Das Klassik-Prisma

 

 Bernd Stremmel

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Carl Maria von Weber

 

Ouvertüre zur Oper „Euryanthe

 

Webers zweitletzte Oper entstand in den Jahren 1822/23 in Wien im Auftrag des Theaters am Kärtnertor, wo es am 25. Oktober 1823 unter Leitung des Komponisten auch uraufgeführt wurde. Das Libretto stammte von der Schriftstellerin, Dichterin und Librettistin Helmina von Chézy, sie hatte es bereits in Dresden nach 1817 unter dem Titel Geschichte der tugendsamen Euryanthe von Savoyen geschrieben. Der Erfolg war mäßig, weniger wegen Webers Musik als der komplizierten und teilweise unverständlichen Handlung, in die der Komponist noch eingegriffen hatte, jedoch ohne Erfolg. Die Oper konnte sich im Vergleich zu der Oper Freischütz zwei Jahre zuvor nicht durchsetzen. Wagner erkannte jedoch den neuen Weg der durchkomponierten Oper und nahm sie als Vorbild seiner eigenen Werke.

 Zu gleichen Zeit komponierte Franz Schubert die Musik zum Drama Rosamunde, Fürstin von Cypern, ebenfalls aus der Feder von Helmina von Chézy. Auch diesem Stück war bei der Wiener Uraufführung am 20. Dezember 1823 ein Erfolg versagt. Wie bereits bei Euryanthe konnten weder das Textbuch noch die Handlung das Publikum überzeugen. Schuberts Musik jedoch hat sich bis heute erhalten.

 Wie bereits in Webers Freischütz lehnt sich die Musik der Ouvertüre an ausgesuchte Abschnitte der Oper an. Der Komponist bedient sich der dramatischen Konflikte in der Bühnenhandlung zu Beginn und auch am Ende. Dazwischen ist ein sehr leise und ruhig gehaltener Abschnitt (Largo) von 15 Takten (T. 129-143) eingefügt (Geistermusik), der von vierfach geteilten Geigen zu je 2 Spielern – con sordino – sowie Bratschen gespielt werden soll. Es folgt ein schnellerer Abschnitt quasi in Fugenform (T. 144-196), dessen Thema aus der Arie „Ich bau‘ auf Gott und meine Euryanth“ entnommen ist, jedoch in Umkehrung. In einem Sonatensatz wäre es die Durchführung. Ab T. 197 folgt die Reprise mit der abschließenden Coda.

Auch wenn sich die Oper bis auf den heutigen Tag auf der Bühne nicht durchsetzen konnte, begegnet man der Ouvertüre von Zeit zu Zeit im Konzertsaal.

 

5

Erich Kleiber

Kölner Rundfunk- Sinfonie-Orchester

medici arts

1956

9‘06

 

 

live – in romantischem Geist musiziert, Brio und Gefühl schließen sich nicht gegeneinander aus – Kleibers letztes Konzert

 

5

Rudolf Kempe

Bamberger Symphoniker

BMG        DGG

1963

9‘05

 

 

Kempe hat eine gute Hand für diese Musik, geschmeidiges Musizieren, gute Transparenz, etwas Hall

 

5

Oskar Fried

Berliner Philharmoniker

Grammophon    M&A

1928

7‘42

 

 

elastisches, schnörkelloses Musizieren, vielschichtig, farbenreich trotz der antiquierten Aufnahmetechnik, Fried zieht einen großen Bogen vom Anfang bis zum Schluss – Störungen der Schellacks

 

5

Stanislaw Skrowaczewski

Hallé Orchestra Manchester

IMP

P 1994

9‘21

 

 

Dirigent macht sich Webers Partitur zu eigen, klar gegliederter Duktus, spürbare Vitalität in den Eckpartien, feinsinnig musiziertes Largo; Stimmführungen nicht verstellt, die Bässe finden bei Skrowaczewski mehr Beachtung als anderswo – Aufnahme klingt in lauten Tutti-Abschnitten etwas kompakt

 

5

Howard Griffiths

WDR Sinfonieorchester Köln

CPO

2014

7‘52

 

 

Überschwängliche Eckpartien, sehr zurückhaltender MT, sehr gute Balance und Transparenz

 

5

Gustav Kuhn

Staatskapelle Dresden

Eterna       Capriccio

1985

8‘30

 

 

prägnantes Musizieren, rhythmisch betont, kraftvoll vorwärtstreibend, im MT filigran, im Finale Pauke nach Partitur hervorgehoben

 

 

   

 

4-5

Otto Klemperer

Staatskapelle Berlin

archiphon

1927

8‘37

 

 

in den Außenabschnitten lebendige Darstellung, mit rhythmischem Schwung, fast schon aggressiv, ruhig und zart im MT – leider Rauschen der Schellacks

 

4-5

Otto Klemperer

Philharmonia Orchestra London

EMI

1960

8‘48

 

 

auch hier mit orchestraler Vehemenz, Klangbild jedoch wesentlich runder

 

4-5

Fritz Lehmann

Berliner Philharmoniker

Philips

1951

8‘14

 

 

aufmerksame Umsetzung der Partitur, an einigen Stellen klangliche Schärfe

 

4-5

Wilhelm Furtwängler

Berliner Philharmoniker

DGG     SWF

1954

8‘54

 

 

live Paris,

 

4-5

Hans Schmidt-Isserstedt

BBC Symphony Orchestra

BBCL

1971

8‘39

 

 

Dirigent hat Partitur und Orchester im Griff, Tempo vor Largo bereits zurückgenommen – Klang: Musik klingt etwas wie aus einem Sack, stumpf trotz Studio-Aufnahme

 

4-5

Richard Strauss

Berliner Philharmoniker

DGG    Koch

1928

7‘29

 

 

überwiegend lockeres und elastisches Musizieren, in den ersten Takten nicht hundert Prozent zusammen – insgesamt kompakter Klang, etwas entfernt

 

4-5

Wolfgang Sawallisch

Philharmonia Orchestra London

EMI

1958

8‘44

 

 

schnörkellose Klarheit, im Finale Pauke nach Partitur hervorgehoben, im MT sehr zurückhaltend, fast schon wie entrückt

 

4-5

Michael Pletnew

Russisches Staatsorchester

DGG

1996

9‘34

 

 

gute Orchesterleistung, schnelle Eckpartien entspannt musiziert, sehr ruhiges und leises Largo, dabei geht der Zusammenhang etwas verloren

 

4-5

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS   Sony

1961

8‘44

 

 

gespanntes Musizieren, kein überstürztes Tempo, MT leise und zart, Stimmführungen offengelegt – farbiges Klangbild

 

4-5

Joseph Keilberth

Bamberger Symphoniker

Telefunken    Warner

1953

8‘39

 

 

geradliniges Musizieren, ausdrucksstark – heller und ein wenig flacher Klang

 

4-5

Carl Schuricht

Südfunk-Sinfonie-Orchester Stuttgart

archiphon     hännsler

1962

8‘43

 

 

Anfang mäßig schnell, mehr legato, gewichtig, Largo nicht schleppend – klares Klangbild, gute Balance

 

4-5

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

1958

8‘21

 

 

vital in den schnellen Abschnitten, etwas streng, zart im MT, teilweise leicht stumpfer Klang, vor allem in den Bässen

 

4-5

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DGG

1972

8‘56

 

 

vehementer Zugriff in den Eckpartien, Largo: erhabene Ruhe, delikat geführte Stimmführungen, selbstverständliche Perfektion, in den Tutti-Abschnitten etwas breit und geglättet

 

 

   

 

4

Wilhelm Furtwängler

Berliner Philharmoniker

Myto

1954

9‘18

 

 

live Turin,

 

4

Wilhelm Furtwängler

Wiener Philharmoniker

EMI

1954

9‘21

 

 

 

4

Hermann Scherchen

Orchester der Pariser Oper

Ades

1959

8‘06

 

 

Balance zwischen Bläsern und Streichern nicht immer optimal, Klang oft zu kompakt

 

4

Christian Thielemann

Wiener Philharmoniker

DGG

2002

8‘25

 

 

in den Allegro-Abschnitten geringfügige Beschleunigungen, klangliche Wucht, Largo mit wenig Spannung

 

4

Karl Böhm

Wiener Philharmoniker

Decca

1951

8‘34

 

 

lebendiges Musizieren in Eckabschnitten, schneidende Streicherfiguren der Geigen und Bratschen, ruhiges Largo – helles und flaches Klangbild

 

4

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS    Sony

1968

8‘53

 

 

in den schnellen Abschnitten straffes Musizieren, temperamentvoll, bei einigen Stellen auch plakativ, MT leise, Stimmführungen offengelegt

 

4

Antal Dorati

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Philips

P 1960

8‘29

 

 

anfangs frisch musiziert, Largo sehr langsam und zurückhaltend, mit der Reprise Allegro assai, aber auch etwas geglättet

 

4

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1951

8‘58

 

 

straff gespielte Allegro-Abschnitte, knallig, sehr zurückhaltendes Largo, klangliche Schärfe, historisch

 

4

Ferdinand Leitner

Bamberger Symphoniker

DGG

1952

8‘38

 

 

Leitner stellt sich den Anforderungen der Partitur: zupackend in den schnellen Eckabschnitten, im MT geringe Spannung, insgesamt jedoch etwas routiniert – kompakter Klang

 

4

Rafael Kubelik

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

DGG

P 1964

8‘22

 

 

spontanes Musiziergefühl, etwas romantisierend, Largo mit wenig Spannung

 

4

Neeme Järvi

Philharmonia Orchestra London

Chandos

1989

9‘01

 

 

routinierte Darstellung, MT leiser als pp, Stimmführungen kaum nachzuvollziehen, Tempo ab der Reprise angezogen

 

4

Willem Mengelberg

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Columbia     Naxos

1931

8‘13

 

 

im ersten Abschnitt kein stabiles Tempo, sehr flott im dritten Abschnitt, Largo: Musik tritt auf der Stelle

 

 

Interpretationen nach historischer Aufführungspraxis sowie Originalinstrumenten

 

 

4-5

Roy Goodman

The Hanover Band

Nimbus

1988

8‘56

 

 

überwiegend lockeres Musizieren, Posaunen beherrschen zu sehr die Tutti-Partien, MT sehr leise, Instrumente fast im Stillstand

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweise zu Interpreten und Interpretationen

 

Wilhelm Furtwängler

 Furtwänglers drei Aufnahmen stammen alle aus seinem Todesjahr 1954. Die erste ist eine Studioproduktion aus Wien, die beiden anderen wurden auf Furtwänglers letzter Europa-Tournee mit den Berliner Philharmonikern mitgeschnitten. Die Einspielung mit den Wiener Philharmonikern ist für mich nicht die erste Wahl, da der Dirigent insgesamt zu gewichtig musizieren lässt. Im Largo kommt kaum Spannung auf. Zwei Monate später befinden sich Dirigent und die Berliner Musiker auf ihrer letzten gemeinsamen Tournee (28. April bis 21. Mai), die sie in deutsche Städte sowie nach Frankreich, die Schweiz und Italien führte. Am 4. Mai wurde in Paris die „Euryanthe“-Ouvertüre mitgeschnitten. Sie ist klanglich der Wiener Aufnahme überlegen. Das Orchester spielt schlanker, mit prägnanter Rhythmik und mehr Spannung im Largo. 10 Tage später trat das Orchester in Turin auf und gab seinen Einstand auch hier mit Webers „Euryanthe“-Ouvertüre. Der Mitschnitt steht auf der Höhe desjenigen in Paris. Furtwängler lässt hier mit ein wenig mehr Druck spielen. Im Largo dagegen beeindruckt man mit einem bemerkenswerten con spirito -Vortrag. Das Klangbild ist hell, jedoch auch kompakt und etwas stumpf. Leider wurde das Rauschen der Acetat-Platten nicht herausgefiltert.

 eingestellt am 18.11.24

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