Das Klassik-Prisma |
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Bernd Stremmel |
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Vier letzte Lieder
Frühling - September - Beim Schlafengehen - Im Abendrot
Die Vier letzten Lieder komponierte Richard Strauss am Ende seines langen Komponistenlebens im Jahre 1948 als „Lieder für Sopran und Orchester.“ Sie sind nicht ganz seine letzten, es folgte noch ein allerletztes, „Malven“, Singstimme mit Klavier, für die von Strauss außerordentlich geschätzte Maria Jeritza komponiert und in Dankbarkeit und Verehrung zugedacht. Diese hat zu Lebzeiten einer Aufführung und Veröffentlichung nicht zugestimmt. Erst nach ihrem Tode, sie starb 1983 im hohen Alter von 83 Jahren, wurde Malven aus dem Nachlass veröffentlicht und von Jessye Norman zwei Jahre später von Philips zuerst eingespielt.
Die Themen der Gedichtvorlagen der vier letzten Lieder stammen von Josef von Eichendorff und Hermann Hesse und kreisen um Tod und Abschied. Strauss hatte nicht von vornherein an eine zyklische Aufführung und damit auch an eine bestimmte Reihenfolge der Lieder gedacht. Bei der Uraufführung in London am 22. Mai 1950 sang Kirsten Flagstad, es spielte das Philharmonia Orchester unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler. Testament hat 2007 den Mitschnitt dieses Konzerts , in dem auch noch Werke von Wagner erklangen, veröffentlicht.
Entstanden sind die Lieder in dieser Reihenfolge: Im Abendrot, Frühling, Beim Schlafengehen, September. Bei der Drucklegung 1950 erschienen sie allerdings in folgender Reihenfolge: Frühling, September, Beim Schlafengehen, Im Abendrot. Furtwängler hielt sich jedoch nicht daran und ordnete die Lieder folgendermaßen: Beim Schlafengehen, September, Frühling, Im Abendrot. Ein Jahr nach der Uraufführung stellte Fritz Busch die neuen Lieder in Stockholm mit der Sopranistin Sena Jurinac vor unter Beibehaltung von Furtwänglers Anordnung. Ebenso Karl Böhm, als er 1953 mit Lisa della Casa den Zyklus für Decca einspielte sowie die jüngere Aufnahme mit Felicity Lott und Neeme Järvi. Bei der Aufführung bei den Salzburger Festspielen 1958 tauschten Della Casa und Böhm die Lieder Frühlung und September. Beim Schwarzkopf/Karajan-Mitschnitt werden die Lieder in dieser Reihenfolge gesungen: Frühling, Beim Schlafengehen, Im Abendrot und September. Inzwischen hat es sich eingebürgert, die vier Lieder in der Reihenfolge der gedruckten Partitur vorzutragen.
Zu Mono-Zeiten, also bis etwa 1958, gab es nach meinen Recherchen, außer der genannten mit Lisa della Casa/Böhm, nur eine Schallplattenaufnahme, und zwar mit Elisabeth Schwarzkopf, dem Philharmonia Orchester unter Leitung von Otto Ackermann. Der Jurinac/Busch Radio-Mitschnitt erschien 1989 zum erstenmal bei EMI. Im Stereo-Zeitalter wuchs dann nach und nach die Diskographie und heute vergeht fast kein Jahr, in dem nicht eine Neuveröffentlichung den Markt erreicht.
Die Liedkompositionen sind
sehr atmosphärisch angelegt, darauf muss die Sängerin bei ihrem Vortag
hinarbeiten. Sehr zum Gelingen trägt aber auch die kapellmeisterliche
Behandlung des Orchesters bei, hier darf der Dirigent nicht in der Rolle des
Nur-Begleiters verharren. Unzureichende oder schlechte Textdeutlichkeit der
Sängerin führt zur Monotonie und letztlich zur Langweile. Ein wichtiger
Gesichtspunkt ist auch das richtige Tempo. Strauss
hat das erste Lied mit Allegretto überschrieben, die restlichen Lieder
jeweils mit Andante, d. h., dass das Lied „Frühling“ etwas schneller
vorzutragen ist als die folgenden Gesänge. Keinesfalls sollen diese ins Adagio
abgleiten, wie es bei Sängerinnen der jüngeren Generation oft zu beobachten
ist. Vielleicht war Jessye Norman ihr Vorbild mit
ihren langsamen Tempi. Diese Sängerin vermochte es, ihre Stimme zu formen und
mit stupender Atemtechnik die Phrasen überzeugend zu spannen, aber das war doch
eine Ausnahme! Auch stand ihr ein hellwach agierender Dirigent zur Seite. Es
muss daran erinnert werden, dass jedes einzelne Lied als etwas in sich
Zusammenhängendes dargeboten und nicht die vermeintliche Endzeitstimmung der
drei letzten Lieder beschworen werden sollte. Ist es nicht ein Irrtum, so die
langsamen Tempi zu begründen? Man sollte die vier Lieder keineswegs vom Ende
des 4. Liedes her interpretieren.
In den Liedern „Frühling“ („…selige Gegenwart…“), „September“ („… müd gewordnen Augen zu.“) und „Beim Schlafengehn“ („…tief und tausendfach…“) gilt es langgezogene Koloraturen nicht nur durchzuhalten, sondern auch sinnhaft zu formen. Viele Interpretinnen ziehen es vor, vielleicht im Sinne der Deutlichkeit, nachzuatmen oder/und die Phrase umzuformen, so z. B. „…tausendfach und tausendfach...“. Netrebko singt drei Takt lang „tief“ und wechselt danach erst zu „tausendfach“.
Jurinac |
Busch |
Stockholmer Philharmoniker |
EMI |
1951 |
20‘30 |
5 |
live |
Schwarzkopf |
Ackermann |
Philharmonia Orchestra London |
EMI |
1953 |
19‘16 |
5 |
|
Della Casa |
Böhm |
Wiener Philharmoniker |
Decca |
1953 |
18‘29 |
5 |
|
Norman |
Masur |
Gewandhausorchester Leipzig |
Philips |
1982 |
25‘20 |
5 |
große Stimme, emphatisches Singen, Vibrato könnte etwas
geringer eingesetzt sein, langer Atem, Norman kann dabei ihre Stimme noch
formen, ohne dass sie blass und konturlos wird, Atmosphäre!, daran haben auch
Masur und das Orchester großen Anteil, langsame Tempi, aber keineswegs
verschleppt, ohne Einbruch an Spannung |
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Janowitz |
Karajan |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
1973 |
22‘16 |
4-5 |
Janowitz weiß,
wovon sie singt, jedoch nicht immer voll textverständlich, Karajan lässt das
Orchester aufblühen und holt viele Bläserdetails ans Licht, er weiß aber
auch, wann er das Orchester zurücknehmen muss, Janowitz
wird vom Orchester auf den Armen getragen, ihre Stimme klingt jedoch quasi
exterritorial, etwas vom Orchester abgehoben, insgesamt moderate Tempi, Lied
1 kann man sich schneller vorstellen |
Grümmer |
Kraus, Richard |
Berliner Sinfonie-Orchester |
Gala |
1970 |
17‘52 |
4-5 |
live – fließend, natürliches Singen, in den Höhen kaum
angestrengt, beste Textverständlichkeit, konzentriert; es wird ganz deutlich,
dass es sich um Lieder handelt, nicht um kleine Opernarien! Orchesterklang
nicht sehr farbig, Kraus achtet darauf, dass seine Sängerin nicht in die
Gefahr kommt zu forcieren |
Goltz |
Hollreiser |
Pro Musica Orchester Wien |
Vox Preiser |
1956 |
20‘27 |
4-5 |
im Vergleich zu Grümmer mehr opernhaft,
leidenschaftlich, sehr gut geführte Stimme, langer Atem, gute
Textverständlichkeit, tiefe Töne zu Beginn von „Frühling“ sehr deutlich, im
Gegensatz zu E. Schwarzkopf; Goltz weiß, wovon sie singt; Hollreiser
in bester Partnerschaft, überzeugende Tempi |
Schwarzkopf |
Szell |
Radio-Sinfonie-Orchester Berlin |
EMI |
1965 |
22‘49 |
4-5 |
|
Kuhse |
Neumann |
Gewandhausorchester Leipzig |
Eterna Berlin Classics |
1964 |
17‘49 |
4-5 |
ziemlich überzeugende Darstellung, gute Textverständlichkeit, angemessene
Tempi |
Isokoski |
Janowski |
Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin |
Ondine |
2001 |
20‘51 |
4-5 |
warme, flexible Stimme, weicher Ansatz, ziemlich natürliches
aber auch gestaltendes Singen, Janowski hervorragender Partner |
Della Casa |
Böhm |
Wiener Philharmoniker |
Orfeo |
1958 |
19‘27 |
4-5 |
live |
Nilsson |
Segerstam |
Schwedisches Rundfunk-Sinfonie-Orchester |
Bluebell |
1970 |
20‘06 |
4-5 |
live – große, klare und helle Stimme ziemlich erfolgreich auf lyrischen
Pfaden, weicher Ansatz, wandlungsfähig, keine Höhenprobleme – Segerstam ist ein aufmerksamer Mitstreiter |
Studer |
Sinopoli |
Sächsische Staatskapelle Dresden |
DGG |
1993 |
20‘49 |
4-5 |
Stimme wird in der Höhe eng, sonst ziemlich textverständlich,
Sängerin und Dirigent machen sich die Partitur zu eigen und liefern eine
stimmungsvolle, stellenweise eindringliche und impressionistische (Lied 1)
Leistung |
Flagstad |
Furtwängler |
Philharmonia Orchestra London |
EMI |
1950 |
20‘01 |
4-5 |
live – Mitschnitt der Uraufführung |
Margiono |
de Waart |
Radio Philharmonisches Orchester Holland |
Brilliant |
1993 |
22‘30 |
4-5 |
Margiono ziemlich souverän und überzeugend, Margianos
Timbre eignet sich gut für den visionären Abschiedscharakter der Lieder; sie
gibt keine Primadonna (oder eine, die es gern wäre), sondern präsentiert sich
als im Hintergrund bleibende, feinsinn
interpretierende, stets der Musik dienende Künstlerin - de Waart jedoch weniger inspiriert, „Im Abendrot“ ziemlich
langsam, ohne die Spannung wie bei Masur/Norman |
Augér |
Previn |
Wiener Philharmoniker |
Telarc |
1988 |
22‘07 |
4-5 |
warmes Timbre, natürliches Singen, intensive Gestaltung;
üppiges, farbenreiches Strauss-Orchester, an
manchen pp-Stellen jedoch zu laut, die Augér
bedrängend |
Te
Kanawa |
Davis, Andrew |
London Symphony Orchestra |
Sony |
P 1979 |
21‘03 |
4-5 |
|
Söderstöm |
Dorati |
Royal Philharmonic Orchestra |
BBCL |
1976 |
20‘49 |
4-5 |
live – Liedcharakter getroffen, auch bei höchsten Tönen keine
Probleme, große Bögen, Vibrato manchmal grenzwertig – sehr gute Partnerschaft
mit Dorati |
Mikolaj |
Sollak |
WDR Rundfunkorchester Köln |
CPO |
2009 |
21‘13 |
4-5 |
einigermaßen gute Textverständlichkeit; Solistin mit langem
Atem, jedoch etwas begrenzter Höhe, nie zu lautes Orchester, Sollak aufmerksamer, differenzierender Begleiter, der der
Solistin Raum zur Entfaltung ihrer Stimme lässt: Tempi bereits an der Schwelle
der Langsamkeit, obwohl der Dirigent im Booklet vor langsamen Tempi warnt;
bei etwas schnelleren Tempi hätte sich hier und da mehr Lockerheit
eingestellt |
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Lott |
Järvi,
Neeme |
Royal Scottish National Orchestra |
Chandos |
1986 |
20‘15 |
4 |
Lied 1 Lott dramatisiert den Text zu
viel, nicht mehr natürlich, Lied 3 Lott setzt etwas
langsamer ein als die Vorgabe des Orchesters, ruhig im Vortrag, Lied 4
Orchester wird nicht genug gefordert, Lott mit
langem Atem |
Schwarzkopf |
Szell |
Concertgebouw Orchester Amsterdam |
APL |
1964 |
19‘49 |
4 |
live |
Mattila |
Abbado |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
1998 |
22‘19 |
4 |
live – Textverständlichkeit nicht immer gegeben, bei hohen und
exponierten Tönen zu viel Vibrato, stimmungsvolle Orchesterbegleitung |
Te
Kanawa |
Solti |
Wiener Philharmoniker |
Decca |
1990 |
19‘16 |
4 |
|
Pieczonka |
Haider |
Orchestre Philharmonique de Lille |
Nightingale |
P 1999 |
19‘16 |
4 |
helle Stimme, grenzwertiges
Vibrato, Textverständlichkeit ist gegeben, angenehm sängerfreundliche Tempi;
Haider nur Begleiter, der Orchester sehr zurückhält und wenig Profil
entwickeln lässt |
Stemme |
Pappano |
Covent
Garden Orchestra |
EMI |
2006 |
20‘49 |
4 |
Stimme mehr ins Orchester eingebettet als in anderen
Aufnahmen, ohne dass sie dabei gefährdet klingt, darüber wacht Pappano - im letzten Lied etwas zu viel Vibrato, meist
textverständlich |
Schwarzkopf |
Kertesz |
Berliner Philharmoniker |
Orfeo |
1962 |
19‘45 |
4 |
live |
Tomowa-Sintow |
Karajan |
Berliner Philharmoniker |
DGG |
1985 |
19‘52 |
4 |
einigermaßen helle Stimme, in der Höhe etwas eng, mit etwas
(zu) viel Vibrato, „September“: keine Spur vom Ende, lebendige Gestaltung, „Im
Abendrot“: 1 vor Ziff. E Sängerin und Flöten nicht zusammen; Orchester
freier, jedoch nicht immer so differenziert wir bei Janowitz |
Arroyo |
Wand |
Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester |
hänssler |
1967 |
18‘54 |
4 |
live – nicht sehr wandlungsfähige Stimme, etwas fest, etwas
weniger Vibrato wäre überzeugender, ziemlich textverständlich gesungen, gute
Partnerschaft zwischen Arroyo und Wand, der die Partitur auflichtet und
öffnet für sonst kaum zu hörende Details, z. B. in Lied 4 Bassklarinette und
Kontrafagott vor „…der Tod?“, angemessene Tempi! |
Price, Leontyne |
Leinsdorf |
New Philharmonia Orchestra |
RCA |
1973 |
19‘09 |
4 |
Price verfügt 1973 nicht mehr über die leichte Stimme der frühen
60ern, sie springt jetzt schwerer an, trifft aber weitgehend die Stimmung der
Lieder, grenzwertiges Vibrato, herabgesetzte Textverständlichkeit,
Vokalverfärbungen bei hohen und höchsten Tönen, partnerschaftliche Begleitung
durch Leinsdorf |
Kupper |
Schnackenberg |
Bremer Philharmoniker |
Radio Bremen |
1962 |
22‘07 |
4 |
live, unveröffentlicht – trotz langsamerer Tempi ( 4.Lied
etwas schleppend) Stimme immer sicher geführt, große Textverständlichkeit |
Popp |
Haitink |
Sinfonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks |
Bayerischer Rundfunk |
1985 |
18‘18 |
4 |
live - unveröffentlicht |
Popp |
Tennstedt |
London Philharmonic Orchestra |
EMI |
1982 |
23‘44 |
4 |
|
Popp |
Tilson
Thomas |
London Symphony Orchestra |
RCA |
1994 |
20‘27 |
4 |
|
Harteros |
Luisi |
Sächsische Staatskapelle Dresden |
Sony |
2007 |
20‘03 |
4 |
|
Harteros |
Jansons |
Sinfonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks |
BR Klassik |
2009 |
20‘56 |
4 |
live |
Brewer |
Runnicles |
Atlanta Symphony Orchestra |
Telarc |
2006 |
20‘12 |
4 |
etwas feste Stimme, aber textverständlich, Vibrato in höchsten
Lagen grenzwertig, schleppendes Tempo im letzten Lied, Runnicles
mehr als nur solide |
Schwarzkopf |
Karajan |
Philharmonia Orchestra London |
EMI |
1956 |
18‘41 |
4 |
live |
Hendricks |
Sawallisch |
Philadelphia Orchestra |
EMI |
1994 |
19‘03 |
4 |
schmale Stimme, Textverständlichkeit nicht immer gegeben, da
auch von zu viel Vibrato Gebrauch gemacht wird, Vokal „a“ fällt besonders in der
Mittellage unschön heraus, Sawallisch ein gewohnt zuverlässiger Begleiter |
Rothenberger |
Previn |
London Symphony Orchestra |
EMI |
1974 |
21‘12 |
4 |
R. singt ziemlich geradlinig, man hat den Eindruck ohne richtige
Anteilnahme, Stimme wenig modulationsbereit, große Bögen werden zergliedert –
Previn lässt das Orchester aufblühen, weiß aber
auch genau, wo er es zurückhalten muss |
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Jurinac |
Sargent |
BBC Symphony Orchestra |
BBCL |
1961 |
19‘02 |
3-4 |
live |
Fleming |
Thielemann |
Münchner Philharmoniker |
Decca |
2008 |
22’07 |
3-4 |
live |
Eaglen |
Runnicles |
London Symphony
Orchestra |
Sony |
1999 |
21’14 |
3-4 |
Eaglen muss sich nicht
die Höhe für diese Lieder erkämpfen, Stimme ins Orchester eingebettet, nicht so langer Atem, singt oft unter Druck; Konsonaten im Anlaut werden
oft übergangen, nicht immer textverständlich,
geringere Differenzierung;
Tempo des letzten Liedes zu zäh, im
5. Takt nach B sind Solistin und Hörner nicht ganz zusammen |
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Marton |
Davis, Andrew |
Toronto Symphony Orchestra |
Sony |
1985 |
18‘34 |
3 |
ausladende Stimme ab c‘‘, stark tremolierende Tongebung stellt
sich gegen die Textverständlichkeit, die leisen Abschnitte gelingen besser,
Marton bemüht sich um differenzierten Vortrag, stößt dabei jedoch immer
wieder an ihre Grenzen, stellenweises Lispeln |
Voigt |
Masur |
New York
Philharmonic Orchestra |
Teldec |
1998 |
20‘05 |
3 |
live – nervendes Dauervibrato,
Textfehler eins vor E in „Frühling“, Masur kann nichts mehr retten |
Fleming |
Eschenbach |
Housten
Symphony Orchestra |
RCA |
1996 |
24‘04 |
3 |
|
Röschmann |
Nézet-Séguin |
Rotterdam Philharmonic Orchestra |
BIS |
2010 |
21‘15 |
3 |
Lied 1 Stimme in hoher Lage angestrengt, flattrig, eng und
wenig textverständlich, Lied 2 Phrase „Der Sommer …..entgegen“
wird nach „still“ unterbrochen, helle, wenig wandlungsfähige Stimme, immer kleine
Abschnitte, keine richtigen Zusammenhänge, Stimmverfärbungen, Lied 4
verschleppt – Dirigent und Orchester zeigen geringe Inspiration |
Kaune |
Oue |
NDR Radiophilharmonie Hannover |
Berlin Classics |
2004 |
22‘36 |
3 |
Kaunes
Stimme nach vorn gezogen, in höchsten Lagen viel Vibrato, sonst einigermaßen
textverständlich, das Orchester klingt zu träge, die einzelnen Lieder
schleppen sich dahin, hier wäre der Dirigent gefordert, Oue
gibt jedoch kaum Impulse |
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|
Krieger |
Förster |
Berliner Symphoniker |
Brilliant |
2007 |
21‘31 |
2-3 |
bei hohen und höchsten Tönen eng, etwas bessere
Textverständlichkeit als Merbeth, schleppende
Tempi, die Musik verliert den Zusammenhang, keine Gestaltung seitens des Dirigenten
spürbar |
Merbeth |
Halász |
Staatskapelle Weimar |
Naxos |
2006 |
22‘46 |
2-3 |
Dauervibrato, geringe Variabilität bei der Stimmführung, kaum dynamische
Differenzierung, geringe Textverständlichkeit, längere Phrasen (langsame Tempi)
werden unterbrochen, die Lieder besitzen keine Konturen, sie schleppen sich
dahin, breit, unbeweglich, zäh, von Halász gehen
kaum Impulse aus, nur Begleiter, Lied 3: eins vor C Horn 1 fehlt der runde
Ton, Lied 4: Pauke zu Beginn ein wenig zu spät |
Netrebko |
Barenboim |
Staatskapelle Berlin |
DGG |
2014 |
21‘43 |
2-3 |
live – üppiges Vibrato, geringe Textverständlichkeit in den
ersten beiden Liedern, wenig modulationsfähige Stimme, Stimme immer im Vordergrund;
an einigen Stellen wird mehr skandiert als gesungen, unnötiges Forcieren in
Lied 3 bei „und die Seele unbewacht“; man hat den Eindruck, dass Netrebko nicht richtig verstanden hat, was sie singt,
sonst würde sie in Lied 4 nach „stiller Friede“ das folgende „so tief im
Abendrot“ nicht so laut auf Kosten der Stimmung hervorheben; ähnlich am Ende
von Lied 3, hier wird das ausklingende „zu leben“ unnötig hervorgehoben –
Barenboim lässt die Staatskapelle leider größtenteils al fresco aufspielen, erst am Ende des
letzten Liedes erklingt die Musik geformter; warum diese CD? Viele
Musikfreunde sehen dies gewiss anders. |
nur
Lieder 2 – 4:
Flagstad |
Sebastian |
Orchester der Städtischen Oper Berlin |
audite |
1952 |
18‘21 |
3-4 |
live |
Hinweise
zu Sängerinnen, Dirigenten und Interpretationen:
Kirsten
Flagstad
Auf
Wunsch von Richard Strauss sollte die Flagstad die
Uraufführung der Vier letzten Lieder übernehmen, die dann ein Jahr nach Tod des
Komponisten mit Wilhelm Furtwängler am Pult des noch jungen Philharmonia
Orchesters in London stattfand. Die überragende Wagnersängerin Flagstad
verfügte über eine warme, jedoch nicht über die leichte, duftig klingende
Stimme, die in Strauss-Partien angesagt sind. Insofern
war sie keinesfalls eine Idealbesetzung für die Vier letzten Lieder. Darüber
hinaus schaffte ihr die Höhe im „Frühling“ Probleme. Nach der Uraufführung hat
sie die Lieder noch einige Male aufgeführt, so z. B. in Berlin 1952, dabei
verzichtete sie jedoch auf dieses Lied. Furtwängler ist nicht nur Begleiter,
sondern legt großes Gewicht auf die Gestaltung des Orchersterparts,
den „Frühling“ legt er sehr dramatisch an, drängt nach vorn, die beiden
nächsten Lieder werden dagegen langsamer genommen, „Im Abendrot“ sogar
schleppend gespielt. Um die akustische Seite sieht es nicht gut aus, der
historische Klang der Acetatplatten hat wenig Transparenz, eine herabgesetzte
Trennschärfe und weist einige Verzerrungen auf. Klanglich viel besser erhalten
ist dagegen der Mitschnitt aus Berlin, Georges Sebastian stand am Pult des
Orchesters der Städtischen Oper Berlin. Künstlerisch jedoch kann sie mit der
Uraufführung nicht mithalten. Die drei Lieder werden langsam gesungen, wie
zelebriert, im „Abendrot“ sogar verschleppt. Flagstads
Stimme ist schwer geworden, wenig beweglich, außerdem unterlaufen ihr
Abweichungen beim Text. Der Sinn dieser Veröffentlichung ist fraglich.
Elisabeth
Schwarzkopf
Bis
heute gilt diese Sopranistin bei vielen Musikfreunden als ideale Interpretin
der Vier letzten Lieder. Sie denken da vor allem an die EMI-Studio-Produktion
mit George Szell. Dass Schwarzkopf bereits zwölf Jahre zuvor schon einmal mit
diesen Liedern im Studio war, Partner waren damals das noch junge Londoner Philharmonia Orchestra und der heute kaum noch bekannte
Dirigent Otto Ackermann, wissen die wenigsten. Neben diesen kommerziellen
Aufnahmen sind weitere Konzertmitschnitte veröffentlicht worden. Der erste
entstand drei Jahre nach Ackermann mit demselben Orchester unter Leitung des
damaligen Chefdirigenten Herbert von Karajan wiederum in London. Der Produzent
Walter Legge dachte dabei an eine Veröffentlichung,
seine gerade frisch angetraute E. Schwarzkopf war jedoch dagegen, da sie ihren
hohen Qualitätsansprüchen nicht genügte. Erst 1990 gab sie die Aufnahme frei.
Bevor Schwarzkopf und Szell zusammen ins Studio gingen, musizierten sie die
Vier letzten Lieder zumindest einmal auch im Konzertsaal, ein Mitschnitt aus
dem Amsterdamer Concertgebouw ein Jahr zuvor liegt
vor. Geht man noch einmal zwei Jahre zurück, so trifft man die Solistin in
Salzburg mit den Berliner Philharmonikern unter Leitung von Istvan Kertesz, dessen Dirigentenstern damals gerade aufgeht. Die
Auswahl an Interpretationen mit der Schwarzkopf, die für viele die ideale Strauss-Sängerin verkörpert(e), ist also groß. Beim
Vergleich von Lied zu Lied stellt sich für mich folgendes dar: Als ideal im
Sinne von einzigartig, alles überragend kann ich ihren Gesang nicht bezeichnen.
Sie verfügt zwar einerseits über eine leichte Stimme, die auch in hohen Lagen
nicht überanstrengt klingt, anderseits stören ihre immer wieder zu
beobachtenden Vokalverfärbungen und Undeutlichkeiten. Davon sind ihre
Live-Auftritte mehr betroffen als die Studio-Produktionen. Szell wird in
Amsterdam gewiss nicht voll zufrieden mit Schwarzkopfs Klangproduktion gewesen
sein und vor der Berliner Aufnahme mit ihr intensiv gearbeitet haben, was auf
der EMI-Platte nachzuhören ist. Auffallend ist bei dieser gut klingenden Platte
das deutlich langsamere Tempo. Trotzdem bricht die Spannung nicht ein. Szell
war ein versierter Strauss-Dirigent, in seiner
Jugendzeit erlernte er an der Berliner Staatsoper unter den Augen des Direktors
Strauss sein Dirigentenhandwerk. Wie auch sein Mentor
war er kein Tausendsassa am Pult, sondern eher sachbezogen, kontrolliert und
präsentierte seine Gefühle nicht auf einem Silbertablett, konnte aber im
richtigen Augenblick die jeweilige Musik überzeugend und manchmal unübertroffen
darstellen.
Überzeugender
noch als Szell ist bei den Vier letzten Liedern der erfahrene Kapellmeister
Otto Ackermann, den man leider nur sehr wenig ins Studio holte. Bei der ersten
Takten hat man das Gefühl: der weiß, wie man so etwas spielt! Er hat die Musik
im Griff und dirigiert nicht hinter ihr her. Beim Vergleich zu jüngeren und
jüngsten Aufnahmen kann man seine sinnfälligen Tempi, die auf die Sängerin
abgestimmt sind, nur hochloben. Schwarzkopf geht genau auf den Text ein, singt
mit langem Atem und wenigen Vokalverfärbungen. Beim Lied „Beim Schlafengehen“ (um
den Buchstaben G) erlaubt es ihr ihre Atemtechnik, an der Stelle „…tief und
tausendfach…“ den Fluss der Melodie nicht durch Zwischenatmen zu unterbrechen,
übrigens auch bei Szell-Berlin. Diese Platte ist für mich ihre gültigste
Aufnahme. Die Klangtechnik war damals bereits auf hohem Niveau. Der
Konzertmitschnitt mit Karajan überrascht zunächst durch eine Umstellung der
Reihenfolge: 1, 3, 4 und 2. Bei der Darstellung der Lieder 1 und 3 fällt auf,
das der Dirigent die Zügel etwas locker lässt, als wenn er vom Niveau der Musik
nicht ganz überzeugt wäre, sie klingt da etwas kühl und nüchtern. Parallel dazu
bringt die Schwarzkopf im „September“ zwei vor Ziffer G das „-gen“ von „Augen“
bereits auf Zählzeit eins statt auf drei. Am besten
scheint mir hier „Im Abendrot“ gelungen. Der Salzburger Mitschnitt mit Kertesz bietet einige schöne Momente. Man gewinnt aber den
Eindruck, als wenn der Dirigent seiner Solistin nicht die Schau stehlen wollte,
zu sehr nimmt er sein Orchester stellenweise zurück, die Inspiration hält sich
in Grenzen. Die Sängerin kann nicht verbergen, dass ihr der Anfang des ersten
Liedes „In dämmrigen Grüften…“ zu tief liegt. Im Lied 3 hört man von
Schwarzkopf bei Ziffer G nur eine Vokalise.
Lisa
Della Casa
Von
Lisa Della Casa liegen zwei Aufnahmen vor, die Studio-Produktion aus dem Jahre
1953 sowie ein Mitschnitt der Salzburger Festspiele fünf Jahre später, Karl
Böhm dirigierte jeweils die Wiener Philharmoniker. Die Sängerin pflegte
ein natürliches Singen, ungekünstelt, klar, locker
und leicht, die Höhen werden nicht gedrückt, ziemlich textverständlich, jedoch
besitzt ihre Stimme eine etwas geringe Wärme. Böhm begleitet aufmerksam,
insgesamt jedoch wäre eine größere dynamische Differenzierung noch von Vorteil
gewesen, Böhm dirigiert mehr die große Linie. Der Salzburger Mitschnitt
entstand ein Tag nach einer gefeierten Arabella-Vorstellung, in der Della Casa
die Hauptrolle sang, die Stimme der Sängerin war also nicht optimal
ausgeruht. Wie oben bereits erwähnt, wählte man jetzt diese Reihenfolge: Beim
Schlafengehen, Frühling, September, Abendrot. Della Casas
Stimme zeigt noch ihre alten Qualitäten, nach fünf Jahren scheint sie mir etwas
fester geworden zu sein. Im Lied „Frühling“ atmet sie bei der Koloratur „…
Gegenwart“ nicht nach dem 2. Takt nach, wie auch andere Sängerinnen, z. B. Grümmer, von der Goltz, Te Kanawa, sondern zwei Zählzeiten später. Beim Lied „Beim
Schlafengehen“ lässt Böhm in der Salzburger Aufnahme entgegen der Partitur
anfangs nur wenige Pulte spielen, was dieser Stelle gut ansteht. Beim letzten
Lied nehmen Böhm/Della Casa beim Eintritt der Stimme das Tempo jetzt zurück.
Der Klang der Rundfunkaufnahme ist etwas entfernter als früher.
Sena
Jurinac
Die
Jurinac brachte stimmlich alle Voraussetzungen für
eine Strauss-Sängerin mit: leichter Ansatz, locker
geführte Stimme, Wandlungsfähigkeit und sichere Höhe. Alles das kann man in dem
leider akustisch wenig optimal erhaltenen Mitschnitt aus Stockholm mit
ihrem damaligen Mentor Fritz Busch am Pult erleben. Dieser Klangmagier drückt
der Interpretation seinen entscheidenden Stempel auf, hören Sie nur einmal das
zweite Lied „September“! Welche eine Ruhe strahlt „Beim Schlafengehen“ aus! Im
Vergleich zu dieser Jahrhundertinterpretation fällt die 10 Jahre später in
London mitgeschnittene Aufnahme, Sir Malcolm Sargent stand am Pult, doch recht
matt aus. Jurinacs sängerische
Tugenden sind noch zu erleben, ihre Stimme ist jedoch schwerer geworden und die
Textverständlichkeit herabgesetzt. Im Lied „September“ fehlt ihr die
Natürlichkeit. Man hat den Eindruck, als liefere sie eine Kunstleistung ab,
ohne sich sehr auf den Text und seine Aussage einzulassen. Sargent hat nicht
das Kaliber eines Busch und macht es ihr nicht leicht
durch stellenweise zu lautes Orchesterspiel.
Kiri Te Kanawa
Te Kanawa hat
den Zyklus zweimal eingespielt: für CBS mit dem LSO unter Leitung von Andrew
Davis, dann mehr als zehn Jahre später mit Georg Solti am Pult der Wiener
Philharmoniker. Die ältere Aufnahme überzeugt mehr, da sie, abgesehen vom
Finalsatz, einfach lebendiger gestaltet ist. Daran hat auch Andrew Davis seinen
Anteil. Auch bei Solti ist Te Kanawas
Stimme hervorragend geführt, klingt hier jedoch etwas gekünstelt, man hört
Schöngesang. Solti nimmt sein Temperament an die Kandare und lässt das
Orchester gepflegt aufspielen.
Lucia
Popp
Zeitlebens
war Lucia Popp vor allem als Opernsängerin hoch geschätzt. Vielleicht lag dies
begründet in ihrer Ausstrahlung und hervorragender Bühnenpräsenz sowie ihrer
Liebenswürdigkeit im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen sowie ihren
Dirigenten. Ihre stimmlichen Qualitäten können da meines Erachtens nicht
mithalten. Ihr etwas eigenartiger Gesang ist uneben, zerbrechlich, in der Höhe
eng, kehlig und hohl, was leicht zur Einförmigkeit
führt. Die deutsche Aussprache ist keinesfalls makellos (ch,
leichtes Lispeln), auch fallen immer wieder Stimmverfärbungen auf, die auch
ihre Textverständlichkeit mindern. Mit keiner der drei hier aufgeführten
Aufnahmen bin ich glücklich. Am besten gefällt mir ihr Gesang beim
Rundfunkmitschnitt mit Bernard Haitink, obwohl dieser etwas prosaisch nüchtern
agiert. Tennstedt und Popp treffen das erste Lied „Im
Frühling“ überzeugend, mit Blick auf die Endzeitstimmung in den folgenden
Liedern dehnt der Dirigent jetzt die Tempi zu sehr. Immerhin kann der Schluss des
zweiten Liedes gefallen. In Partnerschaft mit Michael Tilson
Thomas und dem Londoner Konkurrenz-Orchester zehn Jahre später singt die Popp
leider etwas affektiert, die Stimme klingt in der Höhe angestrengt, auch sonst
steht sie meist unter Druck. „Beim Schlafengehen“ wird zu langsam genommen, die
Musik droht zu zerfallen. Der Dirigent bleibt insgesamt pauschal, auch
auftrumpfend.
Renée
Fleming
Beide
Aufnahmen der Vier letzten Lieder leiden unter sehr langsamen Tempi, wobei
Thielemann nicht die Extreme wie Eschenbach erreicht. Bei letzterem hört man von Lied zu Lied nachlassende Tempi, zuletzt bleierne
Schwere, die Musik schleppt sich da nur so hin und wirkt wie abgewürgt. Fleming
singt hier mit viel Vibrato und Druck, kein Wunder, wenn ihre Stimme wenig Farben
zeigt. Von Pult gehen kaum Impulse aus. Das bessert sich bei Thielemann, aber
auch er bremst ab „Im September“ nach und nach das Tempo. Fleming kann durch
eine - trotz fester Stimme - natürlichere Tongebung mit weniger
Vibrato mehr überzeugen. Ihr Gesang hat nun Zusammenhang. Besonders im ersten
Lied zeigt sich Thielemanns Strauss-Erfahrung.
Anja Harteros
Auch
bei Anja Harteros kann der Musikfreund unter zwei
Aufnahmen auswählen, die in zeitlicher Nähe entstanden. Harteros
geht auf die Vorlagen ein und lässt ihre Gestaltungskraft spüren. Sie bemüht
sich auch um genaues textverständliches Singen, jedoch bleibt der Ausdruck hier
und da etwas blass. Fabio Luisi achtet darauf, dass die Staatskapelle die
Solistin nicht in Bedrängnis bringt. Mit dem Anfang des letzten Liedes scheint
er wenig anfangen zu können, die Musik tritt etwas auf der Stelle. Mariss Jansons zeigt kaum ein Mehr an Inspiration als sein
italienischer Kollege, beide sind solide Begleiter. Harteros
hält Jansons schleppendes Tempo im letzten Lied souverän durch.
eingestellt
am 09.09.2014
ergänzt
am 06.04.2015