Das Klassik-Prisma |
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Bernd Stremmel |
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Der fliegende Holländer – Ouvertüre
Die Ouvertüre zu Wagners erster Erfolgsoper „Der fliegende Holländer" ist dem Genre der Potpourri-Ouvertüre zuzurechnen, in der wichtige Melodien aus Arien und Szenen gegenübergestellt und miteinander verbunden werden. So wird der Opernbesucher schon mit ihnen vertraut gemacht und auf das Folgende vorbereitet. Wagner bedient sich im Wesentlichen der Sturmmusik, dem Chor der norwegischen Matrosen ("Steuermann, lass die Wacht!") und vor allem Teilen aus Sentas Ballade ("Johohoe" und "Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden..."). Darüber hinaus entwickelt Wagner aus den ersten vier Noten der Stelle "Ach, wann wirst du..." aus der Sentaballade ein chromatisches Motiv aus drei fallenden Noten, zum erstenmal eingebracht ab T. 121. Diese Motiv steht für das Sehnen nach Erlösung des Holländers (durch Senta). Das Sehnen nimmt in einigen Werken Wagners eine zentrale Rolle ein, im Parsifal, vor allem aber im Tristan, wo im 3. Akt der Titelheld erschöpft und resignierend von sich gibt "mich sehnen und sterben!" Im Holländer verbindet sich das Sehnen hauptsächlich mit Motiven aus Sentas Ballade. gewinnt im Laufe der Ouvertüre an Intensität und greift auch auf andere Motive über.
Wie die gesamte Oper hat auch die Holländer-Ouvertüre anlässlich von Aufführungen in verschiedenen Städten Umarbeitungen erfahren. Heute hat sich die Spätfassung von 1860 durchgesetzt. Dem Dirigenten Thomas Dausgaard haben wir es zu verdanken, diese Fassung zusammen mit der Pariser Erstfassung von 1841 auf einer CD nebeneinander vergleichen zu können. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden ist die Gestaltung des Finales ab T. 347. Nach dem bald formulierten Schluss in der Erstfassung nimmt Wagner später bereits die Erlösung des Holländers durch Sentas Opfertod vorweg. Das kurze verklärende Finale auf der letzten Partiturseite erinnert - an Isoldes Liebestod, Tristan und Isolde war ein Jahr zuvor beendet worden.
Paray |
Detroit Symphony Orchestra |
Mercury |
1960 |
9‘41 |
5 |
immer das Ganze im Blick, kaum Rubati |
Solti |
Wiener Philharmoniker |
Decca |
1961 |
10‘25 |
5 |
das wagnerische Sehnen gut herausgearbeitet, Sinn für Proportionen, saftiger Klang |
Monteux |
Orchestre National Paris |
M&A |
1955 |
9‘13 |
5 |
live – lebendige, spannungsvolle Darbietung, sehr gute Dynamik |
Horenstein |
Royal Philharmonic Orchestra London |
Chesky |
1962 |
10‘09 |
5 |
überzeugende Darstellung, Partitur in allen Facetten zum Klingen gebracht |
Jochum |
Sinfonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks |
BR |
1958 |
11‘03 |
5 |
sehr gute Umsetzung der Partitur, Blick immer auch auf Details |
Norrington |
SWR Sinfonie-Orchester Stuttgart |
SWR |
2010 |
10‘45 |
5 |
live, unveröffentlicht – kontrastreiches, deutliches Musizieren, auf Vibrato wird nicht ganz verzichtet, überzeugend, sehr guter Klang |
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Karajan |
Berliner Philharmoniker |
EMI |
1960 |
10‘55 |
4-5 |
deutliches und auch stimmungsvolles Musizieren, con brio, ziemlich nahe bei Wagner |
Cluytens |
Orchester der Pariser Oper |
EMI Testament |
1959 |
10‘36 |
4-5 |
werkgetreue, stringente Darstellung, helles Klangbild (französ. Holz und Blech) |
Dausgaard |
Schwedisches Kammerorchester |
BIS |
2012 |
9‘36 |
4-5 |
HIP-Interpretation, schlank, stringent, Piccolo-Flöte nicht vergessen |
Kempe |
Berliner Philharmoniker |
EMI Testament |
1956 |
11‘13 |
4-5 |
ganz nah am Werk, ziemlich überzeugend |
Kleiber, Erich |
Staatskapelle Berlin |
Polydor |
1928 |
9‘34 |
4-5 |
soweit man das dem historischen Klangbild entnehmen kann, bietet Kleiber eine spannungsvolle (aufgewühlte See) und werkgerechte Umsetzung der Partitur, GP in T. 321 weggeschnitten (Plattenwechsel) |
Klemperer |
Philharmonia Orchestra London |
EMI |
1960 |
10‘40 |
4-5 |
deutliches Musizieren, ein wenig mehr Tempo hätte den dramatischen Vortrag noch geschärft |
Koussevitzky |
Boston Symphony Orchestra |
RCA UA |
1947 |
10‘18 |
4-5 |
sehr gute Darstellung, leider nur eindimensionaler, auch etwas stumpfer Klang |
Böhm |
Orchester der Bayreuther Festspiele |
DGG |
1971 |
10‘23 |
4-5 |
live – lebendig gestaltete Theatermusik |
Walter |
British Symphony Orchestra |
EMI History |
1926 |
9‘58 |
4-5 |
lebendig, stringent, viel wagnerisches Sehnen, historisches Klangbild |
Abendroth |
Berliner Philharmoniker |
EMI |
1938 |
8‘34 |
4-5 |
sehr nahe an der Partitur, ziemlich überzeugend, leider befriedigt die klangliche Seite der Aufnahme wenig, zeitbedingte Portamenti der Streicher |
Solti |
Chicago Symphony Orchestra |
Decca |
1976 |
10'53 |
4-5 |
klingt etwas artifizieller als die frühere Wiener Produktion, jedoch ohne zusätzlichen Gewinn |
Konwitschny |
Tschechische Philharmonie Prag |
Supraphon |
1960 |
10‘25 |
4-5 |
für eine Spitzenaufnahme fehlt der letzte Schliff |
Caetani |
Robert Schumann Philharmonie Chemnitz |
Arts |
2000 |
10‘39 |
4-5 |
auch mit kleinerem Streicherapparat lässt sich bei kluger klanglicher Disposition ein hervorragendes Ergebnis erreichen, wagnerisches Sehnen |
Janowski |
Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin |
Pentatone |
2010 |
10‘27 |
4-5 |
live – spannungsvolle Umsetzung der Partitur |
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||||||
Furtwängler |
Wiener Philharmoniker |
EMI |
1949 |
11‘20 |
4 |
Holländer im Stil des späteren Wagner musiziert, Aufnahme anfangs übersteuert, Schelllackaufnahme |
Kraus, Richard |
Orchester der Bayreuther Festspiele |
Acanta |
1942 |
10‘08 |
4 |
stringentes Musizieren, bereits transparentes Klangbild aus dem verdeckten Bayreuther Graben |
Karajan |
Berliner Philharmoniker |
EMI |
1974 |
11‘40 |
4 |
im Gegensatz zu der früheren Aufnahme aufgeplustertes Klangbild , jedoch ohne zusätzlichen Gewinn, weniger stringent |
Levine |
Orchester der Metropolitan Oper New York |
Sony |
1994 |
12‘06 |
4 |
gute Darstellung eines erfahrenen Opernkapellmeisters |
Szell |
New York Philharmonic Orchestra |
CBS UA |
1954 |
9‘21 |
4 |
con brio, stringent gespielt, leider eindimensionales Klangbild mit geringer Durchhörbarkeit, Vl. 1 dominieren zu sehr |
Szell |
Cleveland Orchestra |
CBS Sony |
P 1966 |
11‘07 |
4 |
Szell lässt sich für die lyrischen Abschnitte mehr Zeit, weniger dramatisch als früher, transparentes Klangbild, Orchester auf höchstem Niveau |
Abbado |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
2000 |
10‘26 |
4 |
live - schlanker Musizierstil, kaum wagnerische Inbrunst, stattdessen Partitur bestens durchleuchtet |
Sinopoli |
New York Philharmonic Orchestra |
DGG |
1985 |
11‘20 |
4 |
gewichtiges Musizieren, in die Breite gehend, großformatig, im Stil des späteren Wagner, etwas zelebriert |
Rosbaud |
SWF Sinfonie-Orchester |
SWR |
1955 |
10‘36 |
4 |
Unveröffentlicht - Rosbaud auch im Wagnerfach kompetent, schlanker Musizierstil |
Albrecht |
Dänisches Radio-Sinfonie-Orchester |
Chandos |
2000 |
10‘45 |
4 |
schlanker Musizierstil, detailgenau |
Löwlein |
Bamberger Symphoniker |
DGG |
P 1965 |
10‘19 |
4 |
sehr gute Kapellmeisterleistung |
Maazel |
Berliner Philharmoniker |
RCA |
1997 |
11‘51 |
4 |
insgesamt etwas breite Tempi, Andante (Senta) wird zu Adagio, sehr guter Klang |
Furtwängler |
RAI Orchester Turin |
M&A Andromeda |
1952 |
11‘21 |
4 |
live – schütterer Klang, Interpretation wie Studio-Aufnahme 1949 |
Walter |
Columbia Symphony Orchestra |
CBS Sony |
1959 |
10‘58 |
4 |
in der zweiten Hälfte weniger Stringenz und Spannung |
Knappertsbusch |
Wiener Philharmoniker |
Decca |
1953 |
10‘27 |
4 |
etwas zögerlicher Fluss der Musik, älteres Decca-Klangbild, etwas flach |
Böhm |
Wiener Philharmoniker |
DGG |
1980 |
11‘30 |
4 |
ab der Mitte lässt die Spannung nach, T. 11/12 Posaunen und Tuba nicht ganz zusammen, T. 79-87 ohne Spannung |
Sawallisch |
Wiener Symphoniker |
Philips |
P 1961 |
9‘59 |
4 |
mehr eine sinfonische Dichtung als eine Einleitung zu einem Drama, schlank musiziert |
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López-Cobos |
Cincinatti Symphony Orchestra |
Telarc |
1994 |
10‘31 |
3-4 |
glatt, laut, aber wo ist der Holländer? |
Schuricht |
Berliner Philharmoniker |
History |
1929 |
8‘39 |
3-4 |
überzeugende Darstellung, klangliche Restaurierung keineswegs optimal, manches bleibt undeutlich |
Barenboim |
Chicago Symphony Orchestra |
Teldec |
1994 |
10‘59 |
3-4 |
sowohl strukturell als klanglich wenig geformt, es fehlt die prägnante Gestaltung, "wir spielen heute die Holländer-Ouvertüre", insgesamt besser als die frühere Aufnahme, auch dank des CSO |
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Barenboim |
Orchestre de Paris |
DGG |
1982 |
11'49 |
3 |
Klangregie nicht befriedigend, manchmal schleppend (z. B. Senta-Ballade T. 65 ff); Abschnitte, jedoch kein Ganzes; Musik laut, jedoch wenig dramatisch |
Frühfassung aus dem Jahre 1841:
Norrington |
London Classical Players |
EMI |
1988 |
9‘36 |
4-5 |
Senta-Thema noch Andante, jedoch schneller als gewöhnlich, Klang-Balance zugunsten der Bläser verschoben |
Dausgaard |
Schwedisches Kammerorchester |
BIS |
2012 |
8‘35 |
4-5 |
schnellere Tempi auch in den langsamen Abschnitten, da Wagner auf das Wissen der Kapellmeister vertraute, wie solche Stellen zu gestalten seien, schlank stringent, Piccolo-Flöte nicht vergessen |
eingestellt am 09. 09. 13