Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Antonin Dvorak

 

Klavierquintett A-Dur op. 81

 

Allegro, ma non tanto – Dumka. Andante con moto – Scherzo. Molto vivace - Allegro

 

Das Klavierquintett A-Dur op. 81 ist Dvoraks zweiter Beitrag zu dieser Gattung, entstanden in wenigen Monaten 1887 während eines Sommerurlaubs in seinem Landhaus in Vysoká. Das Vorgängerwerk entstand 1872 in derselben Tonart und wurde unter der Opuszahl 5 veröffentlicht. Anders als bei vielen Kammermusikwerken, die es anfangs schwer hatten sich auf dem Konzertpodium zu behaupten, begann der Siegeszug des neuen Quintetts bereits nach der Uraufführung im Januar 1888. Es ist ein Meisterwerk und kann den Klavierquartetten von Schumann und Brahms zur Seite gestellt werden. „Schuld“ daran sind sein großer Einfallsreichtum bei der Themenfindung aber auch bei ihrer Verarbeitung, die eingängige Melodik, die rhythmische Brillanz und nicht zuletzt seine souveräne Formbeherrschung, allerdings, wie sollte es bei einem Meisterwerk nicht anders sein, mit persönlichen Modifikationen.

Das Tempo des ersten Satzes ist mit Allegro, ma non tanto überschrieben, mit einem alla breve-Zeichen möchte der Komponist m. E. jedoch vor einem zu langsamen Tempo warnen.     In der Partitur finden sich keine Hinweise auf Tempoänderungen, diese sind jedoch auf den Tonträgern festgehalten. In allen Aufnahmen, Ausnahme Heifetz, fängt die Musik langsam an, meist geht es dann in Takt 17 schneller weiter. Eine Parallele zu Brahms‘ 1. Klaviertrio H-Dur op. 8 ist zu beobachten. In sehr vielen Aufnahmen bremsen die Musiker etwa bei T. 51 erneut, um dem ersten Thema, jetzt vom Klavier, danach von der Primgeige vorgetragen, genügend Raum zu geben. Erst bei Partiturbuchstabe B, Takt 75, geht es dann rasant weiter. Diese Lesart kann sehr überzeugend klingen, offen bleibt aber, ob sich das der Komponist so vorgestellt hatte. Bei der Bewertung habe ich mich hier zurückgehalten. Ich kehre noch einmal zum Beginn des Satzes zurück und möchte auf die linke Hand des Klavierparts zu sprechen kommen: 17 Takte lang hat der Pianist die rhythmische Formel: punktierte Viertel-Achtel-Halbe zu spielen, dabei ist der Achtelnote noch ein staccato beigegeben, damit wird sie ein wenig hervorgehoben, leider jedoch nur von Clifford Curzon in der ersten Aufnahme und von Boris Giltburg bemerkt. Alle anderen Spieler, soweit ich es bemerkt habe, gehen leider darüber hinweg.

Der zweite Satz ist einer ukrainischen Dumka nachgearbeitet, mit seiner typischen Moll-Färbung, auch in den slawischen Tänzen op. 46 ist sie zu finden. Nach einer viertaktigen Einleitung des Klaviers, quasi das Motto des Satzes, beginnt ein von der Bratsche intonierter Klagegesang (A). Ihm folgt ein tänzerisches Thema (un pochettino piu mosso) als B-Abschnitt – für mich ein absoluter Ohrwurm T. 62 ff. – danach folgt nochmals Abschnitt A. In der Satzmitte steht als Kontrast ein Springtanz im 2/8 Takt (C). Anschließend wiederholt Dvorak die Abschnitte A, B und A in modifizierter Form. Formal stellt es sich dann so dar: A-B-A-C-A-B-A. Jeweils die zweite Hälfte der Abschnitte A und B sollen wiederholt werden, nach dem Mittelteil C nur noch im Abschnitt B. Das Klavier sollte sich besonders in diesem Satz zurückhalten, die vielen delikat zu spielenden beglückenden Abschnitte erfordern höchste Sensibilität seitens des Pianisten.

Dvorak bezeichnet den dritten Satz Scherzo, später setzt er noch Furiant hinzu, verzichtete jedoch auf die typischen Synkopen dieses Tanzes. Der molto vivace zu spielende Satz beginnt mit dem Thema (A), dem ein zweites Thema (B) von der Bratsche vorgetragen, dann von der zweiten Geige und zuletzt vom Klavier übernommen. Viele Interpreten drosseln hier etwas das Tempo, ohne dass es von der Partitur abgesichert ist. Nach einer Wiederholung des A-Teils folgt ein choralartiges drittes Thema (C) in F-Dur, poco tranquillo, also etwas langsamer und überwiegend leise zu spielen. Über diesem Trio liegt eine heimliche Melancholie. Das Thema A ist dem Komponisten so wichtig, dass er es immer wieder etwas abgewandelt auch in den anderen beiden Formteilen einbindet.

Das Finale ist, wie der Kopfsatz, der Sonatenform nachgebildet. Überraschend beginnt die Reprise mit einem Fugato in c-Moll, weit entfernt von der Grundtonart A-Dur.

Die hier untersuchten Aufnahmen stehen überwiegend auf höchstem bis hohem Niveau.

Ein paar Worte noch zu den Wiederholungen: Im ersten Satz sieht Dvorak eine Repetition der Exposition vor und im zweiten Satz, wie oben erwähnt, vier Dumka-Abschnitte. Die Wiederholung im ersten Satz wird in der Regel beachtet, nicht jedoch von Schnabel, Rubinstein, Heifetz, Curzon, Balsam, Hansen, Bernathova, Farnadi, Firkusny-75, Pressler-13, Mimura und Kissin. Die Wiederholungen im langsamen Satz werden fast immer ausgeführt, abgesehen von älteren Produktionen, hier ist wieder zu nennen Schnabel (Schellack-Aufnahme), Balsam und Bernathova. Bei Heifetz, Farandi und Mimura wird nur die erste Wiederholung beachtet. Ein Sonderfall ist die Platte mit Curzon und dem Budapester Quartett, diese lassen die dritte aus.

 

5

Menahem Pressler

Emerson String Quartet

DGG

1993

39‘40

 

5

Andreas Haefliger

Takács Quartett

Decca

1998

38‘56

 

I langsamer Beginn, mit überschäumender Musizierlaune, traumhaftes Zusammenspiel, II klangvoller Espresssivo-Stil, mit einer gespenstigen Sicherheit, rhythmischer Schwung, die leisen Zweiunddreißigstel-Triolen der Violinen T. 103-112 verschluckt, III elektrisierend, IV brillant

5

Pavel Stepan

Smetana Quartett

EMI

1966

37‘05

 

I kraftvolle, aber auch sensible Darstellung, II delikat, feinfühlig, anheimelnde Stimmung, Partnerschaft von Stepan mit Quartett etwas intensiver als von Panenka, III giocoso, IV musikantisch, wie Dvorak es erwartete – Klangbild weniger offen, Balance innerhalb des Quartetts nicht immer zufriedenstellend

5

Jan Panenka

Smetana Quartett

Supraphon   Denon

1986

38‘40

 

I Aufnahme besitzt nicht den Drive der EMI-Produktion, II Panenka hier mehr als Solist zu hören, der sich jedoch gut in das Ensemble einpasst, III deutlicher und genauer als bei EMI, jedoch ohne deren Elan, IV mehr Details als oben – frischer, transparenter Klang mit etwas Hall

5

Rudolf Firkusny

Juilliard Quartet

CBS    Sony

1975

36‘11

 

I langsamer Beginn, bei B schneller, organisches Musizieren, schlank, nicht ganz so farbenreich wie bei Ridge, gute Transparenz, II sehr lebendiger Mittelteil, T. 214 ff. mit viel Inspiration, III schwungvoll, differenziert, das trifft auch auf das Finale zu – insgesamt weniger böhmisches Kolorit als bei Quartetten aus Dvoraks Heimat; an leisen Stellen im Hintergrund ein entferntes Brummen

5

Rudolf Firkusny

Ridge Quartet

RCA

1990

39‘39

 

I langsamer Beginn, farbenreicher Klang, gute Transparenz, II delikat, beste Interaktionen, III abwechslungsreich, Flügel teilweise mit etwas zu viel Pedal, IV überwiegend dramatisch, weniger Wärme

5

Andras Schiff

Panocha Qurtett

Teldec

1997

37‘51

 

5

Antonin Kubalek

Lafayette String Quartet

Dorian

1994

40‘17

 

Partitur durchleuchtet, geschmackvolle ansprechende Interpretation, Kubalek spielt sich nicht nach vorn, immer belebte Mittelstimmen, Spannungsbögen, hervorragende dynamische Gestaltung, I Temposchwankungen – sehr gute Transparenz, hervorragender Klang, beste Kammermusik

5

Stephan Vladar

Jerusalem Quartet

HMF

2005

38‘47

 

I langsamer Beginn, kaum Vibrato, schwungvoll, mit Hingabe, sehr gute dynamische Gestaltung, II musikantischer Feinsinn, elastisch, ausdrucksstark, III temperamentvoll, klangvolles Espressivo in Abschnitt C, IV straff

 

 

 

4-5

Clifford Curzon

Budapester Streichquartett

CBS    Naxos

1953

35‘04

 

4-5

Clifford Curzon

Wiener Philharmonisches Streichquartett

Decca

1963

35‘36

 

4-5

Boris Giltburg

Pavel Haas Quartett

Supraphon

2017

41‘49

 

I  sehr langsamer Beginn, erst bei B schneller, beim 2. Thema wieder langsamer, Tempowechsel, teilweise feuriger Vortrag, fällt dann aber auch etwas knallig und orchestral aus, II atmosphärereiches Musizieren, III souverän gestaltet, IV konzertant – sehr gutes Zusammenspiel, lobenswerte Transparenz und Balance

4-5

Artur Rubinstein

Guaneri Quartet

RCA

1971

37‘38

 

I langsamer Beginn, erst bei Buchstabe B geht es schneller voran, später wieder zögerlich, Empathie für die Musik, II insgesamt etwas weniger Spannung als beim Smetana Quartett, T. 68 ff. Streicher zu zahm, III sorgfältig, IV viele einzelne gelungene Abschnitte, ohne einen großen Bogen zu spannen – Quartettklang an lauten Stellen weniger transparent

4-5

Svjatoslav Richter

Borodin Quartett

Philips

1982

40‘24

 

live – bei einer LP würde man von zwei Seiten sprechen, auf der einen Seite gelungen, auf der anderen Seite zumindest fragwürdig. Die beiden letzten Sätze werden im Rekordtempo vermessen, mit bezwingenden Momenten, ausgelassen und feurig. Der Kopfsatz dagegen bietet Tempowechselbäder, schroffen Ausbrüchen bei schnellen Tempi stehen zarte Partien gegenüber. Die Musik im Andante mutiert zu einem rekordverdächtigen Adagio und klingt insgesamt zu statuarisch. Der Mittelteil wird sehr schnell genommen, die Musik nimmt einen zornigen Ausdruck an, danach geht es nicht ganz so langsam weiter. Man denkt bei dieser Interpretation eher an eine russische als eine böhmische Seele. Richter zeigt sich auch hier wieder als exzellenter Kammermusikpartner.

4-5

Oliver Triendl

Vogler Quartett

CPO

2011

41‘10

 

I langsamer Beginn, kein festes Tempo, temperamentvoll, disziplinierte Musikalität, klares Musizieren, sehr gutes Miteinander, sparsamer Einsatz von Vibrato, II eher diskret als gefühlsbetont, ausgenommen Abschnitt B, III pulsierende Außenabschniite, nachdenklicher MT, IV gelassen

4-5

Jan Panenka

Panocha Quartett

Supraphon

1993

41‘18

 

4-5

Rudolf Buchbinder

Alban Berg Quartett

EMI

1993

39‘02

 

I langsamer Beginn, kein festes Tempo. Klangvoller Espressivo-Stil, temperamentvoll, II man spürt eine gewisse Scheu vor gefühlsbetontem Vortrag, etwas distanziert, III Mittelteil hebt sich überzeugend ab, IV vital, subtil differenziert

4-5

Christian Zacharias

Leipziger Streichquartett

MDG

2003

40‘10

 

I langsamer Beginn, Musik bleibt im Bereich des Hauptthemas zu ruhig, es fehlt der große Bogen, Klavierklang nicht optimal aufgefächert, II handwerklich perfekt, doch der „böhmische Funken“ will nicht immer überspringen, sehr gute Balance zwischen Klavier und Streichern, III mit viel Schwung, IV Musiker steuern kein Ziel an (auch in den anderen Sätzen), betörend schöne Einzelabschnitte

4-5

Lars Vogt

Christian Tetzlaff, Vl., Antje Weithaas, Vl., Kim Kashkashian, Va., Boris Pergamenschikoff, Vc.

EMI

1999

39‘44

 

live Heimbach-Festival - spannungsreicher Vortrag, ansteckende Spielfreunde, der letzte Satz fällt jedoch etwas ab, nicht so geschlossen wie die vorangehenden

4-5

Leif Ove Andsnes

Sarah Chang, Vl., Alexander Kerr, Vl., Wolfram Christ, Va., Georg Faust, Vc.

EMI

2002

37‘56

 

I anfangs etwas langsamer, Cellist nimmt das Hauptthema unter einen Bogen, schön!, aufmerksames Musizieren, II Violine 1 an einigen Stellen mit mehr Bogendruck, manchmal auch zu laut, Streicher T. 68 ff. / 240 ff. zu teilnahmslos, zu brav, ab T. 261 Balance zwischen Bratsche (Thema) und restlichen Streichern nicht top, III ausgelassen, trotzdem immer deutlich, IV solide, etwas mehr Drive wäre von Vorteil

4-5

Jewgenij Kissin

Emerson Quartet

DGG

2018

37‘22

 

live, I langsamer Beginn, kein festes Tempo, deutliche Rubati, weitgehender Verzicht auf Vibrato, Flügel deckt an einigen ff-Stellen Streicher zu, insgesamt etwas harter Klang, II Adagio, dynamische Differenzierung im p-Bereich noch nicht ausgeschöpft, weniger Spannung, III ausgelassen, IV von musikalischer Energie sprudelnd, an der Grenze zum Artistischen

 

   

4

Frank Braley

Ensemble Exporation

HMF

2004

37‘14

 

man vermisst etwas das Fingerspitzengefühl im Umgang mit dieser duftigen Musik, Bratsche (Dvoraks Instrument) immer präsent, gutes Zusammenspiel, transparenter Klang, immer lebendig, Klavier (Steinway v 1874) integriert, Streicher ohne Vibrato, II Dynamik im p-Bereich nicht ausgeschöpft, III A-Abschnitte fast Presto, MT etwas bewegter als üblich

4

Menahem Pressler

Quatuor Ebénè

Erato

2013

37‘23

 

live, ▼

4

Jacob Lateiner

Jascha Heifetz, Vl., Israel Baker, Vl., Joseph de Pasquale, Va.,  Gregor Piatigorsky, Vc.

RCA

1964

28‘47

 

weitgehender Verzicht auf Vibrato, perfektes Zusammenspiel; konzentriertes, aber lockeres Musizieren, – I ziemlich im Tempo, III MT viel schneller als üblich, virtuos, IV sehr lebendig, fetzig – insgesamt etwas nüchtern, mit Klangfarben wird gespart, entferntes Motorenrauschen im Hintergrund

4

Artur Schnabel

Pro Arte Quartett

EMI

1934

31‘43

 

I Tempowechselbäder, immer wieder Portamenti, wenig Charme, eher im klassischen als romantischem Stil, II mit ansteckender Spielfreunde, Espressivo, III mit Verve, IV etwas zu nüchtern – kompakter Klang, geringe Transparenz

4

Eva Bernátova

Janacek Quartett

DGG

1957

32‘50

 

I langsamer Beginn, erst bei B schneller, insgesamt gelassen, Klavier zugunsten der Streicher zurück, II gutes Zusammenspiel, Nerv der Musik getroffen, III ordentlich, ohne den gewissen „böhmischen Funken“, IV musikantisch – Pianistin ohne solistische Ambitionen, insgesamt etwas stumpfer und wenig sinnlicher Klang

4

Artur Balsam

Budapester Streichquartett

Andromeda

1955

34‘11

 

live – beeindruckende Leistung, die jedoch durch die Aufnahmetechnik (Rundfunkmitschnitt?) korrumpiert wird: Geigen in hohen Lagen sehr spitz, Bass beschnitten, deutlich kompakter und rauer Klang – I mehr Rubati als 1953 (Curzon), II etwas rührselig und auch robust, III temperamentvoller als1953 mit Curzon

 

   

3-4

Peter Frankl

Lindsay Sring Quartet

ASV

1995

39‘41

 

I langsamer Beginn, zupackend, prägnantes Musizieren, scharfe Tempowechsel, II klangvoller Espressivostil, Dynamik als Gestaltungsmittel jedoch wenig genutzt – das Streichquartett steht dem Klavier gegenüber, leider kein richtiges Zusammenspiel als Quintett; Frankl ein zuverlässiger Begleiter, ohne eigene Akzente zu setzen, Streicher etwas einförmig, offenes Klangbild, gute Transparenz und Balance

3-4

Edith Farnadi

Barylli Quartett

Westminster

1953

33‘21

 

I solide Darstellung, kein stabiles Tempo, bei lauten Stellen Streicher eher kompakt und weniger differenziert, II geringe Ausdrucksskala, Mittelteil zu fest und ohne Duft, III gelassen, wenig vivace, IV wenig pulsierend – etwas mulmiges Klangbild, Farnadi immer nach vorn geholt

3-4

Conrad Hansen

Amadeus Quartett

audite

1950

34‘09

 

RIAS-Studio-Aufnahme, I stürmisch voran, erste Geige führt zu sehr, an lauten Stellen spitzer Klang, Hansen solide, Temposchwankungen, II Vivace-Abschnitt wenig spritzig, III/IV können mehr überzeugen – Darstellung insgesamt etwas grob, während sich Flügel und Streicher gut voneinander abheben, klingt das Quartett in sich kompakt

3-4

Karl Engel

Melos Quartett

HMF

1996

40‘09

 

Empathie für Dvoraks Musik, jedoch weniger Farbe, etwas herb, eher im sachlichen Stil; Engel, ein zuverlässiger Klavierpartner, verfügt jedoch nicht über die Farbpalette anderer Pianisten; I langsamer Beginn, Tempowechselbäder, II B-Abschnitte teilweise etwas hausbacken

 

 

  3

Kazuko Mimura

Talich Quartett

Calliope

1993

33‘16

 

mehr an der Oberfläche musizierend, wie nur durchgespielt, ohne artikulatorische Feinarbeit, ohne Gespür für dynamische Gestaltung, insgesamt etwas hausbacken, stellenweise Leerlauf

 

  Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

 

Clifford Curzon

Mit dem britischen Pianisten liegen zwei Aufnahmen von Dvoraks Klavierquintett vor, eine Mono-Aufnahme mit dem Budapester Streichquartett aus dem Jahre 1953 sowie eine Stereo-Einspielung mit dem Wiener Philharmonischen Streichquartett 10 Jahre später. Die Unterschiede liegen im klanglichen Bereich sowie im Musizierstil der Quartette, Curzon spielt hellwach, inspiriert und passt sich sehr gut seinen Partnern an. Wenn ich die ältere Aufnahme vorziehe, liegt es an der adäquaten Umsetzung des Notentextes, die fünf Musiker finden einen überzeugenden Zugang zu Dvoraks Musik, die ihnen wie auf den Leib geschrieben zu sein scheint. Immer wieder ist man erstaunt über die Innenspannung und Atmosphäre, die in dieser höchst professionell musizierten Aufnahme erreicht wird. Die klangliche Seite kann da jedoch nicht mithalten, in lauten Abschnitten klingt die Musik kompakt, trotzdem bleibt eine gewisse Transparenz erhalten. Die Wiener Aufnahme (1963) hat da viel mehr zu bieten, bleibt aber im Umgang mit dem Tempo weniger überzeugend. Auch führt die erste Geige an vielen Stellen zu sehr und stört etwas die Balance. Insgesamt legen die Musiker Wert auf einen gefühlvollen Vortrag.

 

Menahem Pressler

Nach Auflösung des Beaux Arts Trios im Jahre 2008 setzte sich sein Pianist Menahem Pressler keineswegs aufs Altenteil, sondern startete eine Alterskarriere als Solist in Klavierrecitals, bzw. als Partner von verschiedenen Orchestern bei der Aufführung von Klavierkonzerten, vor allem von Mozart, aber auch Pianist bei Kammermusikformationen. Begonnen hatte diese „Zweitkarriere“ bereits einige Jahre zuvor. 1993 traf er mit dem Emerson String Quartet in New York zusammen und spielte Dvoraks Klavierquintett so wie das Klavierquartett Es-Dur op. 87 für die DGG ein. Die Aufnahme von op. 81 ist ein großer Wurf: Hier stimmt so ziemlich alles, wenn man von den wechselnden Tempi im ersten Satz absieht. Die fünf Musiker überzeugen in allen Sätzen mit einem pointierten und lebendigen Vortrag, eingebunden in einer wunderbaren Balance sowie einer überzeugenden dynamischen Gestaltung. Der Finalsatz ist kein Rausschmeißer, sondern wird als kammermusikalische Perle angeboten. 20 Jahre später feiert das Quatuor Ebénè in Paris den 90. Geburtstag von Menahem Pressler. Der Mitschnitt des Konzerts mit dem Jubilar am Flügel wurde von Erato veröffentlicht. Es ist insgesamt eine gute Aufnahme, reicht an die Extraklasse der früheren jedoch nicht heran. Hier wird weniger geschmeidig musiziert, beim Kopfsatz gewinnt man den Eindruck einer Fragmentierung in Abschnitten. In den Mittelsätzen wird nicht die frühere Spannung erreicht und dem Finale fehlt es etwas an Stringenz. Die Balance ist oft zugunsten des Flügels verschoben.

 

Panocha Quartett

Dass das tschechische Panocha Quartett nur vier Jahre nach ihrer Ersteinspielung für Supraphon eine Neuaufnahme bei Teldec vorlegt, mit einem anderen Partner am Flügel, muss zu denken geben. In der Tat ist die Neuproduktion gerechtfertigt. Andras Schiff äußert sich insgesamt mit mehr Gestaltungsideen sowie mehr Klangfarben im Anschlag. Das Zusammenspiel ist hervorragend, messerscharf die Interaktion. Dvoraks Vorgaben werden sensibel umgesetzt, bei sehr guter dynamischer Differenzierung. Diese Aufnahme hat insgesamt mehr Biss und Eleganz als die ältere. Zwei Beispiele: Im Kopfsatz irritiert ein rubatoreiches Musizieren, das eklektisch klingt, auch ist die Transparenz nicht am oberen Level. Im zweiten Satz klingt die Begleitung der Streicher T. 68 ff. bzw. T. 240 ff.  wie weggedrückt, obwohl sie die Gegenstimme zum Flügel vertritt. Im Vergleich zu anderen ist das Niveau der Supraphon-Aufnahme insgesamt jedoch hoch, muss aber hinter der Teldec-CD zurücktreten.

 

eingestellt am 26. 07. 20

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