Das Klassik-Prisma

 

 

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Streichquartett G-Dur D. 887

Busch Quartett

EMI

1938

40‘42

5

Atmosphäre, sehr intensiv, II in zeitbedingtem Stil, viele Portamenti

Hagen Quartett

DGG

1998

49‘30

5

I im Ansatz wie das Carmina Qu., jedoch mit etwas mehr Blut und Ausdruck, viele irisierende Abschnitte, ziemlich überzeugend, II sehr differenziert, wenig Vibrato, vor allem in den leisen Stellen, III nicht immer messerscharf zusammen, IV Marcato-Stelle T. 210 ff etwas langsamer, hier und da kleine Kratzgeräusche

Arcanto Quartett

NDR unveröffentlicht

2012

51‘29

5

live – I molto moderato, Kammermusik, nicht ein Streichorchester im Kleinformat, trotz Live-Aufnahme gute Lautstärkedifferenzierung, sparsamer Vibratogebrauch,  II Musik von innen gehört, III federleichtes Scherzo, Trio etwas wehmütig, IV auf der bisherigen Linie

Amadeus Quartett

DGG

1951

42‘51

5

I dramatische Sicht mit Einsatz, manchmal auf Kosten der Tonschönheit, II sehr konzentriert und expressiv, könnte etwas Wärme vertragen, IV auf die Sekunde genau wie Busch, Vl.1 in höchsten Lagen nicht immer ganz sauber

Mandelring Quartett

audite

2005

50‘24

5

II bei aller Dramatik auch ein kleiner Sonnenstrahl, III Trio schneller, da kann Gefühligkeit nicht aufkommen, IV nicht richtig assai – insgesamt helles, offenes Klangbild

Leipziger Streichquartett

MDG

1994

50‘15

5

I sehr homogen, sowohl in den dramatischen als auch lyrischen Abschnitten, II Tremoli sehr kräftig, orchestral, IV Intonation nicht immer top

Artemis Quartett

Virgin

2009

51‘24

5

diszipliniert, ausgewogen, sparsamer Vibratogebrauch, I spannungsgeladen, 1. Vl. spielt ihre 16tel-Tremoli wie mit dem Silberstift, II con molto espressione, immer schlank, geschlossen, großbögig, III assai, Trio sehr frei im Ausdruck, darstellerische Konzentration, pp leider nur p, IV etwas zu fest im Zugriff, nicht ganz auf dem Niveau der vorigen Sätze

Auryn Quartett

Tacet

1989

44‘53

4-5

homogenes und genaues Spiel, sehr expressiv, gezügelte Dramatik, rhythmisch sehr präzise mit genau platzierten Akzenten, I aufmerksamer spannungsvoller Beginn, danach geringer Abfall der Spannung, III nicht zu schnell, im Trio guter Dialog zwischen den Instrumenten, IV Stahlsaite der 1. Vl. stört manchmal

Auryn Quartett

CPO

1997

42‘27

4-5

ein klein wenig schneller als 1989, jedoch nicht immer so ausgezirkeltes Spiel, III rasant, lässt sich aber im Trio Zeit, erreicht jedoch nicht die frühere Ausdruckstiefe, IV um eine Minute schneller, etwas überzeugender, keine störenden Stahlsaiten, schöne Cellokantilene Takte 339-354

Quartetto Italiano

Philips

1977

55‘10

4-5

I die ersten 32 Takte magisch!!, molto espressivo, Andante!, II langsamer, auch hier sehr expressiv, III Lautstärkedifferenzierung nicht so hervorragend wie in Satz I und II, Trio: Cellostimme am Anfang geht etwas unter, IV nicht spritzig, keine auftaktige Artikulation, nicht von der Qualität der ersten beiden Sätze

Alban Berg Quartett

EMI

1979

44‘09

4-5

I etwas Hall, Klangbild zugunsten der 1. Vl. verschoben, Vc. im Hintergrund, in lauten Tuttipassagen ziemlich orchestral, mit viel Einsatz musiziert, II Cello jetzt besser, III Va. zu leise, IV 1. Note betont??; Vl. 1 bei der Marcato-Stelle T. 210 ff nicht auftrumpfend sondern wie vorgesehen mf

Alban Berg Quartett

EMI

1997

50‘04

4-5

live – I Vl.1 bei den Spitzentönen oft stahlig, auch hier Vc. benachteiligt, II Vc. jetzt wieder da, im ff Klang stahlig, III Trio: Bratsche?, IV etwas zurückgenommenes Tempo, deshalb öffnen sich Gestaltungsräume, Vl.1 führt

Amadeus Quartett

DGG

P 1965

43‘35

4-5

Kopie der früheren Aufnahme, jedoch ohne deren Intensität, aber etwas mehr Wärme, Klangbild durchsichtiger, Scherzo und Finale etwas langsamer, II am Anfang mf statt pp

Neues Ungarisches Streichquartett

Vox

P 1973

44‘05

4-5

etwas enges Klangbild, I geschlossenere Darstellung als in alter Besetzung, II sehr ausgewogen, Spieler reagieren gut aufeinander, IV nicht ganz so schnell wie früher, Marcato-Stelle Takte 210ff markiert, jedoch nicht kratzig

Carmina Quartett

Denon

1996

43‘03

4-5

I Pianissimo-Kultur!, ganze Palette der Dynamik genutzt, immer sehr durchsichtig und kontrolliert, auch in den ff-Ausbrüchen, keineswegs gefühlsarm, II Cellist in dieser wichtigen Partie nicht immer ganz top in der Phrasierung, IV etwas unruhig

Kremer, Phillips, Kashkashian, Ma

Sony

1985

53‘35

4-5

I Anfang sehr geheimnisvoll und scheu, molto moderato, fast schon Andante, tritt zeitweise auf der Stelle, Lautstärkepalette wird endlich einmal ausgeschöpft, eher mit dem Kopf als mit dem Herz, vier Einsame und Schubert, II Tempo jetzt angemessen, III entspannt, Trio anfangs seltsam blutleer, wie hinter einer Milchglasscheibe, IV nicht immer tonschön

Pražak Quartett

Praga

2007

49‘14

4-5

I 2. Thema nur mp statt pp, feurig erregt, dramatisch, Spieler reizen ihre Partie voll aus, orchestral, II zufriedenstellend, es fehlt jedoch an klanglicher Wärme, IV technisch hervorragend bewältigt, Wärme?

 

Takács Quartett

Decca

1996

48‘12

4

I feurig erregt in den Abschnitten des 1. Themas, beim 2.Th. ein wenig schneller, lustvolles Spiel auf Kosten der Homogenität, II T. 139 ff Innenstimmen zu leise, T. 154 schneller,  III sehr nervös, fast schon gehetzt, jedoch kontrolliert, schönes Trio, IV assai, im Zustand des Deliriums

Verdi Quartett

hänssler

1998

47‘03

4

keine rechte pp-Kultur, I gelassenes Tempo, dichter, etwas eingedunkelter Quartettklang, II bei den Tremolo-Partien orchestral, etwas langsamer als gewöhnlich, III Scherzo: großflächiges Spiel, Trio: alle Stimmen kommen zu ihrem Recht, IV bester Satz

Bartholdy Quartett

EMI

P 1978

44‘27

4

I nicht immer folgerichtig artikuliert, Vc. T. 24 ff zu leise, manchmal zu zaghaft und unentschlossen, nie große Geste, II dynamisch fein abgestuft, gute Kammermusik, III alles sehr schlank, Trio 2. Teil: auch Va. beteiligt sich thematisch, IV kein assai, Marcato Takte 210 ff könnte etwas kräftiger sein, Vc. stellenweise zu leise

Belcea Quartet

EMI

2009

52‘00

4

dynamische Differenzierung noch nicht immer optimal, sparsamer Vibratogebrauch, I in lauten Abschnitten nicht immer homogen, Klang hat viel Körper, II das Wesen der Musik getroffen, Intonationsmängel, T. 68 Cello unsauber, III robustes Scherzo, Trio: 1. Vl. zu sehr im Vordergrund, Begleitstimmen kommen zu kurz, Totalausfall der Va. bei T. 183-186, IV auf höherem Niveau als zuvor

Brandis Quartett

Orfeo

1981

50‘46

4

Orchestermusiker betreiben Kammermusik, I Vc. T. 24 ff etwas schwergängig, breiter Strich, orchestral direkt, Takte 180-188: von den Geheimnissen anderer Quartette hier nichts zu vernehmen, II gute Darstellung, III präzise Achtel-Ketten spiccato, IV kein richtiges assai

Tokyo String Quartet

RCA

1989

46‘16

4

I konzertant, etwas robust, orchestral, kein wirkliches pp, jetzt sehr konzentriert, gute Kammermusik, III Trio: Stimmen etwas nivelliert, IV konzertant – etwas eingeengtes Klangbild

Kolisch Quartett

Columbia/

strings

1934

36‘38

4

I dramatisch, 2.Thema etwas zu laut, 1.Violine oft im Vordergrund, II sehr bewegt, Tempo nicht konstant, Überspielung könnte besser sein, IV kompaktes Klangbild, aus dem Einzelheiten nicht immer zu erkennen sind, Marcato-Stellen langsamer, Intonation?

Melos Quartett

HMF

1991

49‘42

4

I orchestral, dramatisch, einige Drücker in Vl. 1, musikantischer Ansatz, II Lautstärke wenig differenziert, orchestral, III Klang etwas dicker, vergrößert, IV wie II, kein assai

Kuss Quartet

Onyx

P 2011

52‘35

4

engagiert, Klangkultur noch nicht optimal, sehr helles transparentes Klangbild, I manche Melodien nicht ganz ausformuliert, Vl. 1 macht sich bei den 16tel Begleittremoli zu selbstständig, II con moto, engagiert, in den Tremoli jedoch wenig homogen, III Scherzo: zu helle Vl. 1 in T. 58, Trio: Hauptstimme immer hervorgehoben, solide, IV achtet genau auf das fz auf der 4. Note in T. 1 und 5, verzögert jedoch für einen winzigen Augenblick das Tempo, 1. Vl. etwas metallisch

Ungarisches Streichquartett

EMI

1968

40‘20

4

I eher orchestral, Vc. T. 109 etwas harmlos, gelungen: T. 301 ff, IV Artikulation lässt manchmal Wünsche offen

 

Guarneri Quartet

RCA newton

1977

45‘05

3-4

I die Spieler verzetteln sich und wissen dem Satz nicht beizukommen, Musik tritt auf der Stelle, bei lauten Stellen zu ausladend, II insgesamt etwas betulich, III wie ausgewechselt!, IV auch hier indifferente Stellen, das Guarneri Quartet scheint nicht den richtigen Schlüssel zu D 887 zu besitzen

Ungarisches Streichquartett

Music & Arts

1958

39‘23

3-4

live – I kein molto moderato, eher orchestral als kammermusikalisch, nervös, II selten gefordertes p, findet keine Ruhepunkte, III Trio: Grundlautstärke zu hoch,

IV sehr schnell, Artikulation und Intonation nicht sauber – trotzdem irgendwie faszinierend; gepresstes Klangbild, wie in einem Zelt bei Regen

Gabrieli Quartet

Decca

1975

42‘38

3-4

Lautstärkedifferenzierung noch nicht ausgeschöpft, noch ohne Feinschliff, spieltechnisch nicht immer auf dem höchsten Niveau, I vorwärtsdrängend, vital, aber auch robust, 1. Vl. dominiert zu sehr, II heller Klang, in den ff-Ausbrüchen T. 43ff und später orchestrale Tremoli, direktes Musizieren, III forsches Scherzo, ansprechendes Trio, IV robust, kaum Feinschliff – immer wieder dumpfes Grummeln im Hintergrund (U-Bahn?)

The Lindsays

ASV

P 1989

49‘19

3-4

I ausgeprägte Klangkultur?, II etwas robust, III Trio Teil 1: Melodie-Begleitung müsste klarer herausgearbeitet werden, IV etwas einförmig

Emerson String Quartet

DGG

1988

44‘38

3-4

oft metallischer Klang der Saiten, insgesamt al fresco, wenig gepflegtes Klangbild, I expressive Darstellung, sehr durchsichtig, II mächtige Tremoli wie beim Kammerorchester, III/IV teilweise grob, hier und da unsauber

Juilliard Quartet

CBS/ Sony

1980-83

44‘38

3-4

I orchestral, expressiv, jedoch stellenweise derb, al fresco, nicht von der Klangkultur früherer Aufnahmen, II/III Lautstärkedifferenzierung könnte besser sein, mehr al fresco, IV hört sich an wie wenig geprobt

 

Medici String Quartet

Koch-Schwann

1996

53‘51

2-3

I im Klang hölzern, wenig geschliffen, in den Tremoli nicht immer messerscharf zusammen, technisch nicht auf dem Niveau von Spitzenensembles, bemüht, II Cello etwas steif, insgesamt hölzern, III entspannt, Trio: Nebenstimmen drängen sich vor die Hauptstimme(n), IV etwas besser, kein assai; die Aufnahme klingt insge-samt etwas amateurhaft

 

Das Streichquartett in G-Dur ist Schuberts letztes Quartett, es entstand im Juni 1826, übrigens in zeitlicher Nachbarschaft von Beethovens letztem Quartett F-Dur op.135. Charakteristisch für die beiden ersten Sätze sind die Tremoli, also die schnelle Wiederholung von Noten (hier meist Zweiunddreißigstel). Tremoli wurden bis zu Zeit der Entstehung des Quartetts und darüber hinaus im Orchester als Effekte meist bei Nebenstimmen zur Untermalung der Hauptstimme eingesetzt. So verwendet sie Schubert auch in diesem Quartett, zusätzlich gewinnen sie hier Bedeutung durch deren Verwendung in den thematisch führenden Stimmen. Walter Riezler schreibt im Hinblick auf D. 887, Tremoli seien „Ausdruck innerer Bewegtheit individueller Stimmen". * Einige Quartettformationen wie das Juilliard Quartet unterstreichen die orchestralen Effekte zu sehr.

Während des 2. Satzes (Andante un poco molto) sollte m. E. bei aller Dramatik und Erregtheit eine „Grundruhe" spürbar sein, zu der die Spieler immer wieder zurückkehren.

Im 3. Satz (Scherzo, Allegro vivace) sind ganztaktige Achteltremoli allgegenwärtig, sie müssen immer sehr locker gespielt werden, damit die Musik nicht steif klingt. Im Trio (Allegretto) wendet sich plötzlich Schuberts Blick nach einem melancholischen Beginn in heimisch vertraute Gefilde. 16 Takte lang erklingt überraschend wienerische Musik, als Fremdkörper in einer anders gearteten Umgebung bleibt sie jedoch nur Episode. Das Busch Quartet, das Kolisch Quartett sowie das Ungarische Streichquartett in seiner Live-Aufnahme lassen die wenigen Takte aufblühen. Das Melos Quartett spielt schon am Rande der Übertreibung, andere Formationen misstrauen den wienerischen Klängen und die Musik klingt da schon ein wenig unterkühlt (Juilliard, Ungarisches Streichquartett-EMI).

Das Finale (Allegro assai = sehr schnell) ähnelt im Gestus den Schlusssätzen des d-Moll- Quartetts D. 810 und der späten c-Moll-Klaviersonate D. 958. Rastlos wirbelt die Musik, einem Perpetuum mobile ähnlich, dahin. Die in den beiden ersten Sätzen determinierenden Tremoli finden sich hier in schnellen Repetitionen von Achtelnoten wieder. Nur an zwei als ben marcato ausgewiesenen Stellen (T. 210-230 sowie T. 580-600) findet die Musik kurze Zeit zum Innehalten, es sind jedoch auch nur Episoden, ohne Folgen für den weiteren Verlauf der Musik. Das G-Dur-Quartett D. 887 als Ganzes gesehen hinterlässt beim Hörer wie kaum ein anderes „Spätwerk" des noch jungen Komponisten Franz Schubert den Eindruck äußerster Konzentration.

Auf Grund der spürbar überwältigenden schöpferischen Kraft dieses Werkes, die den Hörer in ihren Bann schlägt, ist dieser leicht versucht, über kleine Unebenheiten der Darstellung hinwegzuhören oder sie erst gar nicht wahrzunehmen. Die Quartettformationen etwa seit den 70er Jahren spielen in der Regel auf einem technisch höherem Niveau als die Quartette zuvor. Diese können jedoch mit einer unverwechselbaren Physiognomie punkten, die den jüngeren Quartetten eher abgeht.

Zur Zeit der Schellack- und Langspielplatte war die Beachtung der Wiederholungen in den Ecksätzen eher die Ausnahme, heute werden sie meist ausgeführt. Sie fehlen bei Busch, Kolisch, Amadeus, Alban Berg. Auryn, Ungarisches Streichquartett. Neues Ungarisches Streichquartett, Juilliard, Gabrieli und Verdi verzichten lediglich auf die Wiederholung im

1. Satz (immerhin 5-6 Min). Im Scherzo fehlt die 2. Wiederholung bei Busch, Kolisch, im Trio fehlt die 2. Wiederholung bei Amadeus-51.

*Walter Riezler: Schuberts Instrumentalmusik, S. 92, Zürich 1967.

eingestellt am 21. 06. 09

ergänzt am 17.11.12

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