Das Klassik-Prisma

 

  Bernd Stremmel

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Lieder eines fahrenden Gesellen

für Singstimme und Orchester

Wenn mein Schatz Hochzeit macht

Ging heut‘ morgen über’s Feld

Ich hab‘ ein glühend Messer

Die zwei blauen Augen von meinem Schatz

Mit den Liedern eines fahrenden Gesellen beginnen bei Mahler die Doppelfassungen (sowohl mit Klavier- als auch mit Orchester- Begleitung) von Einzelliedern als auch Zyklen. Die Gesellen-Lieder waren der angebeteten Koloratursopranistin des Kasseler Hoftheaters, Johanna Richter,zugedacht, Mahlers leidenschaftliche Gefühle blieben jedoch unerwidert. Mahler schreibt an seinen Freund Friedrich Löhr „… Die Lieder sind so zusammengedacht, als ob ein fahrender Geselle, der ein Schicksal gehabt, nun in die Welt hinauszieht, und so vor sich hin wandert.“ – „und leidet“, könnte man noch ergänzen. Die Texte stammen von Mahler selbst, ursprünglich waren es 6 Gedichte, an anderer Stelle nennt er sie auch Balladen, vier davon hat er in Musik gesetzt. Nach der ursprünglichen Fassung mit Klavier (~ 1884) fertigte der Komponist die heute viel bekanntere Orchesterfassung an (1891/92), die Anfang 1896 nochmals revidiert worden sein soll. Unbedingt erwähnt werden muss, dass die Gesellenlieder einen großen Einfluss auf die Komposition seiner 1. Sinfonie ausübten, die kurz nach der Orchesterfassung der Lieder begonnen wurde. Etliche Melodien wurden als Themen übernommen, so gleich im 1. Satz als Hauptthema „Ging heut‘ morgen über‘s Feld“.

Auf einige Abweichungen zu meiner Studienpartitur der Universal Edition Wien UE 34810 o. J. [nach 2011] bezüglich der gesungenen Texte sei noch hingewiesen:

Im 1. Lied singen etliche Sängerrinnen und Sänger nach „Ach! Wie ist die Welt so schön!“ Das „Ziküth“ dreimal, in der UE-Partitur ist es zweimal vermerkt.

In Lied 3 hört man bei vielen eine weitere Ergänzung: Nach „… so tief, so tief!“ T. 14-16 folgt anschließend noch „Es schneid‘t so weh und tief!“ In der UE-Partitur findet sich kein Hinweis auf diese beiden Varianten.

Männerstimmen – Bariton:

Gerhaher

Nagano

Orchestre Symphonique de Montreal

Sony

2012

15‘25

5



Schlusnus

Zillig

Sinfonie-Orchester des Hessischen Rundfunks

DGG           Preiser

1950

16‘07

4-5

live

Fischer-Dieskau

Furtwängler

Philharmonia Orchestra London

EMI

1952

18‘04

4-5


Fischer-Dieskau

Ackermann

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

Tahra

1954

15‘54

4-5

live

Schmidt, Andreas

Lopez-Cobos

Cincinatti Symphony Orchestra

Telarc

1991

15‘50

4-5

Foster, Norman

Horenstein

Bamberger Symphoniker

Vox

1954

15‘30

4-5


Hampson

Bernstein

Wiener Philharmoniker

DGG

1990

17‘20

4-5

live


Schey

Klemperer

Concertgebouw Orchester Amsterdam

archiphon

1948

14‘10

4

live

Fischer-Dieskau

Kubelik

Sinfonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

DGG

1968

16‘17

4


Fischer-Dieskau

Furtwängler

Wiener Philharmoniker

Orfeo

1951

16‘34

4

live

Fischer-Dieskau

Barenboim

Berliner Philharmoniker

Sony

1989

16‘33

4

Prey

Sanderling

Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

Eterna

Berlin Classics

P 1961

17‘18

4


Hagegard

Masur

New York Philharmonic Orchestra

Teldec

1992

16‘29

4

live


Poell

Furtwängler

Wiener Philharmoniker

Orfeo

Tahra

1952

16‘34

3-4

live



Frauenstimmen – Mezzosopran oder Sopran (Flagstad):

Miller

Walter

Columbia Symphony Orchestra

CBS    Sony

1960

15’34

5


Baker

Barbirolli

Hallé Orchestra Manchester

EMI

1967

17‘34

5



Ludwig

Boult

Philharmonia Orchestra London

EMI

1958

17‘27

4-5

Fassbaender

Chailly

Deutsches Sinfonie-Orchester Berlin

Decca

1989

15‘18

4-5

Peckova

Belohlavek

Prag Philharmonia

Supraphon

1995

17‘07

4-5

Zareska

Schuricht

Orchestre National de France

Tahra

1958

16‘34

4-5

live


Fassbaender

Sinopoli

Philharmonia Orchestra London

DGG

1985

17‘17

4

Ludwig

Cluytens

Philharmonia Orchestra London

BBCL

1957

17‘31

4


Forrester

Münch

Boston Symphony Orchestra

RCA

1958

17‘06

4


Minton

Solti

Chicago Symphony Orchestra

Decca

1970

15‘51

4


von Otter

Gardiner

Sinfonie-Orchester des NDR Hamburg

DGG

1993

16‘13

3-4

Horne

Mehta

Los Angeles Philharmonic Orchestra

Decca

1978

17‘12

3-4



Flagstad

Boult

Wiener Philharmoniker

Decca

1957

15‘58

3

Fassung von Arnold Schönberg für den Wiener Verein für musikalische Privataufführungen:

Fink

Orozco-Estrada

Gustav Mahler Ensemble

HMF

2014

15‘49

4-5



Nach den ersten Studio-Produktionen der Lieder eines fahrenden Gesellen mit Fritz Reiner (1946) und Eduard van Beinum (1947), die mir leider nicht vorliegen, ist die erste mir bekannte die von Fischer-Dieskau und Wilhelm Furtwängler, die m. W. in London 1952 am Rande von Furtwänglers Tristan-Aufnahme entstand, in der Fischer-Dieskau den Kurvenal sang. Bereits ein Jahr zuvor hatten WF und FiDi die Lieder in Salzburg mit den Wiener Philharmonikern vorgestellt. Ein Jahr später gab Furtwängler erneut die Lieder mit den WPh, diesmal in ihrer Heimatstadt, es sang Alfred Poell, diese drei Aufnahmen sind die einzigen festgehaltenen Begegnungen des Dirigenten mit Musik von Gustav Mahler. Mahlers Vokalmusik, hier die Lieder eines fahrenden Gesellen, hat jedoch Fischer-Dieskau währen seines gesamten Sängerlebens begleitet, außer WF stehen hier noch live-Mitschnitte und Studio-Produktionen mit Otto Ackermann, Rafael Kubelik und Daniel Barenboim zum Vergleich an. Diese fünf Aufnahmen geben nicht nur Zeugnis über die Auffassung der jeweiligen Dirigenten sondern spiegeln auch die Entwicklung des noch jungen Sängers bis zum gereiften Interpreten. Im Salzburger Festspielkonzert 1951 erklingt FiDis Stimme noch am natürlichsten, das letzte Wort „Traum“ wird hier nur noch gehaucht. Furtwängler scheint sich erst ab dem 3. Lied gefordert zu fühlen, auch die Wiener Ph. spielen leider so, als hätten sie nur einen (weiteren) Dienst zu absolvieren, die Solo-Violine kommt am Ende des 2. Liedes etwas schlampig artikuliert daher (Publikumsstörungen, viele Huster). Ein Jahr später in London singt FiDi schon wie aufgesetzt, gestelzt, aber auch expressiver. Auch WF macht sich Mahlers Musik hier mehr zu Eigen, insgesamt ist es die langsamste mir bekannte Interpretation, mit relativ gutem Klang. Otto Ackermann betont in seinem Kölner Konzertmitschnitt das Sprunghafte in Mahlers Musik, sowohl im Tempo, des Ausdrucks als auch der Lautstärke. Gleich zu Beginn bringt er das „schneller“/langsamer“ scharf heraus, dadurch erhält die Musik mehr Spannung und Kontur. Im 3. Lied wird die Musik kraftvoll aufgeladen, voller Leidenschaft. FiDi-Sprechgesang zeichnet den Sänger nun nicht als einen einfachen Menschen, sondern als Intellektuellen, der mit seinen Enttäuschungen zu kämpfen hat. Von allen Aufnahmen FiDis ist dies die schnellste. Mit Rafael Kubelik am Pult wurde in München (1968) die zweite Studio-Produktion eingespielt. Hier kommen beim Solisten weitere Eigenwilligkeiten hinzu, wie Stimmverfärbungen oder besondere Betonungen einzelner Wörter, wie „Schatz“ gleich im 1. Lied. Kubelik war kein Ackermann oder Furtwängler, steuert insgesamt aber eine gute Orchesterbegleitung bei, zudem erfreut die klangliche Seite. Mehr als dreißig Jahre später kommt noch eine weitere Interpretation der Lieder mit Daniel Barenboim und den Berliner Philharmonikern hinzu. Es kann den Hörer nicht verwundern, dass die Stimme nun gealtert klingt, auch schlanker, das fällt schnell bei hohen Tönen auf. FiDi weiß darum und geht mit ihr entsprechend um, hier und da gibt er ihr einen Anstrich von Ironie. Barenboim fasst, wenn es möglich ist, den Streicher-Chor als Block zusammen oder schafft Klangflächen, man fühlt sich an einigen Stellen an Wagner erinnert.

Erwähnt sei noch das übertrieben gesungene „Leide“, kurz vor Ende des 1. Liedes, FiDi skandiert es bei Ackermann, Kubelik und Barenboim übertrieben durch Einfügung von Zwischen-hs zu La-ha-ha-hei-de. Furtwängler toleriert dies 1951 nicht, ein Jahr später im Studio kommt ihm der Dirigent jedoch etwas entgegen. Trotz der vielen kritischen Anmerkungen halte ich Fischer-Dieskau jedoch für einen guten bis sehr guten Anwalt dieses Liederzyklus‘. Fischer Dieskaus Interpretationen haben ich erneut einer kritischen Durchsicht unterzogen und einige Bewertungen geändert.

Bei einem weiteren Furtwängler-Mitschnitt singt der Bariton Alfred Poell die Gesellen-Lieder. Seine Stimme will jedoch nicht zu dem jugendlichen Sänger passen, dazu kommen langsamere Tempi, das 1. Lied wird gezogen vorgetragen. Furtwängler lenkt seine Aufmerksamkeit mehr auf die lyrischen Partien. Das Klangbild ist kompakt und zeigt wenig Transparenz auf. Ein weiterer Konzertmitschnitt, diesmal aus Frankfurt und noch zwei Jahre älter, kann da besser gefallen. Der damals am Ende seiner Karriere stehende Heinrich Schlusnus kann mit seinem meist natürlichen Singen den verschmähten Liebhaber glaubhaft darstellen. Sein Dirigent Winfried Zillig ist ihm dabei ein hervorragender Begleiter. Die vielen jähen Tempoänderungen werden deutlich herausgestellt, die Musik bleibt unruhig, auch dann, wenn Ruhe suggeriert werden soll. Auch hier ist der Klang kompakt, Zillig bemüht sich jedoch um Differenzierung.

Bei der ältesten hier vertretenen Aufnahme stand der Mahler-Apologet Otto Klemperer am Pult des Concertgebouw Orchesters Amsterdam im Jahre 1948, es sang der Bariton Hermann Schey. Das Mikrophon hat die Stimme nach vorn gezogen, auffallend Scheys Verzicht auf jegliche Art von Sentimentalität. Klemperer bleibt immer streng im Tempo, vor allem auch am Schluss. Der Konzertmitschnitt klingt kompakt, störend hier das ständige Knistern und Knacken der Acetatplatten. Die Aufnahme hat eher historischen Wert. Der Mahler-versierte Dirigent Jascha Horenstein holte sich den amerikanischen Bass-Bariton Norman Foster für die Aufnahme der Gesellen-Lieder. Dem Dirigenten gelingt es gut, Mahlers Textur überzeugend auszubreiten. Fosters dunkle, nicht so ganz locker geführte Stimme, stößt bei den sehr hoch liegenden Stellen ein wenig an seine Grenzen, ohne dass die Intensität des Singens nachlässt. Herzzerreißend gelingt ihm die Stelle am Ende des 2. Liedes mir nimmer, nimmer blühen kann. Trotz des Alters der Aufnahme transparenter Klang. Hermann Preys Einspielung der Gesellen-Lieder entstand zu der Zeit, als der Sänger noch nicht so sehr auf einen unbedingt emotionalen Vortragsstil (Übertreibungen in Kauf genommen) Wert legte, viele Stellen singt er ganz natürlich. Im letzten Lied missachtet er jedoch Mahlers Hinweis nicht sentimental an der Stelle: „da wußt ich nicht, wie das Leben tut“ bis „…alles wieder gut!“ Im Lied 3 hat ihn leider die Tontechnik im Stich gelassen, bei „o weh“ klingt die Stimme verzerrt. Thomas Hampson hat alle drei Lieder-Zyklen von Mahler eingespielt. Alle Gesellen-Lieder werden unter Bernsteins Leitung langsamer gesungen, im dritten fordern Mahlers Ausbrüche den Ausdrucksmusiker natürlich heraus. Thomas bleibt dagegen maßvoll und insgesamt weniger expressiv, sozusagen eine eher moderne Interpretation. Thomas Quasthoff hat die Gesellenlieder mit Pierre Boulez eingespielt, der ebenfalls die Wiener Philharmoniker, diesmal im Studio, leitet. Der Bariton pflegt ein etwas gestelztes Singen, es erinnert mich an einige Beckmesser-Stellen, weniger melodiös. In den beiden letzten Liedern zeigt er eine glaubhafte emotionale Affinität, für die letzten tiefen Töne verfügt seine Stimme über genügend Volumen. Die diversen hohen Töne müssen allerdings erobert werden. Boulez fächert im 3. Lied den Klang mehr auf, man hört weniger Lärm als z. B. bei Kubelik oder Barenboim. Mit Hakan Hagegard hat Teldec einen Konzertmitschnitt unter Leitung von Kurt Masur herausgebracht. Der Säner verfügt über eine helle Baritonstimme, die im Ausdruck etwas neutral bleibt, abgesehen von Lied 3. Masur ist ein zuverlässiger Mitstreiter, der allerdings hier und da etwas großzügig mit Mahlers Anweisungen umgeht. Im 1. Lied z. B. verwechselt er „langsamer“ mit „langsam“.

An die Spitze der von Männern gesungenen Aufnahmen stelle ich die von Christian Gerhaher, begleitet wird er von Kent Nagano. Gerhaher identifiziert sich mit dem Sänger der Lieder, er bietet eine sehr gute Textverständlichkeit und enthält sich jeglicher gefühligen Übertreibungen. In Nagano hat er einen wissenden Partner. Das Stürmische und Aufgewühlte des 3. Liedes wird sehr gut herausgearbeitet, man merkt, es geht um’s Ganze, beste Transparenz. Vermerkt sei noch, dass er 10 Jahre zuvor die Schönbergsche Kammerfassung bei Arte Nova aufgenommen hat. Eine Kuriosität bietet der Bariton Andreas Schmidt: bei ihm werden alle Lieder um einen Ganzton nach unten transponiert, selbstredend auch die des Orchesters. Die Gesangsleistungen sind gut bis sehr gut, die Expressivität von Gerhaher erreicht er jedoch nicht immer ganz. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich sein Stimmorgan die diversen hohen Töne aufgrund der Transponierung nicht zu sehr abringen muss. Jesús López-Cobos und das Cincinatti Symphony Orchestra sind ihm hervorragende Partner.

Bei den Frauenstimmen stehen Mildred Miller und Janet Baker ganz oben. Mildred Miller wird von Bruno Walter, einem Mahler-Vertrauten, begleitet. Die Sängerin verfügt über eine helle und schlank geführte Mezzo-Stimme, die sie zu einem natürlichen Singen, ohne Übertreibungen, anhält. Zusammen mit Walter bildet sie ein gutes Team. Ähnliches ist von Janet Baker zu berichten. Ihre schlanke Stimme wird ziemlich linear geführt, in Kooperation mit John Barbirolli erreicht sie eine souveräne Gestaltung der Lieder, erwähnt sei jedoch, dass sich beide viel mehr Zeit für Mahlers Partitur nehmen. Die auch bei Mahler geschätzte Sopranistin Kirsten Flagstad kann bei den Gesellen-Liedern kaum überzeugen: ihre Stimme ist einfach zu groß für die Miniaturen. Ihr Singen ist stellenweise gaumig und wird wenig abwechslungsreich, mit weniger Klangfarben eingesetzt und passt nicht so recht zu den jugendlichen Liedern. Ein zusätzliches Manko ist ihre zu große Mikrophonnähe, die ihre Stimme zu sehr in den Vordergrund rückt. Im letzten Lied wird die Stelle „…Abschied nehmen vom allerliebsten Platz“ zu sehr gedehnt, entgegen Mahlers Bitte um Vermeidung von Sentimentalität. Eine positive Überraschung ist Eugenia Zareska, die mit ihrer dunklen Stimme die Lieder souverän vorträgt. Carl Schuricht steuert einen aufgehellten, farbigen Orchesterklang bei. Hier wird ein tragendes Konzept verwirklicht, das Pariser Publikum lauscht gespannt. Zareska wurde bereits 1947 von van Beinum herangezogen. Die aus Berlin gebürtige Mezzosopranistin Christa Ludwig wurde während ihrer langen Sängerkarriere nicht nur als Mozart-Sängerin geschätzt, eine Vorliebe scheint sie auch für Gustav Mahler besessen zu haben, alle Liederzyklen, sowie sehr viele Wunderhorn-Lieder sind bis heute mit ihr auf dem Schallplattenmarkt greifbar. Im Jahre 1958 nahm sie die Gesellen-Lieder mit Adrian Boult in London auf. Sie singt konzentriert und kultiviert, hier und da wünschte man sich mehr Tempo. Boult hält das Orchester immer sehr durchsichtig, die Stimme ist in den Orchesterklang eingebettet. Ein Jahr zuvor hat sie mit André Cluytens und demselben Orchester in der Londoner Royal Festival Hall ebenso die Gesellen-Lieder gegeben. Wahrscheinlich hat die Ludwig ihr Singen der Akustik des großen Saales angepasst. Ihre Stimme klingt hier breit ausladend, emotionaler als im Studio, die Tongebung erfolgt sehr weit hinten. Im 1. Lied zieht sie das „Leide“ T. 83/84 übertrieben in die Länge (siehe Fischer-Dieskau, mit dem sie oft gemeinsam aufgetreten ist). Das Orchester spielt gröber, weniger differenziert als bei Boult, leider hat die BBC-Aufnahme auch sehr viele Huster festhalten müssen. Eine weitere Aufnahme der Gesellen-Lieder mit dem Philharmonia Orchester wurde mit Brigitte Fassbaender und Giuseppe Sinopoli produziert , der damals als Chefdirigent fungierte. Die Singstimme ist auch hier mehr in den Orchesterklang eingebettet. Fassbaender nähert sich Mahlers Liedern auf erzählende Weise, eine emotionale Beteiligung tritt zurück. Sinopoli fährt mit einem spätromantisch klingenden Orchester auf, dunkel getönt und in die Breite gehend bei gezügelten Tempi. Anders die Aufnahme mit Riccardo Chailly aus Berlin. Hier spürt man sofort eine größere Nähe zu den Liedtexten und zur Musik. Die Stimme ist zudem präsenter und klingt mit Chaillys Orchester nicht nur transparenter sondern auch differenzierter.

Mit diesem Orchester hat Ende der 50er-Jahre die amerikanische Mezzosopranistin Maureen Forrester noch unter Fricsays Leitung Mahlers Rückert-Lieder eingespielt, die Aufnahme der Gesellen-Lieder entstand etwa zur selben Zeit in Boston mir Charles Münch als Partner. Eigentlich liegt hier eine ansprechende Aufnahme vor, wäre da nicht das Dauervibrato Forresters, das einer differenzierten Wiedergabe im Wege steht. Münch bringt eine saftige Orchesterbegleitung, auch am Klang ist wenig auszusetzen. Ein ähnliches Bild hinterlässt die Aufnahme mit Yvonne Minton und Georg Solti: Auch hier stört das umfangreiche Vibrato mit Tonverfärbungen, man vermisst eine dynamische Differenzierung, vor allem im p-Bereich. Im furiosen 3. Lied hält sich Power-Dirigent Solti auffallend zurück. Marilyn Horne kann mit den Gesellen-Liedern m. E. noch weniger reüssieren. Auch hier beobachtet man zu viel Vibrato, zudem wird ihre Stimme in der Höhe dünn. Ihr Begleiter Zubin Mehta, der oft Musik von Mahler aufführt(e), kann kein schlüssiges Konzept anbieten. Im Kopfsatz verwechselt er „langsamer“ mit „langsam“. Bei den staccato zu spielenden Achtelnoten (gleich zu Beginn und auch später), im Anschluss an die wie Doppelschläge klingenden Sechzehntelfiguren der Holzbläser, negiert er in den Takten 1, 3, 7 und 11 die staccato-Punkte, später werden sie befolgt. Insgesamt scheint mir dieser Satz in Abschnitte zu zerfallen. Auch Anne Sofie von Otters Aufnahme zusammen mit Eliot Gardiner ist kein großer Wurf. Der Dirigent scheint keine Beziehungen zu dieser Musik zu haben, es klingt eher wie ein Pflichtstück oder Füller. Von Otters Mezzo klingt hell und ist schlank geführt, aber ihr Singen erinnert mich hier an ein Gericht ohne Fleischbeilage, es fehlt das bei Mahler so wichtige Herzblut. Das vermisst man bei Dagmar Pekovás Interpretation sicher nicht. Mit Gefühl nimmt sie sich Mahlers Lieder an und überzeugt mit ausgeglichenem Gesang. Ihre deutsche Aussprache ist im Allgemeinen akzeptabel, jedoch nicht immer akzentfrei, ihre böhmische Muttersprache kann sie nicht ganz leugnen, was ihre Leistung jedoch nicht schmälert. Jiri Belohlavek ist ein aufmerksamer Mitgestalter.

Bernada Fink bietet die selten zu hörende kammermusikalische Fassung von Arnold Schönberg für den Wiener Verein für musikalische Privataufführungen, also eine klangliche Reduktion des Orchesterparts, den das Gustav Mahler Ensemble unter Leitung von Andres Orozco-Estrada hier engagiert übernimmt. Bernada Fink gelingt ein ausdrucksvoller Vortrag, leider klingen die sehr hohen Töne etwas gequetscht.

Danke sagen möchte ich einem treuen Leser des Klassik-Prismas, der mich bei der Beschaffung einiger Aufnahmen außerhalb meiner Sammlung unterstützt hat.

eingestellt am 24. 03. 2016

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