Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

www.klassik-prisma.de

Diese Webseite ist urheberrechtlich geschützt

 

Schumann   home

Robert Schumann

 

3. Sinfonie Es-Dur op. 97 „Rheinische-Sinfonie“

 

 Lebhaft – Scherzo, sehr mäßig – Nicht schnell – Feierlich – Lebhaft

 

Schumann schrieb seine 3. Sinfonie im November und Dezember 1850, nachdem er kurz zuvor die Stelle des Städtischen Musikdirektors in Düsseldorf angetreten hatte. Der Name „Rheinische“ ist unauslöschlich mit der Schumann-Biographie von Wilhelm von Wasilewski (1858) verbunden. Der Anstoß dazu soll beim [ersten] Anblick des Kölner Domes erfolgt sein.

 

Die ursprüngliche Satzüberschrift zum vierten Satz lautete: „Im Charakter der Begleitung einer feierlichen Zeremonie“ [im Kölner Dom?]. Ein Hinweis zu einem konkreten Anlass fehlt jedoch. Die Tonart es-Moll lässt eher an eine traurige oder beklemmende Begebenheit denken. Schumann äußerte sich zum Inhalt der übrigen Sätze folgendermaßen: „es mußten volksthümliche Elemente vorwalten.“ Die Grundstimmung des Werkes sollten rheinischer Frohsinn und rheinisches Lebensgefühl ausdrücken, vielleicht auch als Kontrast zur vorangegangenen 2. Sinfonie in C-Dur.

 

Schumann 3. Sinfonie ist die einzige seiner vier Sinfonien ohne eine langsame Einleitung. Etliche Verfasser der Booklets äußern die Meinung, dass die Sätze 2-4 bei den Interpretationen mehr und mehr langsamer würden und die Musik dann im Finale triumphierend schließe. Bei den Hörvergleichen wird jedoch deutlich, dass dies nur partiell zutrifft; jeder Dirigent folgt da seinen eigenen Vorstellungen. Eine kompositionstechnische Klammer der Sätze ist zweifellos die Verwendung der Quarte, zugleich im ersten Satz zu Beginn des Hauptthemas (fallend), im zweiten Thema T.99/100 (Oboen, Klarinetten), zu Beginn des Hauptthemas des Scherzos (steigend und fallend) und an anderen Stellen. Im dritten Satz als zweite Stimme unter der Sexten. Im vierten ist sie nicht zu überhören, geradezu beherrscht sie den musikalischen Verlauf. Im Finale wird sie im Hauptthema b-f mittels der beiden Durchgangsnoten c und d erreicht und immer wieder zitiert, besonders hervorgehoben in der Stretta.

 

Der erste Satz ist überwiegend vom Hauptthema beherrscht, das Seitenthema, meist langsamer vorgetragen, bleibt eher eine Episode. Im zweiten Satz, Scherzo überschrieben, verbietet der Untertitel sehr mäßig aber eine ausgelassene Musizierweise, wie man sie seit Beethoven kennt. Die Scherzo-Musik wird von drei unterschiedlichen Trios abgelöst, wobei die ersten beiden Trios unmittelbar aufeinander folgen. Im dritten Satz lösen Bläser-Episoden und überwiegend Streicher-beherrschte einander ab.  Sehr intim soll diese Musik dargeboten werden. Viele Dirigenten lassen jedoch statt piano oder pianissimo mezzoforte spielen und überfahren so Schumanns vorgesehene Absicht. Beim Übergang des fünften zum sechsten Takt hört man zum ersten Mal ein Motiv von vier Sechzehnteln mit nachfolgender Achtel. Diese Stelle erinnert mich an das Thema des zweiten Satzes – Intermezzo - aus Schumanns Klavierkonzert. Der vierte Satz bringt drei Steigerungen mit abschließender feierlicher Fanfare der Bläser. Lebensbejahend endet die Sinfonie mit dem fünften Satz.

 

Viele Dirigenten sahen und sehen Schumanns Instrumentation kritisch. George Szell schreibt dazu – im Booklet der Sinfonien-Gesamtaufnahme im Nachtrag zum 150. Geburtstag von Schumann 1960 angedruckt: “…Die Behauptung, Schumann sei nicht in der Lage gewesen, orchestrale Instrumentierungen zu schreiben, trifft schlicht nicht zu. Schumann malte sich prägnante Phrasen oder Partien für einzelne Instrumente auf lebhafte und präzise Weise aus.[…] Abgesehen von kleineren Fehlern, die von der Unerfahrenheit Schumanns herrühren, gelang es ihm bei der Orchestrierung nicht immer, das richtige Gleichgewicht herzustellen. Dieser Schwäche kann – und muß – man mit allen Mitteln abhelfen, über die ein professioneller Dirigent … eigentlich verfügen sollte. Aus dieser Erkenntnis verdünnte er die Struktur, indem er, wenn geboten, Verdopplungen beseitigte. Außerdem modifizierte er die Dynamik, um die wichtigsten Stimmen hervortreten zu lassen. Das war auch Gustav Mahlers Absicht, nur ging dieser viel weiter als Szell, welcher sich gegen Mahlers tiefgehende Eingriffe in die Partitur stellte. Auch andere Dirigenten erkannten Schwächen in der Instrumentierung und nahmen Änderungen vor. Nach meinen Beobachtungen übernehmen die meisten einige von Mahlers Vorschlägen, die auch bei Szell zu finden sind. Nach meinen Beobachtungen (Höreindruck) stellt sich die Handhabung der Dirigenten mit den Änderungen von Mahler bzw. Szell wie folgt dar:

Satz 1, T. 37/38 und 41/42: Schuricht lässt die Holzbläser weg, umgekehrt fehlen bei Karajan, Jordan, Roshdestvensky, Kubelik, Mehta, Muti, Zinman, Inbal, Caetani und Zinman die 1. Geigen und Bratschen. Bei Buchstabe A T. 57 bringt Schumann erneut das Hauptthema, jetzt in modifizierter Weise: die Hörner unterstützen die ersten Geigen beim Thema. Mahler (seine Partitur liegt mir leider nicht vor) verschiebt die Hörner einen Takt nach hinten, dort treffen sie auf Oboen, Klarinetten und Fagotte und verstärken diese. So verfahren viele Dirigenten: Toscanini, Walter, Schuricht, Monteux, Paray, Leibowitz, Skrowaczewski, Giulini, Roshdestvensky, Mehta, P. Järvi und Barenboim.

Satz 2, Mahler sieht vor, dass die Takte 1-4 mp gespielt werden, die Takte 5-8 dann ff. Diese Lesart wird jedoch kaum übernommen, jedoch in den Takten 9-12 und später T. 87-90, hier fallen außer bei Monteux die ersten Geigen – Verdopplung von Flöten und Oboen – weg. Eine ähnliche Stelle ist der zweite Teil von Trio 1 T.25-28, hier verzichten viele Dirigenten auf Flöte und Fagott und lassen nur die Streicher spielen.

Satz 5, Mahler möchte das Hauptthema allein von den Streichern gespielt wissen, abgesehen von den Oktav-Einwürfen der Hörner, in den Interpretationen von Giulini, Tennstedt, Caetani und Mehta hört man es auch so. Bei den restlichen Aufnahmen spielen die Bläser von Beginn an, wie von Schumann vorgesehen.

Dynamische wie agogische Änderungen konnten ohne einen Blick in Mahlers Partitur nicht berücksichtigt werden. In den Einspielungen der letzten 20-30 Jahren scheinen die Änderungen von Mahler und Szell für die Dirigenten keine Rolle mehr zu spielen.

 

Riccardo Chailly hat alle vier Sinfonien in Mahlers Fassung mit dem Gewandhausorchester Leipzig eingespielt. Er war jedoch nicht der erste, bereits Ende der 1980er Jahre brachte  Aldo Ceccato die Mahler-Fassung mit dem Bergen Philharmonic Orchester für das schwedische Label BIS heraus. Sie wurde in den Klassik-Medien diskutiert, geriet aber bald in Vergessenheit. Ich kenne sie nicht.

     

 

5

Christoph von Dohnanyi

Cleveland Orchestra

Decca

1987

31‘14

 

Dohnanyi gelingt es, durch kluge dynamische Disposition Schumanns Klangbild aufzuhellen, Musizieren mit viel Inspiration, ausdrucksstark, gutes Tempogefühl, sehr gute Präsenz, insgesamt hervorragender Klang, I kraftvoll nach vorn, Trompete T. 303-306 zusätzlich zum Holz

5

Paul Paray

Detroit Symphony Orchestra

Mercury

1956

31‘14

 

I detailbewusstes sowie schlankes Musizieren, II T. 113/114 weniger deutlich, III bewegt, IV dichtes Musizieren mit viel Spannung, V ausgeglichener Klang zwischen Holz- und Blechbläsern, schwungvoll – etwas stumpfer Mono-Klang, stellenweise bassbetont

5

Carl Schuricht

Sinfonie-Orchester des SDR Stuttgart

Concert Hall     Scribendum

1960

29‘13

 

5

Carl Schuricht

Sinfonie-Orchester des SDR Stuttgart

hänssler

1960

29‘39

 

live, ▼

5

Günter Wand

NDR Sinfonie-Orchester Hamburg

RCA

1991

31‘03

 

Wand beweist, dass Schumanns Partitur durch geschickte Disposition überzeugend realisiert werden kann, Stimmführungen immer offengelegt, Blick auch auf Details, durchweg bewegte Tempi; sehr gute Transparenz, besonders bei den Holzbläsern

5

George Szell

Cleveland Orchestra

CBS     Sony

1960

36‘20

 

trotz straffen Musizierens atmet Szell mit der Musik, sehr rhythmisch und klar, sehr gute Balance, IV Posaunen in den Gesamtklang eingebunden, weniger herausgestellt, weniger Weihe – Pauke etwas stumpf

5

Wolfgang Sawallisch

Staatskapelle Dresden

Eterna      EMI    Warner

1972

33‘49

 

I Musik sensibel nachgezeichnet, schlankes Musizieren mit Überschwang, ausgewogen, II con anima, III stimmungsvoll, überzeugende Phrasierungen, IV nur ein Betrachter, kein Teilnehmer der feierlichen Handlung, V wie I – helles, offenes Klangbild

5

Simon Rattle

Berliner Philharmoniker

BPh Media

2013

30‘30

 

sensibler Umgang mit der Partitur, ausgefeiltes Musizieren, sprechende Artikulationen, I ausdrucksstark, dynamischer Reichtum, II Rattle atmet mit der Musik, vielschichtig, III con spirito, IV ausdrucksstark

 

 

 

4-5

Carl Schuricht

Conservatoire Orchester Paris

Decca

1953

29‘05

 

4-5

Pierre Monteux

Boston Symphony Orchestra

WHRA

1955

31‘01

 

live, I mit viel Schwung, ausdrucksstark, Sog-Wirkung, Oboe dominiert den Holzbläserklang, II ohne Wiederholungen in den Trios, musikantischer Überschwang zum Finale hin, III delikat, IV Sogwirkung, spannungsvolle Abschnitte, V mit Hingabe – im Dynamik-Bereich wäre noch Luft nach oben

4-5

Paul Kletzki

Israel Philharmonic Orchestra

EMI   Doremi

1956

31‘33

 

I Nerv der Musik gut getroffen, Musik nicht immer restlos deutlich ausformuliert, Trompete T. 303-306 zusätzlich zum Holz, II Atmosphäre, sehr mäßig, wenige kleine Retuschen – Transparenz nocht nicht immer perfekt, dynamische Differenzierung wünschte man sich noch intensiver, Orchester spieltechnisch nicht auf der Höhe der großen mitteleuropäischen und amerikanischen Konkurrenten

4-5

Adrian Boult

London Philharmonic Orchestra

Pye

P 1957

28‘37

 

I stürmisch voran, fast atemlos, wie durchgezogen, Allegro molto,  mit 7’22‘‘ schnellste mir bekannte Aufnahme dieses Satzes, II sehr lebendig, kraftvoll, III artikulatorische Feinabstimmung, Atmosphäre, für Boult ist es der langsame Satz, IV kaum weihevoll, V sehr bewegt, mit viel Schwung und Lebensfreude – kompakter Tutti-Klang

4-5

Carlo Maria Giulini

Philharmonia Orchestra London

EMI

1958

32‘13

 

4-5

Stanislaw Skrowaczewski

Deutsche Radio-Philharmonie Saarbrücken

Oehms

2007

32‘48

 

I trotz eines etwas zurückhaltenden Tempos doch lebendig, einige wenige leichte Ritardandi, II zurückhaltend, ohne Überschwang, III deutlich, IV langsam, feierlich, V sehr bewegt, jedoch etwas objektiv, Pauken greifen kaum ein

4-5

Oleg Caetani

Robert Schumann Philharmonie Chemnitz

Calig

1997

30‘52

 

I straffes Musizieren, festes Tempo, immer das Ganze im Blick, II spontanes Musiziergefühl, facettenreich, III stimmungsvoll, deutliches Solo der Celli T. 17 ff., IV einfühlsam disponiert – gute Transparenz und Balance,  beim Klang wäre noch etwas Luft nach oben gewesen

4-5

Riccardo Muti

Philharmonia Orchestra London

EMI

P 1979

35‘15

 

4-5

Eliahu Inbal

New Philharmonia Orchestra London

Philips

1971

34‘54

 

I mit Verve, klangliche Wucht, Sogwirkung, II prägnant formuliert, ansteckende Spielfreude, sehr gute Transparenz, III mit Feingefühl, Solo der Celli T. 17 ff., sehr leise Pizzicati der Geigen und Bratschen in den Anfangstakten, langsam schreitend, V vital

4-5

David Zinman

Baltimore Symphony Orchestra

Telarc

1989

31‘58

 

I straffes Musizieren, ausgewogen, sachlicher Tonfall, klare Artikulation, sehr gute Transparenz und Balance, II mäßiges Tempo, V vital – p-Bereich oft mf gespielt

4-5

Guiseppe Sinopoli

Sächsische Staatskapelle Dresden

DGG

1992

33‘12

 

I kraftvoll, festlich, aber auch wie zelebriert, II mit Blech opulenter Klang, Trio II mit viel Espressivo, III beschaulich, unprätentiös, IV schreitend, klangvoller Espressivostil, V T. 57 ff. zu laut, im weiteren Verlauf etwas al fresco

4-5

Kurt Masur

London Philharmonic Orchestra

Teldec

1990

31‘38

 

4-5

Rafael Kubelik

Berliner Philharmoniker

DGG

1964

33‘03

 

I von positiven Gefühlen getragene Darstellung, ausgewogen, 2. Thema anfangs etwas langsamer, II breite Ausdrucksskala, III inspiriert, IV stimmungsvoll, Pizzicato der Violinen und Bratschen zu Beginn geht unter, V zielstrebig voran, Oktavsprünge der Hörner T. 3/4 und T. 11/12 nicht zu hören, 2. Thema etwas langsamer – mäßige Tempi, rundes Klangbild

4-5

Rafael Kubelik

Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks

CBS    Sony

1979

34‘37

 

abgesehen vom noch langsamerem Tempi in den Sätzen 1-4 erkennt man kaum einen Unterschied zur früheren Aufnahmen, Satz 3 deutlich langsamer, Hörner in Satz 5 jetzt präsent – der Klang der 15 Jahre jüngeren Aufnahme bringt aber kein Plus

4-5

Neville Marriner

Academy of St. Martin-in-the-Fields

hänssler         Brilliant

1998

31‘11

 

I festlich, mit Verve; schlanke, präzise Tongebung; dynamischer Reichtum, II immer sehr beweglich und locker, III pointierte Darstellung, bewegt, IV sehr durchsichtig, nicht dick aufgetragen – orchestrale Bestleistung, wie von Marriner bekannt, jedoch ein wenig glatt, was nicht unbedingt zu Schumann passt

4-5

Hans Vonk

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

EMI

1992

31‘41

 

I vitale Darstellung, rhythmisch wäre noch mehr möglich gewesen, II mäßiges Tempo, jedoch auch rheinische Lebensfreude (in Köln!), III mit viel Klangsinn, IV gelöstes Musizieren, kantabel, Pizzicati der Geigen und Bratschen zu Beginn zu leise, V schwungvoll – Klangbild nicht immer mit höchster Transparenz, sehr gutes 1. Horn

 

 

4

Riccardo Muti

Wiener Philharmoniker

Philips

1993

34‘11

 

4

Ferdinand Leitner

Berliner Philharmoniker

DGG

1953

32‘26

 

I sorgfältig erarbeitet, natürliches Musizieren, II eher sachlich als spannungsreich, III bewegt, ausgewogen, IV feierlich schreitend, V angemessen, ohne Überschwang, Dynamik im p-Bereich noch nicht ausgeschöpft – für die Zeit der Aufnahme hinreichende Transparenz

4

André Cluytens

Berliner Philharmoniker

EMI       forgotten records

1957

32‘10

 

I ausgelassen, vital, nicht auftrumpfend, II sehr mäßig, Thema etwas fest vorgetragen, III schlank, IV commodo, geradlinig, nicht unbedingt weihevoll, V zurückhaltend

4

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1949

30‘39

 

live, I vorwärtsdrängend, schwungvoll, II fließendes Tempo, mit Hingabe, III bewegt, Tempokontrast zu Satz 2 in umgekehrter Richtung, artikulatorische Feinabstimmung, IV zupackend, jedoch etwas zu viel, V ausladend, teilweise mit breitem Strich

4

Carlo Maria Giulini

Los Angeles Philharmonic Orchestra

DGG

1981

33‘52

 

4

Bernard Haitink

Concertgebouw Orkest Amsterdam

Philips

1981

32‘34

 

I kraftvoll, farbenreich, sich vor Exaltiertheit hütend, 2. Thema anfangs etwas langsamer, II etwas gezogen, kein Funkeln im ersten Trio, zu brav, III Temporelation zu Satz 2 unbefriedigend, hier schneller, trotzdem empfindsam, IV Espressivo, trotzdem geringe Spannung, V markant akzentuiert – Pauken in den Ecksätzen sehr zurückhaltend

4

Klaus Tennstedt

Berliner Philharmoniker

EMI

1978

34‘23

 

I Tennstedt schaut mehr auf die führenden Stimmen, weniger auf das Geflecht innerhalb des Orchesters, 2. Thema langsamer, II Trio I prickelnde Sechzehntel, elastisch, mit Charme, III kantabel, ohne Bögen durchgespielt, IV Pizzicati der Geigen und Bratschen zu Beginn zu leise, dynamische Differenzierung wenig genutzt, V mit Verve, Hörner T. 3/4 fast unhörbar – opulentes Blech, im Tutti geringe Transparenz

4

Bruno Walter

New York Philharmonic Orchestra

CBS   Sony

1941

31‘48

 

I festlich, kraftvoll, 2. Thema anfangs etwas langsamer, II sich Zeit lassend, kein Scherzo, stattdessen lyrisches Spiel, III bewegt, Tempokontrast zu Satz 2 in umgekehrter Richtung, IV Espressivo, V immer das Ende im Blick – etwas mulmiges Klangbild, einige Mängel bei der Artikulation

4

Daniel Barenboim

Staatskapelle Berlin

Teldec

2003

33‘43

 

I entschiedener Zugriff, 2. Thema anfangs etwas langsamer, kein festes Tempo, auftrumpfend (incl. Pauke), II Lust an instrumentaler Zuspitzung, Tutti-Stellen auch aufgebläht und Blech-bewehrt, III sich Zeit lassend, prägnant formuliert, fantasievoll gestaltet, IV darstellerische Konzentration, Espressivo, V kein festes Tempo – treffliche Holzbläser

4

Rolf Kleinert

Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin

Eterna     Pilz

1971

32‘35

 

I insgesamt sorgfältige Darstellung, mit gebremstem Schwung, 2. Thema etwas langsamer, II etwas gezogen, T. 57-71 wie gestelzt, T. 100-104 Fagott und Bratsche zu leise, Temporelation zwischen Satz 2 und 3 nicht werkgerecht, da Satz 3 zu schnell, IV mit Feingefühl, V wie Satz I

4

Georg Solti

Wiener Philharmoniker

Decca

1967

32‘51

 

I mit breitem Pinsel gemalt, etwas aufgeblasen, Schumann Schüler von Wagner?, II Trio 3 T. 63 ff. etwas schwerfällig, IV zu dick aufgetragen – man vermisst bei Solti die Feinzeichnung – sehr gute Transparenz bei Solo-Stellen, wenig bei lauten Tutti-Passagen, Holz wird dort an den Rand gedrückt

4

Christoph Eschenbach

NDR Sinfonie-Orchester Hamburg

RCA

1998/99

32‘50

 

4

Christoph Eschenbach

Bamberger Symphoniker

Virgin

1990/91

34‘48

 

4

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS   Sony

1960

32‘58

 

4

Kurt Masur

Gewandhausorchester Leipzig

Eterna     Eurodisc     RCA

1973

30‘42

 

4

James Levine

Berliner Philharmoniker

DGG

1987

33‘22

 

4

Armin Jordan

Orchestre de la Suisse Romande

Erato

1989

32‘15

 

I musikantischer Stil, 2. Thema etwas langsamer, II wie selbstverständlich, III Holzbläser in den ersten Takten ausdruckslos, ebenso T. 15-17, Pizzicato der Violinen und Bratschen zu Beginn kaum zu hören, mehr an der Oberfläche, V musikantisch – Klangbild in Tutti-Anschnitten etwas mulmig

4

Dimitri Mitropoulos

Minneapolis Symphony Orchestra

RCA     Grammofono

1947

29‘12

 

I zurückhaltendes Tempo, festlich, 2. Thema langsamer, Dirigent unterstreicht den Kontrapunkt, II sehr schnell, auch die Trios, Trio I ohne Feinschliff, III Tempowechsel, immer wieder kleine Rubati, IV ohne Geheimnis, zu laut, V kaum p, burschikos

4

Gennadi Roshdestvensky

Staatliches Sinfonie-Orchester Estland

Melodya     Olympia

1978

34‘02

 

I klar gegliederter Duktus, II mäßig bewegt, III der langsamste Satz, etwas gezogen, IV feierlich schreitend, V warum nicht etwas lockerer?, Hörner T. 3/4 fast unhörbar – oft mehr Mischklang als Stimmentrennung

 

 

   

3-4

Zubin Mehta

Wiener Philharmoniker

Decca

P 1983

33‘34

 

an der Partitur entlang gespielt, wenig Tempokontraste, I 2. Thema anfangs langsamer, II mäßiges Tempo, eher ein langsamer Satz, an Höhepunkten pompös, III langsam, IV noch ein langsamer Satz, sehr getragen, V solide

3-4

Leonard Bernstein

Wiener Philharmoniker

DGG

1984

34‘36

 

live, ▼

3-4

Christian Thielemann

Sächsische Staatskapelle Dreden

Sony

2018

33‘46

 

live, ▼

3-4

Christian Thielemann

Phiharmonia Orchestra London

DGG

1998

35‘18

 

3-4

Otto Klemperer

New Philharmonia Orchestra London

EMI

1969

38‘34

 

eine der letzten Aufnahmen Klemperers, konsequente detailreiche Darstellung, jedoch sehr gezogen

3-4

Franz Konwitschny

Gewandhausorchester Leipzig

Eterna   Fontana   Berlin Classics

1960

32‘48

 

entschiedener Zugriff, jedoch etwas grobkörnig und robust, dynamische Differenzierung nicht ausgeschöpft, II wie durchgespielt, es geht immer weiter, kein Absetzen bei den Trios, III Phrasierung von T. 2 zu T. 3 unterbrochen, routiniert, V moderat, wenig Spannung – Empathie für diese Sinfonie?, offener, wenig gerundeter Klang

3-4

Sergiu Comissiona

Housten Symphony Orchestra

Pro Arte

1987

32‘15

 

I entschieden voran, an der Partitur entlang musiziert, 2. Thema etwas langsamer, II Oberstimmen-betont, III kein Tempo-Kontrast zum vorherigen Satz, IV T. 8 ff. Balance zugunsten der Streicher verschoben – dynamische Gestaltung zu pauschal, wenig p

3-4

James Levine

Philadelphia Orchestra

RCA

P 1978

32‘29

 

3-4

Hans Swarowsky

Wiener Symphoniker

world record club   Odeon   forgotten records

1955

27‘07

 

I Dirigent kommt vermutlich Schumanns Tempovorstellung sehr nahe, klingt aber wie nicht restlos durchgeformt, eher wie durchgespielt, so klingt einiges nur pauschal, II straff musiziert, kein Feinzeichner im Einsatz, III sehr bewegt, wenig Ausdruck, IV behende durch die feierliche Handlung, 1. Horn stößt an seine Grenzen, V wie durchgespielt – bei der dynamischen Differenzierung ist noch viel Luft, Orchester präsentiert sich hier kaum von seiner besten Seite

 

 

   

3

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1971

35‘36

 

I pompös auftrumpfend, dachte Hvk an Bruckner?, wenig Stilgefühl, II Oberstimmen-betontes Musizieren, T. 49 ff zu breit, III Oboe und Fagott anfangs zu leise, Balanceproblem T. 15-17 zwischen Holz und Streichern, IV geheimnislos, V ähnlich Satz 1, stellenweise etwas schwerfällig – an Tutti-Stellen dichter Klang, Beziehung des Dirigenten zu Schumann kaum evident

3

Sergiu Celibidache

Münchner Philharmoniker

EMI

1988

40‘54

 

live, I aufmerksame Darstellung, jedoch gewichtig und schleppend, 2. Thema langsamer, gute Transparenz, II bei gezogenem Tempo total relaxt, III ein richtig langsamer Satz, IV sehr gezogen, V etwas lustlos

3

Michael Tilson Thomas

San Francisco Symphony Orchestra

SFS media

2016

36‘40

 

I kraftvoller Vortrag, jedoch sehr gewichtig und auch schwerfällig, mit klanglicher Wucht, 2. Thema etwas langsamer, II festes Musizieren, Trio 1 ohne Leichtigkeit, kaum pulsierend, Trio 3 stellenweise gestampft, III gezogen, Cello-Solo T 17 ff. offengelegt, IV schwergängig, V Pauke zu sehr integriert, gibt kaum Markierungspunkte – gute Transparenz und Balance, dynamische Differenzierung im p-Bereich kaum top, zu viel mf, MTT auf Klemperers Spuren

3

Dean Dixon

Orchester der Wiener Staatsoper   

Westminster  forgotten records

1954

29‘22

 

Trompeten treten penetrant hervor und stören die Balance, obwohl meist doch nur Füllstimmen, Balance nicht auf höchstem Niveau, Transparenz nicht immer gegeben

 

 

Aufnahmen nach historischer Aufführungspraxis, teilweise mit Instrumenten aus Schumanns Zeit

     

5

John Eliot Gardiner

Orchestre Révolutionnaire et Romantique

DGA

1997

29‘53

 

mit spürbarer Hingabe musiziert, in den Ecksätzen schwungvoll, immer nuancenreich und delikat, ein Klangerlebnis, prächtige Hörner, IV fließend, nicht weihevoll zelebriert - ca. 60 Instrumentalisten

5

Heinz Holliger

WDR Sinfonieorchester Köln

audite

2012

30‘28

 

I sehr sorgfältig nach Partitur, deutliche Stimmführungen, farbiger Klang, in dem auch die Holzbläser ihren Platz haben, II weniger schwungvoll, aber Schumanns Absichten deutlich herausgestellt, III sehr gute klanglich Differenzierung, Atmosphäre, IV feierlich schreitend, Horn und Posaune mehr eingebunden, V sehr bewegt – vom philologischen Standpunkt die beste Aufnahme

5

Paavo Järvi

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

RCA

2009

30‘47

 

feinfühliger Umgang mit dem Notentext, pointiertes Musizieren, dynamischer Reichtum, spannungsvoll, trotz mehr sachlichem Vortragsstil Schumanns romantischer Aufriss überzeugend dargeboten, schlanker Klang, beste Balance und Transparenz

5

Yannik Nézet-Séguin

Chamber Orchestra of Europe

DGG

2012

31‘09

 

live, aufmerksame Umsetzung des Notentextes, die sich in den Ecksätzen in Bezug auf klangliche Entfaltung jedoch zurückhält, in den Mittelsätzen stellenweise wie Kammermusik, Schumanns Dynamik übernommen, I und II immer wenn die Musik etwas ruhiger wird leichte Rubati – klangschöne Aufnahme, sehr gute Balance und Transparenz, ca. 60 Instrumentalisten

5

David Zinman

Tonhalle Orchester Zürich

Arte Nova

2003

29‘50

 

mit mehr Passion als die frühere Telarc-Aufnahme, bessere Dynamik im p-Bereich, wärmerer Klang, abgesehen vom Kopfsatz schnellere Tempi (Verwendung der Neuausgabe von J. Draheim bei Breitkopf & Härtel)

 

 

 

4-5

Thomas Dausgaard

Schwedisches Kammerorchester

BIS

2007

29‘04

 

Schlankes Musizieren, in den Ecksätzen zupackend, immer bewegte Tempi, Blick auf Details, sprechende Artikulation, dynamischer Reichtum, Objektivität geht vor Emotionalität – beste Transparenz und Balance

4-5

Robin Ticciati

Scottish Chamber Orchestra

Linn

2013

32‘27

 

selbstverständliche Perfektion, fast schon wie poliert, jedoch etwas sachlich, sehr helles Klangbild, Klangfarbendifferenzierung bei den Holzbläsern könnte besser sein, I 2. Thema etwas langsamer, insgesamt jedoch ziemlich überzeugend

 

   

 

4

Roy Goodman

The Hanover Band

RCA

1993

28‘42

 

immer bewegte Tempi, I Hörner und Trompeten anfangs zu laut, auch bei späteren Stellen, was die Balance beeinträchtigt, vergleichbare Situation auch im zweiten Satz sowie im Finale, IV etwas unruhig

4

Philippe Herreweghe

Orchestre des Champs Elysées

HMF

2006

31‘21

 

Herreweghe stellt sich hinter die Partitur, Ausgewogenheit der Stimmen, I mehr kontrolliert als emotional aufgeladen, II Trios I und II zu laut, IV eine Feierlichkeit will sich kaum einstellen, zu nüchtern, V gefällt am Besten

4

Roger Norrington

London Classical Players

EMI

1989

29‘37

 

I sorgfältig, korrekt, tempokonstant, II bewegt, III mit 4‘11‘‘ schneller als üblich, etwas distanziert – Orchester bietet weniger Klangfarben an

4

Roger Norrington

SWR Sinfonie-Orchester Stuttgart

SWR music    hänssler

2004

33‘15

 

die live-Aufnahme klingt festlicher und farbiger als die frühere Studioproduktion, Norrington nimmt sich mehr Zeit, trockenes Musizieren

 

 

   

3-4

Nikolaus Harnoncourt

Chamber Orchestra of Europe

Teldec

1993

32‘08

 

I gezogen, Fluss der Musik immer wieder unterbrochen, an lauten Stellen klingt das (Kammer) Orchester aufgebläht, II Klang stellenweise etwas dick, III warum nicht etwas mehr Stringenz?, IV T. 1-12 klebrig, V zu Blech-bewehrt – alles scheint Harnoncourt von gleicher Wichtigkeit

 

   

 

3

Florian Merz

Klassische Philharmonie Düsseldorf

ebs

1991-93

31‘12

 

klingt wie aus den Kindertagen der HIP-Bewegung: Pauke penetrant vorn und stört die Balance, sf-Soll übererfüllt, I 2. Thema langsamer, T. 113-121 etwas kurzatmig, II T. 63-70 gestelzt, III schnell, keinesfalls ein langsamer Satz, IV Pizzicati der Geigen und Bratschen zu Beginn unhörbar

 

 

Aufführungen in der Fassung Gustav Mahlers

 

 

5

Riccardo Chailly

Gewandhausorchester Leipzig

Decca

2007

28‘52

 

Deutliches Musizieren im Sinne von Mahlers Vorstellungen, sehr farbiger Klang, in dem das Blech oft eine gesonderte Stellung einnimmt, immer bewegte Tempi, IV weniger feierlich

 

 

 

4-5

Michael Gielen

SWF Sinfonie-Orchester Baden-Baden

SWR music   hänssler

P 1970

31‘32

 

ausgewogene Darstellung die Mahlers Vorschlägen folgt, man hat nicht den Eindruck einer Vergewaltigung von Schumanns Musik, klanglich weniger farbig

 

 

 

4

René Leibowitz

International Symphony Orchestra

Chesky

1960

32‘03

 

I mit Druck, schwungvoll, II bewegt, III nicht schnell, Blick auf Details (gefällt am besten), IV gehend, schreitend, nicht immer mit der höchsten Transparenz, etwas geglättet, V wie ein Geschwindmarsch, zackig – Orchester spieltechnisch nicht immer auf höchstem Niveau

 

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

 

Carl Schuricht

 

Carl Schuricht scheint eine besondere Affinität zu Schumanns 3. Sinfonie gehabt zu haben, davon künden drei gelungene Aufnahmen, zwei Im Studio entstanden, eine weitere als Mitschnitt aus der Stuttgarter Liederhalle. Die älteste ist eine Decca-Produktion mit dem ihm vertrauten Pariser Conservatoire-Orchester, die mir aufgrund ihres spannungsvollen und schwungvollen Musizierens, teilweise auch mit Überschwang (3. Satz), am besten gefällt. Gegen eine Einordnung ganz oben sprechen einige Ritardandi sowie der etwas breite Strich im dritten Satz. Im vierten Satz stört das Vibrato der Blechbläser und im Finale gehen etliche Details in dem fast wahnsinnigen Schwung unter. Die Aufnahme klingt hell und zeitgemäß transparent.

Die beiden Aufnahmen mit dem SDR-Orchester entstanden im Abstand von wenigen Monaten, live im Konzert und danach im Studio. Die beiden Interpretationen ähneln sich, trotz nicht immer kongruenter Tempi. Schuricht gelingt es auch hier, sich in Schumanns  Stimmungen gut hineinzuversetzen und die Partitur entsprechend umzusetzen. Der Klang des live-Mitschnitts ist weniger präsent und mit üblichen Unsauberkeiten versehen, so im 3. Satz mit einer zu früh einsetzenden zweiten Flöte (T. 14 auf 3). In der Studio-Aufnahme wird etwas genauer und ausgefeilter musiziert.

 

 Leonard Bernstein

 

Die einst so gelobte Aufnahme mit den New Yorker Philharmonikern muss im Vergleich zu vielen anderen zeitgenössischen – aber kaum bekannten – sowie den späteren Neuaufnahmen doch einige Federn lassen. Man gewinnt den Eindruck einer gewissen Nachlässigkeit: Der erste Satz wird stürmisch drängend angegangen, aber immer wieder, nicht nur beim 2. Thema, wird das Tempo zurückgenommen. Der Piano-Bereich wird zu pauschal abgehandelt. Im zweiten Satz klingen die vielen Triolen in Trio 2 wie überspielt, da mangelt es an der Balance. Im dritten Satz baut der Dirigent einige nicht vorgesehene Ritardandi (Mahler?) ein. Der vierte Satz klingt wie zelebriert, leidet m. E. jedoch unter einem zu breiten Klangbild. Die Pizzicati der Bässe zu Beginn klingen zu plump. Gleichzeitig sind die Pizzicati der Geigen und Bratschen nahezu unhörbar. Im Finale will Bernstein Fröhlichkeit suggerieren, bleibt aber zu sehr an der Oberfläche.

Die Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern klingt zwar gepflegter und geschlossener, bietet jedoch in den Mittelsätzen langsamere Tempi und weniger Spannung an. Für den vierten Satz nimmt er sich viel Zeit, die Musik wird zelebriert.

 

 Carlo Maria Giulini

 

Giulini nahm nur Schumanns „Rheinische“ in sein Repertoire auf, zweimal hat er sie Im Studio eingespielt, zuerst 1958 in London mit dem Philharmonia Orchester. Im Booklet ist zu lesen, dass die Mahler-Ausgabe zugrunde läge. Was aber nur soweit zutrifft, dass sich Giulini einige Vorschläge zu eigen macht, andere wieder nicht. Derselbe Autor behauptet ebenfalls, dass der Dirigent bei der Neuaufnahme mit dem Los Angeles Symphony Orchestra ganz auf Mahlers Vorschläge verzichtet, was durch den Höreindruck nicht bestätigt werden kann. Zurück zum POL: Die Musik wird akribisch ausformuliert, mit deklamatorischer Brillanz, aber auch gewichtig. Das 2. Thema des Kopfsatzes nimmt Giulini langsamer. Im sogenannten Scherzo lässt er das Hauptthema kräftig aufspielen, den Trios verordnet er einen lyrischen und feinfühligen Anstrich. Stimmlich ausgewogen begegnet uns der dritte Satz. Im vierten bringt der Dirigent Licht in die unterschiedlichen Stimmführungen, die Musik bewegt sich feierlich schreitend. Bei den Pizzicati der Geigen und Bratschen bleibt Giulini zwischen Schumann (p) und Mahler (f), auch in der späteren Aufnahme. Kraftvoll musiziert beschließt das Finale diese Sinfonie.

Auch wenn der Zeitunterschied zwischen den beiden Aufnahmen nur etwa eineinhalb Minuten ist, gibt sich die spätere DGG-Aufnahme doch schwerfälliger. Die Musik zieht sich jetzt zu sehr. Das von Schumann erwartete „lebhaft“ fehlt einfach.

 

 Kurt Masur

 

Masur hat Schumanns vier Sinfonien zweimal eingespielt, in DDR-Zeiten mit dem Leipziger Gewandhausorchester und nach der Wende mit dem London Philharmonic Orchestra. Im Falle der „Rheinischen-Sinfonie“ verleiht er den schnellen Sätzen eine temperamentvolle Darbietung, die Streicher dürfen mit breitem Pinsel ihre Passagen malen, das bedeutet aber auch eine herabgesetzte Transparenz bei lauten Partien. Bei der dynamischen Differenzierung wäre mehr drin gewesen, so klingt es etwas oberflächlich brillant. Am besten gefällt hier der zweite Satz mit seiner ausgesprochenen Musizierlaune.

Die Aufnahme mit dem Londoner Orchester ist, abgesehen vom Finalsatz, ein wenig langsamer, stattdessen jedoch bei größerer Partiturnähe mehr geformt. Im dritten Satz zieht eine sprechende Artikulation eine höhere Spannung nach sich. Auch mit der Dynamik geht Masur insgesamt werkgerechter um. Zuletzt bleibt noch auf den besseren Klang hinzuweisen.

 

 Riccardo Muti

 

Eine erfreuliche Aufnahme der „Rheinischen“ steuert Muti mit dem Philharmonia Orchester bei, entstanden am Ende der 1970er Jahre, als der damals neue Shooting-Star dieses Orchester als Nachfolger von Otto Klemperer leitete und bei EMI unter Vertrag stand. Immer dicht an der Partitur bleibend zeigt er, dass Schumanns angeblich ungeschickte und dicke Instrumentation kein Hinternis sein muss, wenn man das Orchester in der Hand hat und dabei die Notenvorlage mit wachem Sinn umsetzt. Ausdrucksstarkes und klares Musizieren, ein wacher Sinn für die Proportionen sowie eine ausgewogene Dynamik sind weitere Pluspunkte dieser Platte, die damals in Quadrotechnik produziert wurde. Dabei gelingen im 4. Satz geheimnisvolle Takte (100-104). Eröffnungssatz und Finale präsentieren sich meist in strahlendem Klang, dabei bleibt die Musik in letzterem immer locker. Beim Scherzo jedoch, hält sich Muti an Schumanns Vortragsbezeichnung „sehr mäßig“, was eigentlich nicht zu diesem „schnellen“ Satz passt.

Etwa 15 Jahre später erfolgt eine Neuaufnahme mit den Wiener Philharmonikern beim Philips-Label. Die beschriebenen Vorzüge der POL-Aufnahme sind auch hier zu finden, die Tempi entsprechen in etwa der Vorgängeraufnahme, bis auf den Kopfsatz, der eine Minute schneller gespielt wird. Leider produzieren die Philips-Techniker nur ein mulmiges Klangbild, es ist weniger klar und das Orchester ist nach hinten gerückt. So bleibt die EMI-Aufnahme erste Wahl.

   

Christoph Eschenbach  

 

Innerhalb von acht Jahren hat Eschenbach Schumanns Sinfonien zweimal aufgenommen, mit den Bamberger Symphonikern und dem NDR Sinfonie-Orchester. Mit den Bambergern hört man sorgfältig einstudierte Interpretationen, die gewichtig und etwas fest musiziert werden. Die Lautstärke im p-Bereich ist etwas großzügig ausgelegt. Zwischen den lebhaften Ecksätzen siedelt Eschenbach drei langsame Sätze an, wovon mir der dritte aufgrund des nuancenreichen Musizierens am besten zusagt. In der jüngeren NDR-Einspielung, die eine ähnliche Musizierhaltung pflegt, wird bis auf den vierten Satz jeweils etwas schneller musiziert, das wirkt sich auch auf eine nun lockere Spielweise aus. Auch das Klangbild ist farbiger als zuvor.

 

James Levine

 

Bei sehr vielen Kompositionen, die Levine auf Tonträger aufgenommenen hat, liegen zwei Interpretationen vor, so auch von den vier Schumann-Sinfonien. Die erste Aufnahme entstand mit dem Philadelphia Orchester für RCA, die zweite in Berlin für die DGG. Bei ersterer hat man den Eindruck einer gewissen Glätte, der Dirigent stellt die große Linie heraus und achtet weniger auf Details und eine gute Feinabstimmung. So bleibt das Geheimnisvolle der pp-Takte im zweiten Satz T. 100-104 unentdeckt. Insgesamt wird die Lautstärke im p-Bereich etwas großzügig ausgelegt. Der Höhepunkt dieser Einspielung ist der vierte Satz, der mit Feingefühl vorgetragen wird. Bei etwa demselben Musizieransatz gefällt die DGG-CD aufgrund des tieferen Eindringens in die Partitur besser. Levine lenkt das Hörer-Ohr auf mehr Details des kompositorischen Prozesses. Leider lässt er mit etwas breitem Pinsel musizieren.

   

Christian Thielemann

 

Zwei Aufnahmen der „Rheinischen Sinfonie“ sind mit Thielemann greifbar. Die erste wurde mit dem Londoner Philharmonia Orchester aufgezeichnet. Sie kann mich vor allem aufgrund der eigenwilligen Tempowahl kaum überzeugen, in den Ecksätzen drosselt Thielemann beim 2. Thema deutlich das Tempo, die Sätze III und IV klingen mir zu gezogen, phlegmatisch. Im Finale kommt die Musik einfach nicht in Fahrt. Auch die klangliche Seite der Aufnahme mit ihrem etwas topfigen Klang, aufgeplustert bei Tutti-Abschnitten und stumpfen Tutti-Akkorden, kann nicht überzeugen. Eine Empathie für Schumanns Musik vermisse ich hier.

Die zweite Aufnahme wurde 20 Jahre später mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden bei einer Japantournee mitgeschnitten. Die Einwände bezüglich Tempi und Agogik gelten auch hier, auch wenn sie weniger extrem ausfallen. Thielemann scheint immer um Einzelabschnitte bemüht zu sein, weniger um den Zusammenhang. Ihm scheint das rheinische Lebensgefühl, das der Komponist hier ausdrücken möchte, fremd zu sein. Die klangliche Seite sieht jedoch besser aus, mit einer sehr guten Transparenz, deutlich kann man das Solo der Celli im dritten Satz T. 17 ff. vernehmen.

 Einige Freunde des Klassik-Prismas haben erneut Aufnahmen für diese Übersicht zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank!

   

eingestellt am 03.10.20

Schumann   home