Das Klassik-Prisma |
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Bernd
Stremmel |
Streichquartett C-dur
op.76 Nr.3
„Kaiserquartett"
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Quatour Mosaïques |
Astrée |
2000 |
27‘22 |
5 |
Originalinstrumente
– sehr ausgewogen in den Stimmen, sehr differenziert, lebendiges Spiel,
großräumige Phrasierung, II V4 ein wenig lauter als die anderen Quartette |
Auryn Quartett |
Tacet |
2009 |
28‘10 |
5 |
Klang hat
viel Körper, I nicht so schnell, gewichtig, intensiv, II ganz klar, jede
Stimme für sich, vielleicht etwas steril, III schönes warmes Trio, IV prima
Zusammenspiel, technisch überlegen |
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Eder
Quartett |
Teldec |
1983 |
22‘49 |
4-5 |
I
intensiv, dichtes Klangbild, erinnert an Qu.Italiano,
nicht so schnell, II weich, mehr mit dem Herz als mit dem Kopf musiziert, IV
technisch weniger versiert als Auryn, warum nicht
etwas langsamer? |
Alban Berg
Quartett |
EMI |
1994 |
23‘23 |
4-5 |
I
gewichtiger als die frühere Aufnahme, II Var.3: Gespräch der beiden Geigen
neben der Cellostimme=alternative Sicht, III kein
Allegro, eher moderato, IV dichtes Klangbild, Stahlsaiten, vertiefter Zugang
zur Musik |
Takásc Quartett |
Decca |
1987 |
27‘07 |
4-5 |
I
homogener Klang, teilweise auch orchestral, musikantischer Ansatz, II warmer
Streicherklang, IV sehr vitales Spiel |
Pro Arte
Quartett |
EMI |
1934 |
24‘12 |
4-5 |
I plastisches
Musizieren, II Var.4 Vibrato Cello T.88ff etwas zu stark, III frisch
gespielt, IV nur Allegro, aber in sich stimmig |
Carmina
Quartett |
Denon |
1993 |
23‘40 |
4-5 |
musikantischer
Ansatz, I Cello nicht immer präsent, IV gute Lautstärkedifferenzierung, keine
Hektik, trotzdem flott |
Alban Berg
Quartett |
Telefunken |
P 1974 |
23‘52 |
4-5 |
I nicht so
gewichtig wie später, II sehr ausdrucksvoll, III Trio langsamer; IV eher die technische
Seite der Musik, Cello klingt in der Stille immer leise nach |
Prazák Quartett |
Praga |
1993 |
25‘02 |
4-5 |
I Tempo
etwas gebremst, Vl.1 T.47f punktierte Noten rhythmisch nicht immer scharf,
etwas spröder Klang, II alle Variationen legatissimo!, Anfangstempo ziemlich
gehalten |
Tokyo
String Quartet |
Sony |
1979 |
24‘58 |
4-5 |
Quartett
klingt sehr homogen, II Var.1 1.Viol. fast nur staccato?, Var.4 sehr
einfühlsam, III im Trio etwas breiterer Strich, IV schneidende Anfangsakkorde,
technisch nicht so makellos wie z.B. Emerson, jedoch mit mehr Saft |
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Endres
Quartett |
Telefunken |
~ 1959 |
20‘02 |
4 |
deutsche Quartetttradition, schöner 2.Satz |
Fine Arts Quartet |
Vox |
~ 1963 |
22‘40 |
4 |
etwas gepresstes
Klangbild, IV genauso schnell wie Amadeus-63, jedoch viel runder und
differenzierter |
Budapester
Streichquartett |
CBS/UA |
1954 |
21‘19 |
4 |
einige
dezente Portamenti, II Var.1 Viol.1 bedrängt Viol.2, IV Artikulation nicht immer
ganz deutlich, vor allem Viol.1 in schnellen Passagen |
Emerson Quartet |
DGG |
1988 |
23‘38 |
4 |
sehr
schlank, sehr wenig vibrato; Cello klingt in der Stille und bei Satzenden immer
leise nach, insgesamt zu wenig präsent; mehr mit dem Kopf als mit dem Herz
gespielt, irgendwie blutleer |
Amadeus
Quartett |
DGG |
1982 |
25‘21 |
4 |
im Klang
besser als 1963, I Lautstärkedifferenzierung könnte besser sein, II Var.4 Viol.1
ab 5.Takt etwas zu tief, insgesamt Intonation nicht top, IV gefällt am besten
von allen Sätzen |
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Amadeus
Quartett |
DGG |
1963 |
21‘04 |
3-4 |
sehr
heller, dünner, etwas disparater Klang, II Var.1 Viol.1 bemüht, IV abgeschnurrt,
atemlos, wenig differenziert, nicht immer deutlich |
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The
Lindsays |
resonance |
1987 |
29‘23 |
3 |
live –
Klang hat Körper, I Viol.1 hat stellenweise hörbar Mühe mit seinem Part, Intonation
nicht top, II von Variation zu Variation etwas langsamer, III rauh, IV in schnellen Passagen rauher
Klang, Intonationsunschärfen; Cello klingt in der
Stille immer leise nach; warum das auf CD? |
Wahrscheinlich
auf Grund seines Beinamens „Kaiserquartett", der wie so viele ähnlicher
Art nicht vom Komponisten stammt, sowie wegen des Themas des langsamen Satzes
ist das vorliegende C-dur Quartett op.76 Nr.3 zu
einem der bekanntesten Quartette des Vaters des Streichquartetts, ja darüber
hinaus eines der bekanntesten Werke dieses Genres überhaupt geworden.
Entsprechend oft wurde es auch von der Schallplatte berücksichtigt, nicht nur
gemeinsam mit seinen Geschwistern aus op.76, eher noch zusammen mit anderen
„Namensquartetten" des Meisters. Im Augenblick erscheinen, der
200.Todestag des Komponisten scheint der Auslöser zu sein, eine fast nicht mehr
zu überschauende Anzahl von Neuaufnahmen, sogar Gesamtaufnahmen der Quartette,
die teilweise noch nicht abgeschlossen sind. Die erste große Übersicht besorgte
in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das belgische Pro Arte
Quartett für His Masters Voice, insgesamt 29 Quartette wurden zwischen 1931
und 1938 aufgezeichnet, die bis vor kurzem noch in CD-Überspielungen lieferbar
waren. Die Interpretationen bewegten sich auf hohem bis sehr hohem Niveau.
Viele
Musikfreunde glauben Haydn-Quartette eher als leichte, noch nicht ganz
vollwertige Stücke abtun zu können, technisch gesehen und den musikalischen
Gehalt betreffend. Dabei kommt es darauf an, welches Stück sie im Fokus haben,
für manches frühe mag es zutreffen, am allerwenigsten jedoch für die mittleren
und späten Quartette, also auch für unser vorliegendes Werk. Dieses Stück
benötigt einen überragenden Primgeiger, besonders der 1.Satz ist aufgrund der
vielen schnell zu spielenden punktierten Sechzehntel sehr anstrengend. Manchen
Spielern älterer Quartettformationen hört man es an.
In der
zweiten Hälfte der Durchführung des 1.Satz entführt der Komponist die Zuhörer
in die Pusta: über einen Bordun
von Bratsche und Cello imitieren die beiden Geigen einige Takte lang rhythmisch
akzentuierte Klänge einheimischer Musikanten. Das Emerson Quartett weist mit
dem Zeigefinger auf diese Stelle. Der Satz klingt mit einem Presto aus, außer
bei Pro Arte. Direkt vor diesem Presto bringt Haydn noch eine kleine
zweiteilige Kadenz (T.103f) des 1.Geigers: gebrochene Akkorde enden jeweils in
einer Fermate, dann folgen noch beim ersten Mal eine Sechzehntel und eine
Achtel, beim zweiten mal zwei Sechzehntel. Nur Heinz Endres spielt das so wie
vorgesehen. Im 1.Satz sollen Exposition sowie Durchführung mit Reprise jeweils
wiederholt werden. Die 1.Wiederholung wir von allen gebracht, außer Budapester
Streichquartett, Endres Quartett und Amadeus Quartett-63. Die 2. Wiederholung
spielen nur das Takásc Quartett, The Lindsays, das Quatuor Mosaïques sowie das Auryn Quartett.
Der 2.Satz
ist ein vierteiliger Variationssatz über Haydns kurz zuvor entstandene Hymne
„Gott erhalte Franz den Kaiser". Dieser Satz ist sehr cantabel
gehalten, die Liedmelodie wird unverändert je einmal von den vier Instrumenten
nacheinander gespielt, während die anderen sie umspielen, in der 1.Variation
(Thema in der 2.Geige) wieder heikel die 1.Geige. Da Haydn hier nicht bis zum
Ende Bindebögen eingetragen hat, fällt die Artikulation in allen Aufnahmen
abweichend aus, bei vielen spielt der Primgeiger mehr staccato als legato. In
der 2.Variation trägt das Cello das Thema vor, in der 3. die Bratsche und zum
Schluss die 1.Geige. Bemerkenswert hier die Dichte des Ausdrucks, nach der
ersten Liedzeile lässt der Komponist alle Instrumente eine Oktave höher
weiterspielen, zum Ende fügt er noch eine viertaktige Coda hinzu, wobei die
1.Geige nicht den Grundton g sondern die Terz h spielt. Deutlich zu vernehmen
bei Takásc, Fine Arts,
Tokyo, Lindsays, leise aber auch deutlich bei Alban Berg-Tel, Auryn, Endres, Amadeus, Carmina, sehr leise bei Budapester,
Alban Berg-EMI und Prazak, klar aber ohne Geheimnis
bei Emerson und tremolierend, gejammert bei Amadeus-82.
Der 3.Satz
ist ein Menuett im Tempo eines Allegros, nicht alle
Quartette halten sich an diese Vorgabe und spielen ein wenig langsamer:
Budapester, Alban Berg-EMI. Auch das Trio sollte im Tempo des Menuetts bleiben,
auch hier verlangsamen einige Formationen das Tempo: Alban Berg-Tel, Eder,
Tokyo.
Auch gibt es
Abweichungen von Haydns vorgesehener Artikulation: im ersten Takt – Auftakt
nicht mitgezählt – bindet Haydn alle drei Viertel in der 1.Violine zusammen,
ebenso im sechsten Takt, im 33 Takt. Bei einer ganzen Anzahl von Quartetten
setzt jedoch der Primgeiger die dritte Viertel ab, wie es an anderer Stelle des
Satzes vom Komponisten so vorgesehen ist, z.B:
Amadeus, Takács, Prazak.
Die beiden Wiederholungen im Menuett werden immer befolgt, außer bei Amadeus-63
und Endres, die die zweite weglassen. Im Trio spielen alle außer Endres beide Widerholungen.
Das Finale
ist ein schnelles Presto, das Tempo richtet sich nach den vielen
Achtel-Triolen, die keinesfalls verwischt werden dürfen. Das Endres-Quartett
bringt auch hier wieder eine Abweichung von Haydns Arikulationsvorschrift:
zu Beginn im 3 und 7 Takt setzt de 1.Geiger wie im Menuett den dritten Ton ab,
in der Reprise folgt er dem Notentext.
Der Satz ist
monothematisch in Sonatensatzform verfasst, wobei die Exposition wiederholt
werden sollte. Pro Arte, Budapester, Amadeus-63, Fine Arts,
Endres und Tokyo verzichten darauf. Wie auch schon beim Kopfsatz zeignet sich auch dieser durch Klangfülle und orchestrale
Tiefe aus.
eingestellt
am 05.01.10