Das Klassik-Prisma |
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Bernd Stremmel |
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Sinfonie Nr. 45
fis-Moll „Abschieds-Sinfonie“
Allegro assai – Adagio – Menuetto, Allegretto, Trio – Presto, Adagio
Die Literatur
Haydn-Sinfonien betreffend ist wohl nirgends so umfangreich wie bei
vorliegender fis-Moll-Sinfonie, die heute unter dem Namen „Abschiedssinfonie“
oder im englischsprachigen Bereich „Farewell“ bekannt
ist. Der Anlass für die Komposition aus dem Herbst des Jahres 1772 muss als
bekannt vorausgesetzt werden, allerlei Anekdoten ranken sich um das Werk, die
vermutlich auf Haydns ersten Biographen zurückgehen, Georg August Griesinger (Biographische Notizen über Joseph Haydn,
Leipzig 1810), der noch mit dem alten Haydn im Kontakt war. Griesinger
beschreibt auch das Ende der Sinfonie, wenn ein Musiker nach dem anderen nach
Beendigung seines Parts die Kerze löscht und die Bühne verlässt. Auch ohne
diese pantomimische Szene wird Fürst Esterhazy, der auch ein ausgebildeter
Musiker war, bereits während der Darbietung der Sinfonie bemerkt haben, dass
diese nicht dem entsprach, was er bisher von seinem Kapellmeister gehört hatte:
Das zweite Thema des ersten Satzes erscheint nur einmal, jedoch nicht in der
Exposition, sondern – ganz ungewöhnlich – am Ende der Durchführung. Auch wird
ihm aufgefallen sein, dass die Reprise eigentlich keine ist, sondern eine
Fortsetzung der Durchführung. Mit diesem Verlassen der herkömmlichen Form ging
Haydn weit über das gewöhnliche hinaus. Auch in späteren Sinfonien wagte er
dieses Extrem nicht noch einmal. Ungewöhnlich sind auch die messerscharfen
Dissonanzen zwischen erster und zweiter Violine (zusätzlich durch sf
hervorgehoben) in den Takten 50-53 sowie 189-192, die auf den Hörer wie
Aufschreie wirken sollen/können. Die Musik dieses Satzes ist in ihrer
Verarbeitung jedoch einfallslos, immer wieder bringt Haydn das Eingangsthema,
nur in anderen Tonarten, in Abweichungen, kaum eine Abwechslung. Sollte dies
eine Anspielung auf die seit Monaten tägliche Arbeit der Musiker auf Esterhazy
gemeint sein? Nur wenige Kapellmeister haben entdeckt, dass der 1. Satz im forte beginnt, für die Reprise (T. 142
ff.) jedoch fortissimo vorgesehen
ist. Meinte Haydn, dass hier nochmals eine Steigerung nötig sei? Nur wenige
Dirigenten übernehmen diese Lesart: Lehmann, Scherchen, Harnoncourt und Antonini.
Der langsame Satz in der
parallelen Tonart A-Dur ist der längste dieser Sinfonie. Die Musik folgte der
Sonatenform; durchgehend müssen die Violinen mit Dämpfer spielen, was ihr etwas
Entrücktes verleihen kann. Jedoch gibt es immer wieder „Störungen“ in entfernte
Tonarten, wie Gis-Dur in den Takten 108/109, oder verminderte Akkorde, darunter
einen, den man mit Ais in Verbindung bringen könnte (T. 162/163). Der kundige
Haydn wusste, dass solche Stellen ihre Wirkung nicht verlieren, auch wenn sie pp gespielt werden. Oboen und Hörner
werden nur spärlich eingesetzt, mehr jedoch im recht merkwürdigen Menuett: Im
ersten Abschnitt (12 Takte) klingen die beiden letzten Takte so, als wären sie
die Umkehrung von (nicht vorhandenen) Anfangstakten. Auch am Ende des zweiten
Abschnitts ist dies so, damit fehlt diesem Satz ein richtiger Abschluss, eine
Anspielung auf „Ende offen?“
Der Presto-Teil des
Finalsatzes (fis-Moll) unterliegt auch der Sonatenform, furios wirbelt die
Musik nur so dahin. Schneidende Reibungen bei den Hörnern verleihen der Musik
höchste Dringlichkeit. Das Adagio (A-Dur) ist Haydns Meisterstück in Bezug auf
reduzierendes Komponieren: In drei Abschnitten, die selbst immer kürzer werden,
verringert sich die Zahl der Musiker,
nur zwei Violinen schaffen es bis zum Schluss.
Sehr interessant ist,
dass Haydn für diese Sinfonie in der höchst ungewöhnlichen Tonart fis-Moll bei
dem Wiener Blas-Instrumentenbauer Joseph Stärzer ein
neues Horn bestellte, das um einen halben Ton tiefer als das gebräuchliche
G-Horn gestimmt war. G klingt dort
wie fis und
c wie h, so verwundert es kaum, dass Haydn in zeitlicher Nachbarschaft
zur vorliegenden Sinfonie in fis-Moll eine in H-Dur verfasste (Nr. 46), in der
auch dieses neue Horn Verwendung findet.
Da im Continuo kein Cembalo eingesetzt ist, wie sonst üblich,
lässt sich vermuten, dass Haydn die Aufführung vom Pult des Konzertmeisters
leitete. Hartmut Haenchen ist jedoch der Meinung, ein
Cembalo gehöre dazu.
Die Zeit, in der
diese kühne Sinfonie entstand, war Haydns Sturm-und-Drang-Periode. Sie ist
gekennzeichnet durch eine leidenschaftliche Musiksprache und gewagte,
ungewöhnliche Harmonien. Bei den Sinfonien fallen darunter die Nummern 35 bis
etwa Nr. 55.
Die Beachtung der
Wiederholungen wird unterschiedlich gehandhabt, lediglich im Menuett samt Trio
werden in den hier untersuchten Aufnahmen alle gespielt, nach dem Trio meist
jedoch ohne. Nur HIP- Interpretationen spielen auch diese. Außer von Scherchen
wird auch die Wiederholung des Presto-Abschnitts im Finale gebracht. Bei den
beiden ersten Sätzen sieht es jedoch unterschiedlich aus, die Partitur sieht
für jeden Satz zwei Wiederholungen vor. Wie die Dirigenten damit umgehen, habe
ich im Kommentarfeld vermerkt.
Interpretationen nach historisch-informierter
Aufführungspraxis mit Originalinstrumenten
5 |
Christopher
Hogwood |
The Academy of Ancient
Music |
Decca |
1993 |
31‘56 |
|||
|
I WW,
A. assai, jedoch nicht an der oberen Grenze, Thema deutlicher, II WW,
präsenter Klang mit Espressivo, IV im Presto an einigen Stellen
Stimmführungen nicht immer ganz deutlich (Achtel-Noten zu viert), Adagio eher
im Andante-Tempo |
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5 |
Jos
van Immerseel |
Anima Eterna |
ZigZag |
2003 |
23‘52 |
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|
in der
Besetzung von Schloss Esterhazy aufgenommen: 12 Musiker, je 2 Oboen und 2
Hörner, 4 Violinen, 1 Bratsche und Continuo (1
Cello, 1 Kontrabass und 1 Fagott), die schafft äußerste Transparenz – I W -,
zweites Thema solistisch, II W -, Andante |
|||||||
5 |
Trevor
Pinnock |
The
English Concert |
DGG |
1989 |
25‘07 |
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|
I W -,
Bläser haben höheren Stellenwert, Streicher Takt 163-168 leiser, II W -,
Andante con moto, Pinnock sorgt für abwechslungsreiche Darbietung, III
stärkere dynamische Gegensätze, im Klang etwas rauer, IV Adagio anfangs noch
mit Orchester, später solistisch |
|||||||
5 |
Frans
Brüggen |
Orchester
des 18. Jahrhunderts |
Philips |
1998 |
24‘26 |
|||
|
I W -,
temperamentvoll, zielstrebig nach vorn, 2. Thema etwas langsamer, II W -,
locker, aufmerksame Darstellung, IV farbiges Presto, Adagio: klar
differenziert – sehr gute Transparenz und Balance |
|||||||
5 |
Nikolaus
Harnoncourt |
Concentus Musicus |
Teldec |
1992 |
31‘10 |
|||
|
alle W,
I aufgewühlt, scharfe Dissonanzen, schmerterfüllt,
das zieht sich bis in den 2. Satz, 2. Thema etwas langsamer, im Thema Takt 3
die ersten beiden Viertel gebunden, II Andante, III Allegro assai, Trio
langsamer, wie ein Lichtblick, IV Presto furioso, Adagio als Andante, farbig |
|||||||
5 |
Giovanni
Antonini |
Il Giardino Armonico |
Alpha |
2020 |
27‘29 |
|||
|
I WW,
stürmisch, drängend, mit Nachdruck, fast schon ruppig, 2. Thema langsamer, II
WW, aufmerksame Darstellung, ruhig, gelassen, III Allegro als Kontrast, IV
Presto wie Satz 1 |
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|
||||||||
4-5 |
Roy
Goodman |
The Hanover Band |
hyperion |
1990 |
27‘19 |
|||
|
I WW,
A. assai, Spiel immer nach derselben Art, ohne Abwechslung, W -, sehr ruhig,
empfindsam, zweite Satzhälfte mit mehr Spannung, III farbig, Allegro, IV sehr
leicht genommen, Violine im Klangbild etwas nach vorn gerückt, geheimnisvolle
Stimmung T. 205-212 |
|||||||
4-5 |
Derek
Solomons |
L’Estro Armonico |
CBS |
P 1985 |
32‘10 |
|||
|
I WW,
herausstechende sf, II WW, sehr
ruhig, III gepflegt, IV Adagio solistisch |
|||||||
Die hier aufgeführten
HIP-Interpretationen unterscheiden sich bei ihrer Ausführung nicht
wesentlich. Alle erfreuen mit einer sehr guter Balance und Transparenz. Interpretationen nach historisch-informierter
Aufführungspraxis mit modernen Instrumenten |
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5 |
Thomas
Fey |
Schlierbacher Kammerorchester |
hänssler |
P 1999 |
32‘10 |
|||
|
Naturhörner,
I WW, akzentuiertes Musizieren, scharfe dynamische Gegensätze, zweites Thema langsamer,
ruhender Pol, II WW, empfindsam, III Allegro molto, IV energisches Presto,
Adagio mit einem Lächeln |
|||||||
5 |
Charles
Mackerras |
Orchestra
of St. Luke’s |
Telarc |
1988 |
34‘14 |
|||
|
I WW, con fuoco, zweites
Thema modelliert, insgesamt jedoch etwas geglättet, II WW, leicht, aber mit
Schwermut belastet, IV energisches Presto, Adagio ohne gefühlsmäßige Drücker |
|||||||
5 |
Alexander
Liebreich |
Münchner
Kammerorchester |
ECM |
2007 |
26‘14 |
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|
I W -,
2. Thema anfangs solistisch, II WW, aufmerksames Miteinander, IV spritziges Presto, Oboe hier zu leise,
gestaltetes Adagio – sehr transparentes und farbiges Klangbild |
|||||||
5 |
Hartmut
Haenchen |
Kammerorchester
„Carl Philipp Emmanuel Bach“ |
Berlin
Classics |
P 1992 |
24‘53 |
|||
|
I W -,
pointierte Dramatik, ausdrucksstark, 2. Thema etwas langsamer, II W -,
Andante, aufmerksame Gestaltung, IV Presto, zugespitztes Musizieren, beim
Adagio anfangs kein p |
|||||||
5 |
Jesus
Lopez-Cobos |
Kammerorchester
Lausanne |
Denon |
1992 |
25‘25 |
|||
|
großer
Streicher-Apparat, I WW, energisch, deutliche sf T. 50-54 und 189-192, II W -, liebevoll modelliert, IV spritziges Presto, hier wünschte man
sich mehr piano |
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|
||||||||
4-5 |
Bruno
Weil |
Tafelmusik |
Sony |
1993 |
26‘24 |
|||
|
I W -, con fuoco, II W -, die vielen
Achtel-Vorschläge deutlicher als bei Kollegen, etwas weniger Spannung, III im
Klang etwas rauer, IV Presto mit Theatralik – Aufname
mit größerem Streicher-Apparat |
|||||||
4-5 |
Manfred
Reichert |
Ensemble
13 Baden-Baden |
DHM Electrola |
P 1977 |
24‘29 |
|||
|
Aufnahme
aus der Anfangszeit der HIP-Bewegung, noch auf der Suche nach dem richtigen
Klang und einer gemäßen Ausführung, philharmonischer Hintergrund (SWF
Sinfonie-Orchester) scheint noch durch, sorgfältig erarbeitet, I W -, weniger
assai, II - -, Andante, IV eher
Allegro molto als Presto, Adagio im Andante-Tempo |
|||||||
4-5 |
Adam
Fischer |
Österreich-Ungarisches
Haydn-Orchester |
Nimbus Brilliant |
1988 |
26‘09 |
|||
|
I WW,
wie bei Dorati-70 werden beim Motiv in T. 3 die beiden ersten Viertel gebunden,
II - -, empfindsam, III entspanntes Musizieren, IV P: ausgelassen, A: klar
differenziert – gute dynamische Differenzierung, etwas komprimiertes Klangbild |
|||||||
4-5 |
Katrin
Scholz |
Kammerorchester
Berlin |
Berlin
Classics |
2003 |
25‘41 |
|||
|
I WW,
nicht das Extreme suchend, 2. Thema langsamer, II - -, Andante, empfindsam,
III anmutig, IV P: Prestissimo, hektisch, A: im freundlichen Ton, Andante |
|||||||
|
||||||||
3-4 |
Helmut
Müller-Brühl |
Kölner
Kammerorchester |
Naxos |
1997 |
26‘09 |
|||
|
am
Notentext entlang musiziert, Streicher ohne Feinschliff, Dynamik eher nach
Gusto, I W -, ungestüm. T. 44-50 tiefe Streicher nicht gebunden, T. 60 ff.
Bass zu leise, II W -, etwas zu gleichförmig, ohne Fantasie, T. 46-52 tiefe
und hohe Streicher spielen nebeneinander her, statt miteinander, III es tut
sich wenig, IV anfangs zu laut |
|||||||
Interpretationen in herkömmlicher Art |
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5 |
|
Orpheus
Chamber Orchestra |
DGG |
1988 |
27‘13 |
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|
I W -,
stürmisch noch vorn, 2. Thema wie eine ferne Insel des Glückes, II W -, fast
wie erstarrt, III Hörner im Trio bewusst lustlos, IV aus dem Presto spricht
Verzweiflung – eine bemerkenswerte Interpretation, die m. E. Haydns Absichten
genau trifft, über allen Sätzen liegt ein Schleier der Schwermut, bis zum
letzten Ton, für mich die beste Aufnahme dieser Sinfonie |
|||||||
5 |
Fritz
Lehmann |
Berliner
Philharmoniker |
DGG forgotten records |
1954 |
23‘55 |
|||
|
I - -,
aufgewühlt, 2. Thema im Tempo, überzeugende Lesart, II - -, spannungsvoll, IV
Tempogegensatz bestens herausgearbeitet – Lehmanns Stilbewusstsein hebt diese
Interpretation heraus, sehr gute dynamische Differenzierung, ebenso Balance
und Transparenz |
|||||||
5 |
Antal
Dorati |
London Symphony Orchestra |
Mercury forgotten records |
1961 |
28‘26 |
|||
|
I W -, II - - ▼ |
|||||||
5 |
Antal
Dorati |
Philharmonia Hungarica |
Decca |
1970 |
25‘59 |
|||
|
I W -, II - - ▼ |
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|
||||||||
4-5 |
Hans Rosbaud |
Berliner
Philharmoniker |
Electrola hänssler |
1958 |
24‘44 |
|||
|
I W -,
streng, objektiv, II - -, Rosbaud lenkt den Blick
auf die vielen harmonischen Wendungen,
beschaulich, Geigen T. 11 und 34 nicht legato, IV P: sachlich, A:
könnte etwas leiser sein – insgesamt sachlich, objektive Darstellung mit
Höhepunkt im 2. Satz |
|||||||
|
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4 |
Willem
van Otterloo |
Residenz
Orchester Den Haag |
DGG Challenge |
1962 |
22‘12 |
|||
|
die
beiden ersten Sätze ohne Wiederholungen - I moderates Tempo, ausgewogen, ohne
Druck, II ruhig gelassen, wache Aufmerksamkeit, III Trio: Horn T. 53/55 non legato
(Haydn legato), IV moderates Presto, kein p
im Adagio, solide |
|||||||
4 |
Istvan
Kertesz |
Bamberger
Symphoniker |
RCA Classica Licorne |
~ 1965 |
27‘42 |
|||
|
I W -,
nur Allegro, objektiv, sachlich, II - -, Espressivo,
romantisierend, III etwas behäbig, kein richtiges p, IV Streicher im Presto etwas rau, Bläser zu sehr integriert
(philharmonische Spielweise) |
|||||||
4 |
Hermann
Scherchen |
Orchester
der Wiener Staatsoper |
Westminster DGG |
1958 |
22‘11 |
|||
|
in den
beiden ersten Sätzen sowie im Finale keine Wiederholungen – I kräftig,
zupackend, jedoch etwas zu gewichtig, 2. Thema langsamer, II hier viel
lockerer, III Bläser eher integriert als herausgehoben, IV philharmonischer
Stil, Adagio: jeder Solist verabschiedet sich noch Beendigung seines Parts
mit „Auf Wiedersehen“, zusätzlich leise (gewollte) Bühnengeräusche |
|||||||
|
||||||||
3 |
Benjamin
Britten |
Aldeburgh Festival Orchestra |
Decca |
1956 |
24‘04 |
|||
|
live, I
W -, aufgewühlt, raue Streicher, 2. Thema langsamer, II - -, empfindsam,
ausdrucksvoll, IV P: hier stößt das Orchester an seine Grenzen, Bläser setzen
T. 69 ein, einen Takt zu früh, A: Intonationsmängel – etwas eisiger Klang,
jedoch mit Transparenz, Bläser in Tutti-Abschnitten zu sehr integriert,
ad-hoc-Orchester etwas amateurhaft, wurde genügend geprobt?, nur ein
Britten-Dokument |
|||||||
Hinweise zu Interpreten und Interpretationen
Antal Dorati
Bevor Dorati mit
seiner Gesamtaufnahme aller Haydn-Sinfonien begann, hatte er sich schon beim
Label Mercury durch gute Interpretationen ausgewählter Sinfonien Haydns einen
Namen gemacht, darunter war auch die Sinfonie Nr. 45. Damals leitete er das
London Symphony Orchestra, das noch in bekannter
philharmonischer Tradition aufspielte. Der erste Satz klingt hier zupackend,
mit klanglichen Schärfungen, beim 2. Thema wird, wie so oft, das Tempo etwas
zurückgenommen. Leider macht Dorati zwischen f und ff keinen Unterschied.
Für den zweiten Satz nimmt sich der Dirigent viel Zeit und lässt ausdrucksvoll
spielen. Der Beginn des Finales klingt aufgewühlt, das Adagio ist als Kontrast
jedoch sehr langsam, mit viel Ausdruck, geradezu zelebriert. Die neuere
Aufnahme, fast 10 Jahre später für Decca entstanden, mit der Philharmonia Hungarica, klingt in
allen Sätzen schneller, ausgenommen das Menuett mit Trio. Im Kopfsatz, aber
auch in den Folgesätzen, wird jetzt lockerer, weniger ernst musiziert. Auch das
2. Thema passt sich in den Fluss der Musik ein. Abweichend von der früheren
Aufnahme werden in Takt 3 die beiden ersten Viertel-Noten gebunden, auch an
allen späteren Stellen. Das entspricht nicht dem Notendruck, lediglich
Harnoncourt und Adam Fischer übernimmt diese Lesart. Die Presto-Einleitung im
Finale besitzt nun weniger Dramatik und klingt weniger düster als früher. Das
Adagio wird kaum zelebriert. Das Klangbild ist nun heller als beim LSO. Ich
meine, dass diese beiden gegensätzlichen Interpretationen entsprechend gewürdigt
sein wollen und ihre Berechtigung haben.
eingestellt
am 09.01.21