Das Klassik-Prisma |
|
Bernd
Stremmel |
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Robert
Schumann
3.
Sinfonie Es-Dur op. 97 „Rheinische-Sinfonie“
Die ursprüngliche
Satzüberschrift zum vierten Satz lautete: „Im
Charakter der Begleitung einer feierlichen Zeremonie“ [im Kölner Dom?]. Ein
Hinweis zu einem konkreten Anlass fehlt jedoch. Die Tonart es-Moll lässt eher an eine traurige oder beklemmende Begebenheit
denken. Schumann äußerte sich zum Inhalt der übrigen Sätze folgendermaßen: „es mußten volksthümliche Elemente vorwalten.“ Die Grundstimmung
des Werkes sollten rheinischer Frohsinn und rheinisches Lebensgefühl
ausdrücken, vielleicht auch als Kontrast zur vorangegangenen 2. Sinfonie in
C-Dur.
Satz 1, T. 37/38 und
41/42: Schuricht lässt die Holzbläser weg, umgekehrt
fehlen bei Karajan, Jordan, Roshdestvensky, Kubelik,
Mehta, Muti, Zinman, Inbal,
Caetani und Zinman die 1.
Geigen und Bratschen.
Satz 2, Mahler sieht
vor, dass die Takte 1-4 mp gespielt
werden, die Takte 5-8 dann ff. Diese Lesart wird jedoch kaum
übernommen, jedoch in den Takten 9-12 und später T. 87-90, hier fallen außer
bei Monteux die ersten Geigen – Verdopplung von Flöten und Oboen – weg. Eine
ähnliche Stelle ist der zweite Teil von Trio 1 T.25-28, hier verzichten viele
Dirigenten auf Flöte und Fagott und lassen nur die Streicher spielen.
Satz 5, Mahler möchte
das Hauptthema allein von den Streichern gespielt wissen, abgesehen von den
Oktav-Einwürfen der Hörner, in den Interpretationen von Giulini,
Tennstedt, Caetani und
Mehta hört man es auch so. Bei den restlichen Aufnahmen spielen die Bläser von
Beginn an, wie von Schumann vorgesehen.
Dynamische wie
agogische Änderungen konnten ohne einen Blick in Mahlers Partitur nicht
berücksichtigt werden. In den Einspielungen der letzten 20-30 Jahren scheinen
die Änderungen von Mahler und Szell für die Dirigenten keine Rolle mehr zu
spielen.
Riccardo Chailly hat
alle vier Sinfonien in Mahlers Fassung mit dem Gewandhausorchester Leipzig
eingespielt. Er war jedoch nicht der erste, bereits Ende der 1980er Jahre
brachte Aldo Ceccato die Mahler-Fassung
mit dem Bergen Philharmonic Orchester für das
schwedische Label BIS heraus. Sie wurde in den Klassik-Medien diskutiert,
geriet aber bald in Vergessenheit. Ich kenne sie nicht.
5 |
Christoph von Dohnanyi |
Cleveland Orchestra |
Decca |
1987 |
31‘14 |
|
Dohnanyi gelingt
es, durch kluge dynamische Disposition Schumanns Klangbild aufzuhellen,
Musizieren mit viel Inspiration, ausdrucksstark, gutes Tempogefühl, sehr gute
Präsenz, insgesamt hervorragender Klang, I kraftvoll nach vorn, Trompete T.
303-306 zusätzlich zum Holz |
||||
5 |
Paul Paray |
Detroit Symphony Orchestra |
Mercury |
1956 |
31‘14 |
|
I detailbewusstes sowie
schlankes Musizieren, II T. 113/114 weniger deutlich, III bewegt, IV dichtes
Musizieren mit viel Spannung, V ausgeglichener Klang zwischen Holz- und
Blechbläsern, schwungvoll – etwas stumpfer Mono-Klang, stellenweise bassbetont |
||||
5 |
Carl Schuricht |
Sinfonie-Orchester
des SDR Stuttgart |
Concert Hall Scribendum |
1960 |
29‘13 |
|
▼ |
||||
5 |
Carl Schuricht |
Sinfonie-Orchester
des SDR Stuttgart |
hänssler |
1960 |
29‘39 |
|
live, ▼ |
||||
5 |
Günter Wand |
NDR Sinfonie-Orchester
Hamburg |
RCA |
1991 |
31‘03 |
|
Wand beweist, dass
Schumanns Partitur durch geschickte Disposition überzeugend realisiert werden
kann, Stimmführungen immer offengelegt, Blick auch auf Details, durchweg bewegte
Tempi; sehr gute Transparenz, besonders bei den Holzbläsern |
||||
5 |
George Szell |
Cleveland Orchestra |
CBS Sony |
1960 |
36‘20 |
|
trotz straffen
Musizierens atmet Szell mit der Musik, sehr rhythmisch und klar, sehr gute Balance,
IV Posaunen in den Gesamtklang eingebunden, weniger herausgestellt, weniger
Weihe – Pauke etwas stumpf |
||||
5 |
Wolfgang Sawallisch |
Staatskapelle
Dresden |
Eterna EMI
Warner |
1972 |
33‘49 |
|
I Musik sensibel nachgezeichnet,
schlankes Musizieren mit Überschwang, ausgewogen, II con anima, III stimmungsvoll, überzeugende
Phrasierungen, IV nur ein Betrachter, kein Teilnehmer der feierlichen
Handlung, V wie I – helles, offenes Klangbild |
||||
5 |
Simon Rattle |
Berliner
Philharmoniker |
BPh Media |
2013 |
30‘30 |
|
sensibler Umgang
mit der Partitur, ausgefeiltes Musizieren, sprechende Artikulationen, I
ausdrucksstark, dynamischer Reichtum, II Rattle atmet mit der Musik,
vielschichtig, III con spirito, IV
ausdrucksstark |
||||
|
|||||
4-5 |
Carl Schuricht |
Conservatoire Orchester Paris |
Decca |
1953 |
29‘05 |
|
▼ |
||||
4-5 |
Pierre Monteux |
Boston Symphony Orchestra |
WHRA |
1955 |
31‘01 |
|
live, I mit viel Schwung,
ausdrucksstark, Sog-Wirkung, Oboe dominiert den Holzbläserklang, II ohne
Wiederholungen in den Trios, musikantischer Überschwang zum Finale hin, III
delikat, IV Sogwirkung, spannungsvolle Abschnitte, V mit Hingabe – im
Dynamik-Bereich wäre noch Luft nach oben |
||||
4-5 |
Paul Kletzki |
Israel Philharmonic Orchestra |
EMI Doremi |
1956 |
31‘33 |
|
I Nerv der Musik
gut getroffen, Musik nicht immer restlos deutlich ausformuliert, Trompete T. 303-306
zusätzlich zum Holz, II Atmosphäre, sehr mäßig, wenige kleine Retuschen –
Transparenz nocht nicht immer perfekt, dynamische
Differenzierung wünschte man sich noch intensiver, Orchester spieltechnisch
nicht auf der Höhe der großen mitteleuropäischen und amerikanischen
Konkurrenten |
||||
4-5 |
Adrian Boult |
London Philharmonic Orchestra |
Pye |
P
1957 |
28‘37 |
|
I stürmisch voran,
fast atemlos, wie durchgezogen, Allegro molto, mit 7’22‘‘ schnellste mir bekannte Aufnahme
dieses Satzes, II sehr lebendig, kraftvoll, III artikulatorische
Feinabstimmung, Atmosphäre, für Boult ist es der
langsame Satz, IV kaum weihevoll, V sehr bewegt, mit viel Schwung und
Lebensfreude – kompakter Tutti-Klang |
||||
4-5 |
Carlo Maria Giulini |
Philharmonia Orchestra London |
EMI |
1958 |
32‘13 |
|
▼ |
||||
4-5 |
Stanislaw Skrowaczewski |
Deutsche
Radio-Philharmonie Saarbrücken |
Oehms |
2007 |
32‘48 |
|
I trotz eines etwas
zurückhaltenden Tempos doch lebendig, einige wenige leichte Ritardandi, II zurückhaltend, ohne Überschwang, III
deutlich, IV langsam, feierlich, V sehr bewegt, jedoch etwas objektiv, Pauken
greifen kaum ein |
||||
4-5 |
Oleg Caetani |
Robert Schumann Philharmonie
Chemnitz |
Calig |
1997 |
30‘52 |
|
I straffes
Musizieren, festes Tempo, immer das Ganze im Blick, II spontanes
Musiziergefühl, facettenreich, III stimmungsvoll, deutliches Solo der Celli
T. 17 ff., IV einfühlsam disponiert – gute Transparenz und Balance, beim Klang wäre noch etwas Luft nach oben
gewesen |
||||
4-5 |
Riccardo Muti |
Philharmonia Orchestra London |
EMI |
P
1979 |
35‘15 |
|
▼ |
||||
4-5 |
Eliahu Inbal |
New Philharmonia Orchestra London |
Philips |
1971 |
34‘54 |
|
I mit Verve,
klangliche Wucht, Sogwirkung, II prägnant formuliert, ansteckende
Spielfreude, sehr gute Transparenz, III mit Feingefühl, Solo der Celli T. 17
ff., sehr leise Pizzicati der Geigen und Bratschen
in den Anfangstakten, langsam schreitend, V vital |
||||
4-5 |
David Zinman |
Baltimore Symphony Orchestra |
Telarc |
1989 |
31‘58 |
|
I straffes Musizieren, ausgewogen, sachlicher Tonfall, klare Artikulation, sehr gute Transparenz und Balance, II mäßiges Tempo, V vital – p-Bereich oft mf gespielt |
||||
4-5 |
Guiseppe Sinopoli |
Sächsische
Staatskapelle Dresden |
DGG |
1992 |
33‘12 |
|
I kraftvoll,
festlich, aber auch wie zelebriert, II mit Blech opulenter Klang, Trio II mit
viel Espressivo, III beschaulich, unprätentiös, IV
schreitend, klangvoller Espressivostil, V T. 57 ff.
zu laut, im weiteren Verlauf etwas al fresco |
||||
4-5 |
Kurt Masur |
London Philharmonic Orchestra |
Teldec |
1990 |
31‘38 |
|
▼ |
||||
4-5 |
Rafael Kubelik |
Berliner
Philharmoniker |
DGG |
1964 |
33‘03 |
|
I von positiven
Gefühlen getragene Darstellung, ausgewogen, 2. Thema anfangs etwas langsamer,
II breite Ausdrucksskala, III inspiriert, IV stimmungsvoll, Pizzicato der Violinen
und Bratschen zu Beginn geht unter, V zielstrebig voran, Oktavsprünge der
Hörner T. 3/4 und T. 11/12 nicht zu hören, 2. Thema etwas langsamer – mäßige
Tempi, rundes Klangbild |
||||
4-5 |
Rafael Kubelik |
Symphonie-Orchester
des Bayerischen Rundfunks |
CBS Sony |
1979 |
34‘37 |
|
abgesehen vom noch
langsamerem Tempi in den Sätzen 1-4 erkennt man kaum einen Unterschied zur
früheren Aufnahmen, Satz 3 deutlich langsamer, Hörner in Satz 5 jetzt präsent
– der Klang der 15 Jahre jüngeren Aufnahme bringt aber kein Plus |
||||
4-5 |
Neville Marriner |
Academy of St. Martin-in-the-Fields |
hänssler |
1998 |
31‘11 |
|
I festlich, mit Verve;
schlanke, präzise Tongebung; dynamischer Reichtum, II immer sehr beweglich
und locker, III pointierte Darstellung, bewegt, IV sehr durchsichtig, nicht
dick aufgetragen – orchestrale Bestleistung, wie von Marriner bekannt, jedoch
ein wenig glatt, was nicht unbedingt zu Schumann passt |
||||
4-5 |
Hans Vonk |
Kölner
Rundfunk-Sinfonie-Orchester |
EMI |
1992 |
31‘41 |
|
I vitale
Darstellung, rhythmisch wäre noch mehr möglich gewesen, II mäßiges Tempo,
jedoch auch rheinische Lebensfreude (in Köln!), III mit viel Klangsinn, IV
gelöstes Musizieren, kantabel, Pizzicati der Geigen
und Bratschen zu Beginn zu leise, V schwungvoll – Klangbild nicht immer mit
höchster Transparenz, sehr gutes 1. Horn |
||||
|
|||||
4 |
Riccardo Muti |
Wiener
Philharmoniker |
Philips |
1993 |
34‘11 |
|
▼ |
||||
4 |
Ferdinand Leitner |
Berliner
Philharmoniker |
DGG |
1953 |
32‘26 |
|
I sorgfältig erarbeitet,
natürliches Musizieren, II eher sachlich als spannungsreich, III bewegt,
ausgewogen, IV feierlich schreitend, V angemessen, ohne Überschwang, Dynamik
im p-Bereich noch nicht
ausgeschöpft – für die Zeit der Aufnahme hinreichende Transparenz |
||||
4 |
André Cluytens |
Berliner
Philharmoniker |
EMI forgotten records |
1957 |
32‘10 |
|
I ausgelassen,
vital, nicht auftrumpfend, II sehr mäßig, Thema etwas fest vorgetragen, III schlank,
IV commodo, geradlinig, nicht unbedingt weihevoll, V zurückhaltend |
||||
4 |
Arturo Toscanini |
NBC Symphony Orchestra |
RCA |
1949 |
30‘39 |
|
live, I
vorwärtsdrängend, schwungvoll, II fließendes Tempo, mit Hingabe, III bewegt, Tempokontrast
zu Satz 2 in umgekehrter Richtung, artikulatorische Feinabstimmung, IV
zupackend, jedoch etwas zu viel, V ausladend, teilweise mit breitem Strich |
||||
4 |
Carlo Maria Giulini |
Los Angeles Philharmonic Orchestra |
DGG |
1981 |
33‘52 |
|
▼ |
||||
4 |
Bernard Haitink |
Concertgebouw Orkest Amsterdam |
Philips |
1981 |
32‘34 |
|
I kraftvoll,
farbenreich, sich vor Exaltiertheit hütend, 2. Thema anfangs etwas langsamer,
II etwas gezogen, kein Funkeln im ersten Trio, zu brav, III Temporelation zu
Satz 2 unbefriedigend, hier schneller, trotzdem empfindsam, IV Espressivo, trotzdem geringe Spannung, V markant
akzentuiert – Pauken in den Ecksätzen sehr zurückhaltend |
||||
4 |
Klaus Tennstedt |
Berliner
Philharmoniker |
EMI |
1978 |
34‘23 |
|
I Tennstedt schaut mehr auf die führenden Stimmen, weniger
auf das Geflecht innerhalb des Orchesters, 2. Thema langsamer, II Trio I prickelnde
Sechzehntel, elastisch, mit Charme, III kantabel, ohne Bögen durchgespielt,
IV Pizzicati der Geigen und Bratschen zu Beginn zu
leise, dynamische Differenzierung wenig genutzt, V mit Verve, Hörner T. 3/4
fast unhörbar – opulentes Blech, im Tutti geringe Transparenz |
||||
4 |
Bruno Walter |
New York Philharmonic Orchestra |
CBS Sony |
1941 |
31‘48 |
|
I festlich,
kraftvoll, 2. Thema anfangs etwas langsamer, II sich Zeit lassend, kein Scherzo,
stattdessen lyrisches Spiel, III bewegt, Tempokontrast zu Satz 2 in
umgekehrter Richtung, IV Espressivo, V immer das
Ende im Blick – etwas mulmiges Klangbild, einige Mängel bei der Artikulation |
||||
4 |
Daniel Barenboim |
Staatskapelle Berlin |
Teldec |
2003 |
33‘43 |
|
I entschiedener
Zugriff, 2. Thema anfangs etwas langsamer, kein festes Tempo, auftrumpfend
(incl. Pauke), II Lust an instrumentaler Zuspitzung, Tutti-Stellen auch aufgebläht
und Blech-bewehrt, III sich Zeit lassend, prägnant formuliert, fantasievoll
gestaltet, IV darstellerische Konzentration, Espressivo,
V kein festes Tempo – treffliche Holzbläser |
||||
4 |
Rolf Kleinert |
Rundfunk-Sinfonie-Orchester
Berlin |
Eterna Pilz |
1971 |
32‘35 |
|
I insgesamt
sorgfältige Darstellung, mit gebremstem Schwung, 2. Thema etwas langsamer, II
etwas gezogen, T. 57-71 wie gestelzt, T. 100-104 Fagott und Bratsche zu leise,
Temporelation zwischen Satz 2 und 3 nicht werkgerecht, da Satz 3 zu schnell,
IV mit Feingefühl, V wie Satz I |
||||
4 |
Georg Solti |
Wiener
Philharmoniker |
Decca |
1967 |
32‘51 |
|
I mit breitem Pinsel
gemalt, etwas aufgeblasen, Schumann Schüler von Wagner?, II Trio 3 T. 63 ff.
etwas schwerfällig, IV zu dick aufgetragen – man vermisst bei Solti die
Feinzeichnung – sehr gute Transparenz bei Solo-Stellen, wenig bei lauten
Tutti-Passagen, Holz wird dort an den Rand gedrückt |
||||
4 |
Christoph Eschenbach |
NDR
Sinfonie-Orchester Hamburg |
RCA |
1998/99 |
32‘50 |
|
▼ |
||||
4 |
Christoph Eschenbach |
Bamberger
Symphoniker |
Virgin |
1990/91 |
34‘48 |
|
▼ |
||||
4 |
Leonard Bernstein |
New York Philharmonic Orchestra |
CBS Sony |
1960 |
32‘58 |
|
▼ |
||||
4 |
Kurt Masur |
Gewandhausorchester
Leipzig |
Eterna Eurodisc RCA |
1973 |
30‘42 |
|
▼ |
||||
4 |
James Levine |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
1987 |
33‘22 |
|
▼ |
||||
4 |
Armin Jordan |
Orchestre de la Suisse Romande |
Erato |
1989 |
32‘15 |
|
I musikantischer
Stil, 2. Thema etwas langsamer, II wie selbstverständlich, III Holzbläser in
den ersten Takten ausdruckslos, ebenso T. 15-17, Pizzicato der Violinen und
Bratschen zu Beginn kaum zu hören, mehr an der Oberfläche, V musikantisch –
Klangbild in Tutti-Anschnitten etwas mulmig |
||||
4 |
Dimitri Mitropoulos |
Minneapolis Symphony Orchestra |
RCA Grammofono |
1947 |
29‘12 |
|
I zurückhaltendes
Tempo, festlich, 2. Thema langsamer, Dirigent unterstreicht den Kontrapunkt,
II sehr schnell, auch die Trios, Trio I ohne Feinschliff, III Tempowechsel,
immer wieder kleine Rubati, IV ohne Geheimnis, zu
laut, V kaum p, burschikos |
||||
4 |
Gennadi Roshdestvensky |
Staatliches
Sinfonie-Orchester Estland |
Melodya Olympia |
1978 |
34‘02 |
|
I klar gegliederter
Duktus, II mäßig bewegt, III der langsamste Satz, etwas gezogen, IV feierlich
schreitend, V warum nicht etwas lockerer?, Hörner T. 3/4 fast unhörbar – oft
mehr Mischklang als Stimmentrennung |
||||
|
|||||
3-4 |
Zubin Mehta |
Wiener
Philharmoniker |
Decca |
P
1983 |
33‘34 |
|
an der Partitur
entlang gespielt, wenig Tempokontraste, I 2. Thema anfangs langsamer, II
mäßiges Tempo, eher ein langsamer Satz, an Höhepunkten pompös, III langsam,
IV noch ein langsamer Satz, sehr getragen, V solide |
||||
3-4 |
Leonard Bernstein |
Wiener
Philharmoniker |
DGG |
1984 |
34‘36 |
|
live, ▼ |
||||
3-4 |
Christian Thielemann |
Sächsische
Staatskapelle Dreden |
Sony |
2018 |
33‘46 |
|
live, ▼ |
||||
3-4 |
Christian Thielemann |
Phiharmonia Orchestra London |
DGG |
1998 |
35‘18 |
|
▼ |
||||
3-4 |
Otto Klemperer |
New Philharmonia Orchestra London |
EMI |
1969 |
38‘34 |
|
eine der letzten
Aufnahmen Klemperers, konsequente detailreiche Darstellung, jedoch sehr
gezogen |
||||
3-4 |
Franz Konwitschny |
Gewandhausorchester
Leipzig |
Eterna Fontana
Berlin Classics |
1960 |
32‘48 |
|
entschiedener Zugriff,
jedoch etwas grobkörnig und robust, dynamische Differenzierung nicht
ausgeschöpft, II wie durchgespielt, es geht immer weiter, kein Absetzen bei
den Trios, III Phrasierung von T. 2 zu T. 3 unterbrochen, routiniert, V
moderat, wenig Spannung – Empathie für diese Sinfonie?, offener, wenig
gerundeter Klang |
||||
3-4 |
Sergiu Comissiona |
Housten Symphony Orchestra |
Pro Arte |
1987 |
32‘15 |
|
I entschieden voran,
an der Partitur entlang musiziert, 2. Thema etwas langsamer, II
Oberstimmen-betont, III kein Tempo-Kontrast zum vorherigen Satz, IV T. 8 ff.
Balance zugunsten der Streicher verschoben – dynamische Gestaltung zu
pauschal, wenig p |
||||
3-4 |
James Levine |
Philadelphia
Orchestra |
RCA |
P
1978 |
32‘29 |
|
▼ |
||||
3-4 |
Hans Swarowsky |
Wiener Symphoniker |
world record club Odeon forgotten records |
1955 |
27‘07 |
|
I Dirigent kommt vermutlich
Schumanns Tempovorstellung sehr nahe, klingt aber wie nicht restlos
durchgeformt, eher wie durchgespielt, so klingt einiges nur pauschal, II
straff musiziert, kein Feinzeichner im Einsatz, III sehr bewegt, wenig
Ausdruck, IV behende durch die feierliche Handlung,
1. Horn stößt an seine Grenzen, V wie durchgespielt – bei der dynamischen
Differenzierung ist noch viel Luft, Orchester präsentiert sich hier kaum von
seiner besten Seite |
||||
|
|||||
3 |
Herbert von Karajan |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
1971 |
35‘36 |
|
I pompös
auftrumpfend, dachte Hvk an Bruckner?, wenig
Stilgefühl, II Oberstimmen-betontes Musizieren, T. 49 ff zu breit, III Oboe
und Fagott anfangs zu leise, Balanceproblem T. 15-17 zwischen Holz und Streichern,
IV geheimnislos, V ähnlich Satz 1, stellenweise etwas schwerfällig – an
Tutti-Stellen dichter Klang, Beziehung des Dirigenten zu Schumann kaum evident |
||||
3 |
Sergiu Celibidache |
Münchner
Philharmoniker |
EMI |
1988 |
40‘54 |
|
live, I aufmerksame
Darstellung, jedoch gewichtig und schleppend, 2. Thema langsamer, gute
Transparenz, II bei gezogenem Tempo total relaxt, III ein richtig langsamer
Satz, IV sehr gezogen, V etwas lustlos |
||||
3 |
Michael Tilson Thomas |
San Francisco Symphony Orchestra |
SFS media |
2016 |
36‘40 |
|
I kraftvoller
Vortrag, jedoch sehr gewichtig und auch schwerfällig, mit klanglicher Wucht,
2. Thema etwas langsamer, II festes Musizieren, Trio 1 ohne Leichtigkeit,
kaum pulsierend, Trio 3 stellenweise gestampft, III gezogen, Cello-Solo T 17
ff. offengelegt, IV schwergängig, V Pauke zu sehr integriert, gibt kaum
Markierungspunkte – gute Transparenz und Balance, dynamische Differenzierung
im p-Bereich kaum top, zu viel mf, MTT auf Klemperers Spuren |
||||
3 |
Dean Dixon |
Orchester der
Wiener Staatsoper |
Westminster forgotten records |
1954 |
29‘22 |
|
Trompeten treten
penetrant hervor und stören die Balance, obwohl meist doch nur Füllstimmen, Balance
nicht auf höchstem Niveau, Transparenz nicht immer gegeben |
||||
Aufnahmen nach historischer
Aufführungspraxis, teilweise mit Instrumenten aus Schumanns Zeit |
|||||
5 |
John Eliot Gardiner |
Orchestre Révolutionnaire et Romantique |
DGA |
1997 |
29‘53 |
|
mit spürbarer
Hingabe musiziert, in den Ecksätzen schwungvoll, immer nuancenreich und
delikat, ein Klangerlebnis, prächtige Hörner, IV fließend, nicht weihevoll
zelebriert - ca. 60 Instrumentalisten |
||||
5 |
Heinz Holliger |
WDR
Sinfonieorchester Köln |
audite |
2012 |
30‘28 |
|
I sehr sorgfältig
nach Partitur, deutliche Stimmführungen, farbiger Klang, in dem auch die
Holzbläser ihren Platz haben, II weniger schwungvoll, aber Schumanns
Absichten deutlich herausgestellt, III sehr gute klanglich Differenzierung,
Atmosphäre, IV feierlich schreitend, Horn und Posaune mehr eingebunden, V
sehr bewegt – vom philologischen Standpunkt die beste Aufnahme |
||||
5 |
Paavo Järvi |
Deutsche
Kammerphilharmonie Bremen |
RCA |
2009 |
30‘47 |
|
feinfühliger Umgang
mit dem Notentext, pointiertes Musizieren, dynamischer Reichtum,
spannungsvoll, trotz mehr sachlichem Vortragsstil Schumanns romantischer
Aufriss überzeugend dargeboten, schlanker Klang, beste Balance und Transparenz |
||||
5 |
Yannik Nézet-Séguin |
Chamber Orchestra of Europe |
DGG |
2012 |
31‘09 |
|
live, aufmerksame
Umsetzung des Notentextes, die sich in den Ecksätzen in Bezug auf klangliche
Entfaltung jedoch zurückhält, in den Mittelsätzen stellenweise wie
Kammermusik, Schumanns Dynamik übernommen, I und II immer wenn die Musik
etwas ruhiger wird leichte Rubati – klangschöne Aufnahme,
sehr gute Balance und Transparenz, ca. 60 Instrumentalisten |
||||
5 |
David Zinman |
Tonhalle Orchester
Zürich |
Arte Nova |
2003 |
29‘50 |
|
mit mehr Passion
als die frühere Telarc-Aufnahme, bessere Dynamik im
p-Bereich, wärmerer Klang,
abgesehen vom Kopfsatz schnellere Tempi (Verwendung der Neuausgabe von J.
Draheim bei Breitkopf & Härtel) |
||||
|
|||||
4-5 |
Thomas Dausgaard |
Schwedisches
Kammerorchester |
BIS |
2007 |
29‘04 |
|
Schlankes
Musizieren, in den Ecksätzen zupackend, immer bewegte Tempi, Blick auf
Details, sprechende Artikulation, dynamischer Reichtum, Objektivität geht vor
Emotionalität – beste Transparenz und Balance |
||||
4-5 |
Robin Ticciati |
Scottish Chamber Orchestra |
Linn |
2013 |
32‘27 |
|
selbstverständliche
Perfektion, fast schon wie poliert, jedoch etwas sachlich, sehr helles
Klangbild, Klangfarbendifferenzierung bei den Holzbläsern könnte besser sein,
I 2. Thema etwas langsamer, insgesamt jedoch ziemlich überzeugend |
||||
|
|||||
4 |
Roy Goodman |
The Hanover Band |
RCA |
1993 |
28‘42 |
|
immer bewegte
Tempi, I Hörner und Trompeten anfangs zu laut, auch bei späteren Stellen, was
die Balance beeinträchtigt, vergleichbare Situation auch im zweiten Satz
sowie im Finale, IV etwas unruhig |
||||
4 |
Philippe Herreweghe |
Orchestre des Champs Elysées |
HMF |
2006 |
31‘21 |
|
Herreweghe stellt sich hinter
die Partitur, Ausgewogenheit der Stimmen, I mehr kontrolliert als emotional
aufgeladen, II Trios I und II zu laut, IV eine Feierlichkeit will sich kaum
einstellen, zu nüchtern, V gefällt am Besten |
||||
4 |
Roger Norrington |
London Classical Players |
EMI |
1989 |
29‘37 |
|
I sorgfältig,
korrekt, tempokonstant, II bewegt, III mit 4‘11‘‘ schneller als üblich, etwas
distanziert – Orchester bietet weniger Klangfarben an |
||||
4 |
Roger Norrington |
SWR
Sinfonie-Orchester Stuttgart |
SWR music hänssler |
2004 |
33‘15 |
|
die live-Aufnahme
klingt festlicher und farbiger als die frühere Studioproduktion, Norrington nimmt sich mehr Zeit, trockenes Musizieren |
||||
|
|||||
3-4 |
Nikolaus Harnoncourt |
Chamber Orchestra of Europe |
Teldec |
1993 |
32‘08 |
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I gezogen, Fluss
der Musik immer wieder unterbrochen, an lauten Stellen klingt das (Kammer)
Orchester aufgebläht, II Klang stellenweise etwas dick, III warum nicht etwas
mehr Stringenz?, IV T. 1-12 klebrig, V zu Blech-bewehrt – alles scheint
Harnoncourt von gleicher Wichtigkeit |
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3 |
Florian Merz |
Klassische
Philharmonie Düsseldorf |
ebs |
1991-93 |
31‘12 |
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klingt wie aus den
Kindertagen der HIP-Bewegung: Pauke penetrant vorn und stört die Balance, sf-Soll übererfüllt, I 2. Thema
langsamer, T. 113-121 etwas kurzatmig, II T. 63-70 gestelzt, III schnell,
keinesfalls ein langsamer Satz, IV Pizzicati der
Geigen und Bratschen zu Beginn unhörbar |
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Aufführungen in der Fassung Gustav Mahlers |
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5 |
Riccardo Chailly |
Gewandhausorchester
Leipzig |
Decca |
2007 |
28‘52 |
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Deutliches
Musizieren im Sinne von Mahlers Vorstellungen, sehr farbiger Klang, in dem
das Blech oft eine gesonderte Stellung einnimmt, immer bewegte Tempi, IV
weniger feierlich |
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4-5 |
Michael Gielen |
SWF
Sinfonie-Orchester Baden-Baden |
SWR music hänssler |
P
1970 |
31‘32 |
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ausgewogene
Darstellung die Mahlers Vorschlägen folgt, man hat nicht den Eindruck einer
Vergewaltigung von Schumanns Musik, klanglich weniger farbig |
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4 |
René Leibowitz |
International Symphony Orchestra |
Chesky |
1960 |
32‘03 |
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I mit Druck,
schwungvoll, II bewegt, III nicht schnell, Blick auf Details (gefällt am
besten), IV gehend, schreitend, nicht immer mit der höchsten Transparenz, etwas
geglättet, V wie ein Geschwindmarsch, zackig – Orchester spieltechnisch nicht
immer auf höchstem Niveau |
Hinweise zu Interpreten und Interpretationen
Carl Schuricht
Carl Schuricht scheint eine besondere Affinität zu Schumanns 3.
Sinfonie gehabt zu haben, davon künden drei gelungene Aufnahmen, zwei Im Studio
entstanden, eine weitere als Mitschnitt aus der Stuttgarter Liederhalle. Die
älteste ist eine Decca-Produktion mit dem ihm vertrauten Pariser Conservatoire-Orchester, die mir aufgrund ihres
spannungsvollen und schwungvollen Musizierens, teilweise auch mit Überschwang
(3. Satz), am besten gefällt. Gegen eine Einordnung ganz oben sprechen einige Ritardandi sowie der etwas breite Strich im dritten Satz.
Im vierten Satz stört das Vibrato der Blechbläser und im Finale gehen etliche
Details in dem fast wahnsinnigen Schwung unter. Die Aufnahme klingt hell und
zeitgemäß transparent.
Die beiden Aufnahmen
mit dem SDR-Orchester entstanden im Abstand von wenigen Monaten, live im
Konzert und danach im Studio. Die beiden Interpretationen ähneln sich, trotz
nicht immer kongruenter Tempi. Schuricht gelingt es
auch hier, sich in Schumanns Stimmungen
gut hineinzuversetzen und die Partitur entsprechend umzusetzen. Der Klang des
live-Mitschnitts ist weniger präsent und mit üblichen Unsauberkeiten versehen,
so im 3. Satz mit einer zu früh einsetzenden zweiten Flöte (T. 14 auf 3). In
der Studio-Aufnahme wird etwas genauer und ausgefeilter musiziert.
Die einst so gelobte
Aufnahme mit den New Yorker Philharmonikern muss im Vergleich zu vielen anderen
zeitgenössischen – aber kaum bekannten – sowie den späteren Neuaufnahmen doch
einige Federn lassen. Man gewinnt den Eindruck einer gewissen Nachlässigkeit:
Der erste Satz wird stürmisch drängend angegangen, aber immer wieder, nicht nur
beim 2. Thema, wird das Tempo zurückgenommen. Der Piano-Bereich wird zu
pauschal abgehandelt. Im zweiten Satz klingen die vielen Triolen in Trio 2 wie
überspielt, da mangelt es an der Balance. Im dritten Satz baut der Dirigent
einige nicht vorgesehene Ritardandi (Mahler?) ein.
Der vierte Satz klingt wie zelebriert, leidet m. E. jedoch unter einem zu
breiten Klangbild. Die Pizzicati der Bässe zu Beginn
klingen zu plump. Gleichzeitig sind die Pizzicati der
Geigen und Bratschen nahezu unhörbar. Im Finale will Bernstein Fröhlichkeit
suggerieren, bleibt aber zu sehr an der Oberfläche.
Die Aufnahme mit den
Wiener Philharmonikern klingt zwar gepflegter und geschlossener, bietet jedoch
in den Mittelsätzen langsamere Tempi und weniger Spannung an. Für den vierten
Satz nimmt er sich viel Zeit, die Musik wird zelebriert.
Giulini nahm nur Schumanns
„Rheinische“ in sein Repertoire auf, zweimal hat er sie Im Studio eingespielt,
zuerst 1958 in London mit dem Philharmonia Orchester.
Im Booklet ist zu lesen, dass die Mahler-Ausgabe zugrunde läge. Was aber nur
soweit zutrifft, dass sich Giulini einige Vorschläge
zu eigen macht, andere wieder nicht. Derselbe Autor
behauptet ebenfalls, dass der Dirigent bei der Neuaufnahme mit dem Los Angeles Symphony Orchestra ganz auf Mahlers Vorschläge verzichtet,
was durch den Höreindruck nicht bestätigt werden kann. Zurück zum POL: Die
Musik wird akribisch ausformuliert, mit deklamatorischer Brillanz, aber auch
gewichtig. Das 2. Thema des Kopfsatzes nimmt Giulini
langsamer. Im sogenannten Scherzo lässt er das Hauptthema kräftig aufspielen,
den Trios verordnet er einen lyrischen und feinfühligen Anstrich. Stimmlich
ausgewogen begegnet uns der dritte Satz. Im vierten bringt der Dirigent Licht
in die unterschiedlichen Stimmführungen, die Musik bewegt sich feierlich
schreitend. Bei den Pizzicati der Geigen und
Bratschen bleibt Giulini zwischen Schumann (p) und Mahler (f), auch in der späteren Aufnahme. Kraftvoll musiziert beschließt
das Finale diese Sinfonie.
Auch wenn der
Zeitunterschied zwischen den beiden Aufnahmen nur etwa eineinhalb Minuten ist,
gibt sich die spätere DGG-Aufnahme doch schwerfälliger. Die Musik zieht sich
jetzt zu sehr. Das von Schumann erwartete „lebhaft“
fehlt einfach.
Masur hat Schumanns
vier Sinfonien zweimal eingespielt, in DDR-Zeiten mit dem Leipziger
Gewandhausorchester und nach der Wende mit dem London Philharmonic
Orchestra. Im Falle der „Rheinischen-Sinfonie“ verleiht er den schnellen Sätzen
eine temperamentvolle Darbietung, die Streicher dürfen mit breitem Pinsel ihre
Passagen malen, das bedeutet aber auch eine herabgesetzte Transparenz bei
lauten Partien. Bei der dynamischen Differenzierung wäre mehr drin gewesen, so
klingt es etwas oberflächlich brillant. Am besten gefällt hier der zweite Satz
mit seiner ausgesprochenen Musizierlaune.
Die Aufnahme mit dem
Londoner Orchester ist, abgesehen vom Finalsatz, ein wenig langsamer,
stattdessen jedoch bei größerer Partiturnähe mehr
geformt. Im dritten Satz zieht eine sprechende Artikulation eine höhere
Spannung nach sich. Auch mit der Dynamik geht Masur insgesamt werkgerechter um.
Zuletzt bleibt noch auf den besseren Klang hinzuweisen.
Eine erfreuliche
Aufnahme der „Rheinischen“ steuert Muti mit dem Philharmonia
Orchester bei, entstanden am Ende der 1970er Jahre, als der damals neue
Shooting-Star dieses Orchester als Nachfolger von Otto Klemperer leitete und
bei EMI unter Vertrag stand. Immer dicht an der Partitur bleibend zeigt er,
dass Schumanns angeblich ungeschickte und dicke Instrumentation kein Hinternis sein muss, wenn man das Orchester in der Hand hat
und dabei die Notenvorlage mit wachem Sinn umsetzt. Ausdrucksstarkes und klares
Musizieren, ein wacher Sinn für die Proportionen sowie eine ausgewogene Dynamik
sind weitere Pluspunkte dieser Platte, die damals in Quadrotechnik
produziert wurde. Dabei gelingen im 4. Satz geheimnisvolle Takte (100-104).
Eröffnungssatz und Finale präsentieren sich meist in strahlendem Klang, dabei
bleibt die Musik in letzterem immer locker. Beim Scherzo jedoch, hält sich Muti
an Schumanns Vortragsbezeichnung „sehr mäßig“, was eigentlich nicht zu diesem
„schnellen“ Satz passt.
Etwa 15 Jahre später
erfolgt eine Neuaufnahme mit den Wiener Philharmonikern beim Philips-Label. Die
beschriebenen Vorzüge der POL-Aufnahme sind auch hier zu finden, die Tempi
entsprechen in etwa der Vorgängeraufnahme, bis auf den Kopfsatz, der eine
Minute schneller gespielt wird. Leider produzieren die Philips-Techniker nur
ein mulmiges Klangbild, es ist weniger klar und das Orchester ist nach hinten
gerückt. So bleibt die EMI-Aufnahme erste Wahl.
Christoph Eschenbach
Innerhalb von acht
Jahren hat Eschenbach Schumanns Sinfonien zweimal
aufgenommen, mit den Bamberger Symphonikern und dem NDR Sinfonie-Orchester. Mit
den Bambergern hört man sorgfältig einstudierte Interpretationen, die gewichtig
und etwas fest musiziert werden. Die Lautstärke im p-Bereich ist etwas großzügig ausgelegt. Zwischen den lebhaften
Ecksätzen siedelt Eschenbach drei langsame Sätze an, wovon mir der dritte
aufgrund des nuancenreichen Musizierens am besten zusagt. In der jüngeren
NDR-Einspielung, die eine ähnliche Musizierhaltung pflegt, wird bis auf den
vierten Satz jeweils etwas schneller musiziert, das wirkt sich auch auf eine
nun lockere Spielweise aus. Auch das Klangbild ist farbiger als zuvor.
Bei sehr vielen
Kompositionen, die Levine auf Tonträger aufgenommenen hat, liegen zwei
Interpretationen vor, so auch von den vier Schumann-Sinfonien. Die erste
Aufnahme entstand mit dem Philadelphia Orchester für RCA, die zweite in Berlin
für die DGG. Bei ersterer hat man den Eindruck einer gewissen Glätte, der
Dirigent stellt die große Linie heraus und achtet weniger auf Details und eine
gute Feinabstimmung. So bleibt das Geheimnisvolle der pp-Takte im zweiten Satz T. 100-104 unentdeckt. Insgesamt wird die
Lautstärke im p-Bereich etwas
großzügig ausgelegt. Der Höhepunkt dieser Einspielung ist der vierte Satz, der
mit Feingefühl vorgetragen wird. Bei etwa demselben Musizieransatz gefällt die
DGG-CD aufgrund des tieferen Eindringens in die Partitur besser. Levine lenkt
das Hörer-Ohr auf mehr Details des kompositorischen Prozesses. Leider lässt er
mit etwas breitem Pinsel musizieren.
Christian Thielemann
Die zweite Aufnahme
wurde 20 Jahre später mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden bei einer
Japantournee mitgeschnitten. Die Einwände bezüglich Tempi und Agogik gelten
auch hier, auch wenn sie weniger extrem ausfallen. Thielemann scheint immer um
Einzelabschnitte bemüht zu sein, weniger um den Zusammenhang. Ihm scheint das
rheinische Lebensgefühl, das der Komponist hier ausdrücken möchte, fremd zu
sein. Die klangliche Seite sieht jedoch besser aus, mit einer sehr guten
Transparenz, deutlich kann man das Solo der Celli im dritten Satz T. 17 ff.
vernehmen.
eingestellt am 03.10.20