Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Wolfgang Amadeus Mozart

 

Klaviersonate a-moll KV 310

 

Allegro maestoso – Andante cantabile con espressione – Presto

 

Mozarts Klaviersonate in a-Moll KV 310 entstand 1778 während einer Konzertreise 1777/78 mit dem Ziel Paris, die er nicht mit seinem Vater, wie seit Kindheit üblich, sondern mit seiner Mutter unternahm. In Mannheim blieben die Reisenden viereinhalb Monate, für den jungen Komponisten war es eine höchst anregende Zeit. Hier entstand auch die Klaviersonate D-Dur KV 311, also vor unserer a-Moll Sonate KV 310, was Ludwig Ritter von Köchel noch nicht wusste, als er 1862 sein hilfreiches „Chronologisches und systematisches Verzeichnis sämtlicher musikalischen Werke von Wolfgang Amadé Mozart“ herausgab und seitdem als „Köchelverzeichnis“ bekannt ist. Zu allem Unglück starb Mozarts Mutter in Paris und wurde auch dort beigesetzt. Außerdem machte zu dieser Zeit die enttäuschte Liebe zu Aloysia Weber (ältere Schwester seiner zukünftigen Ehefrau Konstanze) dem  Komponisten zu schaffen. Noch ein Weiteres: Der von Mozart erhoffte Erfolg bei seinen Konzerten stellte sich nicht ein.  Die a-Moll-Sonate ist gewiss ein Spiegelbild von Mozarts Gefühlszuständen in dieser schweren Zeit. Er konnte jedoch Privates und Geschäftliches voneinander trennen, seine bisher größte Sinfonie, D-Dur KV 297, die auch in dieser Zeit entstand, ist völlig frei von düsteren Gedanken.

 

1. Satz: Die erste Mozart-Sonate in einer Moll-Tonart, eindringlich, nicht nur melancholisch wie bei Haydn. Unmittelbar nebeneinanderstehendes p und ff weisen auf einen subjektiven Bekenntnischarakter der Musik hin.

Die ersten Takte des Haupt-Themas dieses Satzes sind mit kurzen Vorschlägen versehen (T.1, 2 und 4). In der modifizierten Wiederholung verfährt Mozart in T. 9 wie vorher, in T. 10 und 12 jedoch löst er die Vorschläge in Achtelnoten auf. Daraus müsste folgen, dass die Vorschlagsnoten in den Takten 1, 2, 4 und 9 kurz zu spielen sind. Die Interpreten sind sich in der Behandlung dieser Ornamente jedoch nicht einig. Einige spielen die kurzen Vorschläge auftaktig, die Betonung liegt also auf dem jeweils zweiten Ton (z. B. Arrau, Goode, Uchida, Zitterbart, Schoonderwoerd und Youn), das würde Mozart am Nächsten kommen. Andere jedoch betonen die  Vorschlagsnote (z. B. Gilels, Ashkenazy, Barenboim, Schiff und Holtmann).  Wieder andere gehen unsystematisch voran und behandeln die Vorschläge nach Gusto.

 

2. Satz: Mit einem ganz anderen Gesicht beginnt Mozart den zweiten Satz, ob Mozart da an eine Gesangsszene gedacht hat? Die Themen und Motive sind reich verziert mit Vorschlägen und Trillern Im Mittelteil (Durchführung) kehrt die Unruhe des Kopfsatzes zurück: Schnelle Repetitionen der rechten Hand erinnern an Streichertremoli, grollende Triller in der linken Hand steigern die Spannung.

 

3. Satz: Eine permanente Dreiachtelfigur begleitet das thematische Geschehen. Die Musik huscht wie schattenhaft vorbei und vermittelt ein Gefühl von Rastlosigkeit und Eintönigkeit, aus der es kein Entrinnen gibt.

 

Ein paar Anmerkungen noch zu den Wiederholungen: Im ersten Satz regt der Komponist an, die Exposition zu wiederholen, danach auch die Durchführung samt Reprise. Im zweiten Satz ist es die Exposition. Alle Wiederholungen bringen Arrau, Richter, Gilels, Badura-Skoda, Gulda, Ashkenazy, Brendel-82, Barenboim, Uchida, Zitterbart, Brautigam, Zacharias, Lubimov, Say, Grimaud und Youn. Sehr viele andere verzichten auf die zweite Wiederholung im ersten Satz. Auf alle verzichten Lipatti-Studio und Marcelle Meyer.

 

5

Dinu Lipatti

EMI

1950

13‘28

 

sensible Umsetzung des Notentextes, ebenmäßiges Spiel, individuelle Dynamik, I f erst am Satzende, Verzicht auf die Arpeggien T. 22, 49 und 103, II cantabile, intensive Ausgestaltung des Notentextes, Melancholie statt herausgestellte Dramatik, in der Durchführung Mozarts Dynamik sensibel gefolgt, III deutliche Kontraste

5

Dinu Lipatti

EMI

1950

14‘22

 

live, letztes Konzert drei Monate später – Lipatti präludiert zu Beginn (früher sehr oft gebräuchlich, heute nicht mehr zu hören), im Finale mehr Melancholie, ohne Atemholen durch den Satz, weniger kontrastreich, sonst kaum Unterschiede zur Studioaufnahme – belegter Klang, Wiederholung der Exposition im ersten Satz

5

Claudio Arrau

Orfeo

1956

21‘23

 

live, I fast atemlos, schwungvoll, Druck, II Adagio, fantasievoller Umgang mit dem Notentext, Espressivo, III Arrau als Virtuose, spontan, aufgewühlt – gute dynamische Differenzierung,  guter Mono-Klang

5

Emil Gilels

DGG

1970

22‘53

 

live,

5

Emil Gilels

Melodya        BMG

1970

22‘56

 

live,

5

Alicia de Larrocha

RCA

1989

17‘32

 

5

Vladimir Ashkenazy

Decca

1967/68

21‘12

 

I schroffe dynamische Gegensätze, II Musik sensibel nachgezeichnet, Ritardando T. 52/53, III unruhig, gute dynamische Differenzierung

5

Richard Goode

Nonesuch

2004

18‘08

 

I Goode vermittelt eine eher positive Sicht auf die Musik, mit Empathie, II Hinweis auf Mozarts reiche Ornamentik, kleinste harmonische und melodische Wendungen sensibel nachgezogen, nicht alle Bassnoten T. 15-18 kurz und markiert gespielt, Ritardando T. 52/53, III leicht und locker

 

 

 

4-5

Martha Argerich

Radioproduktion BR

1960

16‘52

 

I elegant, schnelles Tempo, von musikalischer Energie sprühend, jedoch auch etwas geglättet, II bewundernswerte Triller, III ebenmäßiger Fluss

4-5

Friedrich Gulda

DGG

1982

21‘02

 

I emotionsgeladene Kraft, schicksalhaft, Dramatik, II die Stimmung des ersten Satzes färbt noch hier ab, keine Idylle, III Unruhe der Musik herausgestellt

4-5

Christian Zacharias

EMI

1984/85

20‘11

 

I kraftvoll, dramatisiert, im Stil des jungen LvB, II bewegt, jedoch immer Ruhe bewahrend, nuancenreich, III locker, immer Mozarts Intentionen auf der Spur – gute dynamische Differenzierung

4-5

Andras Schiff

Decca

1980

16‘19

 

I leicht, Dramatik nicht herausgestellt, kaum bekenntnishaft, II mit Feingefühl, gute dynamische Gestaltung, III den Nerv der Musik getroffen

4-5

Fazil Say

Warner

2014/15

18‘51

 

I geschmeidiges Musizieren, sehr schnelles Tempo, Unruhe und Dramatik, II bewegt, aufgewühlte Durchführung, III wache Aufmerksamkeit

4-5

Alfred Brendel

Philips

2002

19‘10

 

4-5

Alfred Brendel

Philips

1982

22‘15

 

4-5

Wilhelm Kempff

DGG

1962

15‘45

 

I pointierte Dramatik,  Terrassendynamik, II Eintauchen in die Welt der Poesie, schöne Triller, Ritardando T. 52/53, III zurückgenommenes Tempo, im Dur-Teil bezwingende Terzen

4-5

Artur Schnabel

EMI     Arabesque

1939

18‘47

 

I deklamatorische Brillanz, kräftige Akzente, II Adagio, gestalterischer Ernst, expressiv; wie der junge Beethoven, zu viel des Guten?, III drängend

4-5

Walter Klien

Vox

1964

16‘28

 

I männliches Klavierspiel, II guter Kontrast zu Satz 1, langsam, entspannt, Mozarts Musik sensibel nachgezogen, III kein Presto, immer deutlich – präsenter Flügel, Klangbild jedoch nicht top

4-5

Svjatoslav Richter

Praga

1956

19‘02

 

live, I geringe dynamische Bandbreite, kein richtiges f, erst in der Durchführung ab T. 56 greift Richter zum ff, scharfe Klanglichkeit am Satzende ab T. 126, II bewegt, ausgewogen, Dramatik im Mittelteil, III dramatischer Satzschluss – insgesamt eigene Handschrift

4-5

Svjatoslav Richter

Philips

1989

20‘09

 

live, im Vergleich zu früher jetzt reichere Dynamik, II bewegt, III kein Presto, insgesamt milder – in den Sätzen 1 und 3 langsamer, farbigeres Klangbild

4-5

Gerrit Zitterbart

tacet

1988

20‘25

 

I entschiedener Zugriff, elastisches Spiel, gute dynamische Differenzierung, unverzärtelt und doch expressiv, Ritardando T. 52/53, III unruhig

4-5

Alicia de Larrocha

Decca

P 1980

18‘28

 

4-5

Marcelle Meyer

EMI

 

12‘55

 

I geschmeidiges Spiel, eher männlicher als weiblicher Art, II espressivo bei sprechender Artikulation, III Dur-Abschnitt ohne Glanz

 4-5

Maria-Joāo Pires

Denon    Brilliant

1974

14‘38

 

I geschmeidig, T. 49 ohne Arpeggio, auch T. 103, individuelle Dynamik, Unterschiede zwischen p und f weniger deutlich, II rhythmisch weniger ausgeglichen als 1989, III Thema mit mehr Dramatik als 1989

4-5

Maria-Joāo Pires

DGG

1989

21‘19

 

insgesamt besserer Klang als 1974, auch mehr Musik aufgrund der Beachtung der Wiederholungen, I interpretatorisch ähnlich wie früher, II sehr klar, Dramatik herausgestellt, aber nicht demonstrativ

4-5

Michael Endres

Arte Nova

1998

17‘36

 

I gestalterischer Ernst, streng, dynamische Gestaltung nach Textvorlage, II ausgeglichenes Spiel,  guter Kontrast zwischen den Abschnitten, III melancholisch, kein richtiges Presto

4-5

William Youn

Oehms

P 2013

21‘22

 

I zielstrebig nach vorn, lebendiges Musizieren, auch motorisch, gute Dynamik, II ausgeglichen, nuancenreich, III Dur-Teil etwas verschwommen, zu viel Pedal

4-5

Lili Kraus

CBS     Sony

1967/68

16‘59

 

4-5

Lili Kraus

Music & Arts

1954

18‘27

 

4-5

Heidrun Holtmann

ambitus

1990

20‘06

 

I und III Notentext ziemlich gelungen umgesetzt, etwas fest, II Adagio, empfindsam, Ritardando T. 52/53

4-5

Paul Badura-Skoda

Eurodisc

1978

19‘57

 

 Musik exakt formuliert, gute Dynamik, treffende Tempi, wenig Dramatik

4-5

Vlado Perlemuter

Vox                 Musical Concepts

1956

15‘24

 

I und III Musik stringent durchgezogen, etwas eingeebnete Dynamik, II lyrische und  feinfühlige Gestaltung

4-5

Murray Perahia

CBS   Sony

1991

18‘31

 

I ebenmäßiges Spiel, dynamische Gestaltung nach Notentext, II fp T. 11 unbeachtet, Bass-Achtel T. 17/18 nicht immer kurz, weniger kontrastreich, Ritardando T. 52/53, III unwirsch

 

 

 

4

Alfred Brendel

Vanguard      Brilliant

1968

16‘17

 

4

Daniel Barenboim

EMI

1984

22‘50

 

I pianistisch auf sehr hohem Niveau, weniger Anteilnahme an der Musik, II Adagio, sehr langsam, feinfühliger Umgang mit Mozarts Notentext (LvB?), III gefällt am besten

4

Walter Gieseking

EMI

1953

13‘55

 

I klar, eher im sachlichen Stil, II mit spürbarer Hingabe, III schlankes Musizieren, geschmeidiger Dur-Abschnitt

4

Jewgenij Koroliov

hänssler

2003

19‘08

 

I etwas fest musiziert, dynamische Gegensätze, II Adagio, man wünscht sich die Musik etwas unbeschwerter, A-Abschnitt kaum leicht oder locker, Ritardando T. 52/53, III zu gewichtig – die Musik klingt hier wie früher Beethoven

4

Gitti Pirner

Farao

P 2001

16‘18

 

I gestalterischer Ernst, kämpferisch aber doch ausgewogen, II Adagio, Spannung nicht immer durchgehalten, markant akzentuiert, Bass-Achtel T. 15-18 und T. 68-71 nicht immer kurz, III etwas grobkörnig – Klavierbass von e abwärts etwas stumpf

4

Carl Seemann

DGG

1952

16‘57

 

I geradlinig, prägnant formuliert, II Seemann lässt die Musik für sich sprechen, ohne persönliche Stellungnahme, etwas trocken, Ritardando T. 52/53, III A-Dur-Takte ohne Glanz – präsenter Klang, jedoch etwas stumpf

4

Mitsuko Uchida

Philips

1985

21‘35

 

I unentschlossene Dynamik, meistens mf in der Exposition, in der Durchführung auch ff, II Adagio, etwas gekünstelt, fp bleiben unbeachtet, persönliche Dynamik, Bass-Achtel T. 17/18 nicht immer kurz, molto Ritardando T. 52/53, III hier dem Notentext am nächsten

 

 

 

3-4

Ingrid Haebler

Denon

1986

19‘00

 

I entspannt, elegisch, II T. 17/18 nicht alle Bassnoten staccato, harmlose Durchführung, III kein Presto – man vermisst eine Stellungnahme zum Werk

3-4

Jean-Bernard Pommier

Virgin

1982

15‘45

 

I starres, motorisches Klavierspiel, fast schon verbissen, II Adagio, hier mit etwas Seele, T. 36-42 dynamisch nicht nach der Notenvorlage, T. 52/53 deutliches Ritardando, III ähnlich Satz 1

 

 

 

3

Hélène Grimaud

DGG

2010

21‘03

 

I tempo rubato T. 1-14, uneinheitliche Behandlung der Vorschläge, heftige dynamische Gegensätze,  Virtuosenstück?, II Adagio, die beiden fp in T. 11 um eine Zweiunddreißigstel verschoben, molto Ritardando T. 52/53, heftiger Mittelteil, klingt wie aufgesetzt, III dramatisiert, nach Virtuosenart (Liszts Sonate befindet sich auch auf der CD)

 

 

 

2-3

Lang Lang

Sony

2013

19‘11

 

live, I eklektischer Umgang mit dem Notentext, vor allem der Dynamik, II Adagio molto, verzärtelt, Artikulation der Basstöne T. 15-18 nicht ebenmäßig, , T. 28 überdehnt, III durchgezogen, mehr Lang als Mozart – durchgehend leise Geräusche in tiefster Lage

 

 

2

Glenn Gould

CBS   Sony

P 1972

11‘56

 

I und III mechanisches Klavierspiel, durchgepeitscht, nervend, Mozarts Dynamik missachtend, II hier angemessenes Tempo, sachlich, kaum dynamische Unterschiede, meistes mf – keine Wiederholungen

 

Interpretationen mit Hammerflügel

 

 

5

Gerrit Zitterbart

gutingi

2005

20‘02

 

Instrument nach Anton Walter 1800 von Robert Brown – live; Interpretation wie 1988, offener Klang, Bässe etwas stärker, Dualismus zwischen Rechter und linker Hand kommt besser heraus, dynamische Unterschiede noch extremer

5

Kristian Bezuidenhout

HM-US

2014

17‘50

 

I Allegro molto, Dramatik, individuelle Gestaltung, II fast schon Adagio, fantasievoll, verspielt, zusätzliche Verzierungen, III mit Fantasie

 

 

 

4-5

Ronald Brautigam

BIS

1996

19‘34

 

Instrument nach Anton G. Walter 1795 von Paul McNulty – I mit spürbarer Hingabe, straffes Tempo, durchgezogen, II Basstöne T. 15-18 nicht alle kurz, bei der Wiederholung richtig, III fast atemlos, Dur-Abschnitt kaum hervorgehoben – etwas kompakter und gedeckter Klang, klingt auch etwas geglättet

4-5

Arthur Schoonderwoerd

Accent

2005

19‘29

 

Instrument nach J. A. Stein ~ 1780 – I Dynamik nicht einheitlich: ff nur f, fp jedoch markiert, II kurze Vorschläge konsequent durchgehalten, insgesamt jedoch weniger farbig (Instrument?), Ritardando T. 52/53, III Handhabung der Vorschläge nicht wie üblich, man erkennt so den Dur-Teil kaum wieder – lesenswertes Booklet

 

 

 

4

Alexei Lubimov

Erato

1990

21‘13

 

Instrument nach J. A. Stein von Marc Ducornet 1984 – I kraftvoll nach vorn, dynamische Differenzierung noch nicht ausgeschöpft, II ernsthaft, espressiv, III kein Presto, zu zögerlich, Melodie wie zerhackt – offener und heller Klang

4

Conrad Hansen

DGG

1958

17‘06

 

Instrument (?) ~ 1820 – I geradlinig durch den Satz, ohne Punkt und Komma, Differenzierung noch nicht ausgeschöpft, II mit mehr Farbe und Expression, III durchgezogen – insgesamt trockenes Spiel

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

 

Lili Kraus

 

Vielen Musikfreunden ist die in Budapest geborene und später auf vielen Kontinenten tätige Pianistin Lili Kraus eine Unbekannte. Ihre nicht sehr zahlreichen Platten waren jahrelang kaum greifbar. In Paris spielte sie 1954 für die Haydn-Society alle Klaviersonaten von Mozart ein (heute von M&A wiederveröffentlicht), später noch einmal (1967/68) für CBS. In ihrem Vortragsstil ähnelt sie nicht den allseits bekannten Pianisten Wilhelm Backhaus, Wilhelm Kempff, Claudio Arrau oder Wladimir Horowitz sondern eher Clara Haskil oder Robert Casadesus. Ihr Spiel der a-Moll-Sonate ist in den Ecksätzen fließend, unpathetisch, bei guter dynamischer Differenzierung. In der CBS-Aufnahme neigt sie zu einer mehr individuell geprägten Dynamik. In der jüngeren Aufnahme spielt sie etwas geschmeidigerer als früher. Der unruhige und dramatische Moll-Abschnitt in der Durchführung des zweiten Satzes färbt auch bei ihrem Vortrag auf den kompletten Satz ab. Klanglich ist die spätere Aufnahme der früheren mit ihrem etwas belegten Klang überlegen.

 

Emil Gilels

 

Die beiden hier vorgestellten Aufnahmen entstanden innerhalb von drei Wochen im Januar 1970 und wurden live mitgeschnitten. Gilels hält sich in beiden Aufnahmen an Mozarts Notentext, den er aufmerksam umsetzt, andererseits ist sein Spiel persönlich geprägt, expressiv, nicht mehr dem Rokoko verhaftet. Kleinste harmonische und melodische Wendungen entgehen nicht seiner Aufmerksamkeit. Der langsame Satz ist hier kein gefälliges Andante, wie auch schon bei Richter, sondern wird mit viel Ausdruck dargeboten, besonders im Mittelteil. Beim Finalsatz verzichtet er auf ein feuriges Presto. Das erste Konzert wurde am 5. Januar in Moskau mitgeschnitten, das zweite am 28. Januar während der Salzburger Mozart-Woche 1970. Das Klangbild der russischen Aufnahme ist viel härter als das Salzburger. Ständige Publikumsgeräusche in Moskau stehen einer aufmerksamen Zuhörerschaft in Salzburg gegenüber.

 

Alicia de Larrocha

 

Nach der Decca-Aufnahme hat sich die Neuaufnahme etwa 10 Jahre später bei RCA künstlerisch gelohnt. Zuerst verlieh Larrocha dem Kopfsatz eine Sprödigkeit, in der Neuaufnahme wechselt sie zu einem dramatischen Vortrag. Das Andante wird anfangs eher streng, weniger lyrisch verzärtelt formuliert, später etwas schneller und auch nuancenreicher gespielt, bei einer dramatischen Durchführung.  Bei Decca stört mich etwas die kurzatmige Phrasierung, dazu bringt der A-Dur-Mittelteil wenig Aufhellung. Die RCA-Aufnahme wird wiederum das Tempo etwas angezogen und dabei der Musik mehr Konturen verliehen. Auch klanglich ziehe ich die Neuaufnahme, mit ein klein wenig Hall versehen, vor.

 

Alfred Brendel

 

Drei Aufnahmen der a-Moll-Sonate sind mit Brendel greifbar. Die älteste wurde vom amerikanischen Label Vanguard aufgezeichnet und ist jetzt in der Brilliant-Box greifbar. Ich habe den Eindruck, dass Brendel sich hier noch einspielt, die Dynamik ist noch zu pauschal, jedoch auch eigenen Vorstellungen unterworfen. Das Andante tendiert zum Adagio. Auch in den beiden folgenden Philips-Aufnahmen bevorzugt Brendel eine individuelle Dynamik, die jedoch nachvollziehbar wirkt. Der maestoso-Charakter des Kopfsatzes kommt am besten in der 1982er-CD heraus, hier klingt die Musik sehr gewichtig. Im Andante bringt der Pianist in T. 18 der linken Hand die Töne g und f nicht kurz wie die Töne der Umgebung, und zwar bei beiden Philips-Aufnahmen, bei der Wiederholung (2002) noch deutlicher zu hören. Das ist jedoch nur als Nachlässigkeit zu bewerten. Was mich viel mehr stört sind Brendels leise Gesangsbegleitungen, wie man sie seit Pablos Casals Zeiten her kennt. Vor der Reprise nimmt der Pianist den Hörer mit in die Romantik. Das Finale zieht, kein Presto, in einem sachlichen Tonfall vorrüber.

 

Maria-Joāo Pires

 

Die beiden Aufnahmen mit Maria-Joāo Pires stammen aus Gesamteinspielungen, die die portugiesische Pianistin für Denon, heute greifbar bei Brilliant, sowie der DGG vorgelegt hat. Ein geschmeidiges Klavierspiel ist in beiden Aufnahmen zu verfolgen, bei der Dynamik geht sie, wie einige ihrer Kolleginnen und Kollegen, individuelle Wege, die Unterschiede zwischen p und f sind wenig bemerkenswert. Im langsamen Satz wird in der jüngeren Aufnahme die Dramatik in der Durchführung herausgestellt, jedoch nicht demonstrativ; auch ist die rhythmische Ausgestaltung hier  gepflegter. Beim Finale punktet jedoch die ältere Aufnahme mit mehr Dramatik, beim Klang ist es umgekehrt.

 

eingestellt am 18. 03. 05

überarbeitet und ergänzt am 21.06.20

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