Das Klassik-Prisma |
|
Bernd Stremmel |
Diese Webseite ist urheberrechtlich geschützt.
Klavierquartett Es-Dur op. 47
Sostenuto assai-Allegro ma non troppo – Scherzo.Molto vivace – Andante cantabile – Finale.Vivace
Als letztes Werk des so reich mit Kammermusik gesegneten Jahres 1842 schuf Robert Schumann sein Klavierquartett Es-Dur op. 47. Es steht auch heute noch im Schatten des unmittelbar davor entstandenen Klavierquintetts in derselben Tonart mit der Opuszahl 44. Dafür mag es mehrere Gründe geben. Das Quintett ist großformatiger geformt, der Pianist kann wie bei einem Klavierkonzert als Solist glänzen. Beim Klavierquartett jedoch steht mehr die kompositorische Arbeit im Vordergrund, das Klavier ist enger mit den drei Streichinstrumenten verbunden. Eine Aufführung des Quintetts lässt sich leichter bewerkstelligen, zu einem gestandenen Streichquartett gesellt sich noch ein Pianist. Würde dies auch für das Quartett gelten, müsste einer der Geiger auf seine Mitwirkung verzichten. So ist es zu verstehen, dass hier nur acht Einspielungen mit verkleinertem Streichquartett spielen. Echte Klavierquartett-Formationen sind aufgrund des beschränkten Repertoires eine Seltenheit. Nach einigen Jahren lösen sie sich wieder auf, nachdem sie immer wieder die gleichen Werke aufgeführt haben. Hier sind drei Klavierquartette vertreten. Am meisten nehmen sich vier Solisten der Komposition an, oder Klaviertrios, mit einer zusätzlichen Bratsche.
Das Niveau der hier vorgestellten Interpretationen ist ausgesprochen hoch, richtige Ausreißer nach unten sind mir nicht begegnet.
Argerich – Capucon – Chen – Capucon |
EMI |
2006 |
27'43 |
5 |
live - I mit mitreißendem Schwung, II atemloses Scherzo, Trios deutlich langsamer, III molto espressivo, erfülltes Musizieren |
Le Sage – Nikolitch – Berthaud – Salque |
alpha |
2009 |
26'48 |
5 |
I geheimnisvolle E, sehr gutes Miteinander, zwischen Kammermusik und Konzertpodium, Primarius drängt sich nicht vor, II immer sehr locker und brillant, III stimmungsvoll, IV hellwach |
Schubert Ensemble London |
hyperion |
1993 |
26'58 |
5 |
I geheimnisvolle E, sehr gutes Zusammenspiel, dynamische Präsentation bestens, Klavier gut in den Klang eingebunden, II Scherzo und Trios gut voneinander abgehoben, III im Ausdruck etwas zurückhaltend, Vorschläge der Vl. und Va. ab T. 4 zu leise, IV vivace, nicht A. molto |
Fauré Quartett |
ars musici |
2005 |
25'58 |
5 |
I emotionsgeladene Kraft, Musik auf den Punkt gebracht, dynamischer Reichtum, meist schlanke, präzise Tongebung, II pointiert artikuliert, keck, III con spirito, IV virtuos |
Michelangelo Piano Quartet |
Chandos |
2000 |
27'31 |
5 |
HIP-Interpretation mit Originalinstrumenten – I vielschichtiges und farbenreiches Musizieren, zupackend, dynamische Palette nicht immer erschöpft, sehr gute Klangabmischung, II atemlos gespielte Scherzo-Abschnitte, III inspirierte Darstellung, sehr innig, Vorschläge der Vl. und Va. ab T. 4 ganz deutlich, ohne aufdringlich zu wirken, IV pulsierend, immer auf dem Sprung |
Ax – Stern – Laredo – Ma |
Sony |
1992 |
27'02 |
5 |
I darstellerische Konzentration, zupackend, nuancenreich, II bewegt pulsierend, Einwürfe der r. Hd. des Klaviers T. 10-12 und 14-16 sowie später an den entsprechenden Stellen zu leise, III Klangbild der Streicher nicht immer ganz ausgewogen: Va. oft zu sehr zurück, innere Spannung, Vorschläge der Vl. und Va. ab T. 4 zu leise, IV prickelndes Allegro |
|
|||||
Le Guay – Mitglieder des Mandelring Quartetts |
audite |
2009 |
26'24 |
4-5 |
I sehr gutes Miteinander, Va. etwas zurückgesetzt, Stahlsaiten!, deutlicher Klavierpart, gute Transparenz, III insgesamt weniger innig, alles sehr klar, IV virtuoser Ansatz, Vc. etwas zurück, kann sich nicht immer vom Klavierbass lösen – konzertante Darstellung auf dem Podium |
Gould – Mitglieder des Juilliard Quartetts |
CBS Sony |
1968 |
27'40 |
4-5 |
I pulsierendes Musizieren, inspiriert, II kein wirkliches p, Trio I ohne legato in der Klavierstimme, Einwürfe der r. Hd. T. 10-12 und T. 14-16 sowie an den entsprechenden Stellen im weiteren Verlauf kaum hörbar, III phantasiereich, viel Espressivo, IV Allgro molto, mit Hingabe |
Florestan Trio, Th. Riebl, Va. |
hyperion |
1999 |
26'21 |
4-5 |
I zupackend, spontanes Musiziergefühl, gutes Zusammenspiel, II nivellierte Dynamik, etwas grobkörnig, III dichtes Musizieren, Streicher mit breitem Strich und viel Körper |
Mariani Quartett |
Genuin |
2012 |
26'50 |
4-5 |
I mit Verve, elegant, II Scherzotempo im Trio beibehalten, III sehr kantabel, wie selbstverständlich, IV immer locker – Streicher mit schlanker Tongebung |
Horszowski – Schneider – Katims – Miller |
Columbia Philips forgotten records |
1952 |
29'02 |
4-5 |
I Streicher sehr ausgewogen, Kammermusik, Horszowski fügt sich bestens ein, instrumental nicht so poliert wie heute, Kern der Musik wird getroffen, II könnte etwas schneller sein, zeitbedingte Portamenti, III innig, etwas langsam |
Monath, Kl. - Mitglieder des Kolisch Quartetts |
HMV archiphon |
1937 |
24'16 |
4-5 |
I dünner Bogenstrich, weist schon auf spätere amerikanische Quartette hin: z. B. Juilliard; die Violine führt etwas, II aufgekratzt, pulsierend, III vielschichtig, belebt, trotzdem Espessivo, Wdhlg. T. 64-70 fehlt, IV sich vor Exaltiertheit hütend, trotzdem spannungsvoll |
Hoffmann, L. - Mitglieder des Endres Quartetts |
Rundfunkaufnahme |
~ 1963 |
28'33 |
4-5 |
aufmerksames Miteinander, temperamentvoll, atmosphärisch dicht, profilierter Pianist als einfühlsamer Kammermusikpartner |
Hubeau – Mouillère – Naveau - Gamard |
Warner |
1979 |
27'32 |
4-5 |
I mit Hingabe musiziert, Streicher liegen im Klangbild sehr dicht nebeneinander, im Andante verschmelzen sie stellenweise miteinander, das hätte differenzierter sein können, II sehr bewegt, III atmosphärisch dicht, IV emphatisch |
|
|||||
Trio Parnassus, Schlichtig, Va. |
MDG |
2005 |
26'22 |
4 |
I zupackend, II burlesk, etwas grobkörnig, III Dynamik im unteren Bereich nicht top, unruhig, hier hätte man sich mehr Zeit nehmen sollen, IV mit viel Druck musiziert – etwas kompaktes Klangbild |
Pressler – Mitglieder des Emerson Quartetts |
DGG |
1993 |
27'14 |
4 |
gutes Zusammenspiel, Klavier hat den Ablauf in der Hand, etwas Routine im Spiel, Va. stellenweise zu leise – konzertant, wie auf dem Podium, II Klavier nicht so gestochen wie in anderen Aufnahmen, III hier schärfere Trennung der Streicher, Vorschläge der Vl. und Va. ab T. 4 zu leise, IV Spannungsabfall an einigen Stellen, klingt auch etwas mechanisch routiniert |
Beaux Arts Trio, Rhodes, Va. |
Philips |
1975 |
28'18 |
4 |
I sich Zeit lassend, anfangs geringere Spannung, nimmt im Verlaufe des Satzes jedoch zu, II dem Trio I fehlt die intensive Gestaltung, III warmherzig, viel Espressivo, IV entspannt musiziert |
Demus – Mitglieder des Barylli Quartetts |
Westminster MCA |
1956 |
26'35 |
4 |
Klangbild stellenweise (f – ff) ziemlich dicht, Va. oft zurückgesetzt, II Klavier hätte mehr Akzente setzen können, III stimmungsvoll, IV etwas routiniert |
|
|||||
Rösel – Mitglieder des Gewandhaus Quartetts |
Eterna Berlin Classics |
P 1985 |
26'10 |
3-4 |
Streicher bei längeren Tönen mit viel Vibrato (Orchestermusiker), I Vl. verkürzt T. 167-181 ganze Noten, geringere Spannung, II nivellierte Dynamik, II breiter Strich, nur entlang des Notentextes musiziert, IV solide |
Bohle – Mitglieder des Barchet Quartetts |
Vox forgotten records |
1954 |
28'37 |
3-4 |
I entspanntes Musizieren, gutes Miteinander, Streicher mit etwas breitem Strich, II Klavier hätte mehr Akzente setzen können, z. B. T. 11 ff – Ecksätze überzeugen am meisten. Erinnerung an ein einst führendes deutsches Streichquartett, klanglich leider nicht auf dem damals möglichen Niveau: kompakter Klang, topfig, Verfärbungen |
eingestellt am 17.12.2014