Das Klassik-Prisma | |
Bernd Stremmel |
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Sinfonie g-moll KV 183
Neubearbeitung 2012
Klemperer |
Philharmonia Orchestra London |
EMI |
1956 |
19‘09 |
5 |
|
Krips |
Concertgebouw Orchester Amsterdam |
Philips |
1973 |
21‘09 |
5 |
I con brio, ernsthaft, konzentriert, II Wärme, III gravitätisch, IV zu langsam |
Klemperer |
RIAS Symphonie-Orchester Berlin |
audite/Urania |
1950 |
17‘24 |
4-5 |
|
Klemperer |
Concertgebouw Orchester Amsterdam |
archiphon |
1951 |
16‘19 |
4-5 |
live |
Mackerras |
Prager Kammerorchester |
Telarc |
1987 |
26‘15 |
4-5 |
I energisch, schöner Klang, II führt die Instrumente zur Interaktion, IV aufgrund eigenwilliger Phrasierung klingt 1.Thema hier kokett |
Abbado |
Berliner Philharmoniker |
Sony |
1994 |
26‘19 |
4-5 |
I philharmonisch, trotzdem angemessen, II bewegt, genaue Befolgung der fp-Vorzeichen, III Verzierungen der Oboe im Trio, IV sehr nahe am Text |
Conlon |
Scottish Chamber Orchestra |
Erato |
1983 |
20‘53 |
4-5 |
Interpretation auf sehr hohem Niveau, guter Kontrast zwischen den Sätzen, I T.87-97 deutlicher Dialog zwischen Geigen und Bässen, II sehr fein gezeichnet |
Solti |
London Symphony Orchestra |
Decca/Membran |
1951 |
16‘59 |
4-5 |
I straffer Musizierstil, dominierende Streicher, II messerscharfe Artikulation,, III gewichtig, IV sehr lebendig – Achtung: leise Vorechos |
Levine |
Wiener Philharmoniker |
DGG |
1985 |
26‘25 |
4-5 |
I 1.Thema scharf geschnitten, con brio, drängend, Tempo Rubato, II schön, IV übermütig |
Bour |
SWF Sinfonie-Orchester Baden-Baden |
Membran |
1967- 1978 |
21‘27 |
4 |
I solide, II con anima, IV in T.1 und 3 jeweils die beiden ersten Noten gebunden, wiederspricht dem folgenden Verlauf |
Glover |
London Mozart Players |
ASV |
1990 |
19‘21 |
4 |
musikalisch tadellos ohne persönliche Stellungnahme, durchsichtiges Klangbild |
Sawallisch |
Concertgebouw Orchester Amsterdam |
Orfeo |
1958 |
21‘53 |
4 |
live – alles gut organisiert, Sawallisch tritt hinter das Werk zurück, helles Klangbild, I kein forciertes con brio, IV könnte stellenweise etwas straffer sein |
Marriner |
Academy of St.Martin-in-the-Fields |
Philips |
1978 |
19‘57 |
4 |
wie 1971, klanglich etwas besser, II Bässe nicht so deutlich, IV betriebsam |
Marriner |
Academy of St.Martin-in-the-Fields |
Decca |
1971 |
20‘12 |
4 |
Kammerorchester, I eine moll-Sinfonie, jedoch keine von M. in g-moll, II durchsichtig, III Menuettosatz mit deutlichem Tanzcharakter |
Britten |
English Chamber Orchestra |
Decca |
1971 |
23‘25 |
4 |
I 2.Thema klingt hier viel belebter als sonst, T.115f molto crescendo der Bläser, II Adagio, zäh, deutliche Fagotte, III Maestoso!, IV angemessen |
Tate |
English Chamber Orchestra |
EMI |
1989 |
27‘09 |
4 |
I mit Schwung, einige Spielfiguren nicht ganz sauber, II Innenspannung, deutliche Fagotte, III und IV solide |
Krivine |
Philharmonia Orchestra London |
Denon |
1988 |
21‘26 |
3-4 |
I verleiht dem Kopfthema Profil, im weiteren Verlauf jedoch harmloser, II etwas blutarm, Bässe?, III gefällt am besten, IV etwas langsam, wenig Biss |
Walter |
Columbia Symphony Orchestra |
Sony |
1954 |
17‘06 |
3-4 |
in philharmonischer Orchestertradition, breiter Klang, keine Sinfonie eines Jugendlichen, I Th.1 con brio, furioso, unterschiedliche Tempi für die einzelnen Abschnitte, II Adagio, aus romantischem Geist musiziert |
Muti |
Wiener Philharmoniker |
Philips |
1996 |
27‘31 |
3-4 |
I energisch, con brio, bester Satz, II zurückhaltend, nicht alle Gestaltungsmöglichkeiten genutzt, III brav, IV ziemlich trocken, Affinität zu Böhm? |
Bernstein |
Wiener Philharmoniker |
DGG |
1988 |
22‘09 |
3-4 |
Abrundung von Bernsteins Mozart Diskographie ohne eines erkennbareren Grundes, philharmonisches Musizieren, teilweise etwas grob, leichtes Tempo Rubato, insgesamt routiniert |
Böhm |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
1968 |
23‘50 |
3-4 |
I etwas gedrosseltes Tempo, trocken, II schwerfällig, Klangfarben der Fagotte wenig genutzt, III-IV ohne Inspiration |
Celibidache |
London Philharmonic Orchestra |
Decca/EMI |
1948 |
21‘50 |
3-4 |
streicherbetontes Musizieren, Vl.1 führt, etwas akademisch, II Adagio, zäh, III Menuett zu gewichtig, IV gebremstes Tempo |
Aufnahmen in historischer Aufführungspraxis und teilweise mit Originalinstrumenten:
Harnoncourt |
Concentus Musicus Wien |
DHM |
1999 |
27‘19 |
5 |
durchsichtiger Kammerorchesterklang, verfeinertes Konzept gegenüber 1982 |
Harnoncourt |
Concertgebouw OrchesterAmsterdam |
Teldec |
1882 |
26‘50 |
4-5 |
I überzeugendes Konzept verwirklicht, T.87-97 Dialog zwischen Geigen und Bässen, II etwas unruhig, III sehr schnell, Sechzehntel-Noten T.5 und 7 verschluckt, IV wie Satz 1 |
Pinnock |
The English Concert |
DGA |
1993 |
27‘30 |
4-5 |
I energisch, con brio, II immerwährende Seufzermotive, III Menuett, nicht in Richtung Scherzo, IV wie Satz 1 |
Norrington |
SWR Sinfonie-Orchester Stuttgart |
hänssler |
2006 |
25‘27 |
4 |
live – großes Orchester in Kammermusikformat, I akademisch, empfindsames g-moll, II zügig, nüchtern, IV wie am Schnürchen, sportlich – die technische Perfektion scheint im Vordergrund zu stehen |
Koopman |
Amsterdamer Barock Orchester |
Erato |
1988 |
25‘42 |
4 |
I lineares Musizieren, mit Freude bei der Sache, II empfindsam, III Trio: (Natur)Horn T.10-12 nicht perfekt, IV akademisch – Aufnahme mit Hall |
ter Linden |
Mozart Akademie Amsterdam |
Brilliant |
2002 |
27‘48 |
4 |
diese Aufnahme klingt am meisten historisch, I immer präsente Hörner, II irgendwie blutleer, III brav, IV solide |
Bei der Komposition seiner ersten g-moll-Sinfonie bedient sich Mozart bekannter
musikalischer Topoi, wie z.B. Mannheimer Raketen im Kopfsatz, die hatte er bereits auf seinen Reisen mit Vater Leopold kennengelernt, oder fortlaufend Seufzermotive, die schon seit der Barockzeit beliebt waren, trotzdem verrät die Komposition eine ausgeprägte individuelle Handschrift. Auffallend die 4 Hörner, je zwei in B und G in den Ecksätzen. Mozart lässt sie im Finale in den Takten 116-122 sowie 159-163 das Hauptthema sozusagen „in verteilten Rollen" spielen. Zu Mozarts Zeiten ein virtuoser, Aufmerksamkeit erheischender, Gag, bei unseren modernen Ventilhörnern geht dieser vollkommen an den Hörern vorbei. Das musikalische Material wird ausgebreitet, eine motivisch-thematische Verarbeitung können wir hier im frühen Stadium seiner Kompositionstätigkeit noch nicht erwarten, so bleibt es bei Wiederholungen. Hier ist der Dirigent vor die Frage gestellt, ob er sämtliche eingetragenen Wiederholungen ausführen soll. In den von der Sonatenform geprägten Sätzen 1, 2 und 4 sieht die Partitur sowohl eine Wiederholung der Exposition als auch der Durchführung zusammen mit der Reprise vor. Auf Grund fehlender Abwechslung des musikalischen Materials kann eine Ermüdung die Folge sein. Die meisten Dirigenten bringen deshalb jeweils nur die 1. Wiederholung. Alle Wiederholungen berücksichtigen Abbado, Tate, Harnoncourt, Levine, Norrington, Pinnock, ter Linden, Mackerras und Koopman (außer im 2.Satz), Muti (außer im letzten Satz). Bruno Walter lässt alle Wiederholungen aus, Celibidache wiederholt nur den ersten Teil des Andantes.Otto Klemperer scheint Mozarts kleine g-moll-Sinfonie gemocht haben, drei Aufnahmen sind uns aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts hinterlassen. Der Dirigent macht uns Hörern klar, dass es sich hier nicht um eine der vielen Jugendsinfonien handelt, sondern um ein außergewöhnlich gehaltvolles Werk des noch jungen Meisters, das zeitgenössische Produktionen dieses Genres ohne weiteres übertrifft. Dies sollte bei einer Interpretation auch dem Hörer vermittelt werden und die Sinfonie nicht nur als Pflichtstück innerhalb einer Aufnahmeserie dargeboten werden, wie man es bei bekannten und bedeutenden Dirigenten erleben kann. Klemperer nahm Mozarts Notentext ernst, er lässt immer deutlich musizieren, wichtig waren ihm auch die Bässe incl. Fagott. Im Kopfsatz legt Klemperer ein schnelles Tempo vor, die Musik wird energisch vorangetrieben, con brio wird beim 1.Thema ernst genommen. Der langsame Satz ist Andante überschrieben, nicht Adagio, er wird bei ihm ruhig musiziert, jedoch immer bewegt. Die aufregendste Aufnahme liefert uns das Concertgebouw Orchester, hier wird der Ausnahmerang der Sinfonie in den Ecksätzen ganz deutlich. Leider sind bei diesem live-Mitschnitt aufnahmetechnische Mängel nicht zu überhören: das Knistern der Acetatplatten sowie ein angerauhtes Klangbild, das jedoch dem Orchester nicht seine Präsenz nimmt. Die Studioproduktion des RIAS Berlin, früher von Urania, jetzt im verbesserten aber immer noch flächigem Klangbild von audite neu herausgebracht, gefällt auch. Im Kopfsatz scheint Klemperer das energische Voranschreiten wichtiger zu sein als eine Genauigkeit im Detail, man hat den Eindruck, bestimmte Stellen hätten noch etwas mehr geprobt werden müssen. Übrigens beobachte ich hier wie auch beim Philharmonia Orchester im Finale in den Takten 38 und 40 eine unterschiedliche Phrasierung bei den 1. und 2. Geigen. Mit dem besten Klang wartet die Aufnahme die Londoner Aufnahme auf, allerdings ist das Tempo in allen Sätzen ein wenig langsamer. Klemperers Vorstellung von dieser Sinfonie kommt jedoch bestens heraus, daran kann auch die schon oft von mir bemängelte Philharmonia-Oboe nichts ändern.
eingestellt 2004
letzte Ergänzung : 20.01.12