Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Ouvertüre zu "Der Freischütz"



Busch

Dänisches - Radio Sinfonie-Orchester

Danacord/EMI

1948

9‘18

5

alles läuft wie selbstverständlich, Weber pur

Walter

Los Angeles Philharmonic Orchestra

History

1950

9‘05

5

live – lebendig, vitale Darstellung eines 74 Jährigen

Kleiber, Carlos

Staatskapelle Dresden

DGG

1973

9‘40

5

aus Gesamtaufnahme – vital, poitiert, Klang immer schlank und durchsichtig, am Schluss strahlendes C-dur

Szell

New York Philharmonic Orchestra

CBS/UA

1952

9‘06

5

zielgerichtet, kontrolliert, durchsichtig, schlank, tempokonstant, plastisch, Details beachtend

Beecham

London Philharmonic Orchestra

History

1937

9‘10

5

vital, für die Aufnahmezeit erstaunlich durchsichtig

Furtwängler

Berliner Philharmoniker

Polydor/DGG

1935

9‘49

5

älteste Furtwängler-Aufnahme, Weber am nächsten

Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1945

9‘10

5

packende Darstellung, T.181 – 190 deutlich und drängend, Abstriche bei Hörnern


Furtwängler

Wiener Philharmoniker

EMI

1954

10‘38

4-5

stellenweise etwas vorsichtig

Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1952

9‘55

4-5

Hörner etwas besser eingefangen

Weil

Cappella Coloniensis

DHM

2001

8‘48

4-5

aus Gesamtaufnahme, Originalinstrumente, sehr gute Balance, ich vermisse etwas mehr Vitalität

Beecham

London Philharmonic Orchestra

EMI

19‘35

9‘23

4-5

live – dramatische Darsteluung

Lehmann

Berliner Philharmoniker

DGG

P 1953

9‘40

4-5

Schluss freudig wie ein Happy end

Keilberth

Berliner Philharmoniker

EMI

1958

9‘02

4-5

aus Gesamtaufnahme, Streicher mit etwas breitem Strich, nicht so differenziert, Schluss noch lebendiger als bei Lehmann

Kleiber, Erich

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

Koch/Schwann

1955

10‘09

4-5

aus Gesamtaufnahme

Sinopoli

Staatskapelle Dresden

DGG

1995

9‘12

4-5

Tutti-Klang hätte noch etwas schlanker ausfallen können

Kuhn

Staatskapelle Dresden

Capriccio

1985

9‘59

4-5

plastisches Musizieren

Jochum

Sinf.-Orch. des Bayerischen Rundfunks

DGG

1960

9‘45

4-5

aus Gesamtaufnahme

Kubelik

Sinf.-Orch. des Bayerischen Rundfunks

DGG

1964

10‘01

4-5

romantische Darstellung, wenige rubati

Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

1958

8‘59

4-5

sehr schlank musiziert, absolute Musik


Furtwängler

Berliner Philharmoniker

DGG

audite

1952

11‘12

4

live – breit ausladend, jedoch nicht fett, T.31 auf 3 Viertel verkürzt

Furtwängler

Berliner Philharmoniker

DGG

1944

10‘47

4

live – furioser Schluss

Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

Sony

1963

10‘27

4

opulenter Klang, ein wenig schlanker, dafür jedoch etwas schneller wäre besser

Klemperer

Philharmonia Orchestra London

EMI

1960

9‘32

4

gewichtiges, jedoch nicht schwerfälliges Musizieren, Schluss könnte etwas schneller sein

Sawallisch

Philharmonia Orchestra London

EMI

1958

9‘47

4

etwas plakativ, spitze Philharmonia-Oboe!

Ackermann

Wiener Philharmoniker

Decca

1951

10‘20

4

aus Gesamtaufnahme

Davis

Staatskapelle Dresden

RCA

1990

10‘39

4

aus Gesamtaufnahme, guter Klang, saftiger als Sinopoli mit dem selben Orchester

Furtwängler

Wiener Philharmoniker

WFG

1954

10‘55

4

live - aus Gesamtaufnahme Salzburg, Anfang verhustet

Skrowaczewski

Hallé Orchestra

IMP

P 1994

10‘23

4

insgesamt sorgfältig,

T.25-36 plastische pizz. in Kb

Dorati

Concertgebouw Orchester

Philips

P 1960

9‘02

4

schlank, nur schnell raus aus dem Wald!

Harnoncourt

Berliner Philharmoniker

Teldec

1995

9‘52

4

aus Gesamtaufnahme, ziemlich ohne vibrato, im lauten Tutti übertönen Trompeten und Posaunen die anderen Instrumente, außer am Schluss, insgesamt düstere Stimmung

Matacic

Orchester der Deutschen Oper Berlin

Eurodisc

1967

9‘56

4

aus Gesamtaufnahme

Heger

Bayerisches Staatsorchester

EMI

1969

9‘49

4

aus Gesamtaufnahme, Hauptteil könnte etwas schneller sein

Karajan

Concertgebouw Orchester

DGG

1943

10‘04

4


Karajan

Berliner Philharmoniker

EMI

1960

10‘28

4


Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1981

10‘28

4


Giulini

New Philharmonia Orchestra

BBCL

1970

10‘35

4

live – zurückgenommenes Tempo, streicherbetont, wenig aufgefächerter Klang

Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1971

10‘30

4

artifizieller geht’s nimmer

Pletnjew

Russisches National Orchester

DGG

1996

11‘16

4

langsamste Aufnahme, Mittelteil insgesamt zu bedächtig


Schippers

Columbia Symphony Orchestra

Sony

1960

9‘27

3-4

vordergründige, effekterheischende Darstellung mit groben rhythmischen Mängeln und Übertreibungen


Mengelberg

Concertgebouw Orchester

EMI/Naxos

1931

8‘46

3

willkürliche Tempogestaltung



Webers Ouvertüre zum „Freischütz“ ist dem Genre der damals so beliebten Potpourri-Ouvertüre zuzurechnen: Zur Einstimmung auf das Bühnenwerk werden bekannte Themen oder Melodien aus der betreffenden Oper wirkungsvoll zusammengestellt. Weber verwendet hauptsächlich Material aus der Arie des Max aus dem 1.Akt („Hat denn der Himmel mich verlassen“: 3 Paukenschläge und „Doch mich umgarnen finstre Mächte“) sowie der Arie der Agathe aus dem 2.Akt („Himmel nimm des Dankes Zähren“, diese Melodie findet sich nochmals im Finale, diesmal mit dem unterlegten Text „Der rein ist von Herzen und schuldlos von Leben“). Verbindend dazwischen Teile aus der Wolfsschlucht-Musik („Das wilde Heer“), die wiederum eine Motivkette aus Kaspars Arie aus dem 1.Akt aufgreift („Umgebt ihn, ihr Geister...“).

Die Ouvertüre wird eröffnet mit einer dreiteiligen langsamen Einleitung, in deren Mitte die schönen Hörnerklänge ertönen und an ihrem Ende sich schon mit den drei Paukenschlägen und den tremolierenden Streichern die Katastrophe ankündigt. Zu Beginn hören wir jedoch die Streicher, von Holzbläsern unterstützt, die sich unisono in einem crescendo vom pp zum f eine Oktave nach oben heben, um anschließend wieder p zum Anfangston zurückkehren . Das dauert vier Takte und wird dann nochmals anstatt von c ausgehend, nun von g aus wiederholt.

Diese acht Takte sollten keinesfalls zu gewichtig genommen werden, sie sind nur Einleitung, sie dürfen nicht mit vermeintlicher Gedankentiefe überfrachtet werden und sollten im Tempo konstant bleiben. Fritz Busch spielt das richtig, alles kommt wie selbstverständlich, auch die Holzbläser, die fast immer vom großen Streicherapparat zugedeckt werden, dürfen sich hören lassen (auch bei Beecham 37). Warum Sawallisch nach dem crescendo zwischen T. 1 und 2, bzw. zwischen T. 5/6, also zwischen tiefem und hohem c bzw. g eine kleine Zäsur macht, bleibt mir unverständlich, damit bremst er die aufgestaute Spannung wieder ab. Beim früh verstorbenen Thomas Schippers stimmt das Metrum nicht, bei Skrowaczewski die Lautstärkeproportionen.

Nach diesen ersten Takten führen uns die vier Hörner in den deutschen Wald. In vielen Aufnahmen hat sie die Klangtechnik leider etwas in den Hintergrund verbannt, oder die vier Stimmen heben sich nicht voneinander ab (Toscanini 45, Pletnjew, Karajan 60 und 71). Gut abgebildet ist das Hornquartett z.B. bei Sinopoli und Davis. Der letzte Teil der Einleitung T. 25 – 36 gehört den Celli, die sich über pochenden Pauken und zupfenden Kontrabässen sowie an- und abschwellenden Streicher-Tremoli in Szene setzen dürfen. Dazu tritt noch der unheimliche Klang der tiefen Klarinetten, der jedoch bei den meisten Aufnahmen unter die Notenpulte fällt! Obwohl C.M.von Weber in die Paukenstimme Solo geschrieben hat, um damit die Wichtigkeit dieses Instruments an dieser Stelle zu unterstreichen, lassen viele Dirigenten zu, dass die Kontrabässe die Pauke zudecken. Sehr deutlich folgen Sawallisch, Skrowaczewski und Kuhn des Komponisten Anweisung. In den Celli wechseln sich Halbe (bzw. punktierte H.) mit zwei punktierten Achteln ab. Die meisten Dirigenten vertrauen nicht Webers Vorstellungen und scheinen zu glauben, man müsse durch Dehnen der punktierten Achteln die romantische Stimmung zum Kochen bringen: Karajan, Schippers, Mengelberg, Pletnjew. Eine ähnliche Stelle folgt im Allegro: nach dem dreimaligen Hörnerruf T. 93 ff spielt die Klarinette ein Solo, dass auf Maxens Gesang „O dringt kein Strahl durch diese Nächte“ basiert. Diese Passage sollte der Spieler im Metrum spielen, nicht rubato! Karajan 60, Schippers und Davis waren bei der Aufnahme anderer Meinung.

Noch zwei Hinweise auf das Finale. In den Takten 328 bis 331 verstärken einige Dirigenten die Holzbläser wirkungsvoll mit Hörnern (Szell, C.Kleiber und Davis). Skrowaczewki lässt im drittletzten Takt die Celli und Kontrabässe eine Ganze Note, nicht wie alle anderen eine Halbe Note spielen.

Auf die Interpretationen von Herbert von Karajan möchte ich zuletzt noch gesondert eingehen. In den Aufnahmen aus den Jahren 1960 und 1971 sind in der Hornstelle der Einleitung fast ausschließlich nur das 1. und 3. Horn, also die Oberstimme zu hören. Die Darstellung des folgenden Teils T. 25 bis 36 läuft aus dem Ruder: die Celli spielen betörend schön, aber die punktierten Achtel werden stark gedehnt, dafür T. 31 von 4 Vierteln auf 3 Viertel verkürzt! (1943, 81), Takt 29 setzen die Celli zu spät ein (1971, 1981). Was kümmert ’s HvK? „Hört, die beste Cello-Gruppe der Welt!“. Im weiteren Verlauf dominieren immer wieder Hörner und Posaunen mit breit ausladendem Klang die Tutti-Stellen. Insgesamt: schöne Musik, poliert und opulent dargeboten, der Name des Komponisten ist dabei zweitrangig, deshalb darf er auf dem Booklet-Cover auch ganz klein gedruckt erscheinen.

Beim Blick auf meine wertende Zusammenstellung fällt auf, wie wenig jüngere Dirigenten aufgeführt sind. Einschlägige Kataloge/Verzeichnisse zeigen: es gibt sie nicht auf dem Plattenmarkt. Webers Ouvertüren sind scheinbar nicht mehr in. Hat diese Musik uns Zeitgenossen und den jungen Interpreten nichts mehr zu sagen?



eingestellt am 30.11.08

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