Das Klassik-Prisma |
|
Bernd
Stremmel |
Diese Webseite ist urheberrechtlich geschützt.
Wolfgang Amadeus Mozart
Violinsonate B-Dur KV
454
Largo, Allegro –
Andante - Allegretto
Die Sonate
endet mit einem Rondo, wie auch in den beiden vorangegangenen Sätzen mit drei
Themen, die den Spielern reiche Möglichkeiten für ein erfülltes Zusammenspiel
bereitstellen. Am Schluss hält Mozart noch eine Überraschung bereit, wenn er
nach den Achteltriolen-Ketten der Geige mit vermeintlich schnelleren
Sechzehntel-Läufen auf dem Pianoforte die Geigerin noch zu übertreffen versucht.
Mozart möchte
in seiner Violinsonate im ersten Satz die Exposition sowie die folgende
Durchführung und Reprise wiederholen lassen, das war damals üblich. Erstere
wird in der Regel repetiert, die Wiederholung von Durchführung samt Reprise
entfällt jedoch fast immer. Lediglich die Duos Kagan/Richter, Shiokawa/Schiff
und Kuijken/Devos spielen alles, im Gegensatz von Schneiderhan/Seemann und Igor
Oistrach, die auf alle verzichten.
5 |
Isaac Stern |
Yefim Bronfman |
Sony |
1993 |
22‘27 |
|
||||
|
I delikater
Vortrag, markant akzentuiert, sehr gutes Miteinander, II mit Feingefühl, III
erfrischend, aufmerksames Zusammenspiel
|
|
||||||||
5 |
Arthur Grumiaux |
Clara Haskil |
Philips |
1957 |
21‘53 |
|
||||
|
▼ |
|
||||||||
5 |
David Oistrach |
Vladimir
Yampolski |
EMI |
1956 |
21‘37 |
|
||||
|
▼ |
|
||||||||
5 |
Oleg Kagan |
Svjatoslav
Richter |
Live classics |
1975 |
24‘23 |
|
||||
|
live, sehr
gutes Miteinander, zupackend, pointiert artikuliert, fantasiereiche Umsetzung
des Notentextes, innere Dramatik der Musik erweckt, ansteckende Spielfreude |
|
||||||||
5 |
Georg
Kulenkampff |
Georg Solti |
Decca |
1948 |
21‘27 |
|
||||
|
lebendig, souverän,
mit artistischer Leichtigkeit, Geiger mit wenig Vibrato, atmosphärisch dicht,
sehr gutes Miteinander – gute Balance und Transparenz |
|
||||||||
|
|
|||||||||
David Oistrach |
Paul
Badura-Skoda |
Eurodisc BMG |
1972 |
22‘20 |
|
|||||
|
▼ |
|
||||||||
4-5 |
Arthur Grumiaux |
Walter Klien |
Philips |
1981 |
20‘53 |
|
||||
|
▼ |
|
||||||||
4-5 |
Frank-Peter
Zimmermann |
Alexander
Lonquich |
EMI |
1987 |
23‘16 |
|
||||
|
I ausgewogenes
Musizieren, im Tempo, nicht auftrumpfend, mit Feingefühl, II hier etwas
distanziert, eher sachlich als temperamentvoll, insgesamt etwas langsam, III
hier deutliches Miteinander |
|
||||||||
4-5 |
Szymon Goldberg |
Radu Lupu |
Decca |
1974 |
21‘57 |
|
||||
|
I ausgewogen,
differenzierte Darstellung, Klang: Instrumente dicht beieinander, II im
Ausdruck etwas zurückhaltend, der Violine wünschte man sich etwas mehr Glanz,
hier (III) etwas mehr an Feuer, alles etwas gleichmäßig |
|
||||||||
4-5 |
Christian
Tetzlaff |
Lars Vogt |
Ondine |
2011 |
21‘01 |
|
||||
|
I E wie
abwartend, HT Allegro molto, bei D unterbricht Tetzlaff die Bögen, II Andante,
gutes Miteinander, jedoch etwas distanziert, III Balance zwischen den
Instrumenten zuungunsten der Violine – insgesamt sehr schlankes Musizieren |
|
||||||||
4-5 |
Henryk Szeryng |
James Tocco |
Orfeo |
1979 |
21‘39 |
|
||||
|
live, sehr gutes
Zusammenspiel, Tocco etwas weicher und geschmeidiger am Werk, Haebler klingt
mehr nach Haydn, Tocco mehr nach Mozart |
|
||||||||
4-5 |
Henryk Szeryng |
Ingrid Haebler |
Philips newton |
1969 |
21‘55 |
|
||||
|
I ausdrucksstarkes
Musizieren, kämpferisch, Lust an musikalischer Zuspitzung, Flügel führt, II
oft mit Druck musiziert, ausdrucksstark – insgesamt sachliches Musizieren |
|
||||||||
4-5 |
Jascha Heifetz |
Emanuel Bay |
RCA |
1936 |
20‘28 |
|
||||
|
I ernsthaft
gespielte E, entschiedener Zugriff, von musikalischer Energie sprühende
Interpretation, Geige präsenter als später, II Musiker geben der Musik etwas
mehr Raum und Zeit, das gilt auch für das Finale – gutes Miteinander –
Schellack-Aufnahme |
|
||||||||
4-5 |
Jascha Heifetz |
Brooks Smith |
RCA |
1954 |
19‘37 |
|
||||
|
I überwiegend
lockeres Spiel bei entschiedenem Zugriff, Heifetz schmiert einige Doppelschläge
(T. 33-35 und später), II trotz durchwegs straffen Tempos wirkt die
Interpretation doch gelassen, III mehr Allegro als Allegretto, stellenweise
überschäumende Musizierlaune, leider einige Schwächen bei der Intonation |
|
||||||||
4-5 |
Wolfgang
Schneiderhan |
Carl Seemann |
DGG |
1953 |
22‘02 |
|
||||
|
▼ |
|
||||||||
4-5 |
Wolfgang
Schneiderhan |
Carl Seemann |
Orfeo |
1964 |
19‘13 |
|
||||
|
live, ▼ |
|
||||||||
|
|
|||||||||
4 |
Itzhak Perlman |
Daniel
Barenboim |
DGG |
1990 |
21‘45 |
|
||||
|
I Allegro
molto, Virtuosität des Satzes ausgespielt, jeder Spieler bringt sich nach
vorn, II Flügel oft vor der Geige, III T. 29 letztes Viertel „vergessen?“,
auch vor M, stellenweise etwas forsch, dabei wird die Musik überfahren –
insgesamt jedoch gutes Zusammenspiel |
|
||||||||
4 |
David Garrett |
Itamar Golan |
DGG |
1995 |
22‘10 |
|
||||
|
I E sehr
langsam, jedoch kaum Spannung, MT entschieden voran, Ausgewogenheit der Stimmen,
gutes Miteinander, II hier viel mehr Spannung als im 1. Satz, III die
unterschiedlichen Aggregatzustände der Musik gut getroffen, dynamische
Differenzierung noch nicht ausgeschöpft |
|
||||||||
|
|
|||||||||
3-4 |
Joseph Szigeti |
George Szell |
Vanguard |
1955 |
21‘32 |
|
||||
|
I spontan
wirkende Musizierfreude, geringere artikulatorische Feinarbeit, II Geige mit viel
Vibrato sowie mit nicht immer zufrieden stellender Intonation, III Pianist
wünschte man sich geschmeidiger, dynamische Gestaltung im p-Bereich
nicht immer top |
|
||||||||
3-4 |
Anne-Sophie
Mutter |
Lambert Orkis |
DGG |
2006 |
22‘02 |
|
||||
|
I E ungewohnte
rhythmische Gestaltung T. 1 und T. 3, HT Allegro assai: mehr an der
Oberfläche musizierend, wenig Charme, II Musik scheint die Spieler nicht
herauszufordern, man spielt eher neben- als miteinander – dynamische
Gestaltung nach eigenem Gusto (gilt für alle Sätze) |
|
||||||||
3-4 |
Igor Oistrach |
Natalia
Zertsalova |
Melodya |
P 1979 |
24‘23 |
|
||||
|
I etwas starre
E, spontan wirkende Musizierfreude, klangliche Schärfung, großzügige Dynamik,
II Geige mit einigen Intonationstrübungen, etwas festes Musizieren, (zu)viel
Druck, III Balance zwischen den Instrumenten nicht immer optimal ausgeglichen
– Instrumente klanglich dicht beieinander, insgesamt etwas hölzern, man hätte
sich etwas mehr an Schliff gewünscht |
|
||||||||
Aufnahmen in historisch-informierter
Aufführungspraxis mit Originalinstrumenten |
|
|||||||||
5 |
Midori Seiler |
Jos van
Immerseel |
ZigZag |
2000 |
20‘53 |
|
||||
|
I frischer
Vortrag, klare Artikulation, farbiges Klangbild, II Eintauchen in die Welt
der Poesie, mit Feingefühl, Spannungsbögen, III gelöstes Musizieren, stellenweise
kapriziös, überzeugende Dialoge |
|
||||||||
|
|
|||||||||
4-5 |
Sigiswald
Kuijken |
Luc Devos |
Accent |
1995 |
25‘00 |
|
||||
|
I ausdrucksvolle
E, Geige – sehr schlanke Tongebung – leider durchgehend hinter dem Clavier
platziert, kaum Vibrato, mit artistischer Leichtigkeit, II stimmungsvoll, III
Allegretto, nicht eilend, Verzicht auf virtuose Selbstdarstellung |
|
||||||||
|
|
|||||||||
4 |
Yuuko Shiokawa |
Andras Schiff |
Decca |
1992 |
24‘36 |
|
||||
|
I akkurates
Zusammenspiel, temperamentvoll, ungeduldig, pointierte Dramatik – klanglich etwas
spröde, zu viel Mechanik stellt sich vor die musikalische Botschaft |
|
||||||||
|
|
|
|
|
|
|
|
|||
Hinweise zu Interpreten und
Interpretationen
Zwei Interpretationen mit Mozarts
B-Dur-Sonate KV 454 stehen hier zum Vergleich. In der früheren (1956) aus
London mit Vladimir Yampolski am Flügel fühlen sich die beiden Musiker vom
Notentext herausgefordert, wovon ein vehementer Zugriff zeugt, der ein Atmen
mit der Musik nicht im Wege steht. Oistrach überzeugt mit einem klaren und
flexiblen Geigenton. 16 Jahre später trifft der Geiger in Wien den
österreichischen Pianisten Paul Badura-Skoda. Beide nehmen für Eurodisc einige
Mozart-Sonaten auf, u. a. auch KV 454. Im Vergleich zu Yampolski hält sich
Badura-Skoda bei seinem Spiel etwas zurück. Im Andante bleiben sie ruhig und
gelassen, auch etwas langsamer als früher. Das Tempo des Final-Rondos
entspricht in etwa der Erst-Aufnahme.
Schneiderhan war in den 1950er bis
1960er Jahre sowohl ein geschätzter Konzertgeiger als auch Kammermusiker. Sein
Vorzugspartner am Flügel war der Freiburger Klavierprofessor Carl Seemann. Es
verband sie ein sehr gutes Miteinander, im Konzertsaal als auch im
Plattenstudio. So nimmt es kein Wunder, dass sie die DGG für die Aufnahme aller
Mozart-, Beethoven- und Brahms-Sonaten verpflichtete. 1953 beginnt die
A-Dur-Sonate mit einer ernsthaften Einleitung, ihr folgt ein lebendiges
Musizieren im Hauptteil, die Musik bleibt immer klar und transparent. Ohne
Druck aber trotzdem ausdrucksstark zieht das Andante vorüber. Leider sind bei
der Aufnahme einige Intonationstrübungen nicht korrigiert worden. Mit
inspiriertem Vortrag wird das Finale und damit die Sonate zum Ende gebracht.
Das Label Orfeo brachte einen Konzert-Mitschnitt auf den Markt, der 1964 in
Schwetzingen entstand. Hier musiziert Schneiderhan mit dem amerikanischen
Pianisten James Tocco vier Violinsonaten, u. a. auch unsere A-Dur-Sonate KV
454. Die Tempi sind in allen Sätzen etwas schneller als früher. Im Kopfsatz
verzichten die Musiker auf die Wiederholung der Exposition. Es wird insgesamt
etwas freier sowie lebendiger musiziert mit mehr Dynamik. Dabei ist jedoch
nicht zu überhören, dass Schneiderhans Geigenton nicht so rund klingt wie der
von Grumiaux, Szeryng oder Oistrach.
Arthur Grumiaux
Nach einer kleinen Auswahl Mozartscher
Violinsonaten zusammen mit der Pianistin Clara Haskil in der zweiten Hälfte der
1950er Jahre auf 2 LPs, spielte Grumiaux zu Beginn der 1980er Jahre eine
Gesamtaufnahme mit dem Pianisten Walter Klien ein. Alle Aufnahmen erschienen
bei Philips.
Im Falle der B-Dur-Sonate sind die
interpretatorischen Unterschiede nicht sehr groß. Die frühere Aufnahme mit
Haskil am Flügel zeichnet ein beseeltes Musizieren aus mit einer sehr guten
Balance zwischen den beiden Instrumenten. Grumiaux‘ Intonation ist hier und da
jedoch nicht ganz top. Eine erhabene Ruhe herrscht im Andante vor. Etwas mehr
an Inspiration gegenüber der späteren Interpretation mit Klien zeichnet das
Finale aus. In dieser Aufnahme wird jedoch etwas lebendiger musiziert,
teilweise auch etwas hektischer. Im Andante, trotz schnellerem Tempo, überzeugt
ein natürliches Musizieren, bei einem sehr guten Miteinander der beiden
Musiker. Die klanglichen Verhältnisse sprechen für die jüngere Aufnahme.
eingestellt am 05.07.24