Das Klassik-Prisma |
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Bernd
Stremmel |
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Wolfgang
Amadeus Mozart
Klaviersonate
A-Dur KV 331
Andante grazioso con variationi
– Menuetto – Alla turca,
Allegretto
In H. C.
Robbins Landons Mozart-Kompendium (1991) wird für die
Entstehung der A-Dur-Sonate und ihren
Geschwistern in C-Dur und F-Dur das Jahr 1783 Salzburg (mit Fragezeichen)
angegeben, also später als Ludwig Köchel
in seinem Verzeichnis vermutete. Damit rücken sie zeitlich in die Nähe der
unvollendeten Messe in c-Moll KV 427. Ein Jahr später hat Mozarts die
Klaviersonate A-Dur KV 331 zusammen mit
den Sonaten C-Dur KV 330 und F-Dur KV 332 dem Wiener Verleger Artaria zum Druck angeboten, der sie zusammen als Opus-Zahl
6 veröffentlicht. Im Vergleich von Autograph und Erstdruck fallen die
zusätzlichen dynamischen Angaben auf, die Mozart vermutlich bei der Revision
hinzugefügt hat.
Die
A-Dur-Klaviersonate ist die bekannteste Sonate Mozarts, dafür sorgt auch der
kurze Finalsatz in der damals beliebten alla-turca-Manier. Aus der Oper Die Entführung aus dem Serail ist sie nicht wegzudenken, jedoch
schon früher verwendet er alla turca-Klänge in einem Couplet im Rondo des
Violinkonzerts A-Dur KV 219 mit ihrem aufstampfenden und perkussiven
Stil.
Die
Gattungsbezeichnung „Klaviersonate“ ist in der A-Dur-Sonate nicht ganz korrekt,
da kein einziger der drei Sätze nach dem Sonatensatzprinzip gebaut ist, der
erste ist ein Variationssatz - das hatte es vor Mozart noch nicht gegeben – der
zweite ein Menuett und der dritte das schon erwähnte Rondo im alla turca-Stil.
Nach Mozart wagte sich auch Beethoven mit einer Klaviersonate ohne Sonatensatz,
der Sonate As-Dur op. 26, „Trauermarsch-Sonate“, ans Licht der Klavierwelt.
Nicht der Norm entsprechen auch die Tonarten der drei Sätze: erster Satz A-Dur,
ebenso der zweite, der dritte steht das Rondo-Thema in a-Moll, die beiden
Couplets samt Finale jedoch wieder in A-Dur.
Das berühmte
Thema des Variationssatzes mit seinem wiegenden Siziliano-Rhythmus
ist zweiteilig gebaut, in ungewöhnlichen 8 bzw. 10 Takten, beide Abschnitte
sollen wiederholt werden. Etliche Interpreten stehen Mozarts grazioso-Vorschrift etwas gleichgültig
gegenüber. Mozart schafft abwechslungsreiche Variationen, an dritter Stelle
eine Moll-Variation, in der vierten wechselt die linke Hand ständig von der Basslage in den Diskant mit wohlklingenden Terzen und
wieder zurück. Musikalisch bietet am meisten die folgende langsame Variation,
u. a. mit einer „Mannheimer Rakete“ in Takt 10. Den Abschluss macht ein Allegro
– von manchen Interpreten auch in A. molto umgedeutet – mit vollgriffigen
vierstimmigen Arpeggien der linken Hand, forte vorzutragen, das macht, wenn gut
gespielt, viel Effekt.
Der zweite
Satz ist ein Menuett. Diese Tanzform findet, außer in
seiner früheren Sonate Es-Dur KV 282, keine weitere Verwendung in Mozarts Klaviersonaten. Sehr abwechslungsreich ist das Terzen-selige
Trio in D-Dur gearbeitet. Im B-Abschnitt ab T. 72 bringt Mozart zweimal den
Intervallsprung g-c, danach zweimal g-e,
bei den ersten beiden Sprüngen ist das „Sprungbrett“ g jeweils eine Achtel, bei den folgenden beiden (höhere
Dringlichkeit!) jedoch nur jeweils eine Sechzehntel-Note. Bei vielen
Interpreten bleibt es bei Achteln, die richtige Unterscheidung treffen z. B.
Hansen, Seemann, Gieseking-EMI, Eschenbach, Pogorelich, Uchida, Vogt, Staier, Endres, Schoonderwoerd.
Der
bekannteste Satz dieser ungewöhnlichen Sonate ist jedoch das knappe
Rondo-Finale in a-Moll mit den beiden hintereinander geschalteten Couplets in
A-Dur. Zu Mozarts Zeiten fügten einige Klavierbauer ihrem neuesten Pianoforte
einen sogenannten „Janitscharenzug“ hinzu, mit dem die bekannten „türkischen“
Klänge „herbeigezaubert“ werden konnten. Christian Zacharias verwendet ihn in
seiner Einspielung.
Mozarts
gewünschte Wiederholungen in allen drei Sätzen werden von den meisten
Interpreten gebracht, ältere Interpreten verzichten oft darauf oder spielen nur
die erste der jeweils beiden Wiederholungen.
5 |
Friedrich
Gulda |
Amadeo |
1976 |
24‘45 |
|
▼ |
|||
5 |
Friedrich
Gulda |
DGG |
1982 |
25‘26 |
|
▼ |
|||
5 |
Wilhelm
Kempff |
DGG |
1962 |
22‘51 |
|
inspirierte Wiedergabe,
abwechslungsreiche Darstellung, empfindsam, virtuos und auch auftrumpfend,
gute Dynamik, I Thema in der Wiederholung leiser, beim zweiten Abschnitt in
den T. 3 und 4 Ritardando, so auch in
allen Variationen, III leicht und locker |
|||
5 |
Christian
Zacharias |
EMI |
1984/85 |
23‘20 |
|
organisches Musizieren, Mozarts
Überraschungen nicht übersehen, leider werden die vielen sf nicht thematisiert, I Verzierungen bei den Wiederholungen, hauptsächlich
im Thema, V 2 und 4 schneller, II Menuett: Basslinie T. 21-26 dezent
herausgehoben, Trio mit innerer Spannung, III abgestufte Dynamik beim Thema,
nicht immer nach Vorlage, kann aber überzeugen, in der Coda ab T. 97
Janitscharenzug aktiviert |
|||
5 |
Alfred
Brendel |
Philips |
1975 |
18‘57 |
|
▼ |
|||
5 |
Alfred
Brendel |
Philips |
1999 |
22‘10 |
|
live, ▼ |
|||
5 |
Walter
Gieseking |
M&A |
1949 |
16‘49 |
|
gelassen, hohe Affinität zur Musik,
gute Mischung aus Innerlichkeit, Zartheit und Dramatik, I ohne Wiederholungen
– Aufnahme des Saarländischen Rundfunks |
|||
5 |
Walter
Gieseking |
EMI |
1953 |
16‘53 |
|
wie 1949, klanglich etwas besser |
|||
5 |
Maria
Joāo Pires |
DGG |
1990 |
23‘37 |
|
▼ |
|||
5 |
Solomon |
EMI Testament
Archipel |
1952 |
21‘57 |
|
I schon im ersten Takt wird
deutlich: grazioso, alle
Variationen außer Nr. 5 lebendig mit mehr oder weniger Drive, Solomon mit sehr
viel Fantasie bei der Sache, viel Legato, deutliche dynamische Gegensätze bei
p und f (im Finale weniger), II eine Wiederholung ist nicht nur eine
Kopie des Vorhergehenden, III molto Allegro, Klavierspiel immer unter
Kontrolle |
|||
5 |
Walter
Klien |
Vox |
1964 |
20‘06 |
|
leuchtender Mozart, mit
Empathie, Spannung-Entspannung, II bei den W Lautstärke etwas zurückgenommen,
II Klien atmet mit der Musik, III con anima –
immer wieder leise Motorengeräusche im Hintergrund |
|||
5 |
Andras
Schiff |
Decca |
1980 |
23‘22 |
|
I empfindsam, mit Geschmack, V 5
ein Kabinettstück, III im Couplet 2 T. 42 bei der Wiederholung Bass
hervorgehoben |
|||
5 |
Lars
Vogt |
EMI |
2005 |
24‘54 |
|
disziplinierte Musikalität, jede
Variation in ihrer Eigenheit dargestellt, gute dynamische Abstufung, I
elektrisierende V 6, II Vogt im Trio so versunken in die Musik, also wolle er
nicht mehr aufhören, III sehr schnell, starker Kontrast zu Satz 2, artistisch
anmutender Schluss |
|||
5 |
Murray
Perahia |
CBS Sony |
1991 |
23‘03 |
|
feinsinnige Darstellung,
polierter Klang, Musik akribisch ausformuliert |
|||
|
||||
4-5 |
Alicia
de Larrocha |
Decca |
1973 |
20‘03 |
|
▼ |
|||
4-5 |
Edwin
Fischer |
EMI Andante |
1933 |
14‘34 |
|
dem Notentext verhaftet, jedoch
persönliche Sichtweise, I die beiden Wiederholungen des Themas leiser, V 1
Allegro, insgesamt bewegt gespielt, außer V 5, V 1-5 ohne Wiederholungen, V 6
mit, II Menuett und Trio gut voneinander abgesetzt, III dramatisch |
|||
4-5 |
Paul
Badura-Skoda |
Eurodisc BMG |
1978 |
22‘06 |
|
I männlicher Vortragsstil, Musik
nicht verzärtelt, ziemlich tempokonstant, II abwechslungsreicher Vortrag, Trio
nicht bestens abgesetzt, Oberstimme T. 66/67 bereits non legato wie in den folgenden Takten, III strahlendes
A-Dur-Akkordspiel, Wiederholung T. 72-88 fehlt |
|||
4-5 |
Lili
Kraus |
M&A |
1954 |
22‘09 |
|
▼ |
|||
4-5 |
Lili
Kraus |
Urania |
1950 |
14‘42 |
|
live, ▼ |
|||
4-5 |
Lili
Kraus |
CBS Sony |
1967/68 |
20‘43 |
|
▼ |
|||
4-5 |
Maria
Joāo Pires |
Denon Brilliant |
1974 |
25‘23 |
|
▼ |
|||
4-5 |
Daria
van den Bercken |
Sony |
2014 |
19‘03 |
|
Notentext mit Umdeutungen/Zutaten
der Pianistin, persönliche Handschrift, bereitet jedoch Hörvergnügen –
uneinheitlicher Umgang mit den Wiederholungen im ersten Satz, V 4 viel
schneller als üblich, Kontrast zum folgenden Adagio in V 5, II schnelles
Trio, III schwungvoll, erfrischendes Spiel, eigene Varianten |
|||
4-5 |
Jean-Bernard
Pommier |
Virgin |
1982 |
24‘35 |
|
I fantasiereiche Darstellung,
immer wieder kleine Rubati am Ende einer Phrase;
man gewinnt den Eindruck, als wolle sich Pommier immer
wieder vergewissern, ob sein Spiel sich selbst genügt, V 3 etwas
theatralisch, V 5 verspielt, II gegenüber Gulda
oder Zacharias gefälliger, mehr Rokoko-Stil, III mäßiges Tempo, kein
richtiges Piano, T. 20 p-f-Gegensatz
überspielt, unaufgeregt |
|||
4-5 |
Ingrid
Haebler |
Denon |
1986 |
24‘37 |
|
ebenmäßiges Klavierspiel, gute
Dynamik, I vor Kadenz rit., sempre legato bei den Oktaven in V 3,
II klingt etwas verspielt, Trio ein wenig langsamer, Haebler
gibt sich dem Augenblick hin, sieht weniger das Ganze, III T. 20-24 kein p, A-Dur-Oktaven nicht besonders
herausgestellt, insgesamt etwas weniger differenziert |
|||
4-5 |
Gitti
Pirner |
Farao |
P
2001 |
24‘36 |
|
gegenüber Uchida
mehr Ausdruck, Musik nicht gestreichelt sondern angefasst, es darf auch schon
mal ruppig klingen, pointiert artikuliert, dynamische Differenzierung jedoch
etwas grob |
|||
4-5 |
Daniel
Barenboim |
EMI |
1984 |
23‘11 |
|
Barenboim verwirklicht seine Vorstellung
von KV 331, kontrastreiche Darstellung, akurates
Musizieren, I Th und V 1 gezogen, guter Kontrast
zwischen V 5 und V 6 |
|||
4-5 |
Michael
Endres |
Arte Nova |
1998 |
22‘07 |
|
geschmeidiges Spiel, überwiegend
lebendig und frisch musiziert, Rokoko-Nähe hinter sich lassend, II als
Menuett zu schnell |
|||
|
||||
4 |
Menahem Pressler |
La Dolce Volta |
2014 |
25‘45 |
|
live, liebevoll musiziert, nicht
mehr so geschmeidig und locker wie in früheren Jahren |
|||
4 |
Vlado
Perlemuter |
Vox |
1956 |
17‘07 |
|
männlicher Vortragsstil,
tempokonstant, I ohne Wiederholungen außer in V 6, V 4 Terzen im Diskant (l. Hd.)
klappern, ausdrucksvolles Spiel in V 5, II Trio statt p nur mf, jedoch
ausdrucksvoll, III Allegro, eigene Dynamik; mir ist nicht ganz klar, ob Perlemuter die vielen Bass-Arpeggien
im Couplet greift, oder nur einen kurzen Vorschlag bringt |
|||
4 |
Wilhelm
Backhaus |
Orfeo |
1966 |
14‘18 |
|
live, ▼ |
|||
4 |
Alicia
de Larrocha |
RCA |
1989 |
22‘02 |
|
▼ |
|||
4 |
Wladimir
Horowitz |
CBS Sony |
1966 |
17‘38 |
|
live, I aufgeweichtes Tempo, immer wieder rit., V 5 im romantischen Geist, teils empfindsam, teils
verzärtelt, II und III hier näher am Notentext, Finale nicht eilend |
|||
4 |
Mitsuko Uchida |
Philips |
1983 |
23‘45 |
|
Pianistin nimmt sich als Interpretin
zurück, empfindsam, gefällig, man vermisst die Lebensgeister, wenig Akzente,
ein kerniges f nur in der minore-Variation
und beim ersten Rondo-Couplet |
|||
4 |
Julius
Katchen |
Decca |
1954 |
16‘02 |
|
Mozarts Dynamik nicht immer übernommen,
wenig piano, bewegtes Musizieren,
abgesehen vom Thema, I außer V 6 nur erste W – apollinisches Mozart-Bild |
|||
4 |
Claudio
Arrau |
Philips |
1974 |
27‘14 |
|
sauberes Musizieren, ausgewogen,
(zu) gleichmäßig, weniger abwechslungsreich, gemäßigte Tempi – von Mozarts
Esprit kommt wenig herüber |
|||
|
||||
3-4 |
Wilhelm
Backhaus |
Decca |
1955 |
14‘13 |
|
▼ |
|||
3-4 |
Wilhelm
Backhaus |
Decca |
1969 |
15‘08 |
|
live, ▼ |
|||
3-4 |
Carl
Seemann |
DGG |
1952 |
19’47 |
|
I Th
Mozarts Bindebögen genau ausgeführt, führt jedoch zu einer Parzellierung der
Musik, kaum grazioso, nur erste W,
II Seemann befolgt im Trio T. 73-79 genau die Vorschläge: zuerst Achtel, dann
Sechzehntel, aber: die Sechzehntel werden zur folgenden Viertel gebunden, die
Achtel jedoch nicht, III sehr trocken, ohne Charme – objektiv, ohne
persönliche Note, alle W in den Sätzen 2 und 3 |
|||
3-4 |
Alexander
Sellier |
Club National du Disque forgotten records |
1956 |
17‘00 |
|
akkurat musiziert, Pianist nimmt
Gestaltungsmöglichkeiten kaum wahr, gemäßigte Tempi, Musik auf das
Handwerkliche reduziert, unterschiedlicher Umgang mit den Wiederholungen |
|||
3-4 |
Fazil
Say |
Warner |
2014 |
23‘39 |
|
ausdrucksvolle Interpretation,
Artikulation, Lautstärke und Tempi stimmen nicht immer mit den Vorgaben
überein, z. B. Satz I: V 3 wild, rasend, V 5 verzärtelt, weich, V 6 Allegro molto
– Interpretation ganz auf Außenwirkung abgestimmt; im Vergleich zu Pletnjew und Pogorelich gefällt
mir diese Wiedergabe aufgrund ihrer Musikalität und ihres Ideenreichtums viel
besser – störendes leises Brummen und Summen im Hintergrund (Gould-Nachfolge?) |
|||
3-4 |
William
Youn |
Oehms |
2014 |
23‘20 |
|
Interpretation nach der neuesten
Urtextausgabe dieser Sonate, einige wenige hörbare Abweichungen
gegenüber früher – I Thema bei den Wiederholungen mit zusätzlichen Verzierungen,
danach gelegentlich, auch im Menuett, insgesamt etwas zu gleichförmig
gespielt, die Dynamik fällt recht pauschal aus, fast durchgehend wird mf gespielt, geringerer
Differenzierungsgrad |
|||
3-4 |
Elly
Ney |
Colosseum |
1964 |
24‘25 |
|
Neys
Klaviertechnik ist noch einigermaßen intakt, beschränkt sich jedoch auf das
Mechanische, Interpretation ohne persönliche Aussage, wird im Laufe des
Vortrags etwas gleichförmig, Anschlag wenig farbig, I p-Partien und f-Stellen
heben sich gut voneinander ab, sind ab im Laufe des Vortrags vorhersehbar,
das gilt auch für die vielen sf, II teilweise dramatisiertes Trio,
III klingt zu mechanisch, ruppig, eigene dynamische Vorstellung,
Sechzehntel-Ketten im Couplet klingen etwas wie geleiert – Flügel im Bass
etwas mulmig |
|||
3-4 |
Zoltan
Kocsis |
Hungaroton |
P
1980 |
23‘17 |
|
I Th
T. 11-12 rit., V 1-3 Sturm und
Drang, insgesamt bewegt, jedoch immer wieder durch Ritardandi
gebremst, uneinheitlich, auch etwas grob, II und III weniger eigenwillig – etwas
trockener Klang |
|||
|
||||
3 |
Ivo
Pogorelich |
DGG |
1992 |
24‘33 |
|
Pianist versucht unsere
Aufmerksamkeit auf die schönen Stellen zu lenken, fügt eigene Lesarten hinzu,
warum wiederholt er die Abschnitte 1 zu 1, wenn er über eigene Ideen verfügt?
– I verbogenes Thema, die Variationen jedoch meist nach Vorlage, eklektisches
Musizieren, III zu viel Gestampfe - insgesamt mehr Pogorelich als Mozart |
|||
3 |
Christoph
Eschenbach |
DGG |
1967 |
20‘15 |
|
viel Notenmaterial, weniger
Musik, ohne Charme und Esprit, nur marginale Gegensätze entdeckt, fester
Anschlag, kein p, alles klingt
gleich – in Satz 1 spielt Eschenbach nur die ersten W, abgesehen von V 6, sehr
hell klingender Flügel |
|||
3 |
Michael
Pletnjew |
DGG |
2005 |
13‘32 |
|
I Th
aufgeweichtes Metrum, fängt mf an
und wird dann jeweils leiser, V 2 spieldosenhaft, immer wieder starke Ritardandi, III wechselnde Tempi – Pletnjews
Alternative zum herkömmlichen Bild dieser Sonate |
|||
|
||||
2-3 |
Glenn
Gould |
CBS Sony |
P
1972 |
18‘25 |
|
Gould als Klavierschüler,
Mozarts Spielanweisungen bleiben unbeachtet, leise akustische Bekundungen, eigene
Tempovorstellungen, eine Karikatur der Sonate, „Goulds musikalischer Spaß“ |
|||
Interpretationen
mit Hammerflügel |
||||
5 |
Andreas
Staier |
HMF |
2004 |
22‘11 |
|
Staier ist immer Mozarts Vorlagen auf der Spur, abwechslungs-
und fantasiereiche Gestaltung mit viel Klangsinn, überzeugende Tempowahl,
geschmeidiges Musizieren (Sechzehntel-Läufe); im Rondo bringt Staier eigene Varianten, die aus dem Notentext entwickelt
sind, vor dem dritten Couplet auch eine Kadenz , Pianist äußert sich
diesbezüglich ausführlich im Booklet – eine köstliche Angelegenheit, jedoch
nichts für Puristen. Im Hintergrund leise Verkehrsgeräusche. Pianoforte
Neubau von Monika May nach Anton Walter ca. 1785, das Instrument verfügt über
die beste Klangfarbenpalette der hier erwähnten Instrumente |
|||
5 |
Ronald
Brautigam |
BIS |
1996 |
23‘38 |
|
mit Hingabe musiziert,
fantasievolle Darstellung, ohne in den Notentext einzugreifen wie Staier, wenige Verziehrungen, II
als Menuett etwas zu schnell – Pianoforte Nachbau von Paul McNulty 1992 nach Anton Gabriel Walter ca. 1795 |
|||
|
||||
4-5 |
Alexei
Lubimov |
Erato |
1990 |
23‘38 |
|
I Verziehrungen
bei der Wiederholung des Themas und von V 5, V 4 Terzen der Oberstimme non legato, etwas knallig, II
abwechslungsreiche Gestaltung, III Verzierungen bei den Wiederholungen –
Pianoforte Nachbau von Christopher Clarke 1986 nach Anton Walter ca. 1795 |
|||
|
||||
4 |
Arthur
Schoonderwoerd |
Accent |
2009 |
23‘04 |
|
I bei den Wiederholungen
Verzierungen oder Arpeggien, abwechslungsreiche
Gestaltung, II Trio klanglich wenig
abgesetzt, III Sechzehntel-Vorschläge im Rondothema
nicht wie üblich mit den folgenden drei Noten zusammengebunden, sondern als
Vorschläge ausgeführt, so spielt es Staier bei den
jeweiligen Wiederholungen – hell klingendes Instrument in klanglicher Nähe
eines Cembalos, klingt doch sehr nach Draht, auf Dauer eintönig – Pianoforte
Nachbau von William Jurgenson nach Johann Andreas
Stein ca. 1780 |
|||
4 |
Ludwig
Sémerjian |
La maturité |
2005 |
26‘40 |
|
I mäßige Tempi, geringere
Spannung, viele Spielgeräusche, II kaum Kontrast zwischen Menuett und Trio, III
Rondo-Thema ohne Schmiss – Original-Pianoforte von Johann David Schiedmayer, Nürnberg 1794 |
|||
4 |
Conrad
Hansen |
DGG |
1955/56 |
24‘04 |
|
klare Artikulation, ausgewogen, Differenzierung
beschränkt sich auf die Möglichkeiten des Instruments, Musik eher referiert,
keine zusätzlichen Verzierungen - Instrument (keine genaue Angabe) ~ 1820 |
Hinweise zu Interpreten und Interpretationen
Wilhelm Backhaus
Mozarts
Klaviermusik war keine Domäne von Wilhelm Backhaus, nur wenige Konzerte und
Sonaten fand man auf seinen Konzertprogrammen, u. a. die vorliegende Sonate KV
331. Im Jahre 1955 nahm sie die Decca auf. Mozarts Notentext wird hier genau
vermittelt, es ist aber eine sachliche Sicht, nüchtern, ohne Mozarts
Gefühlswelt zu streifen. Der erste Satz wird im bewegten Tempo gespielt, immer
nach vorn schauend. Die fünfte Variation, Adagio, ist bei Backhaus ein Andante.
Beim Umgang mit der Dynamik fällt auf, dass der Pianist oft das p durch ein mf ersetzt. Im Finale spielt er im den beiden Couplets die
Oktaven-Passage erst leiser, danach laut. Die im Vergleich viel kürzere
Laufzeit der Aufnahme beruht größtenteils auf einem Verzicht der Wiederholungen
im ersten Satz und im Menuett, sowohl im Trio und im Finale werden sie jedoch
beachtet. Der Flügel klingt etwas hart.
Elf Jahre
später spielt Backhaus die Sonate anlässlich eines Klavierrecital bei den Salzburger
Festspielen, den Orfeo veröffentlicht hat. Auch wenn das p-Problem geblieben ist, gefällt dieser Mitschnitt besser, da
Backhaus etwas mehr auf die Musik eingeht und einen wärmeren Klang produziert.
Als Relikt aus älteren Zeiten ist das Nachschlagen der rechten Hand bei
Akkorden, wenn auch nur minimal, zu hören. Die kurzen Vorschläge der rechten
Hand zu Beginn des Finales sind nicht genau getroffen. In der Coda kommt
Backhaus für wenige Sekunden ins Straucheln.
Und noch
einmal die A-Dur-Sonat: ein Mitschnitt von Backhaus‘
letztem Konzert beim Ossiacher Musiksommer am 28.
Juni 1969. Bevor er mit der Sonate beginnt, präludiert der Pianist einige
Takte, wie es in längst vergangenen Klavier-Zeiten üblich war. Man sollte dabei
bedenken, dass er 1884 geboren war und sein Klavierhandwerk vor der
Jahrhundertwende gelernt hatte. Die Interpretation der Sonate weicht wenig von
den beiden früheren Aufnahmen ab, jedoch spüre ich eine leichte Unruhe während
des Vortrags (Var. 2 und Var.
5), die sich auch durch einige kleine Rubati
bemerkbar macht. Auch hier passt der harte Anschlag nicht ganz zur Musik. Im
Trio wollen in T. 50 die Terzen nicht recht gelingen. Im alla-turca-Finale spielt er das Thema
viel zu laut, fast schon gedonnert. Backhaus konnte sein Recital wegen eines
Schwächeanfalls nicht mehr programmgemäß beenden. Er starb wenige Tage später
in Villach.
Lili Kraus
Erst spät
wurde die Interpretationskunst von Lili Kraus, gerade in Bezug auf Mozarts
Musik, in Europa wahrgenommen. Wie viele andere Künstlerinnen und Künstler
musste sie vor den Nazis nach Amerika emigrieren und ihr Name war in Europa
nicht richtig bekannt geworden. Nach dem 2. Weltkrieg hatte sie es schwer, sich
gegen etablierte Pianisten wie Wilhelm Backhaus, Edwin Fischer und Wilhelm Kempff durchzusetzen. Da sie nie einen langjährigen
Plattenvertrag mit einer der bekannten Labels eingegangen war, wurde sie von
ihnen nicht gefördert und ihr Name blieb mehr oder weniger ein Geheimtipp.
Immerhin
konnte sie Mozarts Klavier-Sonaten zweimal einspielen, zuerst für die Haydn
Society (1954), später noch einmal für CBS in den Jahren 1967/68, beide sind
inzwischen auch in Europa greifbar, die Erstaufnahme wurde von Music & Arts neu auf den Markt gebracht. Der erste Satz wird von
Kraus nicht schön, abgerundet oder gefällig
gespielt, nein, sie spielt die Gegensätze des Satzes voll aus, sowohl in
der Tempowahl als auch der Dynamik, bietet also eine individuelle Lesart. Diese
Interpretationshaltung zieht sich auch durch die beiden folgenden Sätze.
In der CBS-Aufnahme
wählt sie im Kopfsatz etwas schnellere Tempi, auch in Variation 5, und spielt
auch um Einiges pointierter. Die Musik in dieser Variation gerät ihr zur
Klangrede, Harnoncourt hätte sicher seine Freude daran gehabt. Insgesamt gerät ihr diese zweite
Aufnahme im Vergleich zur früheren
gerundeter, besonders auch im Finalsatz.
Der
Mitschnitt des Labels Urania ist noch älter als die zuvor erwähnten und stammt
aus dem Jahre 1950. Kraus pflegt hier schon ein klares Klavierspiel, allerdings
klappern die Terzen der linken Hand in Variation 4, die Mozart in den Diskant
verlegt hat, etwas. Das kann man hier und da auch noch auf alten
Schellack-Aufnahmen hören. Mit Ausnahme von Variation 5 wählt sie in allen
Variationen ein schnelleres Tempo. Mit Ausnahme beim Thema verzichtet sie auch
auf alle Wiederholungen. Dem Kopfsatz folgen ein lebendig gespieltes Menuett
samt Trio sowie ein sehr schnelles Finale. In beiden Sätzen überzeugt sie mit
geschmeidig gespielten Läufen. Der Klang dieser Aufnahme ist gut.
Alicia de Larrocha
Von der
spanischen Pianistin sind zwei Aufnahme der A-Dur-Sonate auf dem Markt. Die
älteste wurde 1973 von Decca eingespielt. Im Kopfsatz bietet sie eine
überwiegend lebendige Darstellung, ihre
Affinität zu Mozarts Musik bleibt nicht verborgen. Mit winzigen Ritardandi an Phrasenenden gliedert sie den Lauf der Musik.
Bei den Wiederholungen berücksichtigt
sie ab Variation 2 nur die erste. Empfindsam nähert sie sich der dritten
Variation und in der Fünften folgt sie Mozarts Tempovorschrift Adagio. Mit
Hingabe spielt sie den zweiten Satz, der hier langsamer als gewöhnlich
ausgeführt wird. Durch die Beachtung der beiden Wiederholungen des Trios
verleiht Larrocha diesem Abschnitt ein höheres
Gewicht, sehr farbig gespielt und dynamisch gut abgesetzt. Im Finale bringt die
Pianistin alle Wiederholungen. Beim Rondo-Thema nimmt sie die Wiederholung
immer ein wenig leiser.
Nicht ganz so
gelungen geriet ihr die Zweitaufnahme, im Rahmen der Gesamtaufnahme für
RCA 1989 entstanden. Ihr Vortragsstil hat
sich kaum verändert, trotzdem klingt die frühere Aufnahme herzlicher. In den
Ecksätzen spielt sie jetzt alle Wiederholungen, im Mittelteil jetzt nur die
jeweils erste. Im alla-turca-Satz fallen die Couplets hier etwas fester aus,
besonders am Satzende. Was mich allerdings enorm stört, ist das durchgehende
leise Brummen im Hintergrund.
Friedrich Gulda
Zwei
Studio-Einspielungen von der A-Dur-Sonate liegen mit Gulda
vor. Die erste entstand 1976 und wurde vom österreichischen Label Amadeo
herausgebracht. Die zweite ist eine semiprofessionelle aus Guldas
Haus-Studio, sie wurde erst 2006 auf Betreiben von Guldas Sohn Paul zusammen mit anderen Mozart-Sonaten
von der DGG veröffentlicht.
Gulda spielt ganz
nahe am Notentext ohne Extreme zu bemühen, männlich herb. Gegensätzliches wird
gut voneinander abgesetzt. Das Klischee vom Rokoko-Mensch Mozart wird nicht
bedient. In der frühen Aufnahme spielt er Thema und Variation 1 gelassen und im
selben Tempo. In Variation 3 entdeckt er für den Hörer eine zusätzliche Melodie
in der linken Hand. Die fünfte Variation ist hier ein Adagio, kein Andante, wie
man es oft hört. In der abschließenden 6. Variation kann er den Reizen des
Notentextes nicht wiederstehen. Das Menuett klingt ausgewogen, das Trio wird
weich und geschmeidig dargeboten. Im resoluten Tempo wird der „Alla turca“-Satz souverän absolviert. Die zweite Aufnahme aus Guldas Studio weicht wenig von der älteren ab, ernsthaft
gespielt, ohne Rokoko-Anklänge. Die Tempi sind hier und da ein wenig langsamer.
Der Flügel klingt allerdings etwas hart. Im Thema und der ersten Variation fügt
der Pianist bei den Wiederholungen zusätzliche Verzierungen bei. Die sechste
Variation spielt er stürmisch, radikaler als früher. Das Menuett klingt hier
resoluter gespielt, auch auftrumpfend, das Trio geschmeidig. Bei den zweiten
Wiederholungen fügt Gulda wie zuvor zusätzliche
Verzierungen hinzu. Leider fehlt dem Satz ein richtiges Piano. Im Finale spielt
Gulda die f-Passagen
noch kräftiger als früher.
Alfred Brendel
Brendel nahm
Mozarts A-Dur-Sonate 1977 für Philips im Studio auf. Sein geschmeidiges Spiel
mit differenziertem Anschlag kommt Mozarts Musik sehr entgegen, dabei gelingt
es ihm, die jeweiligen Oberstimmen ein wenig hervorzuheben, ohne das
Stimmengeflecht zu vernachlässigen. Im ersten Satz verzichtet er sowohl im
Thema als auch den Variationen auf die zweite Wiederholung. Im zweiten Teil des
Themas als auch bei den Variationen bremst er das Tempo im vierten Takt sowohl
am Ende ein wenig ab. Auch in den beiden folgenden Sätzen werden nicht alle
Wiederholungen beachtet. Im zweiten Satz gefällt das nachdenklich gespielte
Trio.
Eine weitere
Aufnahme dieser Sonate wurde 1999 von der BBC in Edinburgh mitgeschnitten und
wiederum von Philips auf den Markt gebracht. Hier kann der Hörer beobachten,
wie Brendel nun einige Stellen empfindsamer spielt, sich mehr auf den Gehalt
des Notentextes einlässt. Darauf lassen sich auch die etwas langsameren Tempi
zurückführen. Außerdem bringt der Pianist einige der Wiederholungen, auf die er
früher verzichtete. Nicht so überzeugend
ist der zu laute Beginn des dritten Satzes.
Maria Joāo Pires
Zwei
Gesamtaufnahmen sind von der portugiesischen Pianistin auf dem Markt. Die erste
entstand mit der noch jungen Pianistin 1974 in Japan für Denon,
2007 brachte sie das Label Brilliant für den schmalen
Geldbeutel erneut heraus. Die zweite Aufnahme aller Sonaten entstand peu à peu ein Vierteljahr danach,
KV 331 1990. Der ersten Produktion kann man ein Stilgefühl für Mozarts
Klaviermusik nicht absprechen, Pires spielt dezent ausdrucksvoll, aber ich
finde, es ist eher eine schwarz-weiß-Aufnahme, mit ein wenig gedrosselten
Tempi. Das Trio im Mittelsatz wird langsamer vom umgebenden Menuett abgesetzt
und das alla-turca-Finale
klingt mir zu ruhig.
Die Tempi auf
der DGG-CD sind etwas schneller, ihr Klavierspiel ist abwechslungsreicher,
farbiger. Die Pianistin geht auf viel mehr Details ein und lässt mehr
aufhorchen, eine Meisterleistung! Übrigens berücksichtigt Pires in beiden
Aufnahmen alle Wiederholungen.
eingestellt am 16. 05. 21