Das Klassik-Prisma


Bernd Stremmel

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Der Zauberlehrling


Einige Komponisten werden lediglich mit einem einzigen Werk verbunden, obwohl noch etliche Geschwisterkompositionen von musikalischem Wert entstanden sind. Paul Dukas und Der Zauberlehrling sind bei Musikfreunden wie mit einer gedanklichen Klammer zusammengebunden, fällt der Name Dukas, denkt man zugleich auch an seine sinfonische Ballade nach Goethes Vorlage. Das Meisterwerk gehört zur Gattung der sinfonischen Dichtung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich eine Blütezeit hatte, Berlioz war dort gewiss der große Vorreiter.

Der Komponist hat hier einen sehr differenziert gestalteten Orchestersatz hinterlassen, farbig instrumentiert mit vielen rhythmischen Finessen. Die Tempi sind den unterschiedlichen Handlungsmomenten vorzüglich angepasst. Auffallend finde ich hier die Bevorzugung zweier tiefer klingender Instrumente, der Klarinette und des Fagotts, die sehr oft von Flöten und Oboen überdeckt werden, daran sind auch Dirigenten nicht ganz unschuldig. Dukas verwendet in seiner Partitur zwei Klarinetten und zusätzlich zwei Bassklarinetten, drei Fagotte und ein Kontrabassfagott. Ihr herber Klang bestimmt maßgeblich den Beginn der beiden Zauberversuche des Lehrlings. Ein weiteres Instrument, das Kornett, aus der französischen Militärmusik stammend, setzt Dukas dann ein, wenn die Situation für den Zauberlehrling heikel wird, z. B. bei Ziff. 47, besonders deutlich tritt sie ab 13 nach Ziff. 49 aus dem Orchesterklang heraus.

Die Partitur stellt an das Orchester höchste Anforderungen in Bezug auf Präzision der Darstellung, etwa vergleichbar mit Till Eulenspiegels lustige Streiche von Richard Strauss. Das darf den Dirigenten jedoch nicht verleiten, das virtuose Orchesterspiel in den Vordergrund zu schieben, sonst mutiert Der Zauberlehrling zu einer Etüde, die den poetischen Hintergrund vergessen lässt, wie z. B. Dutoit. Das Niveau der hier untersuchten Einspielungen ist im Durchschnitt sehr hoch, wie die Tabelle zeigt.

Charles Münch verstärkt an zwei Stellen zwischen Ziffer 30 und 32 den Klang durch Hinzunahme des Glockenspiels, das die Noten der 1. Violinen und der Oboe mitspielt. Auch Frémaux verfährt so, allerdings übertreibt er, da er auch an weiteren Stellen das Glockenspiel als Melodieinstrument einsetzt.

 

Mitropoulos

Minneapolis Symphony Orchestra

Columbia Grammofono

1940

9'30

5

M. gelingt es hervorragend, den Inhalt der Ballade zu vermitteln, ab Ziff. 38 plus animé: man spürt die Angst des Zauberlehrlings, später das Außer-Kontrolle-geraten der Situation, Dynamik im unteren Bereich etwas geglättet, kompakter Klang

Münch

Boston Symphony Orchestra

RCA

1957

10'23

5

sehr konzentriert und spannend, für die Aufnahmezeit erstaunlicher Klang

Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

~ 1957

10'50

5

plastisches Musizieren, der Hörer fühlt sich nahe am Geschehen, A. setzt Tempovorschriften genau um, nicht überhitzt

Mata

Dallas Symphony Orchestra

RCA

1980/81

11'22

5

sehr deutliches Musizieren, farbiges Klangbild, Angst des Zauberlehrlings spürbar


Sabata

New York Philharmonic Orchestra

Urania u. a.

1950

10'40

4-5

live – Sabata gelingt es, den Inhalt der Ballade zu vermitteln, spannungsvoll, klanglich kaum optimal, Publikumsgeräusche, leichtes Rauschen

Levine

Berliner Philharmoniker

DGG

1986

10'37

4-5

temperamentvolles Musizieren, transparentes Klangbild, Klangfarben!, E etwas kühl

Markevitch

Philharmonia Orchestra London

EMI Testament

1952

11'09

4-5

sehr präzise, wie ein Uhrwerk, insgesamt jedoch etwas kühl, Bei Ziff. 38 Angst spürbar

Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS Sony

P 1963

10'21

4-5

Ausdrucksgehalt der Partitur gut getroffen, teilweise impressionistisches Musizieren (z. B. Wasser), saftiger Klang

Silvestri

Philharmonia Orchestra London

EMI forgotten records

1958

11'12

4-5

scharf geschnittene Motive, S. hat eine Vorstellung vom Werk

Silvestri

Bournemouth Symphony Orchestra

EMI

1968

10'23

4-5

besserer Klang, Becken in der zweiten Hälfte zu laut, das nervt etwas

Slatkin

Orchestre National de France

RCA

1996

11'41

4-5

sehr gutes Klangbild, Darstellung fast ideal, langsamste Aufnahme

Mitropoulos

New York Philharmonic Orchestra

CBS Sony

P 1956

9'33

4-5

deutlicher bei verbesserter Klangtechnik, kommt jedoch nicht ganz an die außerordentliche frühere Leistung der Vorgängeraufnahme heran

Leibowitz

Orchestre Symphonique de Paris

Chesky

1960

10'52

4-5

sehr gute Klangregie, sehr deutlich bei Ziff. 43/44, jedoch ohne Mitleid mit dem Zauberlehrling

Fricsay

Lamoureux Orchester Paris

DGG

1952

9'39

4-5

spannende Darstellung, in den Tuttipartien kompakter Klang

Fricsay

Radio-Sinfonie-Orchester Berlin

EMI

1961

10'27

4-5

etwas langsamer, sehr differenziertes Schlagwerk, leider noch enges, weniger aufgefächertes Klangbild

Cantelli

Philharmonia Orchestra London

EMI Testament

1954

10'25

4-5

plastisches Musizieren, con anima, trotz des Alters schon sehr transparent

Blomstedt

Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart

SWR

2004

11'02

4-5

live, unveröffentlicht – viele Details, farbiges Orchesterspiel, Atmosphäre zu Beginn und am Schluss, jedoch geringere Spannung im Hauptteil

Jansons

Oslo Philharmonic Orchestra

EMI

1989

11'04

4-5

technisch perfekt, jedoch nicht auf der höchsten Bedrohlichkeitsstufe

Albrecht, Marc

Orchestre Philharmonique de Straßbourg

Pentatone

2008

10'38

4-5

nicht auf der höchsten Bedrohlichkeitsstufe


Ormandy

Philadelphia Orchestra

RCA

1971

10'30

4

bei Ziff. 6 noch keine Spannung, Klang wenig aufgefächert, stellenweise holzschnittartig, weniger locker

Lopez-Cobos

Cincinatti Symphony Orchestra

Telarc

1999

10'51

4

gutes Klangbild, anfangs mehr korrekt als spannend, das ändert sich jedoch im weiteren Verkauf des Stückes

Dutoit

Orchestre symphonique de Montreal

Decca

1987

11'29

4

Orchesterstudie! Mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen musiziert, nicht so locker

Prétre

Orchestre National de France

EMI

1987

10'22

4

ist da schon etwas Routine im Spiel?

Zinman

Rottderdam Philharmonic Orchestra

Philips

~ 1978

10'42

4

präzise Darstellung, fast wie von einem Uhrwerk gesteuert, jedoch etwas kühl

Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1950

10'10

4

starre Musizierhaltung, Streicher in der E zu laut, auch das Becken von Ziff. 38 – 41, bei Ziff. 43 darf die Bratsche vortreten, anderswo kaum zu hören

Cluytens

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

WDR

1960

11'12

4

live, unveröffentlicht – deutsches Blech, deutsches Holz, deutscher Zauberlehrling

Albrecht, Gerd

Radio-Sinfonie-Orchester Berlin

Schwann

1986

10'24

4

wenig präsent, wenig lockeres Musizieren, transparenter Klang

Krauss, Clemens

Wiener Philharmoniker

DGG

1953

11'03

4

live – Orchester wahrscheinlich kaum vertraut mit der Partitur, kompakter Klang in den Tuttiabschnitten, dort klingt das Orchester wenig locker, ohne Duft

Frémaux

Orchester der Oper Monte-Carlo

DGG

P 1962

9'53

4

frisches Musizieren, federnd, F. versucht die Partitur durch zusätzlichen Einsatz des Glockenspiels zu verbessern, aufgrund des sehr schnellen Tempos ist die Übersichtlichkeit nicht immer gegeben


Rögner

Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin

Eterna          Berlin Classics

1977

11'36

3-4

Anfang zu prosaisch, wenig Spannung, Grundtempo ab Ziff. 6 zu behäbig, kaum eine bedrohliche Situation, durchsichtiges Klangbild, insgesamt sauberes Musizieren


eingestellt am 03. 05. 13

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