Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Franz Schubert

 

Streichquartett d-Moll D. 810

 

„Der Tod und das Mädchen“

 

Allegro – Andante con moto – Scherzo, Allegro molto – Presto

 

 

Neben dem sogenannten Forellenquintett ist Schuberts d-Moll-Quartett das bekannteste Kammermusikwerk Schuberts. Es erinnert in seiner Unerbittlichkeit an sein verehrtes Vorbild Beethoven, bereits vom ersten Takt an. Alle Sätze stehen hier in Moll, allein der Variationssatz endet im versöhnlichen G-Dur.

 

Auch wenn der Komponist hier absolute Musik geschaffen hat, kann er sein alter ego, den Liedkomponisten, nicht verleugnen. Bereits das zweite Thema des Kopfsatzes trägt anfangs liedhaften Charakter, muss sich aber bald dem dramatischen Grundkonzept des Satzes unterwerfen.

 

Schubert stellt zu Beginn des Kopfsatzes ein Motto, das an Beethovens Anfang seiner 5. Sinfonie erinnert. Die Achtel-Triolen mit nachfolgender Viertel-Note übernehmen ab dem fünften Takt eine thematische Dringlichkeit, die auch noch während des zweiten Themas zu spüren ist. Beim vergleichenden Hören kann man erleben, wie die Interpreten die vier ersten energischen Takte auffassen. Etwa die Hälfte der Quartett-Formationen, z. B. das Busch-Quartett, das Alban-Berg-Quartett sowie das Auryn-Quartett, nimmt die jeweils fünf Noten (punktierte Halbe, Achtel-Triole, Viertel) unter einen Bogen, das demonstriert Geschlossenheit und Kraft. Die andere Hälfte, wie z. B. das Clavet-Quartett, das Budapester Streichquartett, das Lindsay Quartet oder das Hagen-Quartett setzen zwei Bögen (punktierte Halbe, danach Achtel-Triole und Viertel) und verleihen so der Achtel-Triole mit Viertel-Note aufgrund des neuen Ansatzes eine noch größere Intensität.

 

Im zweiten Satz verarbeitet Schubert in fünf Variationen Teile des Liedes „Der Tod und das Mädchen“ D. 531, komponiert im Jahre 1817. Schubert verwendet zunächst die Klaviereinleitung (sie wird wiederholt), danach die Klavierbegleitung zu den Worten „Gib deine Hand … in meinen Armen schlafen“, auch dieser Abschnitt wird wiederholt. Somit ergeben sich zweimal acht sowie zweimal sechzehn, also insgesamt 24 Takte. Dieses Schema wird auch in den Variationen übernommen. In den beiden ersten Variationen ist das Thema immer präsent, Variation drei mit seiner durchgehenden daktylischen Bewegung stützt sich auf das harmonische Gerüst und ist von einem Wechsel von sehr lauten und sehr leisen Abschnitten geprägt, aber auch eine durchbrochene Arbeit im zweiten Abschnitt, wie wir sie von Beethoven kennen, bringt Spannung und darf nicht übersehen werden. Nach dieser g-Moll-Variation wechselt Schubert in Variation vier zu G-Dur, ein melancholischer Grundton bleibt diesen 24 Takten jedoch erhalten. In Variation fünf kehrt g-Moll zurück. Schubert möchte, dass die ersten acht Takte durchgehend sehr leise zu spielen, bei der Wiederholung jedoch mit einem Crescendo zu versehen seien, bis im achten Takt ff erreicht wird. Viele Quartette übergehen diese Anweisung und crescendieren bereits vor der Wiederholung. Ab Takt 145 in Variation fünf leitet die Musik ohne Unterbrechung in die Satzcoda über, die die Themenaufstellung zu Beginn des Satzes aufgreift, wobei die Musik jetzt wieder ruhiger wird. Die bisherigen Sechzehntel der ersten Geige wandeln sich in Achteltriolen – eine auskomponierte Entschleunigung – während die übrigen Streicher jetzt zu Ganzen und Halben Noten überleiten. Für die Interpreten ist es wichtig, nicht zusätzlich langsamer zu werden, kaum eine Formation hält sich jedoch daran, rühmende Ausnahmen sind das Guaneri Quartet und das Petersen-Quartett.

 

Ein knappes, sehr konzentriert gearbeitetes Scherzo in d-Moll, schließt sich an. Der Komponist hat nicht vermerkt, dass das wunderbar schwebende Trio in D-Dur langsamer gespielt werden sollte, wie es die meisten Quartette jedoch ausführen. Wichtig erscheint mir, dass sich die erste Geige mit ihren Achtelfiguren vor allem im zweiten Teil des Trios nicht vordrängelt und damit aus dem fein austarierten Quartettklang ausbricht.

 

„Musik im Fiebertraum“, so könnte man den letzten Satz überschreiben. Er beginnt mit einem huschenden Tarantella-Thema, leise, unisono, presto und voller Energie in d-Moll. Die Achtelnoten in Takt 7 und 15 sollen staccato gespielt werden, was nicht immer gelingt, sehr oft wird darüber hinweg gehuscht. Das Motiv in den Takten drei bis sechs wird bereits im zweiten Teil des Themas T. 17 ff. durchgeführt und wird sich im weiteren Verlauf des Satzes als bestimmend erweisen. Als wenn der Tragik und Verzweiflung nicht genug wären, bemüht Schubert beim zweiten Thema auch noch sein früher komponiertes Lied, der „Erlkönig“ op. 1, sein erstes im Druck erschienenes Werk, heute unter der Deutsch-Nummer 328 geführt. Schubert bedient sich der Liedstelle „…siehst, Vater, du…“, die Streicher spielen dort zu Beginn des zweiten Themas unisono im ff (wichtig!) die Töne f‘-g‘-c‘-f‘; der letzte Ton müsste entsprechend der Liedvorlage allerdings a‘ sein, dieses passt jedoch nicht in der Verlauf des Themas. Einige Takte später kommt das Kind wieder zu Wort: Die beiden Violinen greifen seine Musik im Oktavabstand auf (T. 110 ff). Ab T. 134 wird es dann Intervall-getreu von der zweiten Geige vollständig vorgetragen („…siehst, Vater, du den Erlkönig nicht…“), T. 174-180 dann in hoher Lage von der ersten Geige wiederholt. In der Reprise begegnen wir dem Erlkönig-Zitat erneut. Erwähnt werden sollte noch, dass Schubert das Metrum des Liedes (Dreiviertel-Takt) dem des Streichquartett-Satzes anpasst (Sechsachtel-Takt). In der einschlägigen Literatur vermisst man durchgehend den Hinweis auf das Erlkönig-Zitat in diesem Satz, fast alle Schreiber scheinen es nicht wahrgenommen zu haben, und die ausführenden Musiker? Lediglich Hans-Günter Klein weist im Booklet der Aufnahme mit dem Hagen-Quartett darauf hin. Er meint, das Tod-und-das-Mädchen-Zitat könnte „für die tröstlich milde Sphäre des Todes steht [stehen], dem Erlkönig-Zitat dagegen sei „der Ausdruck von Furcht und Schauder eigen.“ Ich würde noch hinzusetzen, es ist letztendlich Ausdruck der Unerbittlichkeit des Todes.

 

Insgesamt verbreitet dieses Quartett, abgesehen von den wenigen Dur-Abschnitten, tiefste Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, alle vier Sätze stehen in Moll.

 

Bei D.810 fällt es schwer ein Streichquartett auf einen hinteren Platz zu setzen, da das Besondere dieses einzigartigen Quartetts kaum verfehlt werden kann.

 

Die unterschiedliche Spieldauer erklärt sich hauptsächlich durch den Verzicht auf Wiederholungen im zweiten Satz, die Wiederholung im ersten Satz beachten nur wenige, meist jüngere Ensembles: Brandis, Borodin, Hagen, Melos-89, Artis, Talich Aria, Jerusalem, Leipziger, Petersen, Artemis, Mandelring, Fitzwilliam, Belcea, Ehnes und The Lindsays.

 

5

Busch-Quartett

EMI

1936

31‘10

 

I unbedingter Ausdruckswille, Artikulation nicht immer mit letzter Deutlichkeit, bei Tutti-Stellen auch leicht orchestral, II Th Adagio, sehr ruhig, ausdrucksvoll, III Trio nur ein wenig langsamer, IV getrieben, stellenweise Sogwirkung – kompakter Klang – bei Busch har man den Eindruck, das Quartett kämpfe sich durch den Notentext, bei Calvet (s. u.) dagegen meint man, das Quartett habe den größeren Überblick, spiele dagegen mehr aus der Distanz

5

Artemis-Quartett

Virgin

2009

41‘53

 

I T. 1-14 als E, wie ein Motto, im Bereich des ersten Themas leidenschaftlich, wild, schwermütig im Bereich des zweiten, immer sehr homogen, Cello T. 32-38 chromatische Basslinie hervorgehoben, II Thema und Variation 4 etwas langsamer, III starker Gegensatz zwischen zupackendem Scherzo und empfindsam gespielten Trio, IV Presto – sehr gute dynamische Differenzierung, bestes Zusammenspiel

5

Aria Quartett

Novalis

1992

41‘25

 

I temperamentvoll, kämpferisch, rhythmischer Schwung, schlanke Tongebung, , II Th etwas langsamer, Takt 8 der fünften Variation mit Crescendo, III Trio ein wenig langsamer, mit viel Melancholie angereichert – sehr gute Transparenz und Balance, subtil differenziert, klare Artikulation, immer durchsichtiger Klang

5

Juilliard Quartet

RCA    Sony

P 1960

38‘45

 

5

Bastian-Quartett

Imperial       forgotten records

1957

35‘56

 

I das siebenmalige dreigestrichene c der ersten Geige (T. 102 ff)  nicht deutlich herausgestellt, Quartettklang hat Körper, dynamischer Reichtum wie vorgesehen, Synthese zwischen klassischer Klarheit und organischem Musizieren, II kleinste harmonische und melodische Wendungen sensibel nachgezogen, III Trio ein wenig langsamer – sorgfältiges Musizieren geht vor überwiegend emotionalem Vortrag, gute Transparenz und Balance

5

Guarneri Quartet

RCA    newton

1976

36‘27

 

klangvoller Espressivostil, schlanke Tongebung, sehr gute Balance, Transparenz und Dynamik – I ab T. 15 schneller, kraftvoll nach vorn

5

Hagen-Quartett

DGG

1990

41‘40

 

I hellwach, zupackend, jedoch wenig Pathos, überzeugendes piu mosso T. 311-325, II Th geheimnisvoll, ohne Vibrato, immer sehr schlanke Tongebung, viel Atmosphäre, III rhythmisch betontes Scherzo, filigran gezeichnetes Trio (langsamer), IV Presto!, mit artistischer Leichtigkeit

5

Pavel-Haas-Quartett

Supraphon

2013

37‘40

 

prägnanter Vortragsstil, immer schlank ohne Vibrato musiziert, trotzdem kämpferisch, subtil differenziert, ohne die scharfe Klanglichkeit anderer Ensembles

5

Petersen-Quartett

Capriccio

1997

39‘22

 

I vorwärtsdrängend, Steigerungen von langer Hand vorbereitet, konzertanter Stil, gute dynamische Differenzierung, II Musik immer in Bewegung, tempokonstant, III starker Gegensatz zwischen zupackendem Scherzo und empfindsamen Trio, IV wild, atemlos

5

Vision String Quartet

Warner

2019

36‘38

 

I unbedingter Gestaltungswille, schlankes Musizieren, dynamischen Extremen nicht aus dem Weg gehend, IITh. p statt pp, erst ab T. 17, Var. 3 wild, tolle Stringenz, Spannung vom ersten bis zum letzten Ton, III Cello klingt beim letzten Ton vor dem Trio nach, auch am Ende, IV molto espressivo – inspirierende Darstellung!

5

Leipziger-Streichquartett

MDG

1995

42‘02

 

I/II trotz schlankem Vortragsstil wird das Espressivo nicht übersehen, stellenweise auch etwas orchestral, III trotziges Scherzo, Trio mit melancholischem Einschlag, IV Presto, T. 103 punktierte Achtel wie abgerissen gespielt

5

Belcea Quartet

EMI

2009

43‘38

 

I dramatische (schroff) und lyrische (etwas langsamere) Abschnitte scharf voneinander abgesetzt, immer auch wieder den Blick auf Details gerichtet, II mäßiges Tempo, Thema langsam, Musik außer Variationen 3 und 5 ganz zart, sehr gute Dynamik, III langsames Trio, IV ähnlich wie Satz 1

 

 

4-5

Alban Berg Quartett

EMI

1984

38‘31

 

I prägnantes Musizieren, wild, unerbittlich, kaum abwechslungsreich, II sich Zeit lassend, Musik liebevoll nachgezeichnet, Variation 5: Crescendo auch im ersten Teil, III melancholisches Trio, IV unerbittlich bis zum bitteren Ende – zu viel Stahlsaite bei Violine 1 (stellenweise auch 2) in hohen Lagen  

4-5

Calvet-Quartett

Telefunken

1937

38‘27

 

I das siebenmalige dreigestrichene c der 1. Geige (T. 102 ff)  nicht deutlich herausgestellt, auch nicht in der Reprise, II ausdrucksvoller Vortrag, nicht übersteigert, leichtes Vibrato beim Thema, schnelleres Tempo in Variation 1, ab Variation 2 wie zu Beginn, III langsameres Trio, Klang gegen die Motorik des Scherzos gestellt, IV kein richtiges Presto, Musik zieht sich hin – Quartett-Klang etwas breiter als bei Capet und Busch

4-5

The New Hungarian Quartet

Vox

P 1973

39‘13

 

homogenes Musizieren, getragen von großem Ernst; trockenes und leider auch enges Klangbild, in dem die Primgeige an lauten Stellen auch zur Schärfe neigt, bei f/ff-Passagen klingt das Quartett auch etwas rau, in den Sätzen I, III und IV nur mäßige Tempi – Nachfolge-Quartett des Ungarischen Streichquartetts, in dem der Bratschist Denes Koromzay noch mitwirkte

4-5

Quartetto Italiano

Philips

1965

38‘32

 

I das Fatalistische nicht voll ausgefahren, Hoffnung noch nicht aufgegeben, II Quartetto Italiano spielt nur für sich, wie ins Private zurückgezogen; traurig, aber nicht trotzig, III ohne dramatische Zuspitzung, Trio etwas langsamer, melancholisch, IV schnelles Allegro, kein Presto

4-5

Capet-Quartett

EMI

1927/28

27‘50

 

I deutliches Musizieren, II Thema ohne Vibrato, ausdrucksvoll, Var. 1 etwas schneller, Var. 3 noch mehr, III Trio langsamer, IV sehr schnell, atemlos. Pausentakt 374 ausgelassen – dynamische Differenzierung im p-Bereich unterbelichtet, kompakter Klang

4-5

Budapester-Streichquartett

Columbia    CBS    Sony

1954

38‘01

 

4-5

Budapester-Streichquartett

Andromeda

1955

36‘09

 

live, ▼

4-5

Casal-Quartett

Bayer Records

1998

37‘50

 

I T. 1-14 wie eine E, danach schneller, mit viel Dramatik, schlanker Streicherklang, II Tempo wie vorgezeichnet, III raues Scherzo, nur Allegro, weiches Trio, etwas langsamer, IV dramatisch – sehr gute Transparenz und Balance

4-5

Artis-Quartett

CBS      Sony

1992

41‘59

 

I gestalterischer Ernst, artikulatorische Feinarbeit, sehr gute dynamische Differenzierung, ganz leichte Tempomodifikationen, II Th Adagio, ab Var. 1 schneller, subtil differenziert, schlanke Tongebung, in Var. 5 bereits im ersten Teil Crescendo, Trio wie mit einem Silberstift gemalt, IV Musik sensibel nachgezeichnet, jedoch wenig Druck, Finale: Prestissimo – sehr gute Balance und Transparenz

4-5

Mandelring-Quartett

audite

2003

44‘06

 

I die lyrischen Abschnitte sollen nicht zu kurz kommen, insgesamt weniger exaltiert, II auch hier ohne Temporekord, jedoch mit viel Feinzeichnen am Werk, Scherzo nur Allegro, IV kein Presto, T. 103-105 punktierte Viertel wie abgerissen – Quartettklang mit viel Körper , eine gute Alternative zu den meisten anderen Aufnahmen

4-5

Brandis-Quartett

Nimbus       Brilliant

1995

42‘23

 

I wie eine Aufführung im privaten Zirkel, das Dramatische wird nicht so stark herausgestellt, sorgfältiges partnerschaftliches Musizieren, an ff-Stellen auch leicht orchestral, ansonsten ausgeglichener Klang, geringer Einsatz von Vibrato, II sehr gute dynamische Differenzierung, ab Variation 1 etwas schneller, III Allegro ohne molto, Trio geringfügig langsamer

4-5

Vermeer-Quartett

Teldec

P 1983

40‘00

 

Quartett lässt sich feinfühlig auf die unterschiedlichen Satzcharaktere ein - I sauber musiziert, kraftvoll, herb, gute dynamische Abstufungen, IV weniger schnell – sonorer Quartettklang, sehr gute Transparenz und Balance

4-5

Smetana-Quartett

Ermitage

1982

35‘21

 

live , ▼

4-5

Takács-Quartett

hyperion

2006

35‘44

 

I/IV mit spürbarer Hingabe, stellenweise wild und trotzig, dabei auch angerauter Klang, II Andante con moto, ab Var. 1 etwas schneller, klangvoller Espressivo-Stil, III Trio mit Feingefühl – sehr gute Transparenz, Balance und Dynamik

4-5

Jerusalem Quartet

HMF

2007

42‘48

 

I schlankes, aber kraftvolles Musizieren, vital, immer auf dem Sprung, selbstverständliche Perfektion, souverän, II Dynamik als Gestaltungsmittel, Variation 4 langsamer, die auskomponierte Verlangsamung T. 125 ff also solche nicht beachtet, III Trio langsamer, mit viel Melancholie, IV vorwärtsdrängend – sehr gute Transparenz und Balance, etwas Hall; bei aller technischen Überlegenheit bleibt Schuberts Botschaft doch etwas unterbelichtet

4-5

Juilliard Quartet  

CBS       Sony

P 1981

40‘15

 

4-5

Henschel-Quartett

Arte Nova

1997

38‘44

 

I T. 1-14 als E, Cello könnte T. 29 ff mehr in einen Dialog mit der Primgeige treten, an lauten Stellen recht kraftvoll, liebevoll gestaltetes zweites Thema, II einfühlsame Gestaltung, duftige Pizzicati des Cellos in Variation 1, sehr gute dynamische Differenzierung, in Variation 5 ab T. 145 langsamer, III melancholisch klingendes Trio, IV kein Presto – immer differenzierter Vortrag

4-5

Ermerson String Quartet

DGG

1987

37‘27

 

I T. 1-14 als E, schlanke Tongebung, ohne Vibrato, vital, mit Hingabe, jedoch etwas blutleer, II sehr gute dynamische Differenzierung, Variationen 4 und 5 etwas langsamer, III Trio in langsameren Tempo, IV Presto, mit einer gespenstigen Sicherheit – technisch perfekt, objektiv

 

 

  4

Smetana-Quartett

Denon

1978

33‘42

 

live, ▼

4

Quatour Loewenguth

Les Discophiles  Français    forgotten records

1956

38‘43

 

I gezügelte Dramatik, II konzentriert, einfühlsam, gute dynamische Differenzierung, III kraftvolles Scherzo, Trio etwas langsamer, IV meistens ohne Druck musiziert – kompakter Klang

4

Tokyo String Quartett

Vox cum laude

1982

38‘21

 

4

Tokyo String Quartett

RCA

1989

39‘08

 

4

Ungarisches Streichquartett

Concert Hall     forgotten records           Concert Hall     M&A

1952

36‘12    35‘37

 

4

Melos-Quartett

DGG

1974

39‘46

 

4

Melos-Quartett

HMF

1989

40‘25

 

4

Schäffer Quartett

Resonances         forgotten records

1958

41‘52

 

das Professoren-Quartett – I die ersten 14 Takte wie eine E, T. 29-40 Motive der ersten  Geige und des Cellos nicht gleichberechtigt, zweites Thema etwas langsamer, II erster Teil des Themas p, bei der Wiederholung pp; ruhiger Vortragsstil, Violinen in Variation 2 mit viel Vibrato, in Variation 3 könnte der daktylische Rhythmus anfangs etwas schärfer sein, III sehr langsames Trio, bereits etwas sentimental, IV zweites Thema etwas langsamer, einige Rubati – insgesamt kraftvolles Quartettspiel, jedoch nicht so geschliffen wie bei vielen gegenwärtigen Formationen

4

Auryn-Quartett

CPO

1996

37‘09

 

I zweites Thema etwas langsamer, etwas disparat, mehr Abschnitte als ein Ganzes, weniger geschlossen, II Thema Adagio, Violine 1 in Variation 1 T. 33-40 nicht immer klar, ab T. 145 allmähliche Verlangsamung, III Trio ohne Bezug zum Scherzo, IV kein Presto, trotzdem entschiedener Zugriff, sagt am besten zu – an sehr lauten Stellen Klang etwas bullig

4

Amadeus-Quartett

Andante

1956

38‘55

 

WDR-Aufnahme, ▼

4

Amadeus-Quartett

audite

1954

37‘30

 

RIAS Aufnahme, ▼

4

Amadeus-Quartett

DGG

1981

38‘29

 

4

Amadeus-Quartett

DGG

1953

37‘01

 

4

The Lindsays

ASV

P 1986

43‘27

 

I T. 1-14 deutlich langsamer, danach leidenschaftlich voran, einige Drücker in Violine 1, kein festes Tempo, an lauten stellen orchestraler Klang, robust, Variation 4 mit Rubato, sonst festes Tempo, ab T. 145 langsamer, III Trio etwas nüchtern, IV oft orchestral

 

 

 

  3-4

Amadeus-Quartett

DGG

1959

38‘49

 

 

 

3-4

Borodin-Quartett

Teldec

1995

43‘13

 

 

I die ersten 14 Takte wie eine E, danach schneller weiter, Cello beteiligt sich kaum am Dialog mit der ersten Geige (T. 22 ff), stellenweise aufgewühlt, robust, II mit Vibrato wird nicht gespart, dynamische Differenzierung kaum ausgeschöpft (gilt für alle Sätze), etwas holzschnittartig, III Trio langsamer und weniger geformt, mit Wehmut, Cello tritt zu sehr zurück, IV robust, unisono-Staccati mehr legato gespielt (z. B. T. Cello 324), sie wünschte man sich oft deutlicher, insgesamt zu einförmig

 

3-4

Wiener Philharmonisches Streichquartett

Decca

P 1964

35‘48

 

 

I breite Ausdrucksskala, etwas robustes Spiel, stellenweise klangliche Schärfe (in allen Sätzen), II ab Variation 1 schnelleres Tempo, mit Hingabe, selten jedoch ein pp, IV zweites Thema wie aufgeblasen – Quartett klingt her eher wie ein ad-hoc-Ensemble, ohne Feinschliff, gute Transparenz; durchgehend entfernter Verkehrslärm im Hintergrund

 

3-4

Ungarisches Streichquartett

EMI

1958

37‘21

 

 

 

3-4

Ungarisches Streichquartett

M&A

1958

37‘33

 

 

live , ▼

 

3-4

Verdi-Quartett

hänssler

1996

40‘26

 

 

I müder Einstieg, moderates Tempo führt zur Langatmigkeit, ernste Stimmung, wie suchend, II nuancenreicher Vortrag, 1. Geige in Variation 4 zu zurückhaltend, auch im Trio, III Scherzo etwas gezogen, IV Allegro, kaum atemlos, die vielen f oder ff-Einwürfe unisono aus Achtelnoten wirken kaum bedrohlich oder verstörend, insgesamt ein Musizieren ohne das Ende vor Augen – im Vergleich eher dunkles Klangbild, da Bratsche und Cello teilweise bevorzugt

 

3-4

Talich-Quartett

Calliope

1989

44‘00

 

 

I zurückgenommenes Tempo, eher musikantisch als zugespitzt, erste Geige führt, II abgesehen von Variation 3 gezogen, wenig Spannung zu gediegen, III etwas zu phlegmatisch, IV zu brav

 

Interpretation nach historischer Aufführungspraxis und mit Original-Instrumenten

 

4

Fitzwilliam String Quartet

divine art

2018

44‘02

 

I erste Violine mit einigen Portamenti, pulsierende Mittelstimmen, T. 25-40 jedoch nur Füllstimmen ohne Erregungspotential, II Var. 2 erste Violine zu leise, Spannung nicht auf höchstem Niveau, III Trio: Artikulation bei erster Violine nicht top, IV zu orchestral, T, 174 ff. erste Violine zu leise – dynamische Differenzierung im p-Bereich nicht top, kaum pp, etwas enges Klangbild

 

 Interpretation nach historischer Aufführungspraxis mit modernen Instrumenten

 

4-5

Ehnes Quartet

Onyx

2016

44‘32

 

 weitgehender Verzicht auf Vibrato – I entschiedener Zugriff, dynamischer Reichtum, ziemlich perfekt, II con moto, zart gespieltes Thema, mit artikulatorischer Feinarbeit, facettenreich, Variation 4 langsamer, auch ab T. 145, III Scherzo nur Allegro, Trio mit viel Melancholie angereichert, IV eher entspannt - insgesamt etwas distanziert

4-5

Dragon Quartet

Channel Classics

2016

37‘14

 

weitgehender Verzicht auf Vibrato – I ernsthafter Zugriff, spürbare Vitalität, klangliche Schärfung, Musiker atmen mit der Musik, II sehr gute Differenzierung, besonders auch in der Dynamik, feinfühliger Umgang mit Schuberts Vorlage, IV empathisch, hellwach

4-5

Quatuor van Kuijk

Alpha

2017

37‘09

 

weitgehender Verzicht auf Vibrato – I zupackend, rhythmische Energie auskostend, jedoch Spannung nicht auf höchstem Niveau, II sehr gute dynamische Differenzierung, Var. 3 Violoncello klingt am Ende von T. 96 II nach, III Scherzo etwas spröde, Trio langsamer, IV technisch und musikalisch souverän – durchgehend fahles Klangbild

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

 

Budapester Streichquartett

 

Zwei Interpretationen des ungarisch-amerikanischen Quartetts liegen vor, eine Studio-Produktion aus dem Jahre 1954 sowie ein Konzertmitschnitt ein Jahr später. Letzterer ist klanglich der Studio-Aufnahme unterlegen, auch wenn diese noch etwas kompakt klingt. Das Quartett bringt, im Gegensatz zu den meisten anderen Quartetten, mehr Licht in den Kopfsatz, die Takte 1-14 werden wie eine Einleitung aufgefasst, die dynamische Differenzierung im p-Bereich wird nicht ausgeschöpft, im zweiten Satz bessert sich dies jedoch. Beim Mitschnitt erhält die Musik im Gegensatz zum Studio aufgrund vieler kleiner Rubati einen leicht rhapsodischen Zug. Die Streicher klingen hier auch etwas rau. Der Variationssatz beginnt in beiden Aufnahmen tatsächlich Andante con moto, nach dem Thema geht es dann etwas schneller weiter. Insgesamt wird ausdrucksvoll gespielt, auffallend die genaueste Gewichtung der einzelnen Stimmen. Im Vergleich zum Busch-Quartett verwenden die Budapester weniger Bogendruck. Der Scherzo-Satz wird im Tempo etwas zurückhaltender genommen, das Trio langsamer ausgeführt, mit einem Hauch von Sentimentalität. Im Finale spielen die Musiker das zweite Thema wieder etwas langsamer, sie erreichen nicht die Sogwirkung der  Busch-Kollegen.

 

Ungarisches Streichquartett

 

Die erste Aufnahme von Schuberts d-Moll-Quartett mit dem Ungarischen Streichquartett entstand 1952 für das Label Concert Hall, in Lizenz erschien sie später bei Guilde Internationale Du Disque ( Bestellnummer MMS 128), das französische Label forgotten records hat sie erneut zugänglich gemacht. Eine weitere Lizenz dieser Aufnahme ging an Chamber Music Society (Bestellnummer CM-17), sie wurde auch von Music&Arts auf CD veröffentlicht. Das Quartett legt eine Interpretation vor, die eher als klassisch denn als romantisch zu bezeichnen ist. Im ersten Satz wirkt das Spiel trotz durchwegs straffen Tempos gelassen, bei ziemlicher Tempokonstanz. Die Musik wird im zweiten Satz wie selbstverständlich vorgetragen, sie bleibt immer im Fluss. Dem Trio fehlt die lyrische Durchdringung. Hier bleibt die Musik zur sehr an der Oberfläche. Dem Finale hätte man ein etwas schnelleres Tempo mit mehr Biss gewünscht. Das Klangbild ist kompakt aber transparent, die dynamische Differenzierung im p-Bereich fällt leider zu pauschal aus. Man hat an einigen Stellen den Eindruck, dass Schuberts Notentext nicht immer ganz ernst genommen wird. Auf der CD von M&A ist ein leises Hintergrundrumpeln festgehalten, außerdem besitzt sie eine geringere Präsenz als die von forgotten records. Der jeweils zweifache Transfair hat auch Spuren bei der Laufzeit der Sätze hinterlassen.

Sechs Jahre später erfolgte eine Neuproduktion für EMI, nach einer Umbesetzung bei Bratsche und Violoncello. Die Interpretationshaltung entspricht der der früheren Aufnahme; die Tempi sind nun, abgesehen vom Variationssatz, etwas langsamer. Der Hörer kann sich jetzt über einen besseren Klang erfreuen, der nicht mehr so eng wie früher ist. Bei der Dynamik hat sich leider keine Verbesserung vollzogen. Das hört man vor allem im zweiten Satz, wo die vier Musiker zwar Schuberts emotionalen Aufriss herüberbringen, jedoch gestalterisch blass bleiben, zu routiniert klingen. Da hatte die 1952er-Platte mehr Biss vorzuweisen. Eine weitere Aufnahme aus dem Jahr 1958 hat ebenfalls Music&Arts herausgeben, es ist ein Mitschnitt vom Menton-Festival an der Côte d’Azur, leider entbehrlich, da nichts Neues zu vermelden. Die akustische Hinterlassenschaft ist jedoch eine Zumutung für den Hörer, da während des gesamten Vortrags ein störendes Hintergrundgeräusch – Regen auf ein Zeltdach?, Meeresrauschen? – auf der CD gratis mitgeliefert wird. Eine völlig überflüssige Veröffentlichung!

 

Amadeus-Quartett

 

Mit fünf Aufnahmen steht das Amadeus Quartett an der Spitze in meiner Plattensammlung, was jedoch nicht gleichbedeutend mit Spitzenplätzen einhergeht. Das Quartett war zumindest in den ersten zwanzig Jahren seines Bestehens in der Musikwelt sehr bekannt und wurde immer wieder um das d-Moll-Quartett gebeten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Quartetten fehlt dem Amadeus Quartett eine gewisse Einheitlichkeit beim Vortrag, das äußert sich in der nicht immer zufriedenstellenden Balance, da der Primarius immer wieder zu sehr nach vorn drängt (extrem 1959), worunter oft die Mittelstimmen leiden müssen. Im Kopfsatz kommt es ab T. 29 (1953) zu keinem richtigen Dialog zwischen erster Geige und dem Cello, erst in der letzten Aufnahme (1981) hört man es nach dem Notentext. Insgesamt klingt das Quartett bei lauten und schnellen Passagen doch sehr kompakt, dabei breit und auch rau. Mit der Dynamik geht man zu großzügig um, ein richtiges pp hört man selten. Jüngeren Quartetten gelingt das alles viel besser. Kommen wir zum zweiten Satz. In den ersten beiden Aufnahmen spielen die Musiker das Thema Legato, später dann die Noten mehr abgesetzt, am Ende gibt es dann ein deutliches Ritardando. In der zweiten Variation  (1954) sind die Mittelstimmen kaum präsent. Insgesamt wünschte man sich mehr Spannung. Der Übergang von Scherzo zum Trio ist in der letzten Aufnahme am besten gelöst, auch gefällt das Trio durch seinen warmen Klang. Dem Finale fehlt es (1953) nicht an Feuer und Dämonie, das klingt überzeugend. Bei den späteren Aufnahmen wird allerdings das Tempo zurückgenommen. Beim zweiten Thema werden die punktierten Viertel  mit fz-Zusatz in der Fortspinnung (T. 103-106, auch in der Reprise) mit dramatischer Attitüde wie abgerissen, interpretiert. Erst in der letzten Aufnahme kehrt man zum Notentext zurück. Übrigens scheint hier bei T. 211 ein Ruck durch das Quartett zu gehen, das plötzlich mit mehr Einsatz zu Werke geht. Klanglich ist die Digital-Produktion den anderen Aufnahmen überlegen, auch musikalisch scheint sie mir die reifste zu sein.

 

Smetana-Quartett

 

Im Jahre 1978 wurde in Japan Schuberts d-Moll-Quartett vom Label Denon mitgeschnitten und veröffentlicht. In den Ecksätzen erleben wir ein elastisches Musizieren, trotz durchwegs straffen Tempos wirkt die Interpretation doch gelassen, ohne auf Spannung zu verzichten. Der Variationssatz hält sich an Schuberts Vorgabe Andante con moto, die Musik bleibt immer bewegt und auch tempokonstant. Auf ein schroff formuliertes Scherzo folgt ein Trio – ein wenig langsamer – ohne den melodischen Reichtum herauszustellen. Die dynamische Differenzierung im p-Bereich könnte insgesamt noch mehr Beachtung finden und so zu einer höheren Profilierung beitragen.

VierJahre später geben die Musiker des Smetana-Quartetts Schuberts D. 810 in Lugano zum Besten, das Label Ermitage hat den Mitschnitt des Rundfunk der italienischen Schweiz dem Plattenmarkt zugeführt. Die Interpretationshaltung ist der früheren ähnlich, die Mikrophone scheinen nun näher bei den Musikern platziert zu sein, was einen direkteren Klang zur Folge hat, wahrscheinlich auch ein dichteres Klangbild an lauten Stellen. Die Neigung zu einem leicht orchestral klingenden Vortrag ist evident, übrigens auch in den restlichen Sätzen. Das Trio ist nun vitaler, farbiger und abwechslungsreicher zu erleben. Ein letzter Hinweis noch zu den Takten 255-283 im vierten Satz, wo die Musik, obwohl noch nicht am Ende angekommen, wunderbar ausgesungen wird, mit leichtem Rubato: Musik erlebt. Das  Finale wird in beiden Aufnahmen in wirklichem Prestissimo beendet.

 

Juilliard Quartet

 

Das Juilliard Quartett sollte man beim Kauf einer CD mit Schuberts d-Moll-Quartett nicht übersehen, auch wenn die beiden Einspielungen nicht mehr die jüngsten sind. Hier wird gleichermaßen mit Hingabe und auf höchstem bzw. hohem musikalischem Niveau musiziert. In der RCA-Aufnahme wird das Variationsthema, wirklich pp beginnend, deutlich langsamer als das Folgende gespielt, kann aber mit einer wunderbaren Atmosphäre aufwarten, gewiss auch eine Folge der sehr guten dynamischen Verhältnisse, übrigens in allen Sätzen. Im Finale schlagen die Musiker ein wirkliches Presto an, noch gesteigert kurz vor Satzende. Die zwanzig Jahre später produzierte Platte, mittlerweile wurden Bratschist und Cellist ausgewechselt, lässt auch aufhorchen; spieltechnisch ist sie der älteren ebenbürtig. Der Klang ist in lauten Abschnitten jedoch weniger geschmeidig, insgesamt hat das Klangbild an Breite gewonnen. Der zweite Satz wird ein wenig schneller musiziert, besitzt jedoch nicht die frühere Atmosphäre. Im dritten Satz wählen die Musiker für das Trio ein etwas langsameres Tempo, womit eine Vertiefung des Ausdrucks einher geht. Auch das Finale ist jetzt etwas langsamer und weniger locker, die geheimnisvolle Stimmung zu Beginn gelingt hier nicht wie früher.

 

Melos-Quartett

 

Das Melos Quartett ist mit Schuberts a-Moll-Quartett zweimal ins Aufnahmestudio gegangen, zuerst  für die DGG, 15 Jahre später dann für die französische Harmonia mundi. Dramatik und Expression werden 1974 in den wilden Passagen der Ecksätze mit rauer Tongebung erkauft. Im Kopfsatz hört man, wie so oft, die ersten vierzehn Takte als eine Einleitung. Im Variationssatz geht die Balance nicht immer auf, da die Mittelstimmen von den Außenstimmen übertönt werden. Entgegen der Partitur bringen die vier Musiker zu Beginn der fünften Variation bereits ein Crescendo, was Schubert allerdings erst für die Wiederholung vorgesehen hat. Das Trio im dritten Satz wird deutlich langsamer und mit viel Vibrato gespielt. Im Finale hätte man sich ein schnelleres Tempo gewünscht, Schubert fordert hier Presto. Der Satz klingt mehr wie durchgespielt als gestaltet. Die Nachfolge-Aufnahme bei HMF überzeugt mehr, da sich das Quartett im Umgang mit der einschlägigen Literatur inzwischen weiterentwickelt hat. Es wird nun sauberer sowie geschmeidiger musiziert, das Resultat klingt profilierter, vielleicht auch deshalb, da alle Sätze ein wenig schneller genommen werden. Leider haben es die Musiker versäumt, auch die dynamische Gestaltung erneut in den Blickwinkel zu nehmen. Im zweiten Satz wird in der zweiten Variation die Sekundgeige von ihren Kollegen bedrängt. Auch das Crescendo im ersten Teil der fünften Variation ist stehengeblieben.

 

Tokyo String Quartet

 

Die beiden Aufnahmen von Schuberts d-Moll-Quartett mit dem Tokyo String Quartet wurden in einem Abstand von acht Jahren eingespielt. Die erste erschien noch dem Wechsel vom Label CBS zu Vox. In den Ecksätzen herrscht hier ein hohes Erregungspotential, gepaart mit überschäumender Musizierlaune, das zielt genau auf den Kern der Musik. Bei lauten (unisono-) Passagen klingt die Musik jedoch auch etwas grob, das Klangbild wird eng und der Bassbereich etwas stumpf abgebildet. Der Variationssatz wird überwiegend lyrisch angegangen, besitzt jedoch insgesamt weniger Spannung. Für Variation vier wählen die Musiker ein langsameres Tempo. Nach einem trotzig klingenden Scherzo kommt das Trio dann ruhiger und ganz entspannt. Die dynamische Differenzierung im p-Bereich wünschte man sich deutlicher. Die Intonation der ersten Geige ist in höchsten Lagen nicht immer top. Leider ist der Klanghintergrund der Aufnahme mit leisen Verkehrsgeräuschen verziert.

Über die etwas später für BMG/RCA aufgenommene CD lässt sich ähnliches berichten. Im Kopfsatz wird nun beim zweiten Thema das Tempo zurückgenommen, was vorrübergehend eine leichte Entspannung bringt. Im zweiten Satz wird Variation vier nun noch langsamer gespielt und die Musik kommt beinahe zum Stillstand – eine extreme Position zu fast allen anderen Einspielungen. Die Dynamik richtet sich nun mehr nach Schuberts Vorgaben. Geblieben ist jedoch die etwas robuste Musizierhaltung, das Quartett erreicht nicht die Leichtigkeit anderer Formationen.

 

eingestellt am 08.05.2020

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