Das Klassik-Prisma |
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Bernd
Stremmel |
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Franz Schubert
Streichquartett
d-Moll D. 810
„Der
Tod und das Mädchen“
Allegro
– Andante con moto –
Scherzo, Allegro molto – Presto
Neben dem sogenannten
Forellenquintett ist Schuberts d-Moll-Quartett das bekannteste Kammermusikwerk
Schuberts. Es erinnert in seiner Unerbittlichkeit an sein verehrtes Vorbild
Beethoven, bereits vom ersten Takt an. Alle Sätze stehen hier in Moll, allein
der Variationssatz endet im versöhnlichen G-Dur.
Auch wenn der
Komponist hier absolute Musik geschaffen hat, kann er sein alter ego, den Liedkomponisten, nicht verleugnen. Bereits das
zweite Thema des Kopfsatzes trägt anfangs liedhaften Charakter, muss sich aber
bald dem dramatischen Grundkonzept des Satzes unterwerfen.
Schubert stellt zu
Beginn des Kopfsatzes ein Motto, das an Beethovens Anfang seiner 5. Sinfonie
erinnert. Die Achtel-Triolen mit nachfolgender Viertel-Note übernehmen ab dem
fünften Takt eine thematische Dringlichkeit, die auch noch während des zweiten
Themas zu spüren ist. Beim vergleichenden Hören kann man erleben, wie die
Interpreten die vier ersten energischen Takte auffassen. Etwa die Hälfte der
Quartett-Formationen, z. B. das Busch-Quartett, das Alban-Berg-Quartett sowie
das Auryn-Quartett, nimmt die jeweils fünf Noten
(punktierte Halbe, Achtel-Triole, Viertel) unter einen Bogen, das demonstriert
Geschlossenheit und Kraft. Die andere Hälfte, wie z. B. das Clavet-Quartett,
das Budapester Streichquartett, das Lindsay Quartet
oder das Hagen-Quartett setzen zwei Bögen (punktierte Halbe, danach
Achtel-Triole und Viertel) und verleihen so der Achtel-Triole mit Viertel-Note
aufgrund des neuen Ansatzes eine noch größere Intensität.
Im zweiten Satz
verarbeitet Schubert in fünf Variationen Teile des Liedes „Der Tod und das
Mädchen“ D. 531, komponiert im Jahre 1817. Schubert verwendet zunächst die
Klaviereinleitung (sie wird wiederholt), danach die Klavierbegleitung zu den
Worten „Gib deine Hand … in meinen Armen
schlafen“, auch dieser Abschnitt wird wiederholt. Somit ergeben sich
zweimal acht sowie zweimal sechzehn, also insgesamt 24 Takte. Dieses Schema
wird auch in den Variationen übernommen. In den beiden ersten Variationen ist
das Thema immer präsent, Variation drei mit seiner durchgehenden daktylischen
Bewegung stützt sich auf das harmonische Gerüst und ist von einem Wechsel von
sehr lauten und sehr leisen Abschnitten geprägt, aber auch eine durchbrochene
Arbeit im zweiten Abschnitt, wie wir sie von Beethoven kennen, bringt Spannung
und darf nicht übersehen werden. Nach dieser g-Moll-Variation wechselt Schubert
in Variation vier zu G-Dur, ein melancholischer Grundton bleibt diesen 24
Takten jedoch erhalten. In Variation fünf kehrt g-Moll zurück. Schubert möchte,
dass die ersten acht Takte durchgehend sehr leise zu spielen, bei der
Wiederholung jedoch mit einem Crescendo zu versehen seien, bis im achten Takt ff erreicht wird. Viele Quartette
übergehen diese Anweisung und crescendieren bereits
vor der Wiederholung. Ab Takt 145 in Variation fünf leitet die Musik ohne
Unterbrechung in die Satzcoda über, die die
Themenaufstellung zu Beginn des Satzes aufgreift, wobei die Musik jetzt wieder
ruhiger wird. Die bisherigen Sechzehntel der ersten Geige wandeln sich in
Achteltriolen – eine auskomponierte Entschleunigung –
während die übrigen Streicher jetzt zu Ganzen und Halben Noten überleiten. Für
die Interpreten ist es wichtig, nicht zusätzlich langsamer zu werden, kaum eine
Formation hält sich jedoch daran, rühmende Ausnahmen sind das Guaneri Quartet und das
Petersen-Quartett.
Ein knappes, sehr
konzentriert gearbeitetes Scherzo in d-Moll, schließt sich an. Der Komponist hat
nicht vermerkt, dass das wunderbar schwebende Trio in D-Dur langsamer gespielt
werden sollte, wie es die meisten Quartette jedoch ausführen. Wichtig erscheint
mir, dass sich die erste Geige mit ihren Achtelfiguren vor allem im zweiten
Teil des Trios nicht vordrängelt und damit aus dem fein austarierten Quartettklang ausbricht.
„Musik
im Fiebertraum“, so könnte man den letzten Satz überschreiben. Er beginnt mit
einem huschenden Tarantella-Thema, leise, unisono,
presto und voller Energie in d-Moll. Die Achtelnoten in Takt 7 und 15 sollen
staccato gespielt werden, was nicht immer gelingt, sehr oft wird darüber hinweg
gehuscht. Das Motiv in den Takten drei bis sechs wird bereits im zweiten Teil
des Themas T. 17 ff. durchgeführt und wird sich im weiteren Verlauf des Satzes
als bestimmend erweisen. Als wenn der Tragik und Verzweiflung nicht genug
wären, bemüht Schubert beim zweiten Thema auch noch sein früher komponiertes
Lied, der „Erlkönig“ op. 1, sein erstes im Druck erschienenes Werk, heute unter
der Deutsch-Nummer 328 geführt. Schubert bedient sich der Liedstelle „…siehst, Vater, du…“, die Streicher
spielen dort zu Beginn des zweiten Themas unisono im ff (wichtig!) die Töne f‘-g‘-c‘-f‘;
der letzte Ton müsste entsprechend der Liedvorlage allerdings a‘ sein, dieses passt jedoch nicht in
der Verlauf des Themas. Einige Takte später kommt das Kind wieder zu Wort: Die
beiden Violinen greifen seine Musik im Oktavabstand auf (T. 110 ff). Ab T. 134
wird es dann Intervall-getreu von der zweiten Geige vollständig vorgetragen („…siehst, Vater, du den Erlkönig nicht…“),
T. 174-180 dann in hoher Lage von der ersten Geige wiederholt. In der Reprise
begegnen wir dem Erlkönig-Zitat erneut. Erwähnt werden sollte noch, dass
Schubert das Metrum des Liedes (Dreiviertel-Takt) dem des
Streichquartett-Satzes anpasst (Sechsachtel-Takt). In der einschlägigen
Literatur vermisst man durchgehend den Hinweis auf das Erlkönig-Zitat in diesem
Satz, fast alle Schreiber scheinen es nicht wahrgenommen zu haben, und die
ausführenden Musiker? Lediglich Hans-Günter Klein weist im Booklet der Aufnahme
mit dem Hagen-Quartett darauf hin. Er meint, das
Tod-und-das-Mädchen-Zitat könnte „für die
tröstlich milde Sphäre des Todes steht [stehen]“, dem Erlkönig-Zitat dagegen sei „der Ausdruck von Furcht und Schauder eigen.“ Ich würde noch
hinzusetzen, es ist letztendlich Ausdruck der Unerbittlichkeit des Todes.
Insgesamt verbreitet
dieses Quartett, abgesehen von den wenigen Dur-Abschnitten, tiefste
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, alle vier Sätze stehen in Moll.
Bei D.810 fällt es
schwer ein Streichquartett auf einen hinteren Platz zu setzen, da das Besondere
dieses einzigartigen Quartetts kaum verfehlt werden kann.
Die unterschiedliche
Spieldauer erklärt sich hauptsächlich durch den Verzicht auf Wiederholungen im
zweiten Satz, die Wiederholung im ersten Satz beachten nur wenige, meist
jüngere Ensembles: Brandis, Borodin, Hagen, Melos-89,
Artis, Talich Aria,
Jerusalem, Leipziger, Petersen, Artemis, Mandelring, Fitzwilliam,
Belcea, Ehnes und The
Lindsays.
5 |
Busch-Quartett |
EMI |
1936 |
31‘10 |
|||
|
I unbedingter Ausdruckswille,
Artikulation nicht immer mit letzter Deutlichkeit, bei Tutti-Stellen auch
leicht orchestral, II Th Adagio, sehr ruhig,
ausdrucksvoll, III Trio nur ein wenig langsamer, IV getrieben, stellenweise
Sogwirkung – kompakter Klang – bei Busch har man den Eindruck, das Quartett
kämpfe sich durch den Notentext, bei Calvet (s. u.) dagegen meint man, das
Quartett habe den größeren Überblick, spiele dagegen mehr aus der Distanz |
||||||
5 |
Artemis-Quartett |
Virgin |
2009 |
41‘53 |
|||
|
I T. 1-14 als E, wie ein Motto, im
Bereich des ersten Themas leidenschaftlich, wild, schwermütig im Bereich des
zweiten, immer sehr homogen, Cello T. 32-38 chromatische Basslinie
hervorgehoben, II Thema und Variation 4 etwas langsamer, III starker
Gegensatz zwischen zupackendem Scherzo und empfindsam gespielten Trio, IV
Presto – sehr gute dynamische Differenzierung, bestes Zusammenspiel |
||||||
5 |
Aria
Quartett |
Novalis |
1992 |
41‘25 |
|||
|
I temperamentvoll, kämpferisch,
rhythmischer Schwung, schlanke Tongebung, , II Th
etwas langsamer, Takt 8 der fünften Variation mit Crescendo, III Trio ein
wenig langsamer, mit viel Melancholie angereichert – sehr gute Transparenz
und Balance, subtil differenziert, klare Artikulation, immer durchsichtiger
Klang |
||||||
5 |
Juilliard Quartet |
RCA Sony |
P 1960 |
38‘45 |
|||
|
▼ |
||||||
5 |
Bastian-Quartett |
Imperial |
1957 |
35‘56 |
|||
|
I das siebenmalige dreigestrichene c der ersten Geige (T. 102 ff) nicht deutlich herausgestellt, Quartettklang hat Körper, dynamischer Reichtum wie
vorgesehen, Synthese zwischen klassischer Klarheit und organischem
Musizieren, II kleinste harmonische und melodische Wendungen sensibel
nachgezogen, III Trio ein wenig langsamer – sorgfältiges Musizieren geht vor
überwiegend emotionalem Vortrag, gute Transparenz und Balance |
||||||
5 |
Guarneri
Quartet |
RCA newton |
1976 |
36‘27 |
|||
|
klangvoller Espressivostil,
schlanke Tongebung, sehr gute Balance, Transparenz und Dynamik – I ab T. 15
schneller, kraftvoll nach vorn |
||||||
5 |
Hagen-Quartett |
DGG |
1990 |
41‘40 |
|||
|
I hellwach, zupackend, jedoch wenig
Pathos, überzeugendes piu mosso T. 311-325, II Th geheimnisvoll, ohne Vibrato, immer sehr schlanke
Tongebung, viel Atmosphäre, III rhythmisch betontes Scherzo, filigran
gezeichnetes Trio (langsamer), IV Presto!, mit artistischer Leichtigkeit |
||||||
5 |
Pavel-Haas-Quartett |
Supraphon |
2013 |
37‘40 |
|||
|
prägnanter Vortragsstil, immer
schlank ohne Vibrato musiziert, trotzdem kämpferisch, subtil differenziert,
ohne die scharfe Klanglichkeit anderer Ensembles |
||||||
5 |
Petersen-Quartett |
Capriccio |
1997 |
39‘22 |
|||
|
I vorwärtsdrängend, Steigerungen von
langer Hand vorbereitet, konzertanter Stil, gute dynamische Differenzierung, II
Musik immer in Bewegung, tempokonstant, III starker Gegensatz zwischen
zupackendem Scherzo und empfindsamen Trio, IV wild, atemlos |
||||||
5 |
Vision
String Quartet |
Warner |
2019 |
36‘38 |
|||
|
I unbedingter Gestaltungswille, schlankes
Musizieren, dynamischen Extremen nicht aus dem Weg gehend, IITh. p statt pp, erst ab T. 17, Var.
3 wild, tolle Stringenz, Spannung vom ersten bis zum letzten Ton, III Cello
klingt beim letzten Ton vor dem Trio nach, auch am Ende, IV molto espressivo – inspirierende Darstellung! |
||||||
5 |
Leipziger-Streichquartett |
MDG |
1995 |
42‘02 |
|||
|
I/II trotz schlankem Vortragsstil
wird das Espressivo nicht übersehen, stellenweise auch
etwas orchestral, III trotziges Scherzo, Trio mit melancholischem Einschlag,
IV Presto, T. 103 punktierte Achtel wie abgerissen gespielt |
||||||
5 |
Belcea Quartet |
EMI |
2009 |
43‘38 |
|||
|
I dramatische (schroff) und lyrische
(etwas langsamere) Abschnitte scharf voneinander abgesetzt, immer auch wieder
den Blick auf Details gerichtet, II mäßiges Tempo, Thema langsam, Musik außer
Variationen 3 und 5 ganz zart, sehr gute Dynamik, III langsames Trio, IV
ähnlich wie Satz 1 |
||||||
|
|||||||
4-5 |
Alban
Berg Quartett |
EMI |
1984 |
38‘31 |
|||
|
I prägnantes Musizieren, wild,
unerbittlich, kaum abwechslungsreich, II sich Zeit lassend, Musik liebevoll
nachgezeichnet, Variation 5: Crescendo auch im ersten Teil, III melancholisches
Trio, IV unerbittlich bis zum bitteren Ende – zu viel Stahlsaite bei Violine
1 (stellenweise auch 2) in hohen Lagen |
||||||
4-5 |
Calvet-Quartett |
Telefunken |
1937 |
38‘27 |
|||
|
I das siebenmalige dreigestrichene c der 1. Geige (T. 102 ff) nicht deutlich herausgestellt, auch nicht
in der Reprise, II ausdrucksvoller Vortrag, nicht übersteigert, leichtes
Vibrato beim Thema, schnelleres Tempo in Variation 1, ab Variation 2 wie zu
Beginn, III langsameres Trio, Klang gegen die Motorik des Scherzos gestellt,
IV kein richtiges Presto, Musik zieht sich hin – Quartett-Klang etwas breiter
als bei Capet und Busch |
||||||
4-5 |
The
New Hungarian Quartet |
Vox |
P 1973 |
39‘13 |
|||
|
homogenes Musizieren, getragen von großem
Ernst; trockenes und leider auch enges Klangbild, in dem die Primgeige an
lauten Stellen auch zur Schärfe neigt, bei f/ff-Passagen klingt das Quartett auch etwas rau, in den Sätzen
I, III und IV nur mäßige Tempi – Nachfolge-Quartett des Ungarischen Streichquartetts,
in dem der Bratschist Denes Koromzay noch mitwirkte |
||||||
4-5 |
Quartetto Italiano |
Philips |
1965 |
38‘32 |
|||
|
I das Fatalistische nicht voll
ausgefahren, Hoffnung noch nicht aufgegeben, II Quartetto
Italiano spielt nur für sich, wie ins Private
zurückgezogen; traurig, aber nicht trotzig, III ohne dramatische Zuspitzung,
Trio etwas langsamer, melancholisch, IV schnelles Allegro, kein Presto |
||||||
4-5 |
Capet-Quartett |
EMI |
1927/28 |
27‘50 |
|||
|
I deutliches Musizieren, II Thema
ohne Vibrato, ausdrucksvoll, Var. 1 etwas
schneller, Var. 3 noch mehr, III Trio langsamer, IV
sehr schnell, atemlos. Pausentakt 374 ausgelassen – dynamische
Differenzierung im p-Bereich
unterbelichtet, kompakter Klang |
||||||
4-5 |
Budapester-Streichquartett |
Columbia CBS
Sony |
1954 |
38‘01 |
|||
|
▼ |
||||||
4-5 |
Budapester-Streichquartett |
Andromeda |
1955 |
36‘09 |
|||
|
live, ▼ |
||||||
4-5 |
Casal-Quartett |
Bayer Records |
1998 |
37‘50 |
|||
|
I T. 1-14 wie eine E, danach
schneller, mit viel Dramatik, schlanker Streicherklang, II Tempo wie
vorgezeichnet, III raues Scherzo, nur Allegro, weiches Trio, etwas langsamer,
IV dramatisch – sehr gute Transparenz und Balance |
||||||
4-5 |
Artis-Quartett |
CBS Sony |
1992 |
41‘59 |
|||
|
I
gestalterischer Ernst, artikulatorische Feinarbeit, sehr gute dynamische
Differenzierung, ganz leichte Tempomodifikationen, II Th
Adagio, ab Var. 1 schneller, subtil differenziert, schlanke
Tongebung, in Var. 5 bereits im ersten Teil
Crescendo, Trio wie mit einem Silberstift gemalt, IV Musik sensibel
nachgezeichnet, jedoch wenig Druck, Finale: Prestissimo – sehr gute Balance
und Transparenz |
||||||
4-5 |
Mandelring-Quartett |
audite |
2003 |
44‘06 |
|||
|
I die lyrischen Abschnitte sollen
nicht zu kurz kommen, insgesamt weniger exaltiert, II auch hier ohne
Temporekord, jedoch mit viel Feinzeichnen am Werk, Scherzo nur Allegro, IV kein
Presto, T. 103-105 punktierte Viertel wie abgerissen – Quartettklang
mit viel Körper , eine gute Alternative zu den meisten anderen Aufnahmen |
||||||
4-5 |
Brandis-Quartett |
Nimbus |
1995 |
42‘23 |
|||
|
I wie eine Aufführung im privaten
Zirkel, das Dramatische wird nicht so stark herausgestellt, sorgfältiges
partnerschaftliches Musizieren, an ff-Stellen
auch leicht orchestral, ansonsten ausgeglichener Klang, geringer Einsatz von
Vibrato, II sehr gute dynamische Differenzierung, ab Variation 1 etwas
schneller, III Allegro ohne molto, Trio geringfügig langsamer |
||||||
4-5 |
Vermeer-Quartett |
Teldec |
P 1983 |
40‘00 |
|||
|
Quartett lässt sich feinfühlig auf die
unterschiedlichen Satzcharaktere ein - I sauber musiziert, kraftvoll, herb,
gute dynamische Abstufungen, IV weniger schnell – sonorer Quartettklang,
sehr gute Transparenz und Balance |
||||||
4-5 |
Smetana-Quartett |
Ermitage |
1982 |
35‘21 |
|||
|
live , ▼ |
||||||
4-5 |
Takács-Quartett |
hyperion |
2006 |
35‘44 |
|||
|
I/IV mit spürbarer Hingabe,
stellenweise wild und trotzig, dabei auch angerauter Klang, II Andante con moto, ab Var. 1 etwas schneller, klangvoller Espressivo-Stil,
III Trio mit Feingefühl – sehr gute Transparenz, Balance und Dynamik |
||||||
4-5 |
Jerusalem
Quartet |
HMF |
2007 |
42‘48 |
|||
|
I schlankes, aber kraftvolles
Musizieren, vital, immer auf dem Sprung, selbstverständliche Perfektion, souverän,
II Dynamik als Gestaltungsmittel, Variation 4 langsamer, die auskomponierte
Verlangsamung T. 125 ff also solche nicht beachtet, III Trio langsamer, mit
viel Melancholie, IV vorwärtsdrängend – sehr gute Transparenz und Balance,
etwas Hall; bei aller technischen Überlegenheit bleibt Schuberts Botschaft
doch etwas unterbelichtet |
||||||
4-5 |
Juilliard Quartet |
CBS Sony |
P 1981 |
40‘15 |
|||
|
▼ |
||||||
4-5 |
Henschel-Quartett |
Arte Nova |
1997 |
38‘44 |
|||
|
I T. 1-14 als E, Cello könnte T. 29
ff mehr in einen Dialog mit der Primgeige treten, an lauten Stellen recht
kraftvoll, liebevoll gestaltetes zweites Thema, II einfühlsame Gestaltung,
duftige Pizzicati des Cellos in Variation 1, sehr
gute dynamische Differenzierung, in Variation 5 ab T. 145 langsamer, III
melancholisch klingendes Trio, IV kein Presto – immer differenzierter Vortrag |
||||||
4-5 |
Ermerson
String Quartet |
DGG |
1987 |
37‘27 |
|||
|
I T. 1-14 als E, schlanke Tongebung,
ohne Vibrato, vital, mit Hingabe, jedoch etwas blutleer, II sehr gute
dynamische Differenzierung, Variationen 4 und 5 etwas langsamer, III Trio in
langsameren Tempo, IV Presto, mit einer gespenstigen Sicherheit – technisch
perfekt, objektiv |
||||||
|
|||||||
4 |
Smetana-Quartett |
Denon |
1978 |
33‘42 |
|||
|
live, ▼ |
||||||
4 |
Quatour Loewenguth |
Les Discophiles Français |
1956 |
38‘43 |
|||
|
I gezügelte Dramatik, II
konzentriert, einfühlsam, gute dynamische Differenzierung, III kraftvolles
Scherzo, Trio etwas langsamer, IV meistens ohne Druck musiziert – kompakter
Klang |
||||||
4 |
Tokyo
String Quartett |
Vox cum laude |
1982 |
38‘21 |
|||
|
▼ |
||||||
4 |
Tokyo
String Quartett |
RCA |
1989 |
39‘08 |
|||
|
▼ |
||||||
4 |
Ungarisches
Streichquartett |
Concert Hall forgotten records |
1952 |
36‘12 |
|||
|
▼ |
||||||
4 |
Melos-Quartett |
DGG |
1974 |
39‘46 |
|||
|
▼ |
||||||
4 |
Melos-Quartett |
HMF |
1989 |
40‘25 |
|||
|
▼ |
||||||
4 |
Schäffer
Quartett |
Resonances |
1958 |
41‘52 |
|||
|
das Professoren-Quartett – I die
ersten 14 Takte wie eine E, T. 29-40 Motive der ersten Geige und des Cellos nicht
gleichberechtigt, zweites Thema etwas langsamer, II erster Teil des Themas p, bei der Wiederholung pp; ruhiger Vortragsstil, Violinen in Variation
2 mit viel Vibrato, in Variation 3 könnte der daktylische Rhythmus anfangs
etwas schärfer sein, III sehr langsames Trio, bereits etwas sentimental, IV
zweites Thema etwas langsamer, einige Rubati –
insgesamt kraftvolles Quartettspiel, jedoch nicht
so geschliffen wie bei vielen gegenwärtigen Formationen |
||||||
4 |
Auryn-Quartett |
CPO |
1996 |
37‘09 |
|||
|
I zweites Thema etwas langsamer,
etwas disparat, mehr Abschnitte als ein Ganzes, weniger geschlossen, II Thema
Adagio, Violine 1 in Variation 1 T. 33-40 nicht immer klar, ab T. 145
allmähliche Verlangsamung, III Trio ohne Bezug zum Scherzo, IV kein Presto,
trotzdem entschiedener Zugriff, sagt am besten zu – an sehr lauten Stellen
Klang etwas bullig |
||||||
4 |
Amadeus-Quartett |
Andante |
1956 |
38‘55 |
|||
|
WDR-Aufnahme, ▼ |
||||||
4 |
Amadeus-Quartett |
audite |
1954 |
37‘30 |
|||
|
RIAS Aufnahme, ▼ |
||||||
4 |
Amadeus-Quartett |
DGG |
1981 |
38‘29 |
|||
|
▼ |
||||||
4 |
Amadeus-Quartett |
DGG |
1953 |
37‘01 |
|||
|
▼ |
||||||
4 |
The
Lindsays |
ASV |
P 1986 |
43‘27 |
|||
|
I T. 1-14 deutlich langsamer, danach
leidenschaftlich voran, einige Drücker in Violine 1, kein festes Tempo, an lauten
stellen orchestraler Klang, robust, Variation 4 mit Rubato, sonst festes
Tempo, ab T. 145 langsamer, III Trio etwas nüchtern, IV oft orchestral |
||||||
|
|||||||
|
3-4 |
Amadeus-Quartett |
DGG |
1959 |
38‘49 |
||
|
|
▼ |
|||||
|
3-4 |
Borodin-Quartett |
Teldec |
1995 |
43‘13 |
||
|
|
I die ersten 14 Takte wie eine E,
danach schneller weiter, Cello beteiligt sich kaum am Dialog mit der ersten
Geige (T. 22 ff), stellenweise aufgewühlt, robust, II mit Vibrato wird nicht gespart,
dynamische Differenzierung kaum ausgeschöpft (gilt für alle Sätze), etwas
holzschnittartig, III Trio langsamer und weniger geformt, mit Wehmut, Cello
tritt zu sehr zurück, IV robust, unisono-Staccati
mehr legato gespielt (z. B. T. Cello 324), sie wünschte man sich oft
deutlicher, insgesamt zu einförmig |
|||||
|
3-4 |
Wiener
Philharmonisches Streichquartett |
Decca |
P 1964 |
35‘48 |
||
|
|
I breite Ausdrucksskala, etwas robustes
Spiel, stellenweise klangliche Schärfe (in allen Sätzen), II ab Variation 1
schnelleres Tempo, mit Hingabe, selten jedoch ein pp, IV zweites Thema wie aufgeblasen – Quartett klingt her eher
wie ein ad-hoc-Ensemble, ohne Feinschliff, gute Transparenz; durchgehend
entfernter Verkehrslärm im Hintergrund |
|||||
|
3-4 |
Ungarisches
Streichquartett |
EMI |
1958 |
37‘21 |
||
|
|
▼ |
|||||
|
3-4 |
Ungarisches
Streichquartett |
M&A |
1958 |
37‘33 |
||
|
|
live , ▼ |
|||||
|
3-4 |
Verdi-Quartett |
hänssler |
1996 |
40‘26 |
||
|
|
I müder Einstieg, moderates Tempo
führt zur Langatmigkeit, ernste Stimmung, wie suchend, II nuancenreicher
Vortrag, 1. Geige in Variation 4 zu zurückhaltend, auch im Trio, III Scherzo etwas
gezogen, IV Allegro, kaum atemlos, die vielen f oder ff-Einwürfe
unisono aus Achtelnoten wirken kaum
bedrohlich oder verstörend, insgesamt ein Musizieren ohne das Ende vor Augen
– im Vergleich eher dunkles Klangbild, da Bratsche und Cello teilweise bevorzugt |
|||||
|
3-4 |
Talich-Quartett |
Calliope |
1989 |
44‘00 |
||
|
|
I zurückgenommenes Tempo, eher
musikantisch als zugespitzt, erste Geige führt, II abgesehen von Variation 3
gezogen, wenig Spannung zu gediegen, III etwas zu phlegmatisch, IV zu brav |
|||||
Interpretation nach historischer Aufführungspraxis und
mit Original-Instrumenten
4 |
Fitzwilliam
String Quartet |
divine art |
2018 |
44‘02 |
|
I erste Violine mit einigen
Portamenti, pulsierende Mittelstimmen, T. 25-40 jedoch nur Füllstimmen ohne
Erregungspotential, II Var. 2 erste Violine zu leise,
Spannung nicht auf höchstem Niveau, III Trio: Artikulation bei erster Violine
nicht top, IV zu orchestral, T, 174 ff. erste Violine zu leise – dynamische
Differenzierung im p-Bereich nicht
top, kaum pp, etwas enges Klangbild |
4-5 |
Ehnes Quartet |
Onyx |
2016 |
44‘32 |
|
weitgehender Verzicht auf Vibrato – I
entschiedener Zugriff, dynamischer Reichtum, ziemlich perfekt, II con moto, zart gespieltes Thema,
mit artikulatorischer Feinarbeit, facettenreich, Variation 4 langsamer, auch
ab T. 145, III Scherzo nur Allegro, Trio mit viel Melancholie angereichert,
IV eher entspannt - insgesamt etwas distanziert |
|||
4-5 |
Dragon
Quartet |
Channel Classics |
2016 |
37‘14 |
|
weitgehender Verzicht auf Vibrato –
I ernsthafter Zugriff, spürbare Vitalität, klangliche Schärfung, Musiker
atmen mit der Musik, II sehr gute Differenzierung, besonders auch in der Dynamik,
feinfühliger Umgang mit Schuberts Vorlage, IV empathisch, hellwach |
|||
4-5 |
Quatuor van Kuijk |
Alpha |
2017 |
37‘09 |
|
weitgehender Verzicht auf Vibrato –
I zupackend, rhythmische Energie auskostend, jedoch Spannung nicht auf höchstem
Niveau, II sehr gute dynamische Differenzierung, Var.
3 Violoncello klingt am Ende von T. 96 II nach, III Scherzo etwas spröde,
Trio langsamer, IV technisch und musikalisch souverän – durchgehend fahles
Klangbild |
Hinweise zu Interpreten und Interpretationen
Budapester Streichquartett
Zwei Interpretationen
des ungarisch-amerikanischen Quartetts liegen vor, eine Studio-Produktion aus
dem Jahre 1954 sowie ein Konzertmitschnitt ein Jahr später. Letzterer ist
klanglich der Studio-Aufnahme unterlegen, auch wenn diese noch etwas kompakt
klingt. Das Quartett bringt, im Gegensatz zu den meisten anderen Quartetten,
mehr Licht in den Kopfsatz, die Takte 1-14 werden wie eine Einleitung
aufgefasst, die dynamische Differenzierung im p-Bereich wird nicht ausgeschöpft, im zweiten Satz bessert sich
dies jedoch. Beim Mitschnitt erhält die Musik im Gegensatz zum Studio aufgrund
vieler kleiner Rubati einen leicht rhapsodischen Zug.
Die Streicher klingen hier auch etwas rau. Der Variationssatz beginnt in beiden
Aufnahmen tatsächlich Andante con moto,
nach dem Thema geht es dann etwas schneller weiter. Insgesamt wird
ausdrucksvoll gespielt, auffallend die genaueste Gewichtung der einzelnen
Stimmen. Im Vergleich zum Busch-Quartett verwenden die Budapester weniger
Bogendruck. Der Scherzo-Satz wird im Tempo etwas zurückhaltender genommen, das
Trio langsamer ausgeführt, mit einem Hauch von Sentimentalität. Im Finale
spielen die Musiker das zweite Thema wieder etwas langsamer, sie erreichen nicht
die Sogwirkung der Busch-Kollegen.
Ungarisches Streichquartett
Die erste Aufnahme
von Schuberts d-Moll-Quartett mit dem Ungarischen Streichquartett entstand 1952
für das Label Concert Hall, in Lizenz erschien sie später bei Guilde Internationale Du Disque ( Bestellnummer MMS 128), das französische Label forgotten records hat sie erneut
zugänglich gemacht. Eine weitere Lizenz dieser Aufnahme ging an Chamber Music Society (Bestellnummer CM-17), sie wurde auch
von Music&Arts auf CD veröffentlicht. Das
Quartett legt eine Interpretation vor, die eher als klassisch denn als
romantisch zu bezeichnen ist. Im ersten Satz wirkt das Spiel trotz durchwegs
straffen Tempos gelassen, bei ziemlicher Tempokonstanz. Die Musik wird im
zweiten Satz wie selbstverständlich vorgetragen, sie bleibt immer im Fluss. Dem
Trio fehlt die lyrische Durchdringung. Hier bleibt die Musik zur sehr an der
Oberfläche. Dem Finale hätte man ein etwas schnelleres Tempo mit mehr Biss
gewünscht. Das Klangbild ist kompakt aber transparent, die dynamische
Differenzierung im p-Bereich fällt
leider zu pauschal aus. Man hat an einigen Stellen den Eindruck, dass Schuberts
Notentext nicht immer ganz ernst genommen wird. Auf der CD von M&A ist ein
leises Hintergrundrumpeln festgehalten, außerdem besitzt sie eine geringere
Präsenz als die von forgotten records.
Der jeweils zweifache Transfair hat auch Spuren bei der Laufzeit der Sätze
hinterlassen.
Sechs Jahre später
erfolgte eine Neuproduktion für EMI, nach einer Umbesetzung bei Bratsche und
Violoncello. Die Interpretationshaltung entspricht der der früheren Aufnahme;
die Tempi sind nun, abgesehen vom Variationssatz, etwas langsamer. Der Hörer
kann sich jetzt über einen besseren Klang erfreuen, der nicht mehr so eng wie
früher ist. Bei der Dynamik hat sich leider keine Verbesserung vollzogen. Das
hört man vor allem im zweiten Satz, wo die vier Musiker zwar Schuberts
emotionalen Aufriss herüberbringen, jedoch gestalterisch blass bleiben, zu
routiniert klingen. Da hatte die 1952er-Platte mehr Biss vorzuweisen. Eine
weitere Aufnahme aus dem Jahr 1958 hat ebenfalls Music&Arts
herausgeben, es ist ein Mitschnitt vom Menton-Festival an der Côte d’Azur, leider entbehrlich, da nichts Neues zu vermelden.
Die akustische Hinterlassenschaft ist jedoch eine Zumutung für den Hörer, da
während des gesamten Vortrags ein störendes Hintergrundgeräusch – Regen auf ein
Zeltdach?, Meeresrauschen? – auf der CD gratis
mitgeliefert wird. Eine völlig überflüssige Veröffentlichung!
Amadeus-Quartett
Mit fünf Aufnahmen
steht das Amadeus Quartett an der Spitze in meiner Plattensammlung, was jedoch
nicht gleichbedeutend mit Spitzenplätzen einhergeht. Das Quartett war zumindest
in den ersten zwanzig Jahren seines Bestehens in der Musikwelt sehr bekannt und
wurde immer wieder um das d-Moll-Quartett gebeten. Im Gegensatz zu den meisten
anderen Quartetten fehlt dem Amadeus Quartett eine gewisse Einheitlichkeit beim
Vortrag, das äußert sich in der nicht immer zufriedenstellenden Balance, da der
Primarius immer wieder zu sehr nach vorn drängt (extrem 1959), worunter oft die
Mittelstimmen leiden müssen. Im Kopfsatz kommt es ab T. 29 (1953) zu keinem
richtigen Dialog zwischen erster Geige und dem Cello, erst in der letzten
Aufnahme (1981) hört man es nach dem Notentext. Insgesamt klingt das Quartett
bei lauten und schnellen Passagen doch sehr kompakt, dabei breit und auch rau.
Mit der Dynamik geht man zu großzügig um, ein richtiges pp hört man selten. Jüngeren
Quartetten gelingt das alles viel besser. Kommen wir zum zweiten Satz. In den
ersten beiden Aufnahmen spielen die Musiker das Thema Legato, später dann die
Noten mehr abgesetzt, am Ende gibt es dann ein deutliches Ritardando. In der
zweiten Variation (1954) sind die
Mittelstimmen kaum präsent. Insgesamt wünschte man sich mehr Spannung. Der
Übergang von Scherzo zum Trio ist in der letzten Aufnahme am besten gelöst,
auch gefällt das Trio durch seinen warmen Klang. Dem Finale fehlt es (1953)
nicht an Feuer und Dämonie, das klingt überzeugend. Bei den späteren Aufnahmen
wird allerdings das Tempo zurückgenommen. Beim zweiten Thema werden die
punktierten Viertel mit fz-Zusatz in der Fortspinnung (T. 103-106, auch in der Reprise) mit
dramatischer Attitüde wie abgerissen, interpretiert. Erst in der letzten
Aufnahme kehrt man zum Notentext zurück. Übrigens scheint hier bei T. 211 ein
Ruck durch das Quartett zu gehen, das plötzlich mit mehr Einsatz zu Werke geht.
Klanglich ist die Digital-Produktion den anderen Aufnahmen überlegen, auch
musikalisch scheint sie mir die reifste zu sein.
Smetana-Quartett
Im Jahre 1978 wurde
in Japan Schuberts d-Moll-Quartett vom Label Denon
mitgeschnitten und veröffentlicht. In den Ecksätzen erleben wir ein elastisches
Musizieren, trotz durchwegs straffen Tempos wirkt die Interpretation doch
gelassen, ohne auf Spannung zu verzichten. Der Variationssatz hält sich an
Schuberts Vorgabe Andante con moto,
die Musik bleibt immer bewegt und auch tempokonstant. Auf ein schroff
formuliertes Scherzo folgt ein Trio – ein wenig langsamer – ohne den
melodischen Reichtum herauszustellen. Die dynamische Differenzierung im p-Bereich könnte insgesamt noch mehr
Beachtung finden und so zu einer höheren Profilierung beitragen.
VierJahre später
geben die Musiker des Smetana-Quartetts Schuberts D. 810 in Lugano zum Besten,
das Label Ermitage hat den Mitschnitt des Rundfunk der italienischen Schweiz
dem Plattenmarkt zugeführt. Die Interpretationshaltung ist der früheren
ähnlich, die Mikrophone scheinen nun näher bei den Musikern platziert zu sein,
was einen direkteren Klang zur Folge hat, wahrscheinlich auch ein dichteres
Klangbild an lauten Stellen. Die Neigung zu einem leicht orchestral klingenden
Vortrag ist evident, übrigens auch in den restlichen Sätzen. Das Trio ist nun
vitaler, farbiger und abwechslungsreicher zu erleben. Ein letzter Hinweis noch
zu den Takten 255-283 im vierten Satz, wo die Musik, obwohl noch nicht am Ende
angekommen, wunderbar ausgesungen wird, mit leichtem Rubato: Musik erlebt.
Das Finale wird in beiden Aufnahmen in
wirklichem Prestissimo beendet.
Juilliard Quartet
Das Juilliard Quartett sollte man beim Kauf einer CD mit
Schuberts d-Moll-Quartett nicht übersehen, auch wenn die beiden Einspielungen
nicht mehr die jüngsten sind. Hier wird gleichermaßen mit Hingabe und auf höchstem
bzw. hohem musikalischem Niveau musiziert. In der RCA-Aufnahme wird das
Variationsthema, wirklich pp
beginnend, deutlich langsamer als das Folgende gespielt, kann aber mit einer
wunderbaren Atmosphäre aufwarten, gewiss auch eine Folge der sehr guten
dynamischen Verhältnisse, übrigens in allen Sätzen. Im Finale schlagen die
Musiker ein wirkliches Presto an, noch gesteigert kurz vor Satzende. Die
zwanzig Jahre später produzierte Platte, mittlerweile wurden Bratschist und
Cellist ausgewechselt, lässt auch aufhorchen; spieltechnisch ist sie der
älteren ebenbürtig. Der Klang ist in lauten Abschnitten jedoch weniger
geschmeidig, insgesamt hat das Klangbild an Breite gewonnen. Der zweite Satz
wird ein wenig schneller musiziert, besitzt jedoch nicht die frühere
Atmosphäre. Im dritten Satz wählen die Musiker für das Trio ein etwas
langsameres Tempo, womit eine Vertiefung des Ausdrucks einher geht. Auch das
Finale ist jetzt etwas langsamer und weniger locker, die geheimnisvolle
Stimmung zu Beginn gelingt hier nicht wie früher.
Melos-Quartett
Das Melos Quartett
ist mit Schuberts a-Moll-Quartett zweimal ins Aufnahmestudio gegangen,
zuerst für die DGG, 15 Jahre später dann
für die französische Harmonia mundi.
Dramatik und Expression werden 1974 in den wilden Passagen der Ecksätze mit
rauer Tongebung erkauft. Im Kopfsatz hört man, wie so oft, die ersten vierzehn
Takte als eine Einleitung. Im Variationssatz geht die Balance nicht immer auf,
da die Mittelstimmen von den Außenstimmen übertönt werden. Entgegen der Partitur
bringen die vier Musiker zu Beginn der fünften Variation bereits ein Crescendo,
was Schubert allerdings erst für die Wiederholung vorgesehen hat. Das Trio im
dritten Satz wird deutlich langsamer und mit viel Vibrato gespielt. Im Finale
hätte man sich ein schnelleres Tempo gewünscht, Schubert fordert hier Presto.
Der Satz klingt mehr wie durchgespielt als gestaltet. Die Nachfolge-Aufnahme
bei HMF überzeugt mehr, da sich das Quartett im Umgang mit der einschlägigen
Literatur inzwischen weiterentwickelt hat. Es wird nun sauberer sowie
geschmeidiger musiziert, das Resultat klingt profilierter, vielleicht auch
deshalb, da alle Sätze ein wenig schneller genommen werden. Leider haben es die
Musiker versäumt, auch die dynamische Gestaltung erneut in den Blickwinkel zu
nehmen. Im zweiten Satz wird in der zweiten Variation die Sekundgeige von ihren
Kollegen bedrängt. Auch das Crescendo im ersten Teil der fünften Variation ist
stehengeblieben.
Tokyo String Quartet
Die beiden Aufnahmen
von Schuberts d-Moll-Quartett mit dem Tokyo String Quartet
wurden in einem Abstand von acht Jahren eingespielt. Die erste erschien noch
dem Wechsel vom Label CBS zu Vox. In den Ecksätzen herrscht hier ein hohes
Erregungspotential, gepaart mit überschäumender Musizierlaune, das zielt genau
auf den Kern der Musik. Bei lauten (unisono-) Passagen klingt die Musik jedoch
auch etwas grob, das Klangbild wird eng und der Bassbereich etwas stumpf
abgebildet. Der Variationssatz wird überwiegend lyrisch angegangen, besitzt
jedoch insgesamt weniger Spannung. Für Variation vier wählen die Musiker ein
langsameres Tempo. Nach einem trotzig klingenden Scherzo kommt das Trio dann
ruhiger und ganz entspannt. Die dynamische Differenzierung im p-Bereich wünschte man sich deutlicher.
Die Intonation der ersten Geige ist in höchsten Lagen nicht immer top. Leider
ist der Klanghintergrund der Aufnahme mit leisen Verkehrsgeräuschen verziert.
Über die etwas später
für BMG/RCA aufgenommene CD lässt sich ähnliches berichten. Im Kopfsatz wird
nun beim zweiten Thema das Tempo zurückgenommen, was vorrübergehend eine
leichte Entspannung bringt. Im zweiten Satz wird Variation vier nun noch
langsamer gespielt und die Musik kommt beinahe zum Stillstand – eine extreme
Position zu fast allen anderen Einspielungen. Die Dynamik richtet sich nun mehr
nach Schuberts Vorgaben. Geblieben ist jedoch die etwas robuste
Musizierhaltung, das Quartett erreicht nicht die Leichtigkeit anderer
Formationen.
eingestellt am 08.05.2020