Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Edvard Grieg

Klavierkonzert a-Moll op. 16

Allegro moderato – Adagio – Allegro moderato molto e marcato, quasi Presto, Andante sostenuto

 

Grieg schuf sei einziges Konzert 25jährig während des Sommers 1868 in einem kleinen Gartenhäuschen in der Nähe der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, ein Jahr später wurde es in Kopenhagen uraufgeführt, am Flügel saß Edmund Neupert, dem das Konzert auch gewidmet ist. Einer der ersten, der sich für das Konzert einsetzte, war Franz Liszt, der es in Rom – so die Legende – vom Blatt gespielt haben soll. Tschaikowsky rühmte die bezaubernde Anmut, die Unmittelbarkeit und Frische der musikalischen Empfindung. In Deutschland jedoch stieß es zunächst auf Ablehnung, man bemängelte u. a. seine gestückelte Zusammensetzung, die nicht dem musikalischen Weltbild der führenden Kritiker entgegenkam. Heute jedoch ist es eines der beliebtesten Klavierkonzerte der Romantik. Einfallsreiche und einprägende Melodien, von der norwegischen Folklore beeinflusst, durchziehen die Musik. Das Klavier spielt in diesem Konzert die erste „Geige“, das Orchester hat sich zurückzuhalten, was durch die dynamischen Vortragszeichen (unfreiwillig?) noch unterstrichen wird. Von einer innigen Verzahnung der musikalischen Abläufe wie bei Schumann kann keine Rede sein, auch wenn dies von einigen Musikologen behauptet wird. Die einzige Anlehnung an Schumann ist der Beginn des Werkes, wenn sich der Solist in einer kurzen Kadenz dem Publikum vorstellt. Auch der Klaviersatz erinnert mich kaum an Schumann, eher an Liszt, besonders deutlich wird dies in der langen Kadenz.

Der Komponist war nach der Uraufführung noch nicht ganz zufrieden mit seinem Konzert und feilte an etlichen Stellen, unbemerkt von der musikalischen Öffentlichkeit. In den Jahren 1906/07, kurz vor seinem Tode, erfolgte eine grundlegende Revision der Instrumentierung, die später in allen Aufnahmen übernommen wird. Inzwischen gibt es auch eine CD-Aufnahme der Urfassung, auf die unten hingewiesen wird.

Werfen wir noch einen Blick auf bestimmte Stellen in den Sätzen:

1. Satz: ungewöhnlich beginnt die Musik mit einem Crescendo der Pauke, dem in Takt 2 ein kurzer Tutti-Akkord des Orchesters und gleichzeitig der Eintritt des Solisten erfolgt. Dieser Akkord ist heikel, wie die Aufnahmen beweisen. Er ist nicht immer Zielpunkt des Pauken-Crescendos, wie ihn der Komponist vermutlich gedacht hat, sondern kommt manchmal bereits eine Idee zu früh oder zu spät, nach dem der Paukist seinen Höhepunkt bereits erreicht hat. Bei Konzertmitschnitten trifft man ihn auch verwackelt an. Perfekt abgestimmt hört man die Stelle bei Matacic, Kempe, Blomstedt, Menges, Previn und Aadland. Nach der Einleitungskadenz des Solisten stellen Holzbläser und Horn das Hauptthema vor, jeweils kommentiert von staccato-Noten der Streicher. Grieg versieht in diesen vier Takten die jeweils erste Note mit einem tenuto-Strich, sie sollen also im Gegensatz zu den folgenden Noten nicht staccato gespielt werden. In den Noten der Streicher fehlen in den Takten 8 und 10 jedoch diese tenuto-Zeichen. Alle Interpreten halten dies für ein Versehen und passen die Artikulation bei den Streichern die der Bläser an.

Einige Takte später stellt der Solist das Thema vor. Hier ist folgendes zu beobachten: Vor dem ersten Ton der Akkordfolge (a-Moll) setzt Grieg einen kurzen Vorschlag im Bass, vor der zweiten Akkordfolge ist es jedoch ein Achtel-Akkord mit denselben Bassnoten. Bei der Wiederholung in C-Dur verfährt der Komponist in gleicher Weise. Diese rhythmische Differenzierung wird seltsamerweise nicht von allen Pianisten/-innen wahrgenommen. Genau artikulieren hier insbesondere Arrau, Cherkassky, Richter-Haaser, Jenner, Schmidt, Ohlsson, Duchable, Moog, Perahia, Bavouzet, Moog und Ott. Der Italiener Benedetti Michelangeli bietet noch eine Besonderheit an: die a-Moll-Akkordfolge spielt er mf, die folgende in C-Dur leiser. Diese Lesart bringt er jedoch nur in seiner ersten Aufnahme von 1942.

Die überwiegende Zahl der Ausführenden halten sich an die dynamischen Vorgaben der Partitur, bei der an sehr vielen Stellen die Bläser leise spielen sollen, während der Solist/die Solistin ein f oder ff lesen. Dementsprechend ist die Balance gestört. In den Takten 33/34 und 37/38 treten die Holzbläser in einen Dialog mit Geigen und Bratschen, ebenso in der Reprise. Während letztere den Ohren nicht ganz entgehen, verlieren sich die jeweils sechs staccato-Achtel der Bläser im ff-Spiels des Klavieres. Das ist nicht geschickt instrumentiert. Viele Leser werden evtl. gar nicht wissen, wovon ich hier rede, weil sie die Bläser in diesen Takten noch nie gehört haben. Wenn man die Stelle kennt, wird man nur bei Blomstedt, Masur und Marriner-Ousset leise die wenigen Akkorde hören können.

Unmittelbar vor der langen Kadenz spielt das Orchester nochmal wie eine Apotheose das Hauptthema. Bei den meisten Aufnahmen hört man es ff von den Geigen gespielt, bei anderen hat sich auch die Trompete in den Klang gemischt. Bei Szell, Ludwig, Kondraschin, Karajan-BP, Dorati, Fjeldstad, Previn und Kitajenko überstrahlen die beiden Trompeten das gesamte Orchester.

Im ersten Abschnitt der Kadenz verlangt Grieg 21mal sehr schnell hintereinander die Sequenz f-e-d-h in der viergestrichenen Oktave, ein pianistischer Glitzer-Effekt. Die meisten Interpreten scheinen der Ansicht zu sein, dass es auch mit weniger genug ist, lediglich Arrau, Aeschbacher, Richter-Haaser, Gutierrez und Andsnes halten durch. Amputationen höre ich auch im dritten Abschnitt nach der fallenden chromatischen Tonleiter mit beiden Händen: Da stellt Grieg in vier Abschnitten nach und nach einen der Akkordfolgen des Hauptthemas vor, fff. Sie werden miteinander verbunden durch jeweils eine schnelle Vierundsechzigstel-Bewegung (18 Töne), die leise, fast huschend, rasend in tiefer Basslage zu spielen sind (Liszt!). Nach meiner Beobachtung wird diese Bassbewegung bei den ersten drei Folgen von den meisten Solisten/innen verkürzt dargeboten, da sie schnell zu den nächsten mächtigen Akkorden übergehen wollen. Partitur-gemäß verhalten sich hier Arrau, Gutierrez, Zilberstein und Mustonen.

3. Satz: Der Rhythmus des Themas ist dem norwegischen Springtanz „Halling“ entlehnt. Er erinnert mich bei den ersten Noten an das dritte Moment musical von Schubert. Wie bereits im ersten Satz gibt es auch hier Balanceprobleme zwischen laut spielendem Flügel und Orchesterinstrumenten. In T. 21/22 sowie 26/26 betrifft es das leise zu spielende Horn, gleichzeitig wird diesem auch noch ein molto crescendo abverlangt, eine Kleinigkeit für den Hornisten, was jedoch kaum befriedigend zu vernehmen ist. Ackermann, Wallenstein, Rodzinski, Fjeldstad, Karajan-POL, Ormandy, Davis, Boult, Weldon, Marriner, Jansons, Previn und Chailly richten ihre Aufmerksamkeit auf diese Stelle. Nachdem im Mittelteil zunächst Streicher, dann die Soloflöte mit Begleitung hervorgetreten ist, darf ab T. 156 der Solist/die Solistin die einschmeichelnde, mit impressionistischem Einschlag liebäugelnde Melodie der Flöte übernehmen und weiterentwickeln. Zur Begleitung ist dem Flügel ein Solo-Cello zugeteilt, da es nur sehr leise spielen soll, wird es in sehr vielen Aufnahmen verschluckt, nicht bei Blomstedt, Rosbaud, Milton, Boult, Rodzinski, Ormandy-Cliburn, Davis-71, Menges, Tennstedt, N. Järvi, Jansons, Kitajenko, Grüner-Hegge, Gergiev und Oramo. In die Schlussapotheose, basierend auf der Flötenmelodie des Mittelteils, mischen Rosbaud, Jansons, Weldon, Nagano und Aadland die erste Trompete mit dem Holzbläserklang. Bei allen anderen Einspielungen tritt sie triumphierend heraus.

Genug mit der Beckmesserei, hier sind nun die Aufnahmen:

   

5

Leif Ove Andsnes

Mariss Jansons

Berliner Philharmoniker

EMI

2002

28‘45

 

souverän, hier stimmt einfach alles, bestes Miteinander, die Aufnahme hat mehr Fleisch als die frühere Aufnahme

5

Emil Gilels

Eugen Jochum

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Tahra

1979

31‘43

 

live, I etwas breit, mit viel Nachdruck, aber nicht schleppend, überlegenes Klavierspiel, Gilels bietet so viel Virtuosität wie nötig, gibt jedoch nicht den Draufgänger, gutes Miteinander, überzeugender Wechsel von Spannung und Entspannung, II viel Espressivo, sehr gut intonierter Flügel, III Trp. in den Finaltakten etwas aufdringlich – sehr gute Transparenz, guter Klang

5

Walter Gieseking

Hans Rosbaud

Staatskapelle Berlin

Columbia

1937

26‘01

 

5

Clifford Curzon

Øvin Fjeldstad

London Symphony Orchestra

Decca

1959

29‘04

 

sorgfältige und aufmerksame Orchesterbegleitung, sehr gutes Miteinander, I Curzon arbeitet in der Kadenz bei Tempo 1 die drei Ebenen (Melodie, Triller und Bass-Arpeggien) deutlich heraus, auch die una corda-Stelle hebt sich dynamisch von dem Vorausgehenden ab, II belebte E, III im MT Streicher nicht nur Untermalung, sorgen für Atmosphäre, Schlussakkord mit Crescendo – gute Balance und Transparenz

5

Geza Anda

Rafael Kubelik

Berliner Philharmoniker

DGG

1963

30‘49

 

überzeugende romantische Einspielung, das Werk steht im Vordergrund, sehr gute Partnerschaft, Orchester bleibt immer locker

5

Solomon

Herbert Menges

Philharmonia Orchestra London

EMI   Testament

1956

29‘04

 

Grieg ganz ernst genommen, die Musik steht im Vordergrund, nicht das oberflächlich Effektvolle – sehr gute Partnerschaft, auffallend guter Klang, vermutlich Solomons letzte Aufnahme

5

Claudio Arrau

Alceo Galliera

Philharmonia Orchestra London

EMI   Testament

1957

32‘02

 

5

Claudio Arrau

Christoph von Dohnanyi

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Philips

1962

32‘43

 

5

Steven Bishop-Kovacevich

Colin Davis

BBC Symphony Orchestra

Philips

1971

29‘22

 

der jugendliche Pianist erobert Grieg, lustbetontes Klavierspiel, mit mitreißendem Schwung in den Ecksätzen; Davis aufmerksamer Mitgestalter, öffnet Partien, die sonst unentdeckt bleiben

5

Garrick Ohlsson

Neville Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

hänssler

1996

30‘18

 

vehementer Zugriff in den Ecksätzen, mit viel Leidenschaft, immer im Einklang mir der Partitur, immer wieder gelungener Spannungsaufbau mit anschließender Rücknahme, Pianist und Dirigent in bester Partnerschaft

5

Javier Perianes

Sakari Oramo

BBC Symphony Orchestra

HMF

2014

30‘43

 

sorgfältige, stimmungsvolle und klangschöne Aufnahme, Klavierpart immer rhythmisch belebt

5

Herbert Schuch

Eivind Aadland

WDR Sinfonie-Orchester Köln

audite

2014

29‘53

 

eine CD, die man „unbesehen“ kaufen kann, Idiom des Konzerts hervorragend getroffen, sehr gute Balance und Transparenz, lesenswertes Booklet; allerdings machen sich an einigen Stellen, immer dann, wenn der Flügel allein zu hören ist, leise Brummgeräusche im tiefen Bereich breit, die ich mir nicht erklären kann: I T. 33 und T. 37, II T. 45/46, III T. 19/20 und T. 51

 

 

 

4-5

Benno Moisseiwitsch

Otto Ackermann

Philharmonia Orchestra London

EMI   Testament

1953

28‘05

 

Moisseiwitsch weist auf Griegs Musik, nicht auf seine Technik, I ausgeglichen, Atmosphäre, Kadenz am Ende etwas modifiziert, II stimmungsvoll, Holz könnte T. 49 ff. etwas deutlicher herauskommen, III Cello-Solo im MT zu leise

4-5

Arturo Benedetti Michelangeli

Rafael Frühbeck de Burgos

New Philharmonia Orchestra London

BBCL

1965

27‘12

 

live,

4-5

Dinu Lipatti

Alceo Galliera

Philharmonia Orchestra London

EMI  

1947

28‘45

 

I rhapsodischer Ansatz, funkelnde Pianistik, II in romantischem Geist, Holz könnte T. 49 ff. etwas mehr hervortreten, III überzeugendes Tempo, Horn T. 21 ff. zu zahm, Blech bei lauten Tutti-Stelle leicht verzerrt, Balance nicht immer zufriedenstellend

4-5

Svjatoslav Richter

Kyrill Kondraschin

Moskauer Philharmoniker

Praga

1964

26‘35

 

live,

4-5

Radu Lupu

André Previn

London Symphony Orchestra

Decca

1973

30‘43

 

I T. 7-10 weniger rhythmisch, Solist T. 19 ff. aufmerksamer, insgesamt aber viel Duft, schwelgerisch, hohe Affinität zu Griegs Musik, II farbenreich, spannungsvoll – Previn nur Begleiter, weniger ein Mitgestalter

4-5

Leif Ove Andsnes

Dimitri Kitajenko

Bergen Philharmonic Orchestra

Virgin

1990

30‘26

 

Interpreten nähern sich einfühlsam Griegs Konzert, technisch brillanter Solist, sehr gute Balance und Transparenz, helles Klangbild

4-5

Nikolai Lugansky

Kent Nagano

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin

naive

2013

30‘46

 

I Lugansky lässt sich Zeit, genießt Griegs Melodien, entspanntes Musizieren, Orchester folgt ihm, II Nocturne, III Holz leider etwas zurück, weniger geformt als Satz 1, markante Pk, MT sehr ruhig, wie Satz 2 – kultiviert, aus der Interpretation spricht Empathie für Griegs Konzert

4-5

Joseph Moog

Nicholas Milton

Radiophilharmonie Saarbrücken

Onyx

2013

29‘13

 

live, Griegs Partitur wie aus dem Ärmel geschüttelt, sportlicher Zugriff, dabei überwiegend kantabel, sehr gute Partnerschaft zwischen Pianisten und Dirigent, aufmerksames Publikum

4-5

Julius Katchen

Istvan Kertesz

London Symphony Orchestra

Decca

1962

27‘42

 

I I teilweise wie entfesseltes Klavierspiel, effektvolle Darstellung, T. 16/17 großer Auftritt, saftiger Klang, III Bläser nicht zurückgestellt, Trp im ff etwas scharf, T. 124 Klavier und Tutti nicht genau zusammen – Katchen im p-Bereich großzügig, Virtuosenkonzert, aber geschmackvoll aufgetischt in Liszt-Manier

4-5

Shura Cherkassky

Adrian Boult

London Philharmonic Orchestra

Eurodisc

P 1966

28‘53

 

Cherkassky zeigt eine hohe Affinität zu Griegs Konzert, Boult zuverlässiger Partner, beherzter Zugriff, aber auch viel Espressivo, helles Klangbild, gute Balance und Transparenz

4-5

Murray Perahia

Colin Davis

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

CBS   Sony

1988

29‘44

 

mit Nachdruck, aber auch elegant und filigran, immer geschmeidig, stellenweise lustbetontes Klavierspiel, III Davis übersieht im Andante maestoso der Schluss-Apotheose keineswegs die fz in den Takten 5 und 7 vor dem Satzende – sehr gute Balance und Transparenz

4-5

Lars Vogt

Simon Rattle

City of Birmingham Symphony Orchestra

EMI

1992

31‘30

 

I etwas freies Tempo, hell intonierter Flügel, entfetteter Klavierklang; ich habe den Eindruck, dass den Musikern die technische Bewältigung nähersteht als die musikalische, II hier mehr Gefühl, in der E Rhythmus der Streicher etwas schwammig, III Cello-Solo im MT zu leise, keine Spannung – insgesamt gutes Miteinander

4-5

Artur Rubinstein

Alfred Wallenstein

RCA Victor Symphony Orchestra

RCA

1961

28‘13

 

4-5

Leon Fleisher

George Szell

Cleveland Orchestra

CBS   Sony

1960

29‘38

 

technisch super, jedoch etwas kühl, wenig romantisch, Klang könnte farbiger sein

4-5

Nelson Freire

Rudolf Kempe

Münchner Philharmoniker

CBS   Sony

1968

28‘23

 

Freire jugendlich unbekümmert, spielerisch, manchmal auch etwas pauschal. Kempe ist ein aufmerksamer Mitstreiter, der das richtige Feeling für Griegs Musik mitbringt, aber auch das Derbe nicht unterschlägt – offenes Klangbild, gute Transparenz

4-5

Claudio Arrau

Colin Davis

Boston Symphony Orchestra

Philips

P 1981

32‘59

 

4-5

Jorge Bolet

Riccardo Chailly

Radio-Sinfonie-Orchester Berlin

Decca

1985

31‘41

 

I gestalterischer Ernst, sich Zeit lassend, klares Musizieren, Musik akribisch ausformuliert, feinsinnig, II viel Atmosphäre, III etwas zu gewichtig – guter Klang, Bolet mit Pranke, aber auch mit Samthandschuhen

4-5

Alexander Jenner

Odd Grüner-Hegge

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

Bertelsmann

forgotten records

1960

30‘02

 

souverän agierender Pianist, spürbare Vitalität, überzeugende Musizierlaune; Dirigent hellwacher Mitgestalter, der maßgeblich am Gelingen der Aufnahme beiträgt, II kein pp, bemerkenswerte Begleitung von Vc und Fg ab T. 56, III mit viel Temperament – gute Balance und Transparenz

 

 

 

4

Cziffra

Georges Tzipine

Orchestre National de l’ORTF

ica classics

1959

29‘16

 

live, ▼

4

Alice Sara Ott

Esa-Pekka Salonen

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

DGG

2015

30‘08

 

live, I pauschale Dynamik bei Pianistin, Kadenz im gezügelten Tempo; man hat den Eindruck, Ott bleibt hinter ihren gestalterischen Möglichkeiten zurück, auch im dritten Satz, II Nocturne. Stimmung getroffen, III Orchester in Begleitfunktion oft zu leise, stimmungsvoller MT – hervorragender Klang, Salonen im Einklang mit Ott

4

Hans Richter -Haaser

Rudolf Moralt

Wiener Symphoniker

Philips   forgotten records

1958

27‘47

 

I/III überwiegend kraftvoll, sorgfältig, Balance jedoch nicht an allen Stellen top, II im Andante-Tempo, T. 79/80 Flügel: im Bass deutliches staccato – die Individualität des Konzerts kommt nicht immer ganz durch, wenig farbenreicher Klang

4

Wilhelm Backhaus

John Barbirolli

New Symphony Orchestra

EMI    Warner   Membran

1933

26‘02

 

Backhaus spielt das Konzert nicht als Reißer, ohne trocken zu wirken, die Ausführenden verzichten nicht auf Gefühle; die lyrischen Abschnitte werden schlank, ohne Schwulst, gespielt, II zeitbedingte Portamenti, III Thema hätte noch prägnanter gefasst werden können – für das Alter der Aufnahme erstaunliche Transparenz

4

Lilya Zilberstein

Neeme Järvi

Gothenburg Symphony Orchestra

DGG

1986

29‘43

 

spontanes Musiziergefühl, mehr die große Geste als Detailarbeit, darunter leidet allerdings die Spannung, in der Dynamik etwas großzügig

4

Walter Gieseking

Herbert von Karajan

Philharmonia Orchestra London

EMI  

1951

29‘13

 

4

John Ogdon

Paavo Berglund

New Philharmonia Orchestra London

EMI  

P 1972

28‘36

 

I Orchester in Begleitfunktion oft klanglich zurückgestellt, hier Miteinander nicht auf höchstem Niveau, II Interpretation mit Gefühl, jetzt bessere Zusammenarbeit, III Orchesterpart etwas fest und schwerfällig, Finale kommt ohne Presto aus

4

Cécile Ousset

Neville Marriner

London Symphony Orchestra

EMI

1984

29‘17

 

beste Partnerschaft, sehr lebendige Ecksätze, jedoch etwas glatt, Marriner hat immer einen Blick für die Holzbläser, III Ousset prägnant geformtes Thema – insgesamt etwas routiniert

4

Artur Rubinstein

Antal Dorati

RCA Victor Symphony Orchestra

RCA

1949

26‘43

 

4

Artur Rubinstein

Alfred Wallenstein

RCA Victor Symphony Orchestra

RCA

1961

28‘13

 

4

Olli Mustonen

Herbert Blomstedt

San Francisco Symphony Orchestra

Decca

1994

30‘15

 

ausgedünnter, asketischer Klavierklang, I animato ab T. 31 zu zahm, auch in der Reprise, II modellhafte Einleitung, wie aus einem Guss, III Mustonen hinterlässt einen verkrampften Eindruck; Blomstedt liefert was die Partitur verlangt – sehr gute Balance und Transparenz, ein zwiespältiger Eindruck

4

Jean-Yves Thibaudet

Valery Gergiev

Rotterdam Philharmonic Orchestra

Decca

1999

29‘25

 

Griegs Musik überwiegend auf Eleganz reduziert, poliert, Holzbläser in Begleitfunktion zu leise, III Vc T. 156-162 unterbelichtet

4

Svjatoslav Richter

Lovro von Matacic

Orchester der Oper Monte Carlo

EMI

1974

28‘35

 

4

Svjatoslav Richter

David Oistrach

Philharmonisches Orchester Bergen

Intaglio

1968

27‘05

 

live, ▼

4

Adrian Aeschbacher

Leopold Ludwig

Berliner Philharmoniker

DGG

1953

28‘42

 

I Interpreten gehen mit Empathie zu Werke, überwiegend geradliniges Musizieren, stellenweise ausgelassen, Oberstimmen-betont, kompakter Klang, Balance nicht immer zufriedenstellend (II Holz T. 49 ff. zu leise, ebenso in III T. 46 ff.), Holz gegenüber Streichern insgesamt benachteiligt

4

Noriko Ogawa

Ole Kristian Ruud

Philharmonisches Orchester Bergen

BIS

2002

30‘49

 

entspanntes, sorgfältiges Musizieren, mit Geschmack, das Epische überwiegt, Ruud sorgt für einen durchsichtigen Klang, der auch die Holzbläser nicht vernachlässigt, II etwas spannungsarm

4

Gina Bachauer

George Weldon

Royal Philharmonic Orchestra London

EMI

P 1960

29‘13

 

konventionelle Darstellung auf gutem Niveau, ohne Höhepunkte

4

Yuri Boukoff

Artur Rodzinski

Royal Philharmonic Orchestra London

Westminster     forgotten records

1955

29‘59

 

insgesamt bewegte Darstellung, II deutliche Stimmführung in der E, T. 23/24 Solo-Vc mit zu viel Vibrato, insgesamt aber stimmungsvoll, III poco animato, Th T. 9 und auch später etwas schwerfällig

4

François-René Duchable

Theodor Guschlbauer

Philharmonisches Orchester Straßburg

Erato

1985

27‘51

 

Duchable nähert sich Griegs Konzert zu geschäftsmäßig neutral, bewegte Tempi – beim Klangbild wünschte man sich mehr Transparenz, Holz in Begleitfunktion oft zurückgesetzt, Orchester etwas pauschal, bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück

4

Annerose Schmidt

Kurt Masur

Gewandhausorchester Leipzig

Eterna   Berlin Classics

1969

29‘02

 

I animato-Vorschriften ohne Aufforderungscharakter, lau umgesetzt, Bläser in der Durchführung T. 89-98 gut, Bläser vorn, II Flöte wünschte man sich mit mehr Leuchtkraft, III die große Linie, Th dynamisch wenig differenziert

 

 

 

3-4

Jean-Efflem Bavouzet

Edward Gardner

Bergen Symphony Orchestra

Chandos

2017

28‘12

 

untadeliges Klavierspiel, Dirigent und Orchester überlassen das Feld dem Pianisten; obwohl Heimspiel, klingt die Aufnahme doch eher wie nur durchgespielt, ohne rechte Anteilnahme, halbherzig; I T. 43-45 Ob blüht nicht auf, Begleitung von Fl und Hrn T. 89-97 ohne Dringlichkeit, II wenig Atmosphäre, III wo sind die Fg T. 46 ff?

3-4

Horacio Gutierrez

Klaus Tennstedt

London Philharmonic Orchestra

EMI

1977

32‘35

 

I Orchester klingt bei den bewegten Klavierepisoden zu schwerfällig, die animato-Stellen bleiben ohne Pfiff, Gutierrenz sorgfältig und ziemlich überzeugend, temperamentvoll, II zu zögerlich, kein accel. wo es angezeigt ist, III Begleitung des Orchesters oft zu zurückhaltend, T. 21/22 und T. 25/26 ohne Horn – ein zwiespältiger Eindruck

3-4

Van Cliburn

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

RCA

1968

29‘39

 

I Cliburn lässt sich gerade bei den animato-Stellen viel Zeit, T. 31 ff. und T. 129 ff. etwas steif, Ormandy verleiht den Tutti-Stellen viel Sound, II in der E Musik mit viel Weichzeichner, schön! III Pianist ohne Eleganz, etwas grob, Griegs dynamische Erwartungen ignoriert

3-4

Krystian Zimerman

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1981

31‘59

 

Grieg-Konzert eine Visitenkarte des Pianisten, gefällige Tempi, II 2. Th sehr langsam, wächst nicht organisch aus dem Vorgehenden heraus, aufgeblasene Tutti-Passagen, fast bräsig, Orchester stellenweise in der Nähe von Filmmusik, II Orchester entrückt (Stokowski am Pult?), Kitsch ist nicht weit entfernt, HvK bietet nur Abschnitte, keinen Zusammenhalt, III quasi presto zum Satzende nicht umgesetzt – Balance zugunsten des Flügels verschoben

3-4

Cziffra

André Vandernoot

Philharmonia Orchestra London

EMI

1958

31‘13

 

3-4

Arturo Benedetti Michelangeli

Mario Rossi

RAI Orchester Rom

Bella Musica

1963

27‘16

 

live, ▼

3-4

Arturo Benedetti Michelangeli

Alceo Galliera

Otchestre del Teatro alla Scala

Telefunken u. a.

1942

30‘41

 

 

 

 

2

Josè Irtubi, Klavier und Ltg.

 

Orchestre de l’Association des Concerts Colonne Paris

Columbia               forgotten records

1956

27‘51

 

Interpretation aus dem Geiste romantischen Virtuosentums, immer wieder die große Geste, Dynamik nicht immer nach Partitur, Irtubi wähnt sich als Liszt am Flügel, eine Karikatur, stellenweise überdreht, Orchester pauschal, bei lauten Tutti-Stellen knallige Akkorde, mangelhafte Balance

 

Interpretation nach historisch-informierter Aufführungspraxis, Erard-Flügel

 

3-4

Alexy Zuev

Kenneth Montgomery

Orchester des 18. Jahrhunderts

NIFC

2016

29‘51

 

live, I Orchester übernimmt T. 7-10 nicht die Artikulation des Pianisten, Fg-Begleitung T. 57 ff. dringt nicht durch, Pianist bremst T. 155 statt animato, II Solist nimmt die Vierundsechzigstel-Ornamente ab T. 39 sehr frei, Orchester T. 55-62 zahm, Spannung bricht mitten in T. 80 ein, III abrupte Tempiwechsel – befand sich die Interpretation noch im Experimentierstadium?

 

Originalfassung 1868/1872

 

 

Love Derwinger

Jun’ichi Hirokami

Norrköpping Symphony Orchestra

BIS

1993

30‘03

 

 

 Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

Artur Rubinstein

Rubinsteins Interesse an Griegs Konzert wurde erst später geweckt, als er längst weltberühmt geworden war. Während seiner Ausbildung in Berlin galt es unter Fachleuten für unbedeutend, also überging er es. Sein neuer Produzent bei RCA, John Pfeiffer, wollte unbedingt dieses Konzert mit ihm aufnehmen und versprach sich dabei für beide Seiten ein Verkaufserfolg. Eine Mitarbeiterin von RCA drängte ihm die Noten geradezu auf. Er schreibt darüber in seinen Memoiren Mein glückliches Leben auf S. 593: „Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass es leicht zu spielen und außerordentlich reizvoll war.“ Nach nur drei Tagen Studium (Wahrheit? Legende?) wurde das Konzert 1942 mit Ormandy und dem Philadelphia Orchester aufgenommen und wurde schnell zu einem Plattenrenner. Irgendwann später erklärte er das Konzert zu einem seiner Lieblingswerke und führte es oft auf. Für die Schallplatte nahm er es danach noch dreimal auf, Dorati und Wallenstein waren seine späteren Dirigenten. Die erste Produktion mit Ormandy konnte nicht die überzeugendste sein, dazu kannte er das Stück noch nicht in allen seinen Facetten. Nach meinem Dafürhalten steigerte er sich jedoch von Mal zu Mal. Leider bringen die begleitenden Orchester nicht das Niveau, was man erwarten konnte. Anfangs waren es Balance-Probleme, wenn die Begleitstimmen zu sehr in den Hintergrund verbannt wurden oder Stimmführungen im Verborgenen blieben. Ein klanglicher Sprung nach vorn war die Dorati-Aufnahme (1949), jedoch die dynamischen Vorstellungen des Dirigenten deckten sich nicht immer mit der Partitur. Die Einleitung des Adagios klingt etwas unruhig. Sechs Jahre später erfolgte eine weitere Aufnahme mit dem Cellisten und Dirigenten Alfred Wallenstein sowie dem RCA Victor Symphony Orchestra, die ich jedoch nicht kennengelernt habe. Weitere fünf Jahre später wurde sie abgelöst von einer Stereo-Aufnahme, ebenfalls mit Wallenstein und dem RCA-Orchester. Hier sind die Tempi in allen Sätzen ein wenig langsamer. Rubinstein nutzt die gewonnene Zeit zu einer intensiveren Gestaltung mit mehr Überblick und mehr Gefühl. Im Vergleich spielt Rubinstein das Konzert jedoch schneller als die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen.

Walter Gieseking

Mit Gieseking am Flügel sind mir zwei Aufnahmen bekannt: Die erste wurde 1937 in Berlin mit Hans Rosbaud am Pult der Staatskapelle für Columbia aufgezeichnet und trifft voll und ganz den Nerv der Musik. Pianist und Dirigent gelingen ein organisches Musizieren, das fällt sofort im Umgang mit dem Tempo auf. Die mit animato bezeichnete Stellen gelingen dem Pianisten wie elektrisierend. Rosbaud achtet immer genau auf ein transparentes Klangbild, so z. B. auch in den ersten Takten des zweiten Satzes. Das Finale wird mit viel Drive gespielt. Am Ende wird die Trompete nicht demonstrativ, wie so oft, herausgestellt. Trotz des Alters klingt die Aufnahme nicht kompakt. Diese interpretatorische Höhe erreicht die zweite Einspielung mit Herbert von Karajan am Pult des Philharmonia Orchesters nicht. Die Ursache liegt darin, dass der Dirigent Griegs Musik vorführt, wie sie seiner Meinung nach gespielt werden sollte. So klingt das Orchester gleich zu Beginn (T. 16/17) aufgeplustert, sehr bedeutend. Karajan lässt insgesamt langsamer spielen, schafft damit jedoch nicht die Spannung der älteren Aufnahme. Er vermag nicht den Zusammenhang zu kreieren, wie dies Rosbaud gelang.

Claudio Arrau

Sehr viele Musikfreunde verbinden den Namen Arrau mit Beethoven oder Brahms, wissen jedoch nicht, dass er auch ein veritabeler Anwalt des Grieg-Klavierkonzerts war. Mit Arrau habe ich drei Aufnahmen verglichen. Die erste wurde 1957 in London mit Alceo Galliera am Pult des Philharmonia Orchesters erstellt. Hier wird der Notentext genau umgesetzt, ein kurzes Beispiel aus dem ersten Satz: Arrau stellt die Takte 53/54 (leiser) gegen die folgenden Takte 55/56 (lauter), auch bei der Wiederholung in der Reprise, weitere Beispiele könnten folgen. Auch der Dirigent hat eine genaue Vorstellung vom Werk und setzt sie um. Es kommt zu einem erfüllten organischen Musizieren, vielleicht auch deshalb, dass man sich Zeit lässt. Zu Beginn des zweiten Satzes werden die Stimmführungen der Streicher genau herausgestellt, ohne mit dem Zeigefinger darauf zu weisen. Das schafft Atmosphäre. Die spürt man auch im Mittelteil des Finales, wenn die Zweiunddreißigstel der Geigen und Bratschen (dicht am Steg zu spielen) sich beglückend der Flöte nähern. In der Kadenz des Kopfsatzes bringt Arrau bei Tempo 1 die drei Ebenen gut heraus. Dies gelingt ihm auch in seiner zweiten Aufnahme, die jetzt nach dem Wechsel zum Philips-Label mit dem Concertgebouw-Orchester und dem jungen Christoph von Dohnanyi eingespielt wurde. Außer dem etwas runderen Klangbild sowie dem etwas herausgehobenen Klang des Solo-Cellos ist sie der Vorgänger-Aufnahme ähnlich. Die dritte und letzte Aufnahme entstand ebenfalls für Philips mit dem Boston Symphony Orchestra und Colin Davis am Pult. Dieser, ein gelernter Klarinettist, holt die Bläser, vor allem das Holz, mehr nach vorn. Arrau versieht sein Akkord-Spiel mit noch etwas mehr Nachdruck, rückt die Musik so aber in die Nähe von Brahms, der beabsichtigte jugendliche Schwung geht verloren. Auch Davis setzt die Musik im Adagio mehr unter Druck als seine Kollegen.

Svjatoslav Richter

Richter steht mit drei unterschiedlichen Aufnahmen in meinem Regal. Die älteste ist ein Konzertmitschnitt aus Moskau mit den dortigen Philharmonikern und ihrem Chefdirigenten Kyrill Kondraschin aus dem Jahre 1964. Der Pianist spielt nachdenklich und dann wieder stürmisch mit viel passionato, z. B. im Finale. Immer wieder erhöht er blitzschnell die Spannung um sie dann wieder zu lösen, so z. B. im zweiten Satz T. 33 ff. oder T. 43 ff. Richter und Kondraschin verleihen dem Konzert ein individuelles Gepräge. Der Mitschnitt klingt hell und transparent. Das Blech kommt in ff-Akkorden leicht verzerrt aus den Lautsprechern. Wie in vielen anderen Aufnahmen auch zu beobachten, können sich Begleitfiguren vor allem der Bläser nicht immer wie vorgesehen durchsetzen. Das Publikum schien vom Vortrag gefesselt zu sein und verhält sich äußerst konzentriert. Auch mir gefällt diese Aufnahme mit Richter am besten. Vier Jahre später entstand ein zweiter Mitschnitt aus Bergen mit dem dortigen Sinfonie-Orchester. Am Pult steht Richters Landsmann und zeitweiliger Violinbegleiter David Oistrach, der inzwischen auch als Dirigent auftritt. Diese Interpretation besitzt weniger Spannung, sie ist ordentlich, ohne besondere Akzente zu setzen. Im Adagio will sich eine Notturno-Stimmung nicht einstellen. Auch die folgende Studio-Produktion mit dem Orchester der Oper von Monte Carlo unter Leitung von Lovro von Matacic kann nur mit einem besseren Klangbild aufwarten, interpretatorisch jedoch bleibt sie zu gepflegt, was beim Grieg-Konzert keineswegs ausreicht.

Georges Cziffra

Der ungarische Pianist konnte sich erst spät im Westen bekannt machen. Immer wieder kritisiert wurde seine Exzentrik, die dem jeweiligen Werk Gewalt antun konnte. Ohne Frage jedoch stand seine frappante Virtuosität. Das zeigt sich auch in den beiden Aufnahmen des Grieg-Konzerts, die im Abstand eines Jahres entstanden. Die ältere stammt aus einem Londoner EMI-Studio, am Pult des Philharmonia-Orchesters stand André Vandernoot. Cziffra beginnt eigentlich so, wie es in den Noten steht, aber bei der nächsten Stelle, die seine Virtuosität lockt, greift er kräftig zu. Hier und da kommt es auch zu kürzeren Textvarianten. Besonders deutlich wird es in der Kadenz des ersten Satzes, in der er bei der chromatisch fallenden Oktav-Passage, rasend schnell vorgetragen, die linke Hand nachschlagen lässt. Warum war das Grieg nicht eingefallen? Auch am Ende der Kadenz bringt er noch eigene Ideen ein. Ein Jahr später stellte er sich mit diesem Konzert in Paris dem Publikum; am Pult des Orchestre National stand der hier wenig bekannte Georges Tzipine. Seltsamerweise verzichtet Cziffra jetzt auf die zuvor beschriebenen Eigenwilligkeiten und spielt viel näher am Notentext. Der zweite Satz wird vom Orchester bewegter vorgetragen, aber auch unruhiger, es ist kein Nocturne. Erst wenn sich der Pianist einbringt, wandelt sich die Stimmung und es wird der Poesie Raum gegeben. Ähnliches hört man im Mittelteil des dritten Satzes.

Arturo Benedetti Michelangeli

Als Benedetti Michelangelis Paradepferd unter den Klavierkonzerten galt das Konzert von Edward Grieg, dass er immer wieder aufführte. Zahlreiche Mitschnitte, viele zweifelhafter Herkunft, sind auf dem internationalen Markt greifbar. Leider entspricht ihre technische Seite in keiner Weise dem sehr hohen Niveau, mit dem sich der wählerische Pianist diesem Konzert näherte. Aus dieser Sicht ist es schade, dass es neben der frühen Aufnahme mit Galliera keine Studio-Produktion einer seriösen Firma aus den 1960er/70er Jahre gibt. Die für mich einzig gültige Aufnahme entstand in London mit Frühbeck de Burgos am Pult. Hier erleben wir einen feurig agierenden Pianisten, der sich in der Kadenz wie ein Hexenmeister kreiert, dass ist Futter fürs Publikum im Saal der Royal Festival Hall. Das Orchester ist von der BBC nicht optimal eingefangen worden, worunter vor allem die Bläser leiden. Im Adagio nimmt ABM ab T. 29 die Vierundsechzigstel-Girlanden der rechten Hand sehr schnell und mit hohem Fingerdruck, so spielt kein anderer diese Stelle. Zuletzt das Finale: In den Eckteilen erleben wir einen furiosen Pianisten, der vom Tempo her alle anderen in den Schatten stellt, Frühbeck de Burgos hat Mühe mit dem Orchester den Anschluss zu halten. Das Thema selbst wird bei diesem Tempo weniger differenziert dargeboten.

eingestellt am 17. 12. 2021

ergänzt am 02. 05.2022

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