahme strotzt von musikalischem Reichtum, zeugt von großer Hingabe, besitzt Stilbewusstsein und wird con spirito musiziert, ohne eine virtuose Selbstdarstellung zu evozieren. Eine ähnlich gelungene Konzert-Aufnahme entstand 1963 beim zweiten der damaligen Londoner Proms-Konzerte mit dem Philharmonia-Orchester in der Royal-Albert-Hall. Sie übertrifft mit ihrem sowohl nuancenreichen als auch delikaten Musizieren die ein Jahr zuvor entstandene gute Einspielung des POL für EMI und wurde von BBC auf den Markt gebracht.

Mit Giulinis Wechsel von HMV zur DGG entstanden bemerkenswerte Aufnahmen sowohl mit dem Chicago Symphony als auch mit dem Los Angeles Symphony Orchestra. Dvoraks 8. wurde 1978 in Chicago aufgenommen. Die amerikanischen Produktionen übertreffen die EMI-Studio-Einspielungen mit geschmeidigem Spiel, klingen ausdrucksstark, mit Atmosphäre, jedoch bei etwas zurückgenommenem Tempo. Das gilt noch mehr für die Studio-Aufnahmen mit dem Amsterdamer Concertgebouw Orkest (heute: Königliches Concertgebouw Orchester Amsterdam). Man kann ihnen als Hörer aufgrund ihrer exquisiter Orchesterleistung – gelassen, mit Feingefühl, Delikatesse, Nebenstimmen – die Anerkennung nicht versagen, die älteren Mitschnitte vermitteln jedoch ein Mehr an Brio, Inspiration und böhmischem Flair.

eingestellt am 27.07.24

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